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    SusanK

    Aktiv seit: 01. September 2024
    "Hilfreich"-Bewertungen: 0
    32 Rezensionen
    Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels

    Vea Kaiser
    Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    15.10.2025

    Eine Betrügerin macht reinen Tisch

    Angelika Moser, uneheliches KInd einer Wiener Hausbesorgerin, entflieht dem Kleinbürgerlichen, wird Buchhalterin im renommierten Luxushotel Frohmer, und während sie die Nächte mit ihrer Freundin Ingi durchfeiert, zeigt sie sich tagsüber als pflichtbewusste, genaue Zahlenkünstlerin. Nachdem Direktor Frohmer auf sie aufmerksam wird und ihre beruflichen Fähigkeiten für seine Zwecke missbraucht, kommt Angelika auf die Idee, sich Geld zu "leihen" und mittels gefäschten Rechnungen Geld auf ihre Konten abzuzweigen, um so ihre eigenen Probleme damit zu lösen. Denn Angelika ist inzwischen auch alleinerziehende Mutter von dem sprunghaften KIndsvater Freddy, ihre Mutter leidet unter zunehmender Demenz, ihre Freundin Ingi gleitet ins Drogenmilieu ab und dann soll auch noch das Haus, in dem sich ihre Wohnung befindet, verkauft und saniert werden ....

    Vea Kaiser, Wiener Autorin und bereits mehrfache Preisträgerin, legt mit "Fabula rasa" ihren vierten Roman in drei AKten vor.

    Angelehnt an die bekannte Redewendung "tabula rasa" (reinen Tisch) machen, erzählt "Fabula Rasa" die Geschichte der Betrügerin Angelika Moser, die ihrem Arbeitgeber 3,3 Millionen Euro entwendet hat und nun die ganze Fabula (Geschichte) aus ihrer Sicht erzählen möchte und erklären, wie es zu allem kommen konnte.

    Auch, wenn der Titel schon einen Hinweis darauf gibt, dass alles nur eine Geschichte, also etwas Ausgedachtes ist, könnte man beim Lesen auf die Idee kommen, Vea Kaiser würde uns von einer realen, tatsächlich stattgefundenen Straftat erzählen. Denn alles beginnt damit, dass eine namenlose Autorin von einem Betrug in der Zeitung liest und im Anschluss daran die Betrügerin wiederholt im Wiener Gefängnis besucht, um deren Lebensgeschichte und die Hintergründe der Tat zu erfahren - ein Erzählstil, der großartig zum Roman passt.

    Vea Kaiser schreibt bildgewaltig und emotional ausdrucksstark und dabei immer brillant und mit Witz, so dass ich völlig in der Geschichte versinken konnte. Dabei spricht sie eine ganze Reihe von schwierigen Themen an (alleinerziehende Mütter, Gemeinschaft und Freundschaft, gegenseitige Hilfe, unzuverlässige Väter, Geldnot, Drogen, Immobilienhaie, Demenz ...) und alle sind ausnehmend glaubhaft und intensiv geschildert. Das Berührende regt zum Nachdenken an, aber die Autorin schafft es, für ihre Figuren und damit auch die Leser*Innen durch Witz und viele positive Wendungen immer Hoffnung und Zuversicht zu bewahren.

    Großartig ausgearbeitet sind dabei die Figuren, die mehrdimensional und schillernd daherkommen, und kaum ist eine Einteilung in Gut und Böse möglich. Menschliche Schwächen werden erklärt und niemals verdammt und so konnte ich mich nicht nur für Angelika Moser, ihre Mutter und Freddy erwärmen, sondern auch für allerhand weitere Nebenfiguren, die ich allesamt zu kennen glaubte. Natürlich sind Angelikas Betrügereien unentschuldbar, doch mag man sie kaum als "böse" Straftäterin verurteilen und fühlt sehr mit ihr.

    Auch die Stadt Wien und das Wienerische finden ihren Platz in der Geschichte; für Uneingeweihte gibt es zum Glück ein "sehr kleines Wienerisch-Wörterbuch" am Ende; Zitatnachweise und ein Inhaltsverzeichnis runden den Roman ab.

    Mir hat "Fabula Rasa" viel Vergnügen bereitet und die Geschichte wirkt noch lange nach. Absolute Weiterempfehlung und 4,5 Sterne.
    Drei Tage im Schnee

    Ina Bhatter
    Drei Tage im Schnee (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    15.10.2025

    Eine Auszeit

    Hannah, eine Single-Frau Mitte 30, arbeitet hart daran, Karriere zu machen und weiter aufzusteigen. Ihr Privatleben beschränkt sich - außer auf Selbstoptimierung durch Fortbildungen und Training im Fitnessstudio, Wellnesseinheiten und KLeidungssuche - auf mäßge zu Kontakte zu Freundinnen. Um "ihre Akkus wieder aufzuladen", verbringt sie ein Wochenende in einem Holzhäuschen im Nirgendwo und es beginnt zu schneien. Zunächst überlegt sie, schon wieder abzureisen, als ihr das kleine Mädchen Sonja begegnet. Die beiden freunden sich an, mychen Schneeengel, bauen ein "Schneinhorn" und trinken weißen Kakao. Dabei verliert sich Hannah in Erinnerungen und Gedanken über ihr Leben, ihre Ziele und die Freude, die sie vermisst ...

    Die deutsche Journalistin Ina Bhatter hat mit "Drei Tage im Schnee" ihr erstes Buch vorgelegt. Da sie selbst beruflich im PR-Bereich arbeitet und sich den Luxus einer längeren Auszeit genommen hat (allerdings ein Jahr auf Weltreise), gibt es gewisse Überschneidungen mit ihrer Figur Hannah, die sie überaus authentisch dargestellt hat.

    Als Ich-Erzählerin lässt Bhatter ihre Leser*Innen teilhaben an den Erinnerungen und Gedanken Hannahs, die echte Freude in ihrem Leben vermisst. Mittels des angenehmen, sanften Schreibstils taucht man tief in Hannahs Gefühlswelt ein, die in der Atmosphäre des alleinstehenden Häuschens in verschneiter Landschaft und Sophies Gesellschaft ihr Leben überdenkt und sich schließlich neue Ziele setzt, sowie den Kontakt zu einer alten Freundin wieder aufleben lassen möchte. Dabei bleibt die Erzählung aber auch immer "hyggelig" und ohne Probleme und Dramen. Sophie erscheimt zur richtigen Zeit aus dem Nichts, begleitet Hannah eine zeitlang und verschwindet wieder; sie ist nicht greifbar und lässt gerade zu ihrer Person einige Fragen offen. Sie wirkt auf mich nicht wie eine eigenständige Figur, sondern lediglich wie ein Katalysator für Hannahs Entwicklung.

    Durch die Lektüre kann man selbst einige Zeit eintauchen in die zauberhaft anmutende verschneite Welt und sich wohlfühlen - oder sich anregen lassen, über das eigene Leben nachzudenken und auf die eigene innere Stimme zu hören. Dabei war mir die Zielrichtung allerdings ein wenig einseitig und sehr egoistisch, denn meiner Meinung nach kann es im Leben nicht ausschließlich darum gehen, Spaß zu haben.

    "Drei Tage im Schnee" ist eine unterhaltsame kleine Auszeit des Lesenden und obwohl die Geschichte noch lange nachhallt, ist der Mehrwert gering. Mit 176 kleinformatigen Seiten (von denen einige unbedruckt sind) für 20€ handelt es sich in meinen Augen eher um ein Geschenk-Büchlein.
    Bodenfrost

    Andreas Föhr
    Bodenfrost (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    03.10.2025

    Bayerischer Krimi mit Herz und Hirn

    Auf dem Gelände eines ehemaligen Bauernhofs wird - im Rahmen des Kinderfestes der Polizei - eine Leiche gefunden. Etliche Anzeichen deuten auf einen Serienmörder, der "der Harpunier" genannt wurde, doch dieser soll eigentlich verstorben sein. Krimalhauptkommissar Wallner und Polizeihauptmeister Kreuthner ermitteln in einem Fall, der einige Rätsel aufgibt ....

    "Bodenfrost" ist bereits der 12. Fall der kultigen bayerischen Regio-Krimis um Clemens Wallner, Leonhardt Kreuthner und Karla Tiedemann aus der Feder von Andreas Föhr, der sich problemlos auch ohne Vorkenntnisse aus den vorhergehenden Bänden lesen lässt.

    Auch "Bodenfrost" lebt wieder vom bayrischen Lokalkolorit und dem oftmals schwarzen Humor, hebt sich meiner Meinung nach aber deutlich positiv von den meisten lustigen Krimis ab, denn Föhrs Werke sind intelligent und amüsant, ohne die Figuren und ihre Handlungen ins Lächerliche zu ziehen - und der Schwerpunkt liegt definitiv auf einem gekonnt konstruierten Mordfall.

    Andreas Föhr Schreibstil lässt sich äußerst angenehm lesen und zusammen mit der angenehmen Spannungskurve blätterten sich die Seiten quasi von selbst um. Auch, wenn ich bereits frühzeitig eine Idee hatte, wer der Mörder von Vitus Zander, des Brauerei-Geschäftsführers sein könnte, hielten viele Ermittlungen und Wendungen die Spannung hoch bis zum Ende, das dann allerdings ein wenig schnell und konstruiert daherkam. Doch dies ist entschuldbar aufgrund des hohen Lesegenusses bis dahin.

    "Bodenfrost" besticht durch seine lebensechten, durchaus liebevoll gezeichneten Figuren, die absolut authentisch daherkommen. Hier macht es Freude, auch an ihrem Privatleben Anteil zu haben und die Entwicklungen zu verfolgen. Neben den oben genannten Hauptfiguren habe ich auch Wallners ein wenig kauzigen Vater Manfred ins Herz geschlossen, der jede Gelegenheit wahr nimmt, mit jungen Frauen zu flirten.
    Dass einige Aktionen, insbesondere die des schlitzohrigen Polizisten Leo Kreuthners oder auch die Kontrolle eines Einsatzfahrzeuges der Polizei auf eine Umweltplakette, recht unrealistisch sind, tut dem Lesespaß keinen Abbruch, sondern sorgte für einige laute Lacher bei der Lektüre, da sie absolut nicht plump daherkommen.

    Bemerkenswert ist, dass Föhr bei aller Leichtigkeit auch ernste und wichtige Themen anspricht und Stellung bezieht; sei es in der Rolle des patriachalischen, gestrigen Vitus Zander, der seine lebenslustige Ehefrau dominiert und in die Rolle eines Tradwifes drängt oder eine mögliche Schuld Manfreds durch eine unbedachte Tat im Zweiten Weltkrieg. Dies schafft meiner Meinung nach einen Mehrwert.

