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    2. Alle Rezensionen von Jack Crabb bei jpc.de

    Jack Crabb

    Aktiv seit: 15. Februar 2025
    "Hilfreich"-Bewertungen: 10
    32 Rezensionen
    First Two Pages Of Frankenstein

    The National
    First Two Pages Of Frankenstein (CD)

    3 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern Inaktiver Stern
    16.02.2025
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    3 von 5

    Vom Indieklub ans Lagerfeuer

    Nie hätte man sich über The National in der Vergangenheit getraut zu sagen, dass sie früher mehr gerockt hätten. Denn das würde schon fast einer Beleidigung gleich kommen. Und zwar nicht, weil es gelogen wäre, sondern weil die Amerikaner einer der wenigen großen Rockbands der letzten Jahre sind, die es einfach nie darauf angelegt hat eine zu sein. Und trotzdem wirkt „First Two Pages Of Frankenstein“ wie das absehbare Ende einer langen, von leichten, experimentellen Ausbrüchen geprägten Entwicklung weg von der mondänen Kunst des Songschreibens, hin zum romantischen Lagerfeuer-Liedchen. Da überrascht es längst nicht mehr, dass mit „Once Upon The Poolside“ eine unter die Haut gehende Ballade den Opener gibt oder das „Eucalyptus“ der einzige Song ist, für den es sich ausnahmsweise lohnt, die Anlage etwas lauter zu drehen. Den Rest ihres neuen Albums darf man wohlwollend zwischen melancholischer Spätsommerbrise und routiniertem Indierock einordnen. Wie schon für „Iam Easy To Find“ holen sich The National wieder prominente Unterstützung ins Studio. Vielleicht weil sie es sich als Indie-Konsensband längst leisten können oder weil man heutzutage die Streamingzahlen im Augenwinkel haben muss. Die Kollaborationen auf „First Two Pages Of Frankenstein“ zählen dennoch zu den glanzvollen Momenten. Besonders „This Isn`t Helping“ mit Phoebe Bridges und „The Alcott“ mit Taylor Swift. Auch das bereits erwähnte Duett mit Sufjan Stevens, „Once Upon The Poolside“, ist eine sichere Nummer. Im Gegensatz zu solch bleischweren Dramen, die The National nach wie vor in ihrem Repertoire haben, bleibt bei so lauen Lüftchen wie „New Order T-Shirt“, „Tropic Morning News“ und „Ice Machines“ beim Hörer dagegen nur wenig hängen. Eine schwere Geburt sollte ihr neuntes Album werden. Der Grund dafür war ausgerechnet Matt Berniger. Dieser hatte im Vorfeld mit Depressionen zu kämpfen, die es ihm unmöglich machten neue Songs zu schreiben. Wer einen tiefer gehenden Blick auf die Texte wirft, wird das Leid des Sängers in ihnen wieder finden. „First Two Pages Of Frankenstein“ geriet dadurch zum Schicksalswerk der Band und als Beginn einer neuen Ära, wie The National selber sagen. Bleibt nur zu Hoffen, dass sie dann ihren alten Biss wieder erlangen.
    My Back Was A Bridge For You To Cross

    Anohni & The Johnsons
    My Back Was A Bridge For You To Cross (CD)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    16.02.2025
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Zeit für Veränderungen

    Ihre Vielseitigkeit bleibt faszinierend. Über eine Dekade nach dem zerbrechlichen „Swanlights“ kehrt Anohni mit ihrer Band Anohni & The Johnsons zurück. Für „My Back Was A Bridge For You To Cross“ siedelt sie ihre Songs zwischen Motown-Soul, Blues und Rock`N` Roll an. Es ist ein bittersüßes Protest-Meisterwerk geworden.

