Des Stumpfsinns fader Bruder
"Heilige Frankenstein-Scheiße!" (Debra Morgan)
Bisher hatte ich mich wirklich auf jede neue Dexter-Staffel richtig gefreut, doch bereits während der fünften Staffel hatte ich das Gefühl, dass so langsam das Potential aus der Serie gelutscht ist. War die vierte Staffel mit dem "Trinity-Killer" für mich noch der Serien-Highlight, so empfinde ich die sechste Staffel als die bisher schwächste und als eine ganz und gar verunglückte Fortsetzung. Was man auch immer von "Dexter" hält, die bisherigen Staffeln waren stets qualitativ hochwertig und aufwendig produziert. Mit dieser Staffel gleitet die Serie jedoch endgültig auf bitteres, knallbuntes Soup-Niveau ab. Die Geschichte um den "Doomsday-Killer" enttäuscht sowohl inhaltlich als auch handwerklich. Viele Figuren (die m.E. schon zuvor arg überzeichnet waren) wurden unglaubwürdig weiterentwickelt. Schlampig und plump versucht man in den ersten neun Episoden die Zuschauer aufs Glatteis zu führen.
Um meinen Eindruck einigermaßen plausibel zu erklären, komme ich wohl nicht drumherum, Handlungselemente der Staffel zumindest anzudeuten und spreche also hiermit eine Spoilerwarnung aus!
Zwei wesentliche Dinge haben mir den Spaß an den Folgen gehörig verhagelt: die Art und Weise der Zuschauermanipulation und... Dexter. Nie zuvor ging mir sein Verhalten so sehr auf die Nerven wie in dieser Staffel. Zwar war sein Charakter schon immer recht inkonsequent ausgearbeitet resp. wurde dieser dem Plot der jeweiligen Staffel entsprechend "modifiziert", doch was die Drehbuchautoren in der sechsten Staffel mit der Figur veranstalteten, läßt Fingerspitzengefühl und ein gerüttetes Maß an Realitätsbewußtsein vermissen. Ständig verabschiedet er sich tage- und stundenlang von der Arbeit, um "private Dinge zu erledigen", sein Handeln ist häufig absolut unlogisch und Kohle verdient ein Forensiker in Miami offensichtlich auch in Unmengen, denn Dexter pflegt einen verschwenderischen Lebensstil. Krampfhaft versucht man ihn als sorgenden Vater zu präsentieren, obwohl sich rund um die Uhr das Kindermädchen (die auch immer verfügbar ist) um den Sohn kümmern muss. Vor allem "Die Reise nach Nebraska" (erste Folge der dritten DVD dieser Box) ist eine einzige Zumutung für jeden, der mit dem bisherigen Dexter sympathisierte. Diese ganze Folge wirkt wie ein deplaziertes, überflüssiges Füllsel, um die Staffel auf zwölf Episoden zu strecken.
Zudem ist der rote Faden der Staffel ("Doomsday Killer") wirklich ganz furchtbar gestrickt. Entgegen einiger Rezensenten, bin ich jedoch der Meinung, dass nicht unbedingt die "Kühltruhe" der Knackpunkt ist, sondern die Tatsache, wie der "Inhalt der Kühltruhe" aktiv in die Geschichte eingreift oder vielmehr eingegriffen hat. Grundsätzlich finde ich die Idee des imaginären Mittäters vollkommen okay, - und wie man Zuschauer elegant auf den Holzweg schickt, haben Filme wie "Sixth Sense" oder "Angel Heart" glänzend vorgemacht. Eine ähnlich geschickte Manipulation hätte ich auch von dieser Dexter-Staffel erwartet, doch die Drehbuchschreiber haben sich dem schwachen Niveau der letzten beiden Romane des Dexter-Erfinders Jeff Lindsay angepaßt und eine Geschichte konstruiert, die auf langer Strecke richtig bescheuert wirkt. Um diese einigermaßen glaubwürdig zu erzählen, hätte (der imaginäre) Professor nämlich niemals Dinge (für den Zuschauer sichtbar) bewegen dürfen. Ich fand es auch überflüssig und übertrieben, dass Dexter Travis angekettet in der Kirche auffindet. Dass Prof. Gellar nicht (beratend oder anweisend) wie Dexters Vater in Erscheinung tritt, war jedoch eine durchaus bewußte Entscheidung der Drehbuchautoren, um so den Überraschungseffekt noch zu steigern. Bei mir hat sich diese Strategie allerdings ins Gegenteil verkehrt.
Mich langweilen diese Psychothriller (Buch, Spielfilm, Serien), in denen Morde wie Kunstwerke inszeniert werden, eh inzwischen ganz ungemein. An jedem "Doomsday-Tableau" haben sicherlich stundenlang ein Dutzend Requisiteure mit großem Aufwand und schwerem Gerät gebastelt, uns (Zuschauern) wird der blutige Quatsch dann verkauft, als könne ein einzelnes, labiles Männlein diesen Schauplatz heimlich und in kurzer Zeit so aufwendig präparieren.
Ich muss gestehen, das ich den Kauf dieser DVDs bereue und sehe den letzten beiden Staffeln dieser Serie skeptisch entgegen.