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    LittleWalter Top 25 Rezensent

    Aktiv seit: 03. September 2010
    "Hilfreich"-Bewertungen: 1112
    472 Rezensionen
    Youth Detention Lee Bains III & The Glory Fires
    Youth Detention (CD)
    23.09.2017
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Lee Bains III & The Glory Fires machen alles richtig und lassen den Rock & Roll hoch leben.

    Im September 2017 veranstalteten THE ROLLING STONES eine ihrer aufwändigen Europa-Tourneen, die sie auch in den Stadtpark nach Hamburg führte, wo sie vor 82.000 begeisterten Fans auftraten. Die dienstälteste Rock & Roll-Kapelle der Welt ist längst zu einem kalkulierten Massen-Medienereignis geworden. Bei allem Respekt vor den Herren kann aber festgehalten werden, dass ihnen der aufrührerische Geist der Anfangsjahre verloren gegangen ist und die Lust an musikalischer Weiterentwicklung auch keine gewichtige Rolle mehr bei ihren Aktionen spielt. Was wäre wohl passiert, wenn sie sich als Support-Act Lee Bains III & The Glory Fires für ihre Konzerte eingeladen hätten? Das Quartett aus Birmingham, Alabama, verkörpert nämlich genau die Tugenden, die den Reiz der aufmüpfigen, überschwänglich provokativen Songs der frühen ROLLING STONES ausmachten. Bains und seine Kumpel leben den Geist des Rock & Roll mit einer rebellischen Grundhaltung in Verbindung mit Songs, die ihre Seele aus der schwarzen Musik beziehen. Dabei schöpfen sie souverän aus historischen Quellen wie Rhythm & Blues, Rockabilly und Soul, kennen aber auch die Wegbereiter des Punk, Grunge und College-Rock. Die Herren protzen dabei nicht mit Sekundärtugenden wie Lautstärke oder Schnelligkeit, sondern wissen genau, was einen guten Song ausmacht: Eine griffige Melodie, kurze, knackige Soli, atmosphärische Beigaben und jede Menge Hooklines.

    Auf „Youth Detention“ beglückt uns die Band mit 17 Kompositionen, die wie eine Lehrstunde aus einem Rock & Roll-Lehrbuch klingen: „Breaking It Down!“ ist ein explosiver, treibender Opener, der sich wie ein verschärfter Outtake aus den „Let It Bleed“-Sessions der Stones anhört. „Sweet Disorder!“ deutet Punk-Wurzeln an, besitzt aber auch einen starken Power-Pop-Kern. „Good Old Boy“ transportiert die Wut des kalifornischen Punk der achtziger Jahre wie er z.B. von den Dead Kennedys bekannt ist, während die Energie bei „Black & White Boys“ in einen handfesten Rhythm & Blues abgeleitet wird. Für „Whitewash“ wird Folk-Rock mit Power-Pop vermengt und das zackige, nervöse „Underneath The Sheets Of White Noise“ nimmt ungeduldig weiter Fahrt auf. Ein Überschäumen kann nur noch durch Pop-Beigaben verhindert werden. „I Heard God!“ ist eine Ballade mit unwiderstehlicher Melodie und robuster Instrumentierung. Der hymnische Pop von „Crooked Letters“ schraubt sich allmählich durch einen Kinderstimmen-Loop hindurch immer kraftvoller in die Gehörgänge. „I Can Change!“ lässt keinen Zweifel am Willen zur Veränderung, denn das wird nachdrücklich durch den rasanten Garagen-Rocker ausgedrückt. Zwischen energischem George Thorogood-Blues-Boogie-Rock und optimistischem Buzzcocks-Punk-Pop pendelt sich „The City Walls“ ein. Bei „Had To Laugh“ lässt sich eine Nähe zur melodischen Seite von Hüsker Dü feststellen. „Nail My Feet Down To The Southside Of Town” bezieht sich auf den 1960er Jahre-Sound solcher Bands wie The Kinks oder The Who. Speed-Rock und psychedelischer Irrsinn kennzeichnen das kurze „Tongues Of Flame!”. „Trying To Ride” führt zunächst auf eine falsche Fährte: Aus dem anfangs überdrehten Gitarren-Rocker wird schließlich ein verführerischer Power-Pop mit stürmischem Ende. Bei „The Picture Of A Man“ zeigen sich die Musiker von ihrer akustischen Seite und überzeugen mit einer lieblichen Melodieführung. „Commencement Address For The Deindustrialized Dispersion“ trägt die Reife von The Band-Kompositionen in sich und drückt sich außerdem frisch und unberührt aus, während „Save My Life“ als folkiger Demo-Track anfängt, dann aber schlagartig in einen stürmischen, druckvollen Country-Rocker übergeht.