    Mir hat auch dieser zwölfte Krimi um Wallner und Kreuthner wieder beste Unterhaltung mit Herz und Hirn bereitet und ich empfehle "Bodenfrost" gerne weiter.
    Garden Girls

    Jessica R. Patch
    Garden Girls (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    29.09.2025

    Ein ungewöhnliches Täter-Ermittler-Konstrukt

    Auf den Outer Banks legt ein Serienkiller tote Frauen vor Leuchttürmen ab, deren nackte Körper über und über mit Blumentattoos übersäht sind. Der FBI-Ermittler Tiberius Granger, ehemaliges Sekten-MItglied, der mit seiner Einheit zu den Tatorten gerufen wird, trifft auf seine frühere Geliebte Bexley Hemmingway, deren jüngere Schwester vermisst wird. Schnell wird klar, dass der Täter ein perfides Interesse daran, Tiberius zu schaden und ihn und alle, die ihm nahe stehen, auf brutalste Weise zu vernichten. Fatal ist, dass ein Hurrikan auf die Inseln zusteuert und den Zeitdruck der Ermittlungen weiter erhöht.....

    "Garden Girls" ist bereits der dritte Fall der SCU (einer fiktiven (!) Einheit des FBI, mit dem Namen "Special Crime Unit"); allerdings der erste der Reihe, der auf Deutsch übersetzt wurde. Autorin ist die US-Amerikanerin Jessica R. Patch, die bereits einige Bestseller veröffentlichen konnte.

    Obwohl ich Cover sonst eher unwichtig finde, ist es mir bei diesem Buch doch ein Bedürfnis, einige Worte über die Gestaltung zu verlieren: Während der Lektüre wurde sehr schnell die Verbindung zwischen Thriller und dem fantasievollen Blumen-Cover deutlich - doch auf den ersten Blick könnten potentielle Leser'Innen auf eine falsche Fährte gelockt werden. Der Titel "Garden Girls - Verhängnisvolle Schönheit" könnte (wie eine Umfrage im kleinen Kreis bestätigte) zusammen mit den auf den Umschlag gedruckten nachtschwarzen Blüten und dem Auge auf ein Buch aus den Genre Fantasy oder Dark Romance bzw. Erotik hinweisen anstatt auf einen Thriller mit einem niederträchtigen Serienverbrecher.

    Das Setting liegt auf den "Outer Banks", einer schmalen und 280 Kilometer langen Inselkette im Atlantik vor der Küste North Carolinas in den USA. Dieser sehr ungewöhnliche Tatort brachte mir ganz nebenbei neue Kenntnisse im Bereich Geografie.

    In bildhaftem, lebendigem Schreibstil schreibt Patch abwechelnd aus unterschiedlichen Perspektiven und brachte dadurch das verabscheuungswürdige Verhalten des KIllers sowie die zunehmende Verzweiflung des Ermittlers deutlich zum Ausdruck und schaffte Beklemmung. Die Spunnungskurve zieht sich auf hohem Level durch das ganze Buch, allerdings hätte ich mir gerade in der Mitte gewünscht, dass endlich LIcht ins Dunkel kommt und die sehr zahlreich auftauchenden Gespräche über den nahenden Hurrikan haben für mich die Spannung nicht gesteigert, sondern waren zu viel. Ebenso mochte ich es nicht sehr, dass der Glaube immer wieder thematisiert wurde, die Ermittler Trost im Gebet suchten und die Rettung aus aussichtsloser Position am Ende als gottgewollt beschrieben wurde, verbunden mit christlicher Polemik. Abgesehen vom eigenen Glauben war dieses zu viel für einen Thriller nach meinen Geschmack und ich empfand die Autorin als missionarisch.

    Dass es viele rückblickende Informationen zu Tis und Bexleys Vergangenheit gab, war durchaus wichtig für die Aufklärung und diese waren gut in die Ermittlungen eingebettet. Allerdings blieben dIe Figuren (insbesondere der SCU) mir allesamt recht fremd; da hätte mir eine tiefere Ausarbeitung besser gefallen. Möglicherweise liegt dies jedoch auch mit daran, dass ich die vorhergehenden Bände nicht kenne.
    Kritisch sehe ich auch das sich überstürzende Ende, in dem sich die Situation mit dem Mörder und Entführer einerseits und dem eintreffenden Hurrikan sehr zuspitzt und ein paar glückliche Zufälle und unlogische Wendungen (und ein Todesfall) zu viel zur Aufklärung führten. Immerhin gibt es ein happy end mit einem guten Abschluss.

    Zusammengefasst kann ich sagen, dass mich die "Garden Girls" gut unterhalten haben mit einigen ungewöhnlichen Ansätzen und überraschenden Plot-Twists und ich gebe 3,5 Sterne und empfehle das Buch gerne weiter - sofern die Themen keine Trigger für die Leser*Innen sind! (Sekten, Manipulation, Unterdrückung insbesondere von Frauen, Tradwifes, Entführung, Folter, Mord, Hurrikans,)
    Meine Mutter

    Bettina Flitner
    Meine Mutter (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    21.09.2025

    Berührend, schockierend, zum Nachdenken anregend

    Auf einer Lesereise ihres ersten Buches entscheidet sich Bettina FIedler, spontan das Grab ihrer Mutter zu besuchen, zu der sie eine eher schwierige Beziehung verbindet. SIe beschließt, sich auf Spurensuche zu begeben, reist nach Schlesien, wo ihre Familie einst durch den Neubau einer Klinik ein ganzes Dorf namens Wölfelsgrund, dem heutigen Międzygórze, gegründet hat und schließlich nach Kriegsende alles aufgeben musste und in den Westen floh. FIedlers Mutter heiratete früh, bekam zwei KInder und führte eine unglückliche Ehe, bevor ihr Leben letztlich in einem Selbstmord endete Doch mit zunehmender Erkenntnis gelingt es FIedler, immer mehr Frieden zu schließen....

    Die Kölner Fotografin Bettina FIedler hat sich auf Spurensuche in der Vergangenheit ihrer eigenen Familiengeschichte begeben; dazu reiste sie nach NIederschlesien, wertete Briefe, Aufzeichnungen und Tagebücher aus und erschuf dabei einen Familienroman, der zugleich auch Gesellschaftskritik und Heilung ist.

    Flitner erzählt nüchern und authentisch, vermeidet es, über Gefühle zu schreiben und stößt immer wieder Gedankengänge an; bewahrt hat sie definitv auch ihren (schwarzen) Humor. Es wird deutlich, dass die Autorin nicht eine Geschichte erzählen will, sondern selbst auf der Suche nach Antworten ist, verstehen will, was passiert ist, was ihre eingene Geschichte prägte und was letztlich zum Suizid der Mutter führte. Dabei geht es lange Zeit gar nicht um das Leben ihrer Mutter, sondern fängt weit früher an, als die Vorfahren das Sanatorium und damit den Ort Wölfelsgrund gründeten, zahlreiche Privilegien hatte und schließlich von Verwöhnten zu sozialen Absteigern wurde.

    Manche Absätze schockierten mich, etliche regten zum Nachdenken an, viele berührten mich sehr.
    Insbesondere die Ereignisse um das Kriegsende 1945, die in der Geschichte oft verdrängt werden, sind absolut lesenswert. (Flitner berichtet u.a.vom grauen­erregenden „Celler Massacre Trial“. Kurz vor dem Einmarsch der Alliierten am 8. April 1945 wurde in Celle ein Zug mit 3.400 KZ-Häftlingen bombardiert, die Häftlinge aus dem KZ Bergen-Belsen, entweder in die Luft gejagt oder während ihrer Flucht durch Celle und Umgebung erschossen oder erschlagen. Alle Schuldigen kamen im Prozess als „unschuldig“ davon.)

    Was eigentlich ein hochspannender autofiktionaler Roman hätte werden können, zerfällt leider sehr, da Flitner ständig springt zwischen Ort und Zeit, den Geschehnissen und eigenen Gedanken, Erinnerungen zahlreicher Personen, ohne dass diese gekennzeichnet sind. 316 Seiten sind in nur drei Kapitel aufgeteilt. Dies bremste ein wenig den Lesefluss und führt für mich zu einem Punktabzug in der Bewertung.

    "Meine Mutter" ist definitv ein Buch, das noch lange nachhallt und viele eigene Überlegungen anstößt. Ich empfehle es - trotz verstörender Themen - unbedingt weiter.
    Die Bibliothek meines Großvaters

    Masateru Konishi
    Die Bibliothek meines Großvaters (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    07.09.2025

    Der demente Meisterdetektiv

    Die junge Lehrerin Kaede verlor schon früh ihre Eltern, wurde vom Großvater aufgezogen und steht Männern eher distanziert gegenüber. Als ihr geliebter Großvater an der Lewy-Körper-Demenz erkrankt, kümmert sie sich liebevoll um ihn. Gleichzeitig verbringt sie immer wieder ZEit mit ihrem Kollegen Iwata und dessen Freund Shiki, mit denen sie diverse Kriminalfälle erlebt, die immer persönlicher werden, bis zuletzt Kaede selbst in große Gefahr gerät. Doch ihr Großvater brilliert in seinen lichten Momenten darin, die Rätsel zu entschlüsseln .

    »Die Bibliothek meines Großvaters« ist der erste Roman des japanischen Autors Masateru Konishi. Es beruht zum Teil auf dessen eigenen Erfahrungen mit der Pflege seines demenzkranken Vaters und lehrt die Leser*Innen einiges über die seltene Form der Demenz, das Ley-Körper-Syndrom; dennoch erschienen mir einige Passagen nicht ganz glaubwürdig, sondern eher der dichterischen Freiheit zu unterliegen.
    »Die Bibliothek meines Großvaters« war in Japan ein Bestseller und ist der Autakt einer Trilogie.

    In Anbetracht der Tatsache, dass die Handlung ein wenig an einen Episodenroman erinnert, der durch die Treffen Kaedes mit ihrem Großvater sowie Iwara und Shiki angenehm verbunden und mit einem roten Faden ausgestattet werden, gefallen mir die Titel anderer Übersetzungen weitaus passender als der deutsche: "Les Histoires de Kaede" oder "My grandfather, the master destective" treffen den Inhalt weitaus besser.

    Nach Art der klassischen Detective, insbesonder Agatha Christies Hercule Poirot, löst Kaedes Großvater in seinem stillem Kämmerlein jedes Rätsel, das Kaede ihm vorträgt. Doch während der erste "Fall" noch ein beobachteter ist, scheinen die Ereignisse immer näher zu kommen und so geht es im letzten Abschnitt dann auch für Kaede um Leben und Tod. UNd wenn anfangs die Geschichten noch etwas sehr theoretisch und kurz abgehandelt erschienen, wurde es im Laufe der Geschichte immer spannender und persönlicher und man fieberte nun so richtig mit, nachdem der Roman lange in sehr ruhigem Fahrwasser verlief.

    Von der leicht erzählten Schreibweise sollte man sich nicht täuschen lassen, denn kleine anfängliche Details spielten am Ende eine große Rolle bei der Auflösung. Während der entscheidende Kriminalfall eine befriedigende Auflösung stand, blieb das persönliche GEschick Kaedes letztlich offen, doch dieses störte mich überhaupt nicht, sondern passte zu ihrer Persönlichkeit.

    Der Roman ist auch eine Hommage an die klassische (Kriminal-)Literatur, und so besteht er nicht nur aus den mit KOmbinationsgabe gelösten einzelnen Fällen, sondern enthält auch eine Vielzahl an Anspielungen und Hinweisen auf Bücher. OBwohl es sich hierbei (überraschenderweise) um überwiegend europäische Werke handelt, muss ich eingestehen, viele nicht zu kennen, so dass ich die Genialität der Verbindungen nciht nachvollziehen kann.

    Die Figuren sind allesamt einfühlsam beschrieben; dass Iwata und Kaede mir fremd blieben, ist sicher auf den mir fremden Kulturkreis zurückzuführen. MIch konnte ihr aller Schicksal absolut fesseln.
    Auf jeden Fall ist dieses WErk auch eine Hommage an die Freundschaft.


    Trotz kleinerer ABstriche hat mir dieses Buch viel Vergnügen bereitet - und es hätte alleine durch einen anderen Titel andere (richtige!) Erwartungen erweckt, was ich schade finde.


    Schwüre, die wir brechen

    Roman Voosen
    Schwüre, die wir brechen (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    07.09.2025

    Verbrechen im soziokulturellen Kontext

    Im südschwedischen Malmö wird eine Leiche gefunden, die statt ihres menschlichen Kopfes einen Krokodilkopf trägt. Der verwitwete Kommissar Jon Nordh und seine strafversetzte Kollegin Svea Karhuu nehmen - durchaus widerwillig - die Ermittlungen auf. Schon bald werden weitere Opfer aufgefunden, und nicht zuletzt anhand der altägyptischen Symbole auf den Leichen wird klar, dass der Täter, der seine Opfer als altägyptische Gottheiten inszeniert, HInweise gibt und es sich um einen Serienmörder handelt. Als auch noch eine zwielichtige True-Crime-Podcasterin in den Fall verwickelt wird, steigt der Druck der Öffentlichkeit auf die Polizei. Und als schließlich ein junges Mädchen verschwindet, spitzt sich die Lage endgültig zu. Aber auch neben den eigentlichen Ermittlungen gibt es dramatische Wendungen im Privatleben der beiden Ermittler, die diese in große Schwierigkeiten bringen....

    "Schwüre, die wir brechen" ist bereits der zweite Fall der Ermittler Jon Nordh und Svea Karhuu aus der Reihe "Tatort Malmö" des deutsch-schwedischen Autorenehepaares Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson, auf den ich bereits begierig gewartet hatte, um mehr über die spannenden Schicksale des Ermittlerduos zu erfahren. Ja, tatsächlich, denn während ich mich sonst an weitschweifigen Berichten über die Ermittler abseits der zu lösenden Fälle störe, sind in der Tatort "Malmö" - Reihe die Geschichten von Jon und Svea selbst eigenständige Krimis, die ständig weiterlaufen - und die ich überaus interessant und berührend finde. DIese Erzählstränge wissen natürlich Leser*Innen des ersten Bandes besonders zu schätzen; jedoch auch Neueinsteiger werden durch kurze Erklärungen auf den aktuellen Stand gebracht.

    Während im ersten Band noch Malmö als Stadt eine wichtige Rolle spielte, ist der Ort hier eher belanglos.
    Im MIttelpunkt der Geschichte stehen altägyptische Schriftzeichen und Gottheiten, an deren Bedeutung sich diverse Figuren abarbeiten, sowie die Geschichte des Täters: In regelmäßgigen Rückblicken (die kursiv gedruckt sind) erzählen die Autoren chronologisch die Geschichte von Peter, einem elternlosen Jungen, der in der Colonia Dignidad in Chile in den 70er Jahren unter brutalsten Bedingungen aufwuchs und schließlich in ein anderes Leben flüchtete, in dem er auf besondere Art Halt fand.
    Überhaupt sind diese zusätzlichen eindringlichen Schilderungen für mich ein Mehrwert in den Büchern von Vossen/Danielsson: schon die auf den ersten Blick außergewöhnliche Geschichte der adoptierten und in Nordschweden aufgewachsenen Svea, die im restlichen Schweden auf Widerstand trifft als auch die unrühmliche Geschichte um die Colonia Dignidad des Sektengründers Schäfers in Chile sind von sozialer Bedeutung und ich habe dazulernen können.

    Der Schreibstil ist angenehm zu lesen und die Spannungskurve hoch. Während der polizeiliche Fall nach vielen kleinen Schritten vor und zurück und überraschenden Wendungen gut aufgeklärt wird, lassen die Probleme der beiden Ermittler auf den nächsten Band der Reihe hoffen.

    Die Figuren sind mehrdimensional angelegt und trotz ihrer schwierigen Seiten mag ich sowohl Svea als auch Jon sehr. Während Sveas eher polizeiliches Thema (das mich im übrigen sehr berührt!), hat Jon mit einem sehr alltäglichen Problem zu tun: der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie - neben der Trauerarbeit. WIe schön, dass dieses Problem auch einmal einen Mann trifft und nicht immer nur Frauen angelastet wird!

    INsgesamt ist die Atmosphäre des Buches eher düster; die Taten sehr brutal und oftmals nicht leicht zu ertragen. (Wer Triggerwarnungen braucht: Morde, Verstümmelungen, Pädophilie, Betrug, Identitätsdiebstahl und vieles mehr werden thematisiert.) Da ist es angenehm zu lesen, dass auch die Polizisten an ihre Grenzen geraten und von Frust überwältigt werden.

    Trotz der zahlreichen Themen und Verbrechen gelingt es meiner Meinung nach den Autoren sehr gut, sich nicht zu verzetteln und die Handlungen stringent voranzutreiben.

    "Schwüre, die wir brechen" hat mir sehr gut gefallen und ich empfehle es allen Genre-LIebhabern weiter sofern sie nicht allzu zart beseitet sind.


    Deckname: Bird

    Louise Doughty
    Deckname: Bird (Buch)

    3 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern Inaktiver Stern
    25.08.2025

    Ein ungewöhnlicher Thriller, der polarisiert

    Heather Berriman, eine Frau in den Fünfzigern und seit ihrer KIndheit BIRD genannt, arbeitet in einer ABteilung des britischen Geheimdienstes, wo sie korrupte Mitarbeiter enttarnen soll. Sie ist mitten in einer Besprechung, als ihr klar wird, dass sie selbst in die Schusslinie geraten ist und verlässt von einem Moment auf den anderen nicht nur den Besprechungsraum, sondern lässt ihren Job, ihr Zuhause und ihr ganzes Leben hinter sich. Auf der glücklicherweise gut vorbereiteten Flucht muss sie nicht nur um ihr Leben fürchten, sondern auch erkennen, wer Freund oder Feind ist ....

    Die preisigekrönte britische Autorin Louise Doughty legt mit "Deckname: BIrd" einen sehr ungewöhnlichen Thriller vor, der seine Leser*Innen sicher polarisiert.

    Aufgrund der Leseprobe und dem fulminanten Einstieg in die Handlung hatte ich große Erwartungen an das Buch. Die plötzliche, offenbar von der Figur BIrd erwartete Flucht, der ständige Wechsel der Verkleidungen und die Suche nach dem Verfolger und möglichen Mörder versprach einen spannungsgeladenen Thriller. Doch die (zu) lange nicht geklärte Frage, warum Bird überhaupt flüchten muss, welches Vergehen sie begangen hat und wer eigentlich hinter ihr her ist, ließen mich bald ungeduldig werden. Dazu kamen ständige Zeitsprünge zu den verschiedensten Lebensereignissen Heathers, die den Lesefluss unterbrachen und schwer einzuordnen waren. So versandete die anfangs so hohe Spannung bald und Heather bzw. Doughty konnte mich auch nicht wieder einfangen; und auch das Ende ließ mich einigermaßen frustriert zurück.

    Dabei fand ich die Hauptfigur bemerkenswert großartig: Endlich steht einmal nicht ein smarter Typ (wie James BInd) oder ggf. noch eine attraktive junge Frau (wie die Engel für Charly) im MIttelpunkt der Handlung, sondern eine eher unscheinbare Mittfünfzigerin, die nicht die Welt, sondern "nur" ihr eigenes Leben und ihren Ruf retten muss. Bird ist eine mehrdimensionale Figur, die von Selbstzweifeln beherrscht wird, Ecken und Kanten hat und ihrer besten Freundin aus jungen Jahren hinterhertrauert, nachdem diese Freundschaft an den Geheimnissen von Birds Tätigkeit zerbrochen ist und die vor einer möglichen Versöhnung verstarb.
    So begleiten wir Leser*Innen eher auf einer Art Selbstfindungs-Reise (unter erschwerten Bedingungen) als auf einer Agenten-Jagd.

    Sprache und Schreibstil gefielen mir durchaus; die realitätsnahe und direkte Sprache passten gut.
    Natürlich führte dann die Handlung dazu darüber nachzudenken, wie es sein würde, sich auf eine solche Flucht zu begeben und welche Überlebensfähigkeiten erforderlich und vorhanden wären.

    Davon, dass Birds Flucht durch grandiose Landschaften von Schottland über Norwegen nach Island führt, ist bei der Lektüre nur wenig zu merken.

    MIch konnte "Deckname: BIrd" nicht wirklich abholen, zu viele Fragen blieben ganz oder zu lange ungeklärt und ich vergebe nur aufgrund der ungewöhnlichen und besonderen Ausarbeitung der HAuotfigur Bird 3 Sterne.
    Der Krabbenfischer

    Benjamin Wood
    Der Krabbenfischer (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    11.08.2025

    EIn Kunstwerk

    Thomas Flett, Anfang 20, lebt in den Sechzigerjahren mit seiner nur 16 Jahre älteren Mutter vaterlos im Örtchen Longferry in überaus ärmlichen Verhältnissen. Von seinem Großvater hat er das Handwerk der Krabbenfischerei erlernt, und so ist er tagein tagaus unterwegs, um auf traditionelle Weise ohne moderne Hilfsmittel zu fischen und kaum eine Zukunft zu haben scheint. Doch er hat Träume: er bringt sich heimlich das Gitarrespielen bei und himmelt Joan, die Schwester seines Freundes, an, Und dann tritt völlig überraschend der Regisseur Edgar Acheson in sein Leben, um ihn als Experten für seinen neuen Film zu gewinnen - und offenbart ihm einen kurzen Blick in ein anderes Leben .....

    Der britische Autor Benjamin Wood hat mit "Der Krabbenfischer" ein Werk erschaffen, das sogleich auf der Longlist des "The Booker Prize 2025" gelandet ist - und eigentlich danach schreit, wie eine Kurzgeschichte interpretiert und besprochen zu werden.

    Unglaublich ruhig fließt die Geschichte dahin und jeder Satz ist so viel mehr als der vordergründige Inhalt. Poetisch, doch voller Brutalität und Melancholie werden das Leben und die Gefühle von Thomas Flett dargeboten und die kleinen Hoffnungen erbarmungslos zerschlagen.

    Die Figuren, mehrdimensional und schonungslos beschrieben, sind eine Sozialstudie, die es in sich hat.

    Bemerkenswert ist der ergänzende Link zur Musik des Thomas Flett, den man unbedingt hören sollte.

    Ein Buch, das gnadenlos dem Realismus zuzuordnen ist, und trotzdem einen Anflug von Mystik enthält. Trotz seiner nur 224 Seiten nicht einfach "wegzulesen" und noch lange nachhalllend für den anspruchsvollen Leser zu empfehlen - definitiv keine Wohlfühlatmosphäre.
    Der Totengräber und die Pratermorde

    Oliver Pötzsch
    Der Totengräber und die Pratermorde (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    28.07.2025

    Morde im Wurstelprater

    Als der berühmte Zauberkünstler Benton im Prater seinen neuen Trick, die zersägte Jungfrau vorführen will, soll die Journalistin Julia Wolf darüber berichten. Doch der Trick geht schief und die "Jungfrau" wird blutig zersägt - und so beginnt Inspektor Leopold von Herzfeldt mit Ermittlungen. Kurz darauf wird auch der Assistent des Zauberers ermordet aufgefunden und weitere verschwundene und ermordete Mädchen rund um den Prater scheinen auf einen Serienmörder hinzuweisen. Daraufhin bittet Leo seinen Freund Augustin Rothmayer, den Totengräber des Wiener Zentralfriedhofs, um HIlfe, denn dieser hat gute Verbindungen zu den Schaustellern. Und auch Julia will sich nicht zurückhalten und lässt sich von Augustin undercover in die Prater-Geschäfte einschleusen. Nur zu dritt kommen sie den Mördern auf die Spur und begeben sich dabei in große Gefahr....

    Der Münchner Autor Oliver Pötzsch legt mit "Der Totengräber und die Pratermorde" bereits den vierten, heiß ersehnten Fall um den kauzigen Totengräber Augustin Rothmayer und seine Freunde, den Polizei Inspektor Leopold von Herzfeldt und die Journalistin Julia Wolf, vor.

    Wie in den vorherigen Büchern zeichnet Pötzsch ein stimmiges, authentisches Bild des Wiens des ausgehenden 19. Jahrhunderts und nimmt seine Leser*Innen diesmal mit in den berühmten Wurstelprater, den Wiener Vergnügungspark, hinter dessen Kulissen eine eigene Welt der Schausteller besteht. Auch politische Themen wie u.a. der herrschende Antisemitismus und die Rolle der Frauen werden thematisiert - und eine neue Sportart nimmt ihren Raum ein: der Fußball.

    In lebendiger Schreibweise schafft der Autor einen guten Spannungsbogen, und nach großem Showdown wird der Fall befriedigend aufgeklärt.Die privaten Probleme unserer Hauptfiguren enden jedoch in einem Cliffhanger und lassen den fünften Band schnell herbeisehnen:
    Julia und Leo sind kein Liebespaar mehr, können jedoch nicht ohne einander sein und stürzen sich und die Leser*Innen in ein Wechselbad der Gefühle. August Rothmayer schreibt - mit Unterstützung von Leo - an einem neuen Buch, hat jedoch große Probleme mit seiner Ziehtochter Anna, die einen heimlichen Freund hat und sich dem Totengräber mehr und mehr widersetzt. Und darüber hinaus ist Rothmayer auch noch einer anderen kriminellen Sache auf der Spur, bei der er sich die Mithilfe von Leo wünscht, der hierfür aber keinen Kopf hat....
    Das sind durchaus sehr viele Themen für einen Krimi, doch glücklicherweise verzettelt sich Oliver Pötzsch nicht.

    Nach bereits drei vorausgehenden Bänden muss man über die drei Hauptfiguren Julia, Leo und Augustin sicher nicht mehr viel schreiben; sie sind mehrdimensional angeleg, agieren authentisch und sind auf ihre Art liebenswert und uns bereits ans Herz gewachsen. Und natürlich erschafft Pötzsch auch wieder neue spannende und unkonventionelle Figuren wie den Bauchredner mit seiner mysteriösen Puppe, die verfeindeten Zauberer und all die verschiedenen Figuren des Praters.

    DIe gesamte Totengräber-Serie ist für mich ein absolutes Highlight, in das sich auch dieser vierte Band nahtlos einfügt.
    Noch fünfzig Sommer mehr

    Avril Maury
    Noch fünfzig Sommer mehr (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    09.06.2025

    Angst und Depressionen überwinden

    Eleni, die schon früh ihre Mutter verloren hat, erlebt dennoch eine glückliche Kindheit und Jugend, bis ein dramatischer Vorfall sie in tiefe Depressionen stürzt. Zum Glück lernt sie Theo kennen, der sie geduldig zurück ins Leben holt und mit dem sie eine große Liebe verbindet, bis wieder Furchtbares passiert. Von nun an lebt Eleni zurückgezogen von allem im alten Waldhaus und verweigert jeglichen Kontakt. Doch dann erhält sie geheimnisvolle Nachrichten und Blumenbotschaften, die sie an eine glückliche Vergangenheit erinnern ...

    Unter dem Pseudonym Avril Maury hat eine deutsche Autorin den hoch emotionalen Roman "Noch 50 Sommer mehr" veröffentlicht, in dessen Zentrum Angststörungen und Depressionen der Hauptfigur stehen, aber auch die Hoffnung auf immer neue Anfänge und Chancen, die zu ergreifen sind.

    Avril Maury schreibt als personale Erzählerin aus der Sicht von Eleni; mithilfe von zahlreichen geschickt eingefügten Rückblicken fügen sich immer mehr Puzzleteile zu einer berührenden Geschichte zusammen. Obwohl der Spannungsbogen nicht allzu hoch ist, möchte man doch immer mehr über Eleni und die Geschehnisse in ihrer Vergangenheit erfahren und fiebert mit, wer die mysteriösen Botschaften verfasst haben könnte, die Eleni zurück ins Leben holen. Das Ende kommt dann leider ein wenig schnell und wird zu kurz abgehakt, doch obwohl es doch offen ist, empfand ich dies als in Ordnung.

    Die flüssige, teils poetische Schreibweise ließ mich die Seiten fast von selbst umblättern. Das Setting liegt in der Bretagne und die Liebe der Autorin zum Meer und zu Blumen bilden einen angenehmen Rahmen, in dem ich auch über einiges Unlogische hinwegsehen konnte. (Lediglich das Kaninchen namens Anemone, das von Eleni wie ein Hund gehalten wurde, frei in Bett und Wohnung herum hoppelte und scheinbar gar keine "Bedürfnisse" hatte, verstörte mich etwas...)

    Die Figuren sind liebevoll ausgearbeitet, mehrdimensional und entwickeln sich im Laufe der Geschichte weiter. Dabei muss man selbstverständlich nicht jedes Verhalten nachvollziehen können oder gut heißen - Depressionen oder unheilbare Krankheiten lassen Menschen eben manchmal eigenartige Dinge tun. (Achtung: Trigger!) Meiner Meinung nach ist es der Autorin gut gelungen, gerade auch diese nicht konformen Verhalten zu skizzieren. Und wenn die Menge an Schicksalsschlägen, die die Hauptfigur erdulden muss, auch sehr groß ist, halte ich dieses trotzdem für realistisch.

    Wer eine locker-leichte Sommerlektüre erwartet, wird vermutlich von den Themen überrascht sein; wer sich davon jedoch nicht abschrecken lässt. dem vermittelt Avril Maury eine positive Botschaft und schafft durch ihren Schreibstil eine berührende und mitreißende Atmosphäre, die durchaus Lesevergnügen bereitet.
    Die Erbin

    Claire Winter
    Die Erbin (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    07.06.2025

    Unbedingt lesen!

    Köln 1957. Cosima Liefenstein, "die Erbin" einer der einflussreichsten deutschen Industriellenfamilien, gründet im Namen ihres Großvaters Wilhelm Liefenstein eine Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter und lernt am Abend der Eröffnungsveranstaltung durch einen Autounfall den Journalisten Leo Markgraf kennen, der Nachforschungen über den Tod eines befreundeten Anwalts anstellt. Nachdem Cosima durch Zufall in einer alten Uniform einen ominösen Brief ihres früh verstorbenen Vaters findet und ihre Familie ihre NAchfragen nicht nur nicht beantworten will sondern sogar verbietet, beginnt sie gemeinsam mit Leo Markgraf ihre Familiengeschichte zu ermitteln und stößt auf viele Geheimnisse, Vertuschungen und böse Verfehlungen - und gefährdet damit sogar Menschenleben. Niemand möchte mehr an das Dritte erinnert werden und nichts ist, wie es zuvor erschien.,,,,

    Claire Winter, das Pseudonym der Berliner Bestseller-Autorin Claudia Ziegler für ihre historischen Romane, legt mit "Die Erbin" einen wiedermals hervorragend recherchierten Roman vor, in dem sie die Verwicklungen der deutschen Wirtschaft mit dem Nationalsozialismus, deren Einflussnahme und Profitgier beleuchtet. Auch, wenn der Roman selbst fiktiv ist, beruhen die Geschehnisse auf den realen Sachverhalten der braunen Geschichte deutscher Industriedynastien, denen es durch geschicktes Taktieren und Anbiederung an die Entscheidungsträger um Hitler gelang, aus jüdischen Enteignungen, Krieg und Zwangsarbeitern ihren Vorteil zu ziehen und ihr Vermögen zu vervielfachen.

    Die Handlung verläuft in zwei Zeitebenen: während die*er Leser*in Cosimas und Leos Nachforschungen im Jahr 1957 verfolgt, wird die Vergangenheit in chronologischen Zeitsprüngen ab 1929 geschildert, und zwar abwechselnd aus der Sicht der beteiligten Figuren Wilhelm LIefenstein, seinen Söhnen Theodor, Albert und Edmund, dessen Ehefrau Rita sowie der Angestellten Elisa, so dass sich immer mehr Puzzleteile zu einem großen Ganzen zusammenfügen, in dem immer mehr Ungeheuerliches ans Licht kommt. Dabei lesen sich die teils schockierenden Fakten spannender als jeder Thriller und erreichen darüber hinaus eine emotionale Tiefe, die den Roman zu einem absoluten Highlight werden lassen. Der flüssige, bildhafte Schreibstil der Autorin trägt zum Lesevergnügen bei.

    Die Figuren sind eingänglich authentisch und mehrdimensional gezeichnet und entwickeln sich im Laufe der Geschichte weiter - teils in unterschiedliche Richtungen. Die intelligente und mutige Hauptfigur Cosima, die alles andere als eine verwöhnte, reiche Erbin ist, machte es dabei leicht, sich auf die Geschehnisse einzulassen und mit ihr mitzufühlen. Durch die unterschiedlichen Sichtweisen auf die früheren Ereignisse wird man beim Lesen angeregt, die Handlungen zu hinterfragen und sich damit zu befassen, wie man selbst gehandelt hätte.

    Die Autorin erschafft ein Gemälde der Vor- und Nachkriegszeit und dem Dritten Reich, das noch lange nachhallt. Bemerkenswert ist dabei der Fokus auf die Nachkriegsjahre, denn bedauerlicherweise wird bei der Auseinandersetzung mit dem Nationalismus häufig vergessen, dass in den Nachkriegsjahren eine höchst mangelhafte Aufarbeitung der Schreckensherrschaft erfolgt ist, was durch Cosimas Familie und deren Umfeld mehr als deutlich wird.

    Ein Personenverzeichnis und ein Kapitel über die Abgrenzung zwischen Wahrheit und Fiktion runden den Roman ab.

    Claire Winter ist (abermals) ein brillanter, hochspannender und dramatischer historischer Roman ohne erhobenen Zeigefinger aus der Feder geflossen, den ich allen Leser*Innen ans Herz legen möchte. Gerade auch aus aktuellen Anlässen ist es so wichtig, die Geschichte zu kennen und zu begreifen, um eine Wiederholung zu vermeiden. Bitte lest dieses Highlight!
    Zypressensommer

    Teresa Simon
    Zypressensommer (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    02.06.2025

    Vom italienischen Widerstand und den Militärinternierten

    1989. Der italienische Großvater von Julia Matthiesen hat über seine Vergangenheit und seine italienische Familie immer geschwiegen. Mit seinem Tod erbt Julia neben seinem Vermögen auch einen ominösen Zettel, mit dem sie sich auf die Reise nach Lucignano in der Toskana macht, um die Rätsel zu entschlüsseln. Hier hilft ihr der attraktive Matteo Conti bei der Spurensuche, die in die 1940er Jahre zurückführt, in die Zeit der «Resistenza» in Italien und der italienischen Militärinternierten in Deutschland ....

    Teresa Simon ist das Pseudonym der promovierten Historikerin und Bestseller-Autorin Brigitte Riebe, die sich wieder einmal von den historischen Ereignissen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und den malerischen Orten in der Toskana hat inspirieren lassen.

    Die Autorin hat gut recherchiert und ich habe gestaunt, wie wenig ich doch vom italienischen Widerstand, der Resistenza, und über die italienischen Militärinternierten (IMIs) wusste, die von der Wehrmacht nach dem Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten im September 1943 gefangen genommen und nach Deutschland deportiert wurden und unter schlimmsten Bedingungen als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.

    Geschickt verwebt Teresa Simon zwei Zeitstränge zu einer spannenden und höchst emotionalen Handlung, die mich absolut zu fesseln vermochte. Tief tauchte ich in die weltpolitischen Verbrechen genauso ein wie in die persönlichen Feindseligkeiten rund um die Familie Conti. Flüssig und anschaulich schreibt Simon und ließ mich atemlos Seite um Seite umblättern.

    DIe Figuren sind authentisch gezeichnet und ich sah jeden deutlich beim Lesen vor mir. Auch, wenn ich nicht jede Handlung genauso ausgrführt hätte, war doch alles stimmig und nachvollziehbar beschrieben. Besonders gut gefällt mir, dass die Handlung in Gegenwart und Vergangenheit, in Hamburg und Lucignano von starken Frauen getragen wird.

    DIe ein wenig kitschige Liebesgeschichte zwischen Julia und Matteo hätte es für meinen GEschmack nicht gebraucht; allerdings steht diese auch im wohltuenden Gegensatz zu den schrecklichen Ereignissen in der Vergangenheit.

    Die Toskana als Sehnsuchtsland vieler Menschen und der Olivenanbau waren wunderbar in die Handlung eingebettet.

    Ein gelungenes Nachwort und einige feine toskanische Rezepte zum Ausprobieren runden das Buch ab.

    Teresa Simon zeigt ihren Leser*Innen wieder einmal, dass Geschichte keine trockene Wissenschaft ist. Gerade in den Zeiten des neu aufblühenden Faschismus ist es wichtig, sie zu kennen und zu begreifen - und macht uns (hoffentlich) aufmerksamer.

    Ich möchte dieses Buch möglichst vielen Leser*Innen empfehlen, da es Geschichte auf leichte und unterhaltsame Weise darstellt und nachdenklich macht.


    Die Trümmerschule - Zeit der Hoffnung

    Beate Maly
    Die Trümmerschule - Zeit der Hoffnung (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    26.05.2025

    Reformpädagogik in der Nachkriegszeit

    Die junge jüdische Lehrerin Stella kehrt 1946 nach acht Jahren im Londoner Exil in ihre Heimatstadt Wien zurück, da sie sich verpflichtet fühlt, hier zu helfen. Sie wohnt bei ihrer Freundin Feli, die auf die Rückkehr ihres Verlobten wartet und die Stella eine Lehrposition am Lindengymnasium verschafft hat. Während Stella eine Anhängerin der Reformpädagogik ist, Schläge ablehnt und die ärgsten Nöte der Kinder lindern möchte, stößt sie bei einigen Kollegen auf erheblichen Widerstand....

    Die Österreichische Autorin Beate Maly legt mit "Die Trümmerschule – Zeit der Hoffnung" den ersten Teil der Dilogie "Lehrerin für ein besseres Morgen" vor.

    Schauplatz der Handlung ist das Wien nach dem Zweiten Weltkrieg; und aus den Schilderungen spricht die Liebe der Autorin zu ihrer Heimatstadt.

    Beate Maly gelingt es, neben historischer Unterhaltung in flüssigem Stil und einer gewissen Spannung, gut recherchierte Themen lebendig und mitreißend darzustellen. Sicher spielt hierbei auch Malys beruflicher Werdegang im Bereich der Pädagogik dabei eine Rolle, dass sie die Reformpädagogik und die veralteten Ansichten von Stellas Kollegen so bildhaft beschreiben kann.

    Die erheblichen Zerstörungen der Stadt, der Hunger, das Fehlen am Nötigsten, die Traumata der Kinder, über die diese nicht reden dürfen, werden sehr emotional dargestellt; aber auch die Probleme, die Stella als Jüdin hatte (mit ihrer sehr knappen Flucht vor der SS durch Felis Hilfe), die Enteignungen, der Tod ihrer ganzen Familie in Konzentrationslagern und Stellas abgelehnter Antrag auf Restitution haben mich tief berührt. Gerade in einer Zeit des wiedererwachenden Faschismus' dürfen diese Gräueltaten nicht in Vergessenheit geraten.
    Aber auch die körperlichen und vor allem seelischen Verletzungen der Soldaten und die daraus für ihre Familien entstehenden Nöte sind glaubwürdig dargestellt, so dass sich ein äußerst lebendiges Gemälde der Zeit ergibt.

    Die Figuren sind glaubhaft und mehrdimensional dargestellt; natürlich kommt Beate Malys Begeisterung für starke Frauen, die mutig ihren Weg gehen, auch in diesem Buch wieder zum Ausdruck. Einfühlsam beschreibt sie Freude und Leid und die Gedanken der Hauptfiguren, aber auch sehr glaubhaft die Antagonisten.

    Gelungen ist auch das Nachwort, in dem die Autorin klarstellt, dass das Buch zwar fiktiv ist, jedoch der Lebensgeschichte von Stella Klein-Löws nachempfunden ist und wie sie recherchiert hat.

    Mich hat "DIe Trümmerschule" tief beeindruckt und ich freue mich schon sehr auf den zweiten Teil mit dem Titel "Die Trümmerschule – Jahre der Kinder", der für Januar 2026 angekündigt ist.
    Montmartre - Licht und Schatten

    Marie Lacrosse
    Montmartre - Licht und Schatten (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    01.05.2025

    Zwei starke Frauen, Kunstmalerei, Tanz und das unvergleichliche Montmartre

    Am 20. Juni 1866 werden im Pariser Stadtteil Montmartre zwei Mädchen geboren: Elise Lambert, Tochter einer Wäscherin, wächst in Armut auf und muss mit harter Arbeit früh zum Einkommen beitragen; Valérie Dumas, Tochter eines angesehenen Kunsthändlers, kennt keine Geldsorgen und wächst behütet auf. Doch beide vereinen die großen Träume, die die Mädchen haben:: Elise möchte Tänzerin werden, die begabte Valérie strebt nach einem Studium an der Kunstakademie. Beide Frauen kämpfen für ihr Glück, während ihnen immer wieder Steine in den Weg gelegt werden, Kummer und Bedrängnis und selbst die Liebe ihren Weg zu Selbstbestimmung und Ruhm behindern.

    Marie Lacrosse, Synonym der deutschen Autorin Marita Spang für ihre historischen Romane, legt mit "Montmartre - LIcht und Schatten" den ersten Teil einer Dilogie über zwei starke Frauen vor, die im ausgehenden 19. Jahrhundert ihren Träumen folgen und dabei einige Schicksalsschläge überwinden müssen - LIcht und Schatten eben.

    Im Mittelpunkt der Dilogie steht der zunächst noch ländliche Pariser Stadtteil Montmartre, der erst 1859 von Paris eingemeindet wurde. DIeser zog neben Bürgern aus der Pariser Kernstadt, die sich hier amüsieren wollten, auch zahlreiche Künstler an, die sich ein freieres und billigeres Leben als im Zentrum der Stadt versprachen, wie Vincent Van Gogh, Suzanne Valadon, Paul Gauguin, Edgar Degas und viele mehr. Und auch der Bau des Wahrzeichens dieses Viertels, die Basilika Sacré-Cœur, der 1876 begann, fließt in die Geschichte ein.

    Hier, in diesem Bezirk, lagen bittere Armut und wohlhabendes Leben in krassem Gegensatz direkt nebeneinander.

    Marie Lacrosse hat hervorragend recherchiert und verwebt unglaublich viel Detailwissen trotz einer Themenfülle zu einer vollauf harmonischen und sehr gut und flüssig lesbaren Story. So ist "Montmartre" ein Sittengemälde seiner Zeit, das das Pariser Leben vor gut 150 Jahren greifbar macht und gleichzeitig eine Geschichte der Kunst und ihrer Ausübenden seiner Zeit; spannend, wie der akademische Realismus abgelöst wurde von - oder auch verteidigt gegen - neue Stile wie dem bekannteren Impressionismus,, dem Post-Impressionismus, Cloisonismus, dem Synthetismus, dem Pointillismus usw. Immer wieder hatte ich das Bedürfnis, die im Buch genannten Künstler und ihre Werke im Internet nachzuschlagen, um sie mit eigenen Augen sehen zu können.

    Daneben spielt auch der Tanz, der neu aufkommende Cancan (und diesbezüglich die Sittenwächter), Prostitution und andere "Vergnügungen" eine Rolle. Nicht zu vergessen zahlreiche andere Entwicklungen, die die Welt im Kleinen und Großen veränderten, wie beispielsweise die Weltausstellung 1900 mit dem eigens hierfür entworfenen Eiffelturm, der Bau des Suez- und Panamakanals, die architektonischen Umwälzungen durch den Stadtplaner Georges-Eugène Haussmann, ja sogar der politische Gedanke der Anarchie und viele weitere, so dass ich neben der höchst unterhaltsamen Lektüre auch eine Menge lernen konnte!

    Die im Zentrum stehenden jungen Frauen Elise und Valérie sind authentisch und mehrdimensional ausgearbeitet und ich konnte sehr gut mit ihnen fühlen, mitfiebern und mitleiden. Doch auch die weiteren Figuren sind anschaulich und in mehreren Facetten gezeichnet, so dass ich sie fast schon selbst zu kennen glaubte. Das feine Gespür der Autorin für ihre Figuren und deren Handlungen schafft einen wahren Genuss bei der Lektüre. Gut gefiel mir auch, wie die Autorin immer mehr Berührungspunkte schaffte zwischen den Frauen aus so unterschiedlicher Herkunft und Geschichte. und so aus Gegensätzen Gemeinsamkeiten wurden.

    Abgerundet wird der Roman von einer Karte des Montmartre um 1880, einem Personenverzeichnis, in dem die historischen Personen gekennzeichnet wurden (und sogar genannt wurde, an welche historischen Personen fiktive angelehnt sind, großes Kompliment dafür), einer Gegenüberstellung von Wahrheit und Fiktion von der Autorin, einer kurzen Erklärung der im Buch erwähnten Stilrichtungen der Malerei, einer Liste der erwähnten Kunstwerke, einem Quellenverzeichnis und einiger Zitate berühmter Persönlichkeiten im ZUsammenhang mit Themen des Romans. Gerade diese zusätzlichen (Hintergrund-)Informationen machen einen historischen Roman für mich erst richtig wertvoll. Ein besonderes Dankeschön hierfür an Marie Lacrosse!

    Mich konnte "Montmartre - LIcht und Schatten" vollauf begeistern und ich freue mich schon sehr auf den zweiten abschließenden Teil der Dilogie "Montmartre - Traum und Schicksal", der für November 2025 angekündigt ist.
    Commissario Gaetano und der lügende Fisch

    Fabio Nola
    Commissario Gaetano und der lügende Fisch (Buch)

    3 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern Inaktiver Stern
    28.04.2025

    Schleppend

    Der neapolitanische Commissario Salvatore Gaetano soll den Mord an einem Turiner Geschäftsmann aufklären, der ohne Kopf in seiner Wohnung aufgefunden wird - augerechnet an dem Tag, an dem die Neapolitaner das Stadtfest ihres Schutzheiligen San Gennaro feiern und die Stadt im Chaos versinkt. Dass der Tote offensichtlich Dreck am Stecken hatte und bei seiner Umwelt äußerst unbeliebt war, macht die Sache nicht leichter. Und Gaetano hat darüber hinaus auch eine Menge eigener Probleme. nicht zuletzt mit seinem Bruder Aniello, der nach einem Unfall in einem Pflegeheim vor sich hin vegetiert und seiner Nichte Carla, die heiraten will ....

    Fabio Nola ist das Pseudonym eines deutschen Historikers, der während seines Studium selbst viel Zeit in Neapel verbracht und der seiner Liebe zur Stadt und den besonderen Einwohnern und ihren Marotten viel Raum gibt. "Commisaario Gaetona und der lügende Fisch" ist der Auftakt zu einer Krimireihe um den Neapolitanischen Kommissar, der weitere folgen werden.

    Dieser Neapel Krimi konnte meine - zugegebenermaßen hohen Erwartungen - allerdings nicht wirklich erfüllen, denn der eigentliche Fall spielt doch eine eher untergeordnete Rolle im Buch und kommt nur schleppend in Gang, Gaetano ermittelt, teilweise unterstützt von seiner schwangeren Kollegin Emilia und Danilo Paese, einem etwas schwerfälligen Verwandten des Primo Dirigente, schweift aber immer wieder in private Belange ab. Er stochert im Dunklen, ein Pater gibt nur mystische Auskünfte und erst ab der zweiten Hälfte kommt endlich Spannung auf und der Fall kommt zu einer - zugegebenermaßen interessanten - Aufklärung.

    Die Figuren sind überwiegend klischeehaft und nicht gerade vieldimensional; über allem lag eine recht melancholische Stimmung und ich fühlte mich nicht wirklich wohl in der Geschichte um den doch eher schwierigen Charakter des Commissarios. Das recht negative Frauenbild mag zu Süditalien passen, störte mich aber doch. (Dass Gaetano die recht tumbe Schutzpolizistin Beppa Bellucci fälschlicherweise nur Monica nach der berühmten Schauspielerin Monica Bellucci nennt, fand ich dauerhaft nicht witzig.) Viele Ansätze, die mir zunächst so vielversprechend erschienen, verliefen sich. Selbst Pater Ambrosio. den ich zunächst so interessant fand, weckte schließlich meinen Missmut.

    Über Neapel, seinen doch recht ungewöhnlichen Schutzpatron und das Napultiano gibt es hingegen allerhand zu erfahren, was den Krimi für Interessierte lesenswert macht.

    Ein Stadtplanauszug von Neapel und ein Glossar des Napulitanos runden das Buch ab.

    ICh möchte auch eine Triggerwarnung aussprechen ohne allzu viel zu spoilern, da es um männliche sexuelle Vorlieben geht, die nur schwer zu ertragen sind (wenn Männer nur auf sehr junge Mädchen stehen und die sich daraus ergebenden Folgen...)

    Insgesamt kann man sich durchaus von "Commissario Gaetano" unterhalten lassen; meine LIeblingsfigur ist er leider nicht geworden.
    Die Nacht

    Marc Raabe
    Die Nacht (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    18.04.2025

    Hochspannend mit Tiefe

    Art Mayer sucht immer noch nach der verschwundenen Dana Karasch. Ihre Tochter Milla, die bei ihrer dementen Großmutter lebt, hat er ins Herz geschlossen. Als ein Richter tot aufgefunden wird und auch noch MIlla verschwindet, ermittelt Art, der von dem Fall entbunden ist, gemeinsam mit seiner Partnerin Nele Tschaikowski, die eigentlich im Mutterschutz ist, und stößt auf immer mehr Ungereimtheiten, in die offenbar auch Kollegen involviert sind ...

    Der deutsche Schriftsteller Marc Raabe legt mit "DIe Nacht" den dritten Thriler aus seiner "Art-Mayer-Serie" vor, der in sich abgeschlossen ist und sich problemlos ohne Kenntnis der vorhergehenden Bände lesen lässt - allerdings verpasst der Leser dann die Weiterentwicklung der privaten Beziehungen und eine Menge Lesevergnügen.

    Raabe Schreibstil ist bildhaft und äüßerst rasant. DIe aktuellen Entwicklungen wechseln sich ab mit den Geschehnissen in der Vergangenheit; kurze Kapitel mit Cliffhangern führen zu höchster Spannung, die auf hohem Level die Seiten fast von selbst umblättert. Überraschende Wendungen halten das Tempo weiterhin hoch und führen schließlich zu einem positiven Abschluss.
    Auch, wenn ich normalerweise jedes Detail geklärt haben möchte, versetzte der Autor mich in Erstaunen mit einem befriedigenden Ende: „In einer perfekten Welt gäbe es eine perfekte Erklärung. Aber in der Wirklichkeit gibt es immer diese merkwürdigen Unschärfen…. Aber die Wirklichkeit ist halt kein Raster. Und das lässt uns immer etwas ratlos zurück.“

    Marc Raabe lässt viel Psychologie und einige psychologischen Störungen in die Handlungen einfließen und bereitet seinen Leser*Innen damit teilweise heftiges Kopfkino und der Story weitere Tiefe. Zunächst kaum vorstellbar, wie allein die Erwähnung "der Schachtel" bei allen Figuren Panik auslösen kann, um ein Beispiel zu nennen...

    DIe Figuren um den angeschlagenen Ermittler Art Mayer, der sich trotz seines Einzelgängertums und seiner Regelbrüche wohltuend von dem Klischee des "lonely wolfs" abhebt, konnten mich überzeugen. Besonders in Herz geschlossen habe ich die achtjährige Milla, die ihr Schicksal annimmt und trotzdem Kind bleibt.

    (Auch, wenn bei einem Thriller mit verstörenden Themen zu rechnen ist, möchte ich eine Triggerwarnung aussprechen für: Alkohol- und Drogenmissbrauch, Vergewaltigung, psychischer und körperlicher Gewalt, KIndsmord und auch Hunde kommen zu Tode.)

    Ich empfehle diesen großartigen Thriller unbedingt weiter und freue mich bereits auf den vierten Band um den legendären Art Mayer und die junge Nele Tschaikowski, der unter dem Titel "Im Morgengrauen" für das Frühjahr 2026 angekündigt ist.
    Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen

    Ito Ogawa
    Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    06.04.2025

    Worte wie ein Mantel

    Hatoko, die ohne Eltern und von ihrer strengen Großmutter aufgezogen wurde, kehrt nach deren Tod in ihre Heimatstadt Kamakura zurück, um den Schreibwarenladen und das Amt der öffentlichen Schreiberin zu übernehmen. Während sie Briefe für verschiedenste Anlässe schreibt, wird sie immer mehr Mitglied einer Gemeinschaft, findet nach und nach zu sich selbst und versöhnt sich mit ihrer Vergangenheit.

    Die japanische Autorin Ito Ogawa (geb. 1973) nimmt ihre Leser*Innen mit nach Kamakura, dem ehemaligen japanischen Regierungssitz Japans, der besonders für die zahlreichen gut erhaltenen Tempel und Schreine, aber auch seinen Strand bekannt ist und dem geneigten Leser viel über japanische Kultur vermittelt. DIe Karte am Anfang des Buches war eine gute Ergänzung,

    Im Mittelpunkt steht (neben der Hauptfigur Hatoko) die Kunst der Kalligrafie und die auch heute noch vorhandenen öffentlichen Schreiber; japanische Original-Briefe (aber auch ihre Übersetzungen) unterbrechen die Handlung und führen ihre besonderen Fertigkeiten vor Augen. Die Ausführungen hierzu (sorgfältig ausgewähltes Papier, die Farbe der Tinte, die Weichheit oder der Nachdruck eines Pinselstrichs, die Schreibweise in hiragana oder Kanji und sogar eine individuelle Briefmarke ) haben mich ungemein beeindruckt. Überhaupt kommt das japanische Lebensgefühl abseits der Großstädte gut zum Ausdruck.

    DIe Schreibweise ist poetisch, sehr sanft und ruhig, Spannung sucht man hier vergeblich; dafür lässt sich gut verfolgen, wie Freundschaften entstehen und Hatoko nach und nach ihren Frieden mit sich und der vormals so verhassten Großmutter, die sie lange Zeit nur "ihre Vorgängerin" nennen kann, finden kann. Das Ende ist versöhnlich und schön, aber offen, was mich bei diesem Buch in keinster Weise gestört hat, sondern Platz für eigene Gedanken bot.

    DIe Figuren sind unglaublich liebenswert gezeichnet und mir ging das Herz auf beim Lesen. Insbesondere in die Nachbarin Barbara und die 5jährige QP hatte ich mich schnell verliebt, aber auch die überaus empathische Hatoko, die sich selbst in jeden geschriebenen Brief einbringt, hat nun einen Platz in meinem Herzen.

    Nicht nur durch die geschriebenen Briefe werden die verschiedensten Themen angesprochen, wie Liebe, Freundschaft und sogar Tod und Trauer.

    Ich habe mich gerne auf dieses sanfte Buch eingelassen, das mich wie ein stiller Fluss begleitete und mit dem ich zur Ruhe kam.
    Die Brücke von London

    Julius Arth
    Die Brücke von London (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    10.03.2025

    London Bridge is falling down

    1749. Die Tuchhändlerin Juliana Hamley, die ihr Geschäft auf der London Bridge betreibt, steht bereits mit einem Bein im Schuldnergefängnis, weil ihr verstorbener Mann ihr nichts als Schulden hinterlassen hat. Zusammen mit dem Waisenjungen Alder, den sie vor dem Ertrinken aus der Themse rettet, steigt sie ins Schmugund war überraschglergeschäft ein und überwindet alle moralischen Bedenken, denn ein dubioser Geldverleiher und die vor der Fertigstellung stehende Westminster Bridge machen ihr das Leben schwer. Und dann ist da auch noch Oliver, der im Dienst des Bridge Houses steht und für Sicherheit und Ordnung auf der Brücke sorgen muss....

    Der deutsche Autor Julius Arth hat, fasziniert von der alten London Bridge, hervorragend recherchiert und einen höchst unterhaltsamen Roman über das Leben rund um das faszinierende Bauwerk im Jahre 1749 geschrieben.

    Die London Bridge galt unter Zeitgenossen als Achtes Weltwunder mit ihrer auf ihr liegenden Stadt und dem Autor gelingt es, dieses besondere Bauwerk auch seinen Leser*Innen ins Herz zu schreiben. Natürlich musste ich mir im Internet Bilder dazu anschauen - und ich kann nur sagen, dass Julius Arth diese Brücke hervorragend beschrieben hat!

    Arth schreibt seine Geschichte aus drei Perspektiven: Neben der eigentlichen Hauptfigur Juliana Hamley werden auch die Geschicke der Waisenkinder-Gang um den gewieften Alder beleuchtet als auch des vermeintlichen Gegenspielers Oliver, der Gehilfe des Brückenmeisters ist. Doch damit nicht genug: Es gibt auch einen zweiten Zeitstrang von der Erbauung der London Bridge im Jahre 1202, in der die weisen Frauen Estrid und Sybilla eine wichtige Rolle spielen. Diese beiden Zeitebenen laufen lange Zeit nebeneinander her und verbinden sich erst gegen Ende zu einem schlüssigen Ganzen. Doch ich habe trotz dieser Wechsel zu keiner Zeit den Überblick verloren, denn Arth gelang es vortrefflich, die Geschichte flüssig zu erzählen.

    Der Schreibstil ist flüssig und anschaulich und Arth gelingt es, die Leser*Innen auch emotional in den Bann zu ziehen. Die historischen Fakten verbinden sich mit einer fiktiven Erzählung über die Schicksale höchst unterschiedlicher Figuren, die alle mit diesem besonderen Ort verbunden sind, zu einer mitreißenden Story, in der Freundschaft, Zusammenhalt, Liebe, aber auch finanzielle Nöte, Skrupellosigkeit, Mord und Aberglaube zu einem perfekten Ganzen zusammenfinden.
    Die Figuren selbst sind authentisch und mehrdimensional gezeichnet und bestechen durch ihre Weiterentwicklung, und ich habe mit jeder einzelnen mitgefiebert und mitgelitten und war überrascht und traurig, wie schnell das Buch trotz seiner 560 Seiten zu Ende gelesen war.

    "Die Brücke von London" ist ein höchst kurzweiliger historischer Roman rund um ein faszinierendes Bauwerk, den ich interessierten Leser'*Innen wärmstens empfehlen kann.
    Das Dinner - Alle am Tisch sind gute Freunde. Oder?

    Emily Rudolf
    Das Dinner - Alle am Tisch sind gute Freunde. Oder? (Buch)

    3 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern Inaktiver Stern
    24.02.2025

    Top oder Flop

    In einem abgelegenen Restaurant kommen fünf (ehemalige) Freunde zusammen, um ein Krimidinner zu spielen. Der sechste Stuhl bleibt leer, denn Maria ist vor fünf Jahren auf einem Musikfestival, das die sechs Freunde gemeinsam besuchten, spurlos verschwunden. Schnell wird klar, dass die Geschichte des Krimidinners keine fiktive ist, sondern starke Parallelen zu den Vorgängen um Marias Verschwinden aufweist. Offensichtlich möchte eine*r der Freund*Innen mit dem Krimidinner einen Mord aufklären - und einen Mörder im Freundeskreis enttarnen....

    "Das Dinner" ist bereits der zweite Thriller der jungen deutschen Autorin (*1998) nach "Die Auszeit".

    DIe Idee um das aufdeckende Krimidinner hatte mir sehr gefallen; die Umsetzung ist meiner Meinung nach aber nur suboptimal gelungen.

    Sehr schön empfand ich die Locked-Room-Atmosphäre im Jetzt in dem abgelegenen Fine-Dining-Restaurant und die Verbindung der Geschichte mit einer Speisekarte.

    Während die Geschichte spannend beginnt, machen einige Verwirrungen um die Namen der Protagonisten und größere und kleinere Längen das Lesen einigermaßen beschwerlich. Nach einigen unerwarteten Wendungen nimmt die Handlung dann aber noch einmal richtig FAhrt auf und führt zu einem erschreckenden Ende.

    Erzählt wird in zwei Zeitebenen: zum einen wird das Krimidinner gespielt, in dem die fünf Figuren allsamt auch noch einen zweiten Spiel-Namen tragen und mir manches Mal der Überblick verloren ging, als auch im "Früher", als die sechs Freunde am Musikfestival teilnahmen, so dass man die Figuren allesamt gut kennenlernen konnte.

    Alle Figuren waren mir ausgesprochen unsympathisch; offenbar waren alle in ihrer KIndheit traumatisiert und litten unter schwerwiegenden Folgen. Alkohol, Drogen und Sex sowie großer Egoismus spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Relativ früh fragte ich mich, ob ich diese Zusammenkunft von fünf bzw. sechs Menschen überhaupt als Freunde bezeichnen kann, da von gegenseitiger Sympathie und Vertrauen nichts zu spüren war.

    Und gerade darin lag für mich der Grund, warum mir das Lesen kein großes Vergnügen bereitete: DIe Erzählweise war recht einfach und in so gut wie jedem Satz fand sich das F***-Wort. Überhaupt drehte sich so gut wie alles um dieses Thema und ansonsten wurde eben unflätig geflucht damit, was ich als sehr eindimensional in der Ausdrucksweise der Autorin empfand.

    Leider kann ich den Hype um diesen Thriller nicht wirklich verstehen und vergebe wohlwollende drei Sterne.
    Die Farben der Revolution. Éléonore und Robespierre

    Jeanette Limbeck
    Die Farben der Revolution. Éléonore und Robespierre (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    21.02.2025

    Wer war Robespierre wirklich?

    Die Französische Revolution dauert bereits einige Jahre, als die Schwestern Éléonore und Babette Duplay nur knapp dem Tod bei dem berüchtigten "Massaker auf dem Champ de Mars" entgehen. SIe flüchten in den Jakobinerclub, dem ihr Vater angehört und Èléonore begegnet zum ersten Mal dem charismatischen Revolutionsführer Maximilien de Robespierre. DIeser zieht als Mieter in das Haus der Familie Duplay und beide verlieben sich ineinander. Während Éléonore sich für Freiheit und Gleichheit der Frau einsetzt und ihrem Traum, Malerin zu werden, folgt, unterstützt und streitet sie mit ihrem späteren Verlobten ....

    "Die Farben der Revolution" ist das zweite Werk der deutschen Autorin Jeanette Limbeck, deren KIndheitstraum es bereits war, über die Französische Revolution zu schreiben. Das Initial hierzu gab schließlich ihr Besuch im Pariser Musée Carnavalet, wo sie zwei nebeneinander hängende Portraits von Èléonore und Maximilien entdeckte und dieses Erlebnis auch als kleine Rahmenhandlung der historischen Geschichte beigefügt hat.

    Jeanette Limbeck hat außergewöhnlich akribisch recherchiert und verbindet ein höchst umfangreichen Geschichtswissen mit einer lebendig und mitreißend erzählten Geschichte, die ihre Leser*Innen nicht nur schnell in die Geschichte hineinzieht, sondern auch viele Informationen und Erkenntnisse vermittelt. So kann ich von mir durchaus behaupten, dass mir durch die Lektüre viele Details und HIntergründe verdeutlicht wurden, ohne dass ich jemals mit trockenen Fakten zu kämpfen hatte.

    Limbeck gelingt es wie kaum einem anderen, die historischen Personen zum Leben zu erwecken, so dass man meint, man wäre live dabei gewesen bei den großen Ereignissen der Weltgeschichte und hätte aktiv an der Französischen Revolution teilgenommen. Insbesondere der offiziell zumeist als grausam und rücksichtslos dargestellte Revolutionsführer ist durch die Autorin so mehrdimensional dargestellt, dass auch andere Facetten in den Vordergund treten, wie seine Bescheidenheit, seine Unbestechlichkeit und vor allem seine Forderung nach absoluter Gerechtigkeit. Für mich erschien, gerade durch die Augen seiner willensstarken Verlobten betrachtet, Robespierre in einem völlig neuen LIcht und ich lernte ihn als eine spannende Persönlichkeit kennen, die durchaus verkannt wurde.
    Aber auch die real existierende Èléonore Duplay, von der ich vorher niemals gehört hatte, wuchs mir ans Herz, ohne dass ich sie rundum sympathisch fand. Sie war eine absolut willensstarke Persönlichkeit, die offen ihre Ansichten vertrat und damit durchaus Feindschaften entstehen ließ. Mit ihrer Forderung nach Freiheit und Gleichheit für die Frauen war sie ein Vorbild der Emanzipation und stieß gerade damit bei den Revolutionären auf Widerstand, die den Frauen wenig bis gar keine Rechte zubilligten. Ganz nebenbei ist durch ihre Figur auch noch eine Menge über die Malerei und die Künstler zur Zeit der Romantik (und die untergeordnete Stellung von Künstlerinnen) zu erfahren.

    Ein Personenverzeichnis (mit Kennzeichnung der fiktiven Charaktere), ein Glossar, Quellennachweise, eine Bibliografie und vor allem Anmerkungen zur historischen Genauigkeit runden das Buch auf perfekte Weise ab.

    Selten hat mich ein historischer Roman, der dermaßen vor HIstoriografie strotzt, dermaßen gepackt und ich empfehle ihn uneingeschränkt weiter. Für mich ein "außergewöhnlich" mit 5 Sternen.
    Campion. Tödliches Erbe

    Margery Allingham
    Campion. Tödliches Erbe (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    18.02.2025

    Rettung des Staatsschatzes

    Eher unerwartet tritt Albert Campion in das Leben von Val Gyrth, der Sohn der alteingesessenen Familie Gyrth, die einen Stastsschatz, einen über tausend Jahre alten Kelc,h in einem angeblich türlosen Zimmer hütet, denn dieser soll gestohlen werden. Dank der hervorragenden Kombinationsgabe und der zahlreichen Beziehungen des Kriminalisten sind Campion und sein Schützling den Verbrechern immer einen Schritt voraus....

    Die britische Autorin Margery Allingham (*20.05.1904, †30.06.1966) gehört neben Agatha Christie, Dorothy L. Sayers und Ngaio Marsh zu den „Queens of Crime“, den vier bedeutendsten Autorinnen von klassischen Detektivromanen des Goldenen Zeitalters. "Campion. Tödliches Erbe" erschien bereits 1931 unter dem Titel "Look to the Lady / The Gyrth Chalice Mystery" als dritter Band der Reihe um den unscheinbaren Detektiv Albert Campion (die insgesamt 34 Bäne umfasst), und wurde fast 95 Jahre nach dessen Erstveröffentlichung im Jahr 2025 neu aufgelegt.

    Natürlich ist es keinesfalls verwunderlich, dass wir dabei in eine völlig andere Zeit entführt werden, in der Adel und Großgrundbesitzer noch einen anderen Stellenwert hatten als heute, das "fahrende Volk" mit Argwohn beachtet, die Erbfolge männlich beherrscht wurde und die Frauen noch ausschließlich Kleider trugen. Und selbstredend ist auch die blumige, ausdrucksvolle Sprache anders als in modernen Werken. Doch wer sich darauf einlässt, findet einen höchst charmanten und unterhaltsamen Krimi in feinster klassischer Manier vor.
    Auch Rätselhaftes und Unerklärliches spielt eine große Rolle.

    Campion, der Meisterdetektiv mit dem meist dümmlichen Gesichtsausdruck, hat es faustdick hinter den Ohren und ist Freund und Feind immer einen Schritt voraus. So gibt es ständige Wendungen und miträtseln lässt sich kaum, weil immer wieder Neues offenbar wird. Er überrascht nicht nur seinen Schützling immer wieder, sondern auch die Leser*Innen mit seinen Schachzügen im Hintergrund.
    Und auch die anderen Figuren sind bestrickend bildhaft gezeichnet und passen selbstredend in die Zeit.
    Für mich war es wohltuend, einmal von klassischen Schurken zu lesen, Schmugglern, Taschendieben, Raufbolden, die einer handfesten Polizei, gebildeter Professorenfamilie und verarmten Landadel gegenüberstehen.

    Ein angenehmer Spannungsbogen führt zu einem befriedigenden Ende; nur das Rätsel, von welchem Geld Campion eigentlich seine AUsgaben bestreitet, wird nicht gelöst.

    Der einnehmende Schreibstil, aussagekräftige Kommunikation und feiner britischer Humor machen das Leseerlebnis zu etwas Besonderem; und auch eine Prise Mystik darf nicht fehlen.

    Wer sich auf einen klassischen Krimi einlassen kann, wird mit einem wahren Meisterwerk aus den Anfängen der Schriftstellerinnen und der ehrwürdigen Detektivkunst belohnt.
    Die Villa

    Jess Ryder
    Die Villa (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    09.02.2025

    Eine Braut, vier Brautjungfern und ein Todesfall

    Die zukünftige Braut Aoife und ihre Freundinnen Dani, TIff, Beth und und Celine reisen nach Marbella, wo sie eine abgelegene Villa gemietet haben und mit viel Alkohol und ohne Hemmungen einen zügellosen Junggesellinnenabschied feiern - und am Ende ist Aoilfe tot und die mit ihr aufgefundene Dani ist zu zugedröhnt, um sich an irgendetwas zu erinnern. Um den Dingen auf die Spur zu kommen und endlich abschließen zu können, lockt sie drei Jahre später die anderen drei wieder nach Marbella. Während sie Nachforschungen anstellt, kommen die alten Spannungen wieder ans Tageslicht und auch von in Marbella lebenden Auswanderern werden sie gewarnt, tiefer zu graben....

    Die preisgekrönte Londoner Fernsehproduzentin und Autorin Jess Ryder geht ihrer Leidenschaft für spannende Psychothriller nach und öegt mit "Die Villa" einen mitreißenden Spannungsroman vor, der mich absolut packen konnte. Obgleich ich schon schnell einen Verdacht hatte, führten zahlreiche Wendungen, die diesen zunächst bestätigten, zu einem unvorgergesehen Schluss, der mich in jeder Hinsicht zufriedenstellen konnte.

    FÜr die große Party haben die jungen Frauen die südspanische Küstenstadt Marbella an der Costa del Sol ausgesucht, die allgemein als der Jet Set Hotspot Europas bekannt ist und darüber finden sich auch so ziemlich alle (Vor-?) Urteile im Buch wieder. Auf jeden Fall das passende Ambiente für eine ausgelassene Party ohne Grenzen.

    Der Thriller wird erzählt in zwei Zeitsträngen: "damals", als die Party so ein schreckliches Ende nahm und "heute", als Dani auf eigene Faust ihre Erinnerungen wieder zum Vorschein bringen will und in eigener Sache ermittelt. Überwiegend erzählt ein personaler Erzähler über Dani, ergänzt wird seine Sicht jedoch durch die Ich-Erzählperspektiven der anderen Haupt-Figuren, wodurch die Spannungen immer deutlicher zu Tage treten.

    Die Figuren sind durchaus mehrdimensional dargestellt und alles andere als transparent in ihrem Verhalten; alle haben ihre Geheimnisse und Animositäten untereinander. Wirklich sympathisch war mir keine und zusammenfassend gilt der alte Spruch: Wenn man solche Freundinnen hat, braucht man keine Feinde. Sie wirkten jedoch authentisch auf mich und ich fühlte mich gut unterhalten damit, sie zu beobachten.

    Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass in der Schilderung der riesengroßen Party eine Menge Alkohol getrunken, Drogenmissbrauch thematisiert und sexuelle Handlungen durchgeführt werden. Wer nicht darüber lesen möchte, sollte die Hände von diesem Roman lassen.

    Auch, wenn mir das Thema des Junggsellinnenabschieds und der ausufernden Partys fern liegt, konnte mich dieser spannungsgeladene Thriller absolut mitreißen und ich vergebe volle fünf Sterne.
    Grenzfall - Ihre Spur in den Flammen

    Anna Schneider
    Grenzfall - Ihre Spur in den Flammen (Buch)

    5 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern
    01.02.2025

    Toller fünfter Band

    In Oberbayern ermittelt die Oberkommissarin Alexa Jahn im Zusammenhang mit einem Luxusauto, der von der Straße abgekommen und ausgebrannt ist; der Fahrer ist tot und Zeugen haben eine zweite Person beobachtet, die Rätsel aufgibt. Schon bald gibt es weitere Brandanschläge mit Todesfolge, auch auf österreichscher Seite, wo Chefinspektor Bernhard Krammer ermittelt. DIe Zeit läuft gegen die Polizei und dann taucht noch ein anonymer Brief auf ....

    "Ihre Spur in den Flammen" ist bereits der fünfte Band der deutschen Autorin Anna Schneider (die auch unter dem Psyeudonym Anna Simons bereits Krimis veröffentlicht hat). Das Buch lässt sich auch für sich alleine lesen, allerdings ist der Lesegenuss noch viel größer, wenn man auch die vorhergehenden Bände kennt, da insbedondere die privaten Entwicklungen der Hauptfiguren eine große Rolle spielen - und gerade dieser fünfte Band sehr viele Verweise und Anspielungen insbesondere auf den vierten Band enthält, was Neueinsteiger immer wieder im Dunkeln tappen lässt.

    Anna Schneiders angenehmer Schreibstil macht viel Spaß und lässt sich die Seiten fast von allein umblättern.
    Die sympathischen HauptFiguren, ihre Menschlichkeit und Fürsorge füreinander, ein undurchsichtiger Fall mit vielen Facetten, der zahlreiche Parallelen zur Realität aufweist und ein guter Spannungsbogen machen den Krimi zu einem Genuss. Auch, wenn die familiären Verstrickungen der beiden Ermittelnden und die Rückblicke auf frühere Ermittlungen vom aktuellen Geschehen etwas ablenken, war für mich das Lesevergnügen absolut gegeben.

    DIe immer wieder eingeschobenen - in Kursivschrift gedruckten - Erzählungen der Täterin führen dazu, dass der Leser den polizeilichen Ermittlern voraus ist, erweckt sogar ein gewisses Verständnis für die Täterin und begründet ihren Hass auf die Opfer. Diese Komplexität hat mir besonders gefallen - neben einer Auflösung, in der eben nicht Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikales Gedankengut die Oberhand behalten.

    Ich empfehle diesen fünften Band gerne weiter, möchte aber anraten, die tolle Grenzfall-Reihe komplett zu lesen für besseres Verständnis.
    Die blaue Stunde

    Paula Hawkins
    Die blaue Stunde (Buch)

    4 von 5 Sterne Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Aktiver Stern Inaktiver Stern
    15.01.2025

    Schwerpunkt Psychologie

    Anslässlich einer Kunstausstellung der verstorbenen Künstlerin Vanessa Chapman entsteht der begründete Verdacht, dass in einem ihrer Werke ein menschlicher Knochen verbaut ist. Daraufhin nimmt der Kurator James Becker KOntakt zu CHapmans NAchlassverwalterin und enger Freundin Grace auf. die in CHapmans Haus auf der Gezeiteninsel Eris lebt....

    Die britische Schriftstellerin Paula Hawkins ist vielen Leser*Innen bereits durch ihren großen Erfolg "Girl on the train" bekannt, und so hatte auch ich große Erwartungen an ihr neues Werk "Die blaue Stunde".

    Hawkins schreibt gewohnt flüssig und bildhaft und so war der Roman gut lesbar. Das Besondere ist, dass ein MIx aus unterschiedlichen Zeitebenen, Perspektiven und Materialquellen wie Zeitungen und Tagebüchern, der mir durchaus gefallen hat.

    Die Spannung baut sich nur sehr langsam auf und bleibt latent im Hintergrund und trotz eines fulminanten Höhepunkts bleibt das ENde einigermaßen vorhersehbar.

    Die Figuren sind mehrdimensional angelegt und entfalten sich im Laufe der Geschichte. Neben der Künstlerin stehen auch ihre Freundin Grace und der Kurator James im Mittelpunkt der Enthüllungen. So lässt sich durchaus sagen, dass der Schwerpunkt der Autorin hier auch nicht auf dem zweifelsohne gegebenen Kriminalfalles, des vermeintliches Mordes und des Auftauchens eines menschlichen Knochens an unerwarteter Stelle, liegt, sondern in den psychologischen Hintergründen und den Intentionen der Figuren. Menschliche Emotionen wie Liebe, Hass, Eifersucht, Freundschaft und Einsamkeit bestimmen den Tenor, wobei die Frage nach dem Knochen und das Verschwinden von CHapmans Ehemann den roten Faden bilden.

    Auch das Setting lässt mit der Gezeiteninsel Eris, deren Abgeschiedenheit und besonderer Erreichbarkeit, einen gewissen Grusel entstehen.

    Wer psychologische Enthüllungen mag und nicht auf schnelle THriller setzt, wird diesen Roman schätzen. Für mich reicht er nicht an sein grandioses Vorwerk "Girl on the train" heran und ich vergebe 3,5 Sterne.
    1 bis 25 von 32 Rezensionen
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