    Wir erinnern uns: 2016 erschien Antony Hegartys, so der bürgerliche Name Anohnis, Solo-Einstand „Hopelessness“. Hier bot sie eine Art Elektropop von kristalliner Schönheit, mit dem sie den thematischen Schwerpunkt ihrer Musik mehr auf politische Themen lenken wollte. Auch wenn es in den folgenden Jahren um die Britin eher ruhig geworden ist, knüpft ihr neues Album an diese Arbeit an. Schon „It Must Change“ klingt wie eine Kniefall vor dem großen Marvin Gaye. Ein klagender, eindringlicher Text, der unsere (zwischen)menschlichen Probleme mit sprachlich starken Bildern offenlegt. Eingekleidet in elegantem Soul drückt der Song wie eine feste, gut tuende Umarmung zu. Im ästhetisch anspruchsvollen Clip performt sogar das Transmodel Munroe Bergdorf vor der Kamera. Im anderthalbminütigem Interlude „Go Ahead“ kreisen nur kurz blitzende Blueslicks drohend über die Köpfe der Zuhörer hinweg, weil mit „Sliver Of Ice“ direkt das nächste Highlight des Albums folgt. Das Lied ist inspiriert von einer Anekdote Anohnis mit Lou Reed (der auf ihrem Album „Iam A Bird Now“ als Gast zu hören war), den sie in dessen letzten Monaten begleiten durfte und ist eine kontemplative, berührende Reflexion über das Leben. Es sind aber immer wieder die wütenden Anprangerungen Anohnis auf „My Back Was A Bridge For You To Cross“, die die größte Kraft haben. Besonders „Scapegoat“ spricht all die Verletzungen aus, denen sich Transmenschen immer noch ausgesetzt sehen, bis ein weinendes Gitarrensolo die Erlösung bringt.

    Von Beginn an ist Anohnis Musik durchzogen vom Wunsch nach Anerkennung und Gleichberechtigung der Geschlechter, weswegen man auch unbedingt über ist das schöne Covermotiv des Albums reden muss. Jenes ist eine überfällige Verbeugung vor Marsha P. Johnson, jene US-Aktivistin, die sich bereits in den 60er-Jahren für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzte und auch Namensgeberin für Anohnis Bandprojekt ist. Der Albumtitel „My Back Was A Bridge For You To Cross“ ist einer Zeile des letzten Songs „You Be Free“ entnommen und drückt zum einen ihre Dankbarkeit gegenüber Menschen wie Johnson aus, die lange vor ihr die gleichen Kämpfe ausgetragen haben, zum anderen unterstreicht er aber auch, dass sie sich längst der Verantwortung ihrer Rolle in der gegenwärtigen Musikwelt als Trans-Künstlerin bewusst ist. „My Back Was A Bridge For You To Cross“ fühlt den Puls der Zeit und ist das am besten klingende Plädoyer für Humanität und Menschenrechte des Jahres. Auch wegen Anohnis Überstimme, die der Herzschlag ihrer Songs ist. Mit der erhabenen Produktion von Jimmy Hogarth verschmilzt sie hier zu einem sinnlichen Erlebnis, dass die Zeit für gut 40 Minuten vergessen lässt.
    Laugh Track

    The National
    Laugh Track (CD)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    16.02.2025
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Bitte Lachen Sie jetzt!

    Als Laugh Track (zu Deutsch Lachspur) wird im Englischen jener eingespielte „Lacher“ bezeichnet, der die vermeintliche Komik witziger Szenen in Sitcoms einfangen soll. Nun sind die weltweiten Chef-Romantiker des Indierock nicht gerade bekannt für ihren Humor. Dennoch konnte die Band vergangenes Jahr beim geneigten Fan immerhin für ein zufriedenes Grinsen sorgen. Denn „Laugh Track“, ihr im September veröffentlichtes Album ist nicht nur besser als sein ziemlich ausgedünnter Vorgänger- sondern The Nationals Bestes seit Jahren.