    Lee Bains III & The Glory Fires lassen den Rock & Roll in seiner ganzen Vielfalt und Großartigkeit erblühen und gedeihen, denn das Quartett legt mit ihrem dritten Werk eine Songsammlung ohne Fehl und Tadel vor. Wäre die Band tatsächlich die Vorgruppe der ROLLING STONES gewesen, würde sie die Zuschauer - sofern diese unvoreingenommen reagieren – in Verzückung setzen können und von den besseren Tagen der altehrwürdigen Herren träumen lassen.
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    Salt Salt (CD)
    19.01.2014
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Die Entdeckung einer sensationellen Stimme

    Formal wird sie dem Jazz zugeordnet. Diese Einordnung widerspricht aber ihrer Flexibilität. LIZZ WRIGHT, geboren am 22. Januar 1980 in Hahira im Bundesstaat Georgia, im Süden der USA, ist eine Grenzgängerin zwischen den Stilen Jazz, Gospel, Rhythm & Blues, Pop, Country, Folk, Gospel und Soul. Auch die Wahl ihrer Cover-Versionen zeigt, dass sie keine Berührungsängste kennt. Sie wagt sich dabei in Bereiche vor, die von anderen Kolleginnen weitgehend gemieden werden. LIZZ WRIGHT wurde die Wirkung, die Musik auf Körper und Seele haben kann, schon von klein auf bewusst. Ihr Vater war Prediger und sie sang schon als Kind in seinem Kirchenchor und erhielt Klavierunterricht. Musik muss berühren, es muss ein Funke überspringen, der Hörer und Künstler verbindet. Darauf legt sie bei der Auswahl von Fremdmaterial und beim Komponieren ihrer Songs großen Wert. LIZZ WRIGHT wirkt sehr überlegt bei ihrem Vorgehen und tief verbunden mit dem, was sie tut. Sie lässt sich ausreichend Zeit, neue Aufnahmen fertig zu stellen und unterlegt sich keinem Diktat, zu einem bestimmten Turnus neues Material präsentieren zu müssen. Dazu passt auch, dass sie ausgleichende Interessen neben der Musik wahrnimmt. Sie ist passionierte ausgebildete Köchin und verbringt viel Zeit damit, ihren Garten zu gestalten.

    Heute lebt sie in Asheville in North Carolina auf dem Lande. Hier kann sie die Vorteile, die ein beschauliches, eher abgeschiedenes Dasein in relativ unberührter Natur bietet, nutzen und so Kraft für ihre Arbeit schöpfen. Ihre Familienchronik lässt sich bis zur Zeit der Sklaverei zurückverfolgen. Seitdem haben ihre Verwandten von der Landwirtschaft gelebt. Sie gehört der ersten Generation an, die nicht mehr von der Scholle existieren muss, sondern ein freies, künstlerisch geprägtes Leben führen kann. Und das tut sie sehr bewusst und genussvoll. Gesang hat sie in Atlanta, New York und Vancouver studiert. Zusätzlich trainiert sie ihre Stimme mit Atemübungen und Yoga und bildet sich durch das Lernen von Percussion-Instrumenten musikalisch weiter. Gesanglich ist sie sowohl von ARETHA FRANKLIN, wie auch von DONNY HATHAWAY, NINA SIMONE und ABBEY LINCOLN beeinflusst. Ihren künstlerischen Weg bestimmt sie aber nahezu autark. Mit Musikern wie GREGORY PORTER, JACKSON BROWNE oder CALEXICO arbeitet sie zusammen, weil sie von ihnen inspiriert wurde, nicht weil es das Management oder die Plattenfirma vorschreiben. Ihre Karriere startete sie in dem Vocal-Jazz-Quartett IN THE SPIRIT im Jahre 2000. Nach der Teilnahme an einem BILLIE HOLIDAY-Tribute im Jahre 2002 erhielt sie einen Plattenvertrag beim renommierten Jazz-Label VERVE und veröffentlichte 2003 ihr Debut-Album SALT.

    Es ist im Vergleich zu späteren Veröffentlichungen nur ein Schaulaufen für die Talente, die noch in LIZZ WRIGT schlummerten. Man hört eine Demonstration für die Öffentlichkeit, die eine neue sensationelle Stimme entdecken sollte. Das volle und wahre Können offenbart sich aber nur fragmentarisch. Lizz lässt sich besonders bei den Jazz-Standards von den dominanten, sich selbst darstellenden Begleitmusikern in den Hintergrund drängen. Erst beim letzten Song SILENCE darf sie zeigen, wie überzeugend sie sein kann, wenn sie das Ruder vollständig in der Hand hat und die Schlagzahl und Vorgehensweise bestimmt. Gut gelungen ist grundsätzlich auch AFRO BLUE, das sie sich von ihrem Idol, der Sängerin ABBEY LINCOLN, ausgeliehen hat. Bei dieser Ballade verschmilzt sie Folk-Leichtigkeit und Jazz-Raffinesse. Leider torpedieren die instrumentellen Eigensinnigkeiten, wie längere Piano-Solo-Ausflüge, den Integrationsgedanken wieder. Bei FIRE funktioniert die Verbindung von Pop und Jazz besser, weil eine echte Symbiose der Stile stattfindet.
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    21.04.2017
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    SAM OUTLAW befindet sich auf der