Sehen Sie auch genau zu?
"Jeder Zaubertrick besteht aus drei Akten.
Im ersten Teil wird das Thema vorgestellt: der Magier zeigt Ihnen etwas ganz Gewöhnliches: ein Kartenspiel, einen Vogel oder eine Person. Er zeigt Ihnen dieses Objekt. Vielleicht bittet er Sie auch darum, es zu inspizieren, damit Sie sehen können, dass es wirklich echt ist, ja, unverfälscht und normal. Doch wahrscheinlich ist es das natürlich nicht.
In der zweiten Phase geschieht der Effekt: der Magier nimmt das gewöhnliche Objekt und lässt damit etwas Außergewöhnliches geschehen. Nun suchen Sie nach den Geheimnissen, aber Sie werden es nicht finden, denn natürlich ist es so, dass Sie nicht wirklich hinsehen; Sie wollen es eigentlich gar nicht wissen. Sie wollen sich täuschen lassen.
Aber noch applaudieren Sie nicht, denn etwas verschwinden zu lassen, ist nicht genug - man muss es auch zurückbringen. Aus diesem Grund hat jeder Zaubertrick einen dritten Akt, den schwierigsten Teil, das Finale.
Man nennt ihn Prestigio."
Das ist sowohl der Prolog als auch das Geheimnis des gleichnamigen Spielfilms ("The Prestige") von Christopher Nolan, in dem zwei Zauberkünstler in einem unerbittlichen Konkurrenzkampf miteinander stehen. Wer diesen herausragenden Film kennt und von "Jonathan Strange & Mr. Norrell" eine ähnliche Dramatik erhofft, wird bitter enttäuscht sein, denn statt eines Prestigios warten auf den Zuschauer nur sieben Stunden märchenhafte Langweile mit müden Special-Effect statt Magie und einer äußerst dünnen Geschichte ohne packenden Zauber.
Die Serie ist gefällig in Szene gesetzt, aber das Setting wirkt auf den zweiten Blick doch ein wenig sperrholzartig und gewollt. Wie bei den meisten BBC-Produktionen sind die beiden Protagonisten relativ interessant entwickelt. Der kauzige, verkopfte Mr. Norrell und der impulsive, weltoffene Jonathan Strange erinnern womöglich ein bisschen an Kehlmanns Gauß und Humboldt, ohne selbstredend auch nur ansatzweise das schöpferische Potenzial von "Die Vermessung der Welt" zu erreichen. Der Plot zieht sich quälend träge durch die Episoden, ohne dass Eigendynamik oder Spannung das Publikum mitreißt. Von einem "furiosen Duell" und einer erbitterten Rivalität der beiden Kontrahenten ist im Klappentext der DVD/Blu-ray die Rede, tatsächlich erleben wir aber nur ein sprunghaftes Fantasy-Abenteuerchen, in dem sich zwei drittklassige "Harry Potter" in die Welt der "Märchenbraut" verirrt haben. Als dramaturgischer Höhepunkt grüßt Goethes "Zauberlehrling", aber die heraufbeschworenen Geister entführen den Zuschauer viel zu oft in ein obskures Schattenreich, deren (unfreiwillige) Bewohner stets einem ermüdenden Ringelpiez mit Anfassen frönen.
Die Handlungsstränge sind wirr verwebt und man vermisst eine stringente Linie, streckenweise behindert die Story sich selbst und tritt auf der Stelle. Statt sich ein wenig schlüssiger der Karriere des Jonathan Strange zu widmen, sehen wir den Schürzenjäger mit zwei Zaubersprüchen hantieren und wenige Szenen später ist das vermeintliche Naturtalent schon zu Mr. Norrells ebenbürtigen Kompagnon avanciert. Das überrascht schon deshalb, weil die Autorin Mr. Norrell als eine Art "Gralshüter der wahren Zauberkunst" aufbaut, die er geradezu akademisch kultiviert. In der Serie ist Magie jedoch lediglich Hexenwerk. Der passende Spruch aus dem richtigen Buch, vielleicht noch ein angestrengtes Körperzucken, und Abrakadabra, die Fresken erwachen zum Leben. Hex, hex, und eine enorme Geisterflotte schippet vor Frankreichs Küste.
Da wir uns ja die verschachtelte, aber dennoch plausible Erzählstruktur von "The Prestige" bereits abgeschminkt haben, müssen wir hier Magie einfach als natürliche Elementarkraft hinnehmen. Was jemanden jedoch befähigt, diese auch zu praktizieren, bleibt ebenso vage, wie die Fehde der beiden ehemaligen Freunde. Der Konflikt ist vielleicht noch nachvollziehbar, doch die Konsequenz nicht annähernd so dramatisch, wie es die Produktbeschreibung verspricht. Letztendlich geht es in "Jonathan Strange & Mr. Norrell" doch nur (wieder) um die gewaltige Kraft der Liebe. Vieles hätten sich und uns die beiden Zauberer ersparen können, hätten sie folgenden Spruch in einen Spiegel gemurmelt: "Katzenauge, Eulenschrei, - was verschwunden, komm herbei!". Denn niemand interessiert sich für die Frau, die verschwindet, - entscheidend ist das Prestigio.