    Wenn zwischen beiden Veröffentlichungen nicht gerade mal gut vier Monate liegen würden, könnte man glatt von einer Kehrtwende zum Altbewährtem sprechen. Letztendlich stammen alle Stücke beider Alben aus ein und derselben Aufnahme-Session. Als im August 2022 die Kollaboration mit Bon Iver, „Weird Goodbyes“, als erster Vorbote veröffentlicht wurde, allerdings auf dem acht Monate später erschienenem Comeback der US-Band nicht zu finden war, ahnte noch niemand, dass The National ein weiteres Album bereits in der Hinterhand haben. Ein hervorragendes Gespür für die jeweilige Kopplung hat die Gruppe auf jeden Fall bewiesen. „First Two Pages Of Frankenstein“ hatte vielleicht die schneller zündenden Hits war aber arm an Überraschungen. Dieses Quintett kannte bislang immer nur eine Richtung und zwar nach vorne. Deswegen ist auch „Laugh Track“ keine wirkliche Rückbesinnung, sondern viel mehr das abgeklärteste Album in der Geschichte dieser Band. Kein übergeordnetes Konzept mehr wie auf „Iam Easy To Find“ und auch keine teils ermüdenden Erprobungen auf elektronischem Terrain wie bei „Sleep Well Beast“. The National haben 2023 abgespeckt und klingen so klar wie lange nicht.

    Der Trend der letzten Jahre, ihre Alben mit namhaften Feature-Gäste zu garnieren, setzt sich aber auch ihr wieder fort. Der bereits erwähnte Song mit Justin Vernon sowie das Titelstück (abermals mit Phoebe Bridges) hätten mit ihren minimalistischen Beats auch gut auf das Schwesteralbum gepasst. Nur das rustikale „Crumble“ will nicht so recht ins Gesamtbild der Platte passen. Es sind Songs wie „Deep End (Paul`s in Pieces)“ oder „Space Invader“, die hier besonders aufhorchen lassen und endlich wieder diese Weite skizzieren, die schon etliche, frühere Songs ausgezeichnet hat. Den Twist den letzterer Track in der zweiten Hälfte nimmt und sich von einer romantischen Ballade zu einem sanftmütigen Riesen aufbäumt, bleibt der vielleicht einzige, experimentelle Moment auf „Laugh Track“. The National bleiben die unaufgeregte Rockband der letzten Jahre. Nur das die Gänsehaut von Früher endlich wieder da ist.
    The Collective

    Kim Gordon
    The Collective (CD)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    16.02.2025
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Mach`s gut, alte Welt!

    Auf den Wow-Effekt von „No Home Record“ kann Kim Gordon mit ihrem neuen Album nicht mehr bauen. Eher gibt sie uns mit „The Collective“ und seinen von Lärm umhüllten, materialistischen Protz-Beats Erwartbares. Man könnte noch weiter herumnörgeln und ihr unterstellen, den Zeitgeist um ein paar Jahre verfehlt zu haben, weil Trap mittlerweile vielleicht auch ein bisschen out ist. Viel lieber sollte man sie dafür feiern, dass ihre Musik nicht jene Nostalgie-Veranstaltung sein will, wie die ihres Ex-Mannes.

    Das Stirnrunzeln, welches auf ihrem Soloeinstand noch Songs wie „Sketch Artist“ zum Vorschein brachten, bleibt diesmal aus. Im coolen „Bye Bye“ cruist Gordon mit heruntergekurbelter Autoscheibe durch die Gegend und verabschiedet sich von so ziemlich Allem, was uns unsere Überflussgesellschaft zum Leben bereithält. Die Message hinter den Lyrics bleibt zwar eher wage, dafür klingt der Song umso cooler. Und wenn Gordon mit ihren mittlerweile 70 Jahren definitiv an etwas nicht eingebüßt hat, dann an ihrer Coolness. Und ebenso an ihrem Sinn für Humor. In Zeiten von Diskursen über toxische Männlichkeit darf es wohl erst recht auf einem Album des Ex-Sonic Youth-Aushängeschildes nicht an Songs über dieses Thema fehlen. Mit zynischen Zeilen wie „Dropped out of college, don't have a degree. And I can't get a date. It's not my fault!“ zieht sie in „I`m A Man“ über ihr Gegenüber her. Und wenn es nicht wieder Justin Raison wäre, der auf „The Collective“ größtenteils die Beats schmiedet, könnte man auch die Noise-Rapper von Dälek hinter einem Song wie diesen oder hinter Albträumen wie „Psychedelic Orgasm“ vermuten, bei den Schürfwunden, die man hier davon zu tragen droht.

    „The Collective“ bietet keine hoffnungsvolle Perspektive in ungemütlichen Zeiten. Viel mehr ist das Album ein ängstlicher Blick in den hässlichen Abgrund unserer Gegenwart. Dementsprechend klingt dann genauso auch die Kapitalismuskritik in „Dream Dollar“: brutales Bassgewitter und eine raschelnde Drummachine in feinster Suicide-Manier. „It`s Dark Inside“ torkelt etwas zu ziellos über die Dreineinhalb-Minuten-Grenze und ist vielleicht auch deswegen der einzige schwächere Song. Nichtsdestotrotz lotet Gordon auf ihrer zweiten Platte noch mehr die grenzen zwischen Lärm und Pop aus. Und sie behauptet sich endgültig als ernstzunehmende Solokünstlerin. Über ihre alte Band braucht man spätestens jetzt getrost nicht mehr sprechen.
    To All Trains

    Shellac
    To All Trains (CD)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    16.02.2025
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Mittelfingermusik

    Es wäre mal wieder Zeit darüber zu sinnieren, was ein Song überhaupt alles braucht und was nicht. Wie lebendig das Zusammenspiel von Instrumenten auf Platte auch ohne Studio-Trickserei klingen kann oder über die Notwendigkeit von Refrains und Songstrukturen im Allgemeinen. Steve Albini hätte sicherlich zu all dem eine Meinung gehabt. Aber nun ist er tot und die Musikwelt trauert um einen der wichtigsten Independent-Vordenker und letzten Idealisten. „To All Trains“ ist das erste Lebenszeichen von Shellac seit zehn Jahren. Es ist leider auch der traurige Abschied von Albinis letzter Band.

    Shellac hatten es nicht unbedingt eilig mit den Arbeiten an ihrem sechsten Album. Auf fast fünf Jahre erstreckten sich die Aufnahmen, die sich aber auf nur wenige Sessions aufteilten. Wie immer klingt es so, als ob hier die große Disharmonie zelebriert wird. Die das Trommelfell in Scheibchen schneidenden Gitarren, das manchmal uferlose, meistens aber Backpfeifen verteilende Drumming und das bissige Bassspiel machen mehr den Eindruck einer Freestyle-Perfomance, statt den von runden, sorgfältig durchdachten Arragements. Es ist nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal von Musikern, wenn sich ihre Songs im Grunde immer gleich anhören. Im Falle des Trios aus Chicago muss man diese Ansicht aber zumindest relativieren. Jenes verstand sich schon immer als Antithese zum Typus Band, der immer anders und besser sein will, als auf seinen vorherigen Veröffentlichungen. Bei Shellac dagegen lautete von Anbeginn die Devise: „Wozu irgendwas ändern?!“

    Fans der ersten Stunde dürfen sich bei „To All Trains“ wie zu Hause fühlen. Und sie dürfen sogar ihre Straßenschuhe anbehalten. Kurz und heftig legen die Mathrocker mit „WSOD“ los. Der Song beginnt schon fast feierlich, endet aber mit einem umso dreckigeren Punkrockriff. Das muss reichen. Kurz und schmerzhaft sirrt die Gitarre auch in „Chick New Wave“ und Albini fasst ein letztes Mal lakonisch zusammen, worum es hier geht: „I'm through with music from dudes. What you do isn't brave. All I care about. Is chick new wave. Strained vocals through a bad PA. Music, hair, clothes. Asymmetry in every way. Bleating sax, two finger guitar. Yelps of glee. Asymmetry in every way. I wanna hear high voices. Singing real loud.“ Es ist schön anzuhören mit welcher Kompromisslosigkeit dieser Mann bis zu seinem Lebensende seiner Passion nachgegangen ist. „To All Trains“ ist pure Nostalgie. Ein repetitives Riff in „Girl From Outside“ genügt da auch vollkommen und man sieht sich wieder im „Action Park“ eine Wasserrutsche nach der zu nehmen. „Wednesday“ wächst aus einer verspielten Rhythmus-Figur Todd Trainers zu einem albtraumhaften Spoken-Word-Stück, in dem Albinis kalter Nihilismus alter Tage mal wieder zur Geltung kommt. Auch der das Album abschließende Jam von „I Don't Fear Hell“ jagt einem jedes Mal einen eiskalten Schauer über den Rücken. In Zeiten, in denen längst Algorithmen unseren Musikgeschmack diktieren, Produktionen nicht mehr ohne Lineal auskommen und selbst Artworks mit künstlicher Intelligenz entworfen werden können, ist solcher, auf das Nötigste reduzierter, unprätentiöser Rock, wie der auf „To All Trains“, schon fast wieder eine Entdeckung.
    Funeral For Justice / Tears For Injustice

    Mdou Moctar
    Funeral For Justice / Tears For Injustice (CD)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    16.02.2025
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Moderne Sklaverei

    Eine verlässliche Adresse für experimentelle und progressive Formen des Rocks ist und bleibt Matador Records. Der neueste Hit des amerikanischen Labels heißt Mdou Moctar. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein nigerianischer Gitarrist, der die westliche Musikwelt mit seinem neuen Album das Fürchten lernen will. Und das könnte ihm durchaus gelingen. „Funeral For Justice“ ist bereits der zweite Release des Hauses. Hier wird das alte Rock`N`Roll-Feuer seiner Ahnen wieder angezündet- und dennoch selbstbewusst über den Genre-Tellerrand hinausgeblickt. Was aber über Allem schwebt ist Moctars kritische Auseinandersetzung mit dem Zustand seiner Heimat.

    Wann hat man so etwas zuletzt in einem Musikvideo gesehen? Männer in verschleierter Tuareg-Kleidung spielen Gitarre, Bass und Schlagzeug. Im Clip zu „Funeral For Justice“, ein Song ihres gleichnamigen Albums, treten die vier Mitglieder in einem leeren Klub auf und performen in etwas steifen Bewegungen vor der Kamera. Das sieht, zugegebenermaßen, schon etwas komisch aus. Das soll aber nicht über das ernste Anliegen der Band hinwegtäuschen. Moctars Worte (gesungen wird größtenteils in Tamascheq, der Sprache der Tuareg) richten sich hier direkt an seine nigerianischen Brüder und Schwestern. Das energetische Stück, welches sich zwischen Classicrock und Indie windet, klingt mit seinem eindringlich klagenden Text wie eine Hymne des Widerstands und wie ein Rundumschlag gegen die sozialen und kulturellen Missstände in Nigeria und auf dem gesamten, schwarzen Kontinent.

    Es wäre zu einfach „Funeral For Justice“ als eine Retrorock-Platte abzustempeln, die sich wie selbstverständlich an den Großen der Musikgeschichte bedient. Moctars Gitarrenspiel wurde zwar an anderer Stelle schon mit dem von Eddie Van Halen oder Jimi Hendrix verglichen, eher wirkt das Album wie ein erfrischender Hybrid aus Blues und verschiedenster, traditioneller Stile Afrikas. Komplettiert wird die Band von Bassist Mikey Coltun, der sich hier auch als Produzent erweist, Gitarrist Ahmoudou Madassane und Drummer Souleymane Ibrahim. Es ist besonders diese furios und eigenwillig aufspielende Band, die beim Hören des Albums als erstes begeistert. Stotternde Gitarrenfeedbacks läuten das rasende „Sousoume Tamacheq“ ein, welches virtuos einen Bogen von Hardcorepunk zu Dessertrock schlägt. „Imajighen“ (so bezeichnet sich das Volk der Berber in seiner eigenen Sprache) und „Takoba“ wiegen sich langsam und hypnotisch im Takt. „Imouhar“ kreuzt dagegen Southern Rock frech, aber virtuos mit tanzbaren Rhythmen.

    Auch wenn der geneigte Hörer wahrscheinlich nicht der Sprache Mdou Moctars mächtig ist und kein Wort verstehen wird („Tchinta“ und „Oh France“ werden immerhin in Französisch vorgetragen), sind die Songs von „Funeral For Justice“ ungemein verspielt, melodiös und sprechen gerade dank ihres überirdischen Gitarristen zuallererst ein Rock-Publikum an. Und mit Moctars Texten sollte man sich, trotz der Sprachbarriere, unbedingt auseinandersetzen, die es auch in englischer Sprache zu lesen gibt. In der Übersetzung des schon fast versöhnlich ertönenden „Modern Slaves“ heißt es: „All of our resources have been looted. Youth in pursuit of resources, weeping in dismay, in the ocean's depths, they perish, while you watch“. Ein Aufschrei, so laut, dass er über die europäischen Außengrenzen hinaus bis in die hiesigen Clubs schallt. „Funeral For Justice“ gibt den Unterdrückten eine neue Stimme. Sich dazu bewegen darf man natürlich trotzdem.
    She Reaches Out To She Reaches Out To She

    Chelsea Wolfe
    She Reaches Out To She Reaches Out To She (CD)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    16.02.2025
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Wiedergeburt

    TV On The Radio pausieren nach wie vor. Auch wenn ihre Mitglieder nicht untätig sind. Wie zum Beispiel er hier, Dave Sitek, Gitarrist und kreativer Mastermind der New Yorker Indierock-Querköpfe. Jetzt nahm er sich Chelsea Wolfe an. Immerhin so etwas wie die Gothic-Queen der Hipster-Neuzeit. Eine Kollaboration, die sich auf dem Papier eher nach einem ungleichen Paar liest. Doch allen Zweiflern sei versichert: das Resultat klingt ganz nach Wolfe.

    Es hatte seine Zeit gebraucht, bis Chelsea Wolfe jene Abbiegung genommen hatte, von der besonders ihre letzten Alben gezehrt hatten. Auf „Abyss“ hatte die Amerikanerin nicht nur Drone und Metal für sich entdeckt, sondern endlich auch die nötige Zugänglichkeit erlangt, der ihrer Musik vorher fehlte. Für „His Spun“ tat sie sich mit Converge-Gitarrist Kurt Ballou zusammen. Hier verlor sie sich allerdings in einem Wirrwarr aus krächzenden Gitarren und fragmentarischen Ideen, die zum Teil mehr wie Folterszenen in Endlosschleife klangen. Nicht gerade ihre beglückendste Arbeit. Dann überraschte Wolfe erneut. Diesmal mit dem Singer-Songwriter-Ausflug „Birth Of Violence“. Mit „She Reaches Out To She Reaches Out To She“ gibt sie uns nun wieder die volle Breitseite. Dazu gelernt hat sie trotzdem. Ihr neues Album klingt wie eine Neukonfiguration ihrer eklektischen Kunst.

    Bisher konnte man ihre Stimme oft wie ein zusätzliches Instrument in der Gesamtklaviatur ihrer Songs verorten. Durchaus wahrnehmbar, aber nicht besonders hervorstechend. So sehr wie hier stand sie noch nie im Mittelpunkt. Das liegt zum einem daran, dass Wolfe besser singt. Zum anderen, dass die Produktion dank Siteks Hilfe aufgeräumter wirkt und die Sängerin in ihr mehr zur Geltung kommt. So wie in der beeindruckenden Single „Everything Turns Blue“. Alle Zutaten, die ein klassisches Wolfe-Stück seit jeher ausmachen, sind vorhanden. Die mondän zur Schau getragene Düsternis harmoniert perfekt mit ruhigen Trip Hop-Beats. Und das liest sich viel poppiger, als wie es sich in Wirklichkeit anhört. „House Of Self-Undoing“ reitet im Schweinsgalopp zu peitschenden Drums. „Whispers In The Echo Chamber“ ist eine Walze aus Noise und schweren Gitarren. Kopfweh garantiert dafür das elektronische, wild collagierte „Eyes Like Nightshade“. Es gibt aber auch die brüchigen Momente wie „The Liminal“ oder das balladeske „Place In The Sun“, die diesem Album eine zusätzliche Dimension geben. „She Reaches Out…“ hat eine schiere, schlicht umwerfende Dynamik. Es ist aber auch das Album, auf dem Wolfe uns ihre Wunden zeigt. So verarbeitet sie unter anderem ihre langjährige Alkoholsucht und toxische Beziehungen. Damit mag Wolfe etwas von ihrer geheimnisvollen Aura verlieren. So zwingend wie auf „She Reaches Out…“ klang sie dennoch selten.
    26 bis 32 von 32 Rezensionen
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