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Anonym
04. August 2022
Chicago 2022: Noch immer hörenswert!
CHICAGO: Born for this Moment
Die Rezension
Von Alfons Constroffer
Die letzten Monate waren nicht so einfach für Chicago: Ende 2021 schied Gitarrist Keith Howland nach einem Handgelenkbruch aus, kurz danach Anfang 2022 Co-Keyboarder und Sänger Lou Pardini, anschließend auch Bassist Brett Simons. Sie alle wurden aber schnell durch Tony Obrohta (Gitarre, Ex-Cetera-Band), Loren Gold (Keyboards, The Who) und Eric Baines (Bass) ersetzt.
Das unter diesen Voraussetzungen noch ein dermaßen gutes Album entstand, erstaunt. Aber Chicago und Produzent Joe Thomas ignorierten alles und machten ihre Arbeit sehr gut. Dabei erschufen sie ein sehr abwechslungsreiches Werk mit ausgereiften Songs und 14 Kuchenstücke für jeden Chicagofan. Und das noch mit einer exzellenten Produktion in sehr guter Klangqualität.
Das Album beginnt mit dem Titelsong „Born for this Moment“, eine Robert Lamm-Komposition (zusammen mit Jim Peterik). Der Song swingt leicht im Latinorhythmus mit jazzigen Kontrabass, gespielt von Robert. Stark blues-rockig gesungen von Neil Donell mit tollen Bläsern.
„If is this goodbye“ überrascht, es ist die erste Fremdkomposition dieses Albums von Joe Thomas (mit Christopher J. Baran, Benjamin J. Romas und Sterling Fox). Eine zarte „Boygroup“ – Ballade im Bratschen-Zupf-Rhythmus, Neil Donell und Robert Lamm singen und der Chorgesang erinnert etwas an „Queen’s“ „Bohemian Rhapsody“. Barocke Bläser.
James Pankow’s (zusammen mit Greg O’Connor) „Firecracker“ kommt stark funk/soulig daher, Neil Donell überrascht mit formidabel soulig gesungen. Funkiger Bass und Bläser, die wie wie die „Faust aufs Auge“ passen.
Danach wieder eine James Pankow (zusammen mit Greg O’Connor und Dennis Spiegel) Komposition: „Someone needed me the most“. Eine Mainstream-Pop/Rock-Ballade mit Bläsern, gesungen von Neil Donell mit Gastsänger Bobby Kimball am Schluss. Sehr packend.
Robert Lamm’s (zusammen mit Jim Peterik und Joe Thomas) „Our New York Time“ ist eins meiner Highlights dieses Albums. Der Song, von Robert gesungen, beginnt fast wie sein Klassiker „Beginnings“ und entwickelt sich zur wunderschönen, unkonventionellen zart Latino- und jazzbehafteten Ballade mit akzentuierten Bläsern.
Anschließend eine wunderschöne, emotionsbeladene Piano-Ballade: Neil Donell’s „Safer Harbours“, von ihm gesungen. Ein verträumter Song mit einigen bläserbetonten, lauten Etappen, zarte Cellos streicheln regelrecht den Song.
Sehr funk/soulig wird es beim nächsten Song: „Crazy Idea“, von Robert Lamm (zusammen mit Jim Peterik), starke Bläser, starker Soulgesang von Neil Donell. Erinnert etwas an „Earth, Wind + Fire“.
„Make A Man Outta Me“ von James Pankow (zusammen mit Keith Howland) kann man als etwas countrybehaftete Brass-Pop-Ballade einstufen, sehr emotional stark gesungen von Neil Donell und Ex-Chicago Keith Howland an der Gitarre.
Blues-Rock-Soulig wird es beim nächsten Song „She’s Right“ von Robert Lamm (zusammen mit Michael James Burn, Joe Thomas und Ramon Yslas). Stark rau-bluesig gesungen von Robert Lamm, starke Bläser.
„The Mermaid (Sereia Do Mar)“ von Robert Lamm (zusammen mit Marcos Valle) ist eine sehr schöne Latino-Pop-Jazzballade gesungen von Robert Lamm mit schmeichelhaften Violinorchester und Posaunen-Solo von James Pankow.
Danach folgt die zweite Fremdkomposition und zugleich der ungewöhnlichste Song dieses Albums: „You’ve got to believe“ von Christopher Baran (zusammen mit Benjamin J. Romas und Joe Thomas), gesungen von Neil Donell. Ein 80er-Jahre Synth-Pop-Dancesong mit Bläsern(!!). Sehr schön nostalgischer Synthesizer.
Dann der zweite ungewöhnliche Song: Robert Lamm’s (zusammen mit Bruce Gaitsch) „For the love“, gesungen von Robert Lamm ist eher ein Solosong. Eine leichte Pop-Ballade im Europa-Pop-France-Stil, mit Violinen, Cellos, Gitarren und Robert Lamm u. a. am Akustik Bass! Sehr starkes Violinsolo am Schluss.
Bei dem anschließenden „If This Isn’t Love“ von Lee Loughnane (zusammen mit John Durill) handelt es sich um eine Brass-Pop-Ballade von Neil Donell gesungen, Lee Loughnane u. a. an der Gitarre und Synth Bass.
Das abschließende „House on the hill“ von Robert Lamm (zusammen mit John Van Eps) ist der krönende Abschluss dieses Albums, von Robert gesungen. Ein unkonventioneller Jazz-Popsong mit Steely Dan/Donald Fagen-Touch, tolles Flötensolo von Ray Herrmann gegen Schluss.
Das ganze Album ist auch noch nach über 55 Jahren Chicago durchaus hörenswert, abwechslungsreich und keinesfalls langweilig. Aber: Das ist nicht Chicago 1967-1978!! Natürlich wirken hier viele Gastmusiker mit. Aber: Das ist Chicago 2022! Wenige schwache Momente, eine erstklassige Produktion und eine sehr gute Klangqualität werten das Album weiter auf. Hut ab!
Interpretation: 8 Punkte (von 10)
Klangqualität: 9 Punkte (von 10)