Eine Fantasy-Reihe, die man gerne weiterempfiehlt.
Mein erster Roman von der australischen Autorin Jennifer Fallon, der Beginn einer ungewöhnlichen, aber nichtsdestotrotz faszinierenden Fantasy-Saga ohne großes Hau-Drauf zum Glück und endlich mal wieder ein ganzer Strauß neuer, frischer Ideen.
Mehr kann ein Leser-Herz eigentlich nicht verlangen, außer die Nachfolgebände natürlich. ;-)
Worum geht es?
Ein Mörder soll ordnungsgemäß geköpft werden, aber der Henker hat leider gerade Urlaub genommen und so soll der Verurteile eben gehängt werden. Dies erweist sich - trotz gebrochenen Genicks - als unmöglich, denn der vermeintlich Tote wacht wieder auf und behauptet, dass auch jeder weitere Versuch, ihn zu töten, vergeblich sein dürfte, denn er sei Cayal, ein Gezeitenfürst und somit unsterblich. Der Erste Spion des Königs, Declan Hawkes, wird zu Hilfe gerufen und der wiederum bittet Arkady Desan, eine junge Historikerin und zufällig Ehefrau des regierenden Fürsten Stellan um Beistand in diesem schwierigen Fall.
Gemeinsam sollen sie herausfinden, ob Cayal lügt oder die Wahrheit erzählt - nämlich, dass er den Mord eigentlich nur begangen haben will, weil er selbst endlich getötet werden möchte - und erfahren nach und nach dessen Geschichte, die mit der ihren noch stark verwoben sein wird, wie sich noch herausstellen wird.
Jennifer Fallon legt mit diesem Roman eine ganz eigene Welt mit vielen unterschiedlichen Protagonisten an und das erfrischend Neue ist unter anderem, dass es bisher keinerlei Schlachten gibt. Gut, das wird sich wohl in den Folgeromanen nicht gänzlich vermeiden lassen, denk ich mal, denn Zündstoff gibt es genug. Aber dennoch liegt der Tenor bei dieser Schriftstellerin ganz offensichtlich woanders.
Zum geschichtlichen Hintergrund: Einst wurde Amaryntha, die Welt, mit der wir es zu tun haben, von der Ewigen Flamme getroffen, die vom Himmel fiel und drei Wesen Unsterblichkeit verlieh, zwei Männern und einer Ratte. Die Überlebenden der ewigen Flamme waren seither mit dem sogenannten Gezeitenstern verbunden, erreichten bei Flut ungeheure magische Macht, bei Ebbe waren sie nahezu hilflos und mußten sich vor den Menschen verstecken.
Einst war Cayal selbst ein Sterblicher, wurde allerdings aus seinem Land verbannt und kam durch Zufall zu einem geheimnisvollen Tempel, in dem eine nie verlöschende Flamme brannte, die von einer Priesterin bewacht wurde. Cayal wurde ihr Geliebter und so selbst zu einem unsterblichen und mächtigen Gezeitenfürst. Er ist der Unsterblichkeit allerdings längst überdrüssig geworden und ebenso der ständig in Fehde zueinander liegenden Gesellschaft der Unsterblichen (von denen übrigens nicht jeder ein mächtiger Gezeitenfürst ist - davon gibt es nur noch sehr wenige), die Menschen wie Tiere nach ihrem Gusto zu manipulieren trachten und sogar eigene Rassen als Sklaven erschaffen haben, die Feliden und die Crasii, letztere eine Kreuzung zwischen Mensch und Tier.
Die unglaublich lange Zeit der Ebbe soll nun allerdings nach Cayals Aussage in weniger als einem Jahr vorbei sein und mit der Flut erreichten die, bei den Menschen längst zu Sagengestalten und in Vergessenheit geratenen, Gezeitenfürsten wieder unglaublich viel Macht, die früher sogar darin gipfelte, dass ganze Kontinente zerstört worden wären. All diese Zusammenhänge erfährt Arkady genau wie der Leser allerdings eher gemächlich nach und nach. Cayal gibt immer gerade soviel preis, wie er unbedingt muß und dadurch erzielt die Autorin einen für den Leser sehr nachvollziehbaren, authentischen Charakter in ihrer Fantasy-Geschichte.
Nebenbei lernen wir die anderen Protagonisten kennen: Arkadys Ehemann Stellan, den sie nicht aus Liebe sondern aufgrund eines Abkommens ehelichte. Stellan ist homosexuell und lebt mit dem undurchsichtigen Jaxyn Aranville zusammen, der offenbar nicht nur das ist, was er zu sein vorgibt, sondern weitergehende böse Pläne hat. Diese Beziehung darf dem König nicht bekannt werden, weil Stellan sonst seine Provinz verlöre und deswegen ging Stellan mit Arkady diese Scheinehe ein. Als Gegenleistung ließ Stellan ihren Vater frei, der sich als Arzt sehr für die Rechte der Sklavenwesen der Crasii engagiert hatte und somit politisch unerwünscht war.
Diese Ehe, geschlossen aus politischem Kalkül hat sich allerdings mittlerweile in eine respekt- und achtungsvolle gute gegenseitige Freundschaft gewandelt, die Arkady erlaubt, selbstständig zu forschen und auch caritativ um die Crasii in den Slums von Lebec zu kümmern - was sie als Tochter eines verarmten und politisch unerwünschten Arztes gewiß nicht könnte.
Mir persönlich gefällt dieses Fantasy-Epos sehr gut, weil es der Autorin - ganz im Stil einer Marion Zimmer Bradley - mehr darum zu gehen scheint, dem Leser eine Welt nahe zu bringen, die gut durchdacht ist und facettenreiche Wesens-und Gesellschaftsformen enthält, wo die Interaktion, Beziehungen und Zusammenhänge untereinander wichtig sind und der Leser an der Lebendigkeit das Was-Wäre-Wenn nachvollziehbar miterleben kann.
Arkady wächst besonders den weiblichen Lesern gewiß sehr schnell ans Herz, der freundliche und sanftmütige Stellan ebenso und man möchte besonders diese beiden gerne bei der Aufklärung jeder Menge noch ungelöster Geheimnisse und zu bestehender Gefahren begleiten.