Gut gemacht
Es ist gemeinhin nicht die Art des Rezensenten, persönliche Erinnerungen in eine Besprechung einfließen zu lassen, sind sie doch zumeist für den/die geneigte/n Leser/in irrelevant und bar jeden Erkenntniswerts (nach dem Muster: „Toll, dass es jetzt die CD gibt, hatte ich früher auch mal auf Kassette!“). Doch bei Hannes Wader soll eine Ausnahme gemacht werden – Erinnerungen:
Der Liedermacher im Berliner „Go-In“ in der Bleibtreustraße, in der Hamburger „Fabrik“ (anlässlich einer Fernsehproduktion, bei der er die lange Wartezeit mit ein paar Bier überbrückte und sich prompt mehrmals verspielte, so dass die Aufnahme erst am nächsten Drehtag fortgesetzt werden konnte), in der (damals noch) Pädagogischen Hochschule Kiel als Stargast einer linkskritischen Veranstaltung, im Audimax der Hamburger Universität (unterstützt vom hervorragenden Werner Lämmerhirt, der 2016 verstarb), bei einem Konzert seines Freundes Reinhard Mey in der Bielefelder Stadthalle aus dem Publikum heraus als Gastsänger die Bühne erklimmend, auf der Leipziger Parkbühne – und zuletzt im „Haus Leipzig“ in der sächsischen Metropole im April 2017 auf seiner Abschiedstournee, mit stehenden Ovationen gefeiert wie anderenorts auch.
Von seiner ersten Platte („Hannes Wader singt“, produziert vom ebenfalls 2016 gestorbenen Knut Kiesewetter) über „7 Lieder“ und den „Rattenfänger“, plattdeutsche Lieder, Volkslieder, Arbeiterlieder, Shanties bis hin zu Bellmann- und Schubert-Versionen – wohl keinen anderen Musiker charakterisiert der Begriff des „Liedermachers“ so treffend wie Hannes Wader (und Reinhard Mey, den man aber auch in die Nähe eines Chanconniers rücken könnte, auch wenn das schon eine sehr feinsinnige Differenzierung sein mag).
Nun Waders Abschied vom Bühnenleben mit 75 Jahren, in Ausschnitten dokumentiert anlässlich seines letzten Konzerts am 30. November im Berliner „Tempodrom“. Zusammen mit dem 2015 schon herausgebrachten Live-Doppelalbum eine Tour d’horizon einer keineswegs geradlinigen Karriere, die hier nicht nachgezeichnet werden soll. Vielmehr möchte der Rezensent nur unterstreichen, dass eine der seit Jahrzehnten prägenden Figuren der deutschsprachigen Musikszene nunmehr abtritt, von der weitaus mehr bleiben wird als nur ihr populäres „Heute hier, morgen dort“.
Ein Mann gänzlich ohne Showallüren, spröde und introvertiert, der von sich zumeist nur durch seine Lieder spricht und etwas von seinem Innersten preisgibt. Einer, der aber auch mit sich und der Zeit ins Reine gekommen zu sein scheint und dies u. a. in folgende Verse fasst: „Dass wir so lang leben dürfen, Schnäpse kippen, Rotwein schlürfen, feurig würzen, Biere stürzen, prassend unser Leben kürzen.“
Und einer, der seine Werke auf der Bühne in klassischer Manier ganz allein und nur mit Gitarre zum Besten gibt, die er besser als viele andere beherrscht. Man mag anmerken, dass nicht mehr alles so griffsauber klingt wie ehedem, doch nach wie vor gilt, was „Die Zeit“ 2013 anlässlich der Verleihung des Echo-Musikpreises schrieb: „Wader kann’s. Keiner seiner Generation ist dem Blues so nahegekommen, keiner hat so viel Drive, Feeling und Swing in den Fingern.“
Und sein Umgang mit Lampenfieber und Textaussetzern ist souverän, wie er bereits auf dem 1987 erschienenen Live-Album „Bis jetzt“ verewigen ließ, als er über eine Zeile im „Rattenfänger“ nicht hinwegkommt und immer wieder neu ansetzen muss: „Dermaßen viel Selbstironie würde auch andere Liedermacher sympathischer wirken lassen“, schrieb 1987 die „stereoplay“ in einer Besprechung.
„Macht’s gut“ ist vor allem als Zeitdokument zu verstehen, sein musikalischer Wert ist für sich genommen begrenzt, kennt man doch die Stücke bereits von Studio- oder anderen Liveaufnahmen her. Der Mitschnitt lebt auch von den Ansagen zwischen den Liedern, und etwa zu Beginn der zweiten Hälfte gibt es zwei berührende Programmpunkte, als Wader die Kraft der Musik für sich und sein dem unvermeidlichen Abschied entgegenstrebendes Leben in „Rosen im Dezember“ beschwört, dem dann das Traditional „Ich fahr dahin“ folgt. Dem Rezensenten ist es der – zugestandenermaßen sentimale – Höhepunkt des Konzerts, für den allein sich schon der Kauf der CD gelohnt hat.