Alessandro Lanzoni: Bouncing With Bud auf CD
Bouncing With Bud
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
(soweit verfügbar beim Lieferanten)
- Label:
- Fresh Sound
- Artikelnummer:
- 11973640
- UPC/EAN:
- 8427328436861
- Erscheinungstermin:
- 4.3.2025
Vor fünfzehn Jahren begegnete ich voller Freude dem jungen Alessandro Lanzoni: schüchtern, mit zerzaustem Haar und einem zurückhaltenden Lächeln, das zu strahlen begann, sobald wir zusammen spielten und unsere beiden Klaviere sich ineinander verwoben und dann wieder in individuelle Klänge verwandelten. Ich war doppelt so alt wie er und offiziell sollte ich ihn unterrichten – aber ich war mir nicht sicher, ob ich ihm überhaupt etwas beibringen konnte.
Wie dem auch sei, ich wollte unbedingt herausfinden, was dieser Millennial zum Frühstück aß. Leise schmiedete ich Pläne. Hatte er jemals einen Jazzlehrer gehabt? Er schüttelte den Kopf, nur klassische Meister. Sein dürftiges Englisch war genauso dürftig wie mein dürftiges Italienisch, aber die Sprache des Jazz beherrschte er bereits fließend. Seine Eltern waren beide Klavierprofessoren an klassischen Konservatorien, daher wuchs er mit zwei Steinway-Flügeln auf. Das erklärte seinen Zugang, seine Motivation und sein Talent … aber es vertiefte nur das Rätsel, wie er in Florenz das Swingen gelernt hatte. Hörten deine Eltern zu Hause Jazz? Nein.
»Per favore, Amico, versuch dich zurückzuerinnern, ganz weit zurück«, schlug ich vor. »Kannst du dich erinnern, wann du zum ersten Mal Jazz gehört hast?« Diese Frage schien ihn zunächst zu verwirren. Ich hörte aufmerksam zu, wie sein Blick in Gedanken weit zurückschweifte, wie der eines Kameramanns auf einem Kran, der seine innere Landschaft überblickte … »Ma si … me lo ricordo, il gioco della radio.« Das Radiospiel. Was war das? Alessandro erzählte mir, dass die meisten seiner Freunde gerne Zeichentrickfilme schauten oder Fußball spielten, aber er bevorzugte das Radiospiel. Dabei setzte er sich auf ein Kissen ans Klavier, hörte dem Radio der Familie zu und spielte jede Melodie nach, die gerade kam. Eines Tages blieb der Sender bei einem Jazzsender hängen, und plötzlich wurde der Fluss der Melodien immer komplexer; sein Lieblingsspiel schien nun kein Ende zu nehmen. Niemand hatte dem Jungen je gesagt, dass dieses Radiospiel schwierig sein sollte, also war es das auch nicht. »Wie alt warst du, Amico?« »Tre anni: drei Jahre alt.«
»Das Radiospiel.« Bud Powells Vater, ein Stride-Pianist, setzte seinen kleinen Bud bereits mit drei Jahren ans Klavier. Mit fünf Jahren begann Bud mit dem klassischen Klavierunterricht und mit acht konnte er Art Tatum transkribieren. Mit zehn Jahren spielte er in der Kirche, und mit fünfzehn war das Wunderkind eine feste Größe im Harlemer Nachtleben und trat mit Erwachsenen auf. Mit zwanzig hatte er bereits seine Stimme als feuriger Klavierpoet des Bebop gefunden, freundete sich mit Monk und Charlie Parker an, und der Rest ist die Geschichte eines schwarzen Genies in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Amerika. Trotz wiederholter Elektrokrampftherapien und Beruhigungsmitteln war Buds Verstand übermenschlich und sein Herz heldenhaft. Er hinterließ unzählige Schätze: Wie Herbie Hancock es ausdrückte, war Bud »das Fundament, aus dem das gesamte Gebäude des modernen Jazzpianos erwuchs«.
Im letzten Jahrzehnt hat Alessandro Lanzoni still und leise seinen eigenen Teil dieses Gebäudes errichtet. Wie dieses bemerkenswerte Album beweist, ist Alessandro architektonisch fest verwurzelt, besitzt aber einen ganz eigenen Sinn für Design. Das Familienunternehmen in Florenz ist natürlich ein Einfluss, und man kann einen Hauch von Paris (auch Buds zweite Heimat) heraushören, aber viel tiefer spürt man Harlem und im Hintergrund New Orleans. Offensichtlich hallt Buds Stimme auf diesen Stücken in Lanzonis Ohren nach, aber das ist nicht mehr das Radiogeschäft. Unser Freund, mittlerweile in den Dreißigern, bevorzugt nun eine andere Art von hochanspruchsvollem Spiel: Jeder Song auf diesem Album ist ein Abenteuer improvisierter Kunst. Alessandro hält einen in Atem und reißt einen manchmal sogar aus dem Sessel.
Lanzoni improvisiert in einer persönlichen, swingenden Sprache, die geerdet wirkt und doch schweben kann. Plötzlich lässt er uns atemlos zurück, um uns dann mit einem Moment von großer Schönheit zu beschenken. Alessandro will sich selbst überraschen lassen und dabei authentisch bleiben. Großzügig lädt er uns ein, mitzumachen, und schon bald fühlen wir uns von ihm gefesselt. Das Ergebnis ist eine bemerkenswerte Demonstration musikalischer Werte in der Praxis. Einige davon sind zeitlose Prinzipien, die Bud und seine Nachkommen weitergegeben haben.
Doch der lyrische Poet, der uns hier verzaubert, ist unverkennbar Lanzoni. Das Repertoire dieses Albums lebt ganz im Augenblick und verbindet auf subtile Weise Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Alessandro führt uns, wohin die Muse uns auch lenkt, ein großzügiger Führer durch das Bekannte und Unbekannte. Dankbarkeit ist wohl die inspirierendste aller menschlichen Emotionen. Lanzonis Liebe zu Bud ist ansteckend und fruchtbar, und dafür sind wir alle dankbar.
Aaron Goldberg
Tracklisting
Disk 1 von 1 (CD)
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1 Hallucinations (Bud Powell) 3:54
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2 Un poco loco (Bud Powell) 3:25
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3 Time Waits (Bud Powell) 2:47
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4 Bouncing With Bud (Bud Powell) 2:47
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5 Bud on Chopin (Alessandro Lanzoni) 1:32
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6 Glass Enclosure (Bud Powell) 3:16
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7 Monopoly (Bud Powell) 4:32
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8 Parisian Throughfare (Bud Powell) 4:49
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9 Tempus Fugit (Bud Powell) 2:51
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10 Dusk in Sunday (Bud Powell) 3:00
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11 Dance of the Infidels (Bud Powell) 3:41
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12 Powellerie (Alessandro Lanzoni) 3:34