Bittersüßer Roman aus der deutschen Nachkriegszeit, mitreißend und authentisch
Buchinhalt:
Westberlin, 1945: Nachdem die Russen marodierend und vergewaltigend über die Berliner hereingebrochen sind, steht der Bezirk jetzt unter amerikanischer Besatzung. Die Freundinnen Karla, Gisela und Elsbeth träumen von einer Musikkarriere, singen mit dem Leierkastenmann und hegen die Hoffnung, dass alles bald besser wird. Auf Karlas Initiative hin gründen sie eine Swing-Band und treten in verschiedenen Clubs auf, Karlas Job im Office der Amerikaner ist dabei eine große Hilfe. Während Karla ihren kleinen Sohn, der in einer Bombennacht verloren ging, verzweifelt sucht und ihr Mann Arthur in Russland vermisst wird, verliebt sie sich ausgerechnet in Major Barnes, ihren amerikanischen Vorgesetzten....
Persönlicher Eindruck:
Nach einer ganzen Reihe eher mittelmäßiger Romane auf dem Markt bin ich von diesem historischen Roman hier wieder voll und ganz überzeugt. Bittersüß und mitreißend, dabei schonungslos ehrlich und deshalb auch so authentisch erzählt Autorin Melle eine Geschichte aus dem Berlin der unmittelbaren Nachkriegszeit. Das Dritte Reich ist untergegangen, jedoch nicht in den Köpfen vieler Menschen – auch das, was danach kommt, beutelt die Bewohner. Die russischen Besatzer sind verroht und vergewaltigen reihenweise die Frauen, derer sie habhaft werden, auch die drei Hauptfiguren der vorliegenden Erzählung.
Trotzdem ist die Zeit eine Zeit des Wandels und der neuen Hoffnung, vieles ist nun möglich, was vorher verboten und verpönt war. Viele Männer sind gefallen oder werden vermisst, die Frauen müssen selbst ihren Mann stehen und bauen als Trümmerfrauen die zerbombte Stadt mit ihren Händen wieder auf – nur, um an reichhaltigere Lebensmittekarten zu kommen.
Karla, Gisela und Elsbeth geht es wie vielen. Dennoch haben die drei Frauen einen Traum und der heißt: Musik. Nach anfänglichen Schwierigkeiten werden sie mit ihrer neu gegründeten Band Swinging Ladies der Besuchermagnet in den Clubs des neu erwachenden Westberlin.
Wer einen kitschigen Liebesroman erwartet, wird schnell merken: diese Geschichte ist anders. Natürlich kommt es zwischen dem Amerikaner Raymond und Karla zu einer zarten Liebe, doch der weitere Fortgang der Beziehung ist bittersüß und unerwartet. Ich möchte auch nicht zu viel verraten – im Mittelpunkt steht die Swingband und der Kampf dreier starker Frauen gegen Anfeindungen, Demütigungen und dem Vorwurf, als Ami-Flittchen sich ins gemachte Nest setzen zu wollen.
Die Erzählung ist mitreißend und vielschichtig, man mag das Buch nicht mehr aus der Hand legen, hat man einmal mit dem Lesen begonnen. Historisch verbürgte Tatsachen, wie die Berliner Luftbrücke, Mauerbau und Mauerfall, Wende und das Verhältnis zwischen Ost und West sind genauso Themen wie die zwischenmenschlichen Konflikte, die jeden treffen – gestern, heute und morgen.
Es handelt sich bei dem Roman um einen Einzelband, keinen Teil einer Reihe, was im Genre der historischen Romane, die zur Zeit der beiden Weltkriege und kurz danach spielen, sehr angenehm auffällt.
Insgesamt eine absolute Leseempfehlung: authentisch, packend, mitreißend!