Gewaltig viele Worte, lieber Salieri!
Salieris komische Oper "Cublai, gran kan de' Tartari", deren italienische Originalfassung hier in Weltersteinspielung vorliegt wird, gelangte zu Lebzeiten des Komponisten nicht auf die Bühne. Die bis 1788 entstandene Vertonung stellt eine kaum verhüllte Satire auf die Zustände am russischen Zarenhof zur Zeit Peters des Großen dar und fiel daher, nachdem Österreich 1788 auf der Seite Russlands in den Krieg gegen das Osmanische Reich eingetreten war, der Zensur zum Opfer. -
Zunächst das Äußere: die beiden CDs kommen in einem aufwendig gestalteten kleinen Buch in CD-Format, das neben einer informativen Einführung den Text in vier Sprachen enthält, darunter auch eine (recht freie) Übersetzung ins Deutsche. Damit sind wir auch schon beim Hauptkritikpunkt, nämlich dem überlangen Libretto. In Abwandlung des bekannten Kommentars von Joseph II. zur "Entführung aus dem Serail" - "gewaltig viel Noten, lieber Mozart" - möchte man hier ausrufen: "gewaltig viele Worte, lieber Salieri!" Das abgedruckte Libretto umfaßt auf 120 Seiten grob überschlagen 1800 Zeilen Text, bei einer Gesamtspieldauer von 160 Minuten bleiben somit lediglich 5 Sekunden für jede Textzeile. (Zum Vergleich: Mozart konnte in der Arie des Pedrillo "Frisch zum Kampfe!" bloße sieben Zeilen Text zu knapp drei Minuten Gesang auswalzen.) -
Es liegt auf der Hand, daß bei dieser kompakten Vertonung wenig Raum für die musikalische Ausgestaltung und Vertiefung einzelner Momente bleibt. Ob Arien, Ensembles oder Accompagnato-Rezitative – es entsteht der Eindruck eines rastlosen Vorandrängens. Hinzu kommt, daß das langatmige, ja geschwätzige Libretto die Lösung des Konfliktes bereits an mehreren Stellen vorwegnimmt, sodaß auch keine dramatische Spannung mehr entsteht. -
Salieris Vertonung enthält viel gediegene, schöne Musik, ist aber besonders im zweiten Akt derart arm an Höhepunkten, daß ich kaum der Versuchung widerstehen konnte, den schnellen Vorlauf zu betätigen. Das Orchester unter Leitung von Christophe Rousset spielt auf Originalinstrumenten, aber ohne die Manierismen mancher Originalklangensembles: zügig aber nicht rasant, kontrastreich aber nicht schroff, insgesamt schwungvoll und elegant. Auch die frischen jungen Stimmen gefielen mir sehr gut. Trotzdem bleibt ein gemischter Eindruck; ich gestehe, daß es mir schwerfiel, die Oper bis zum Ende anzuhören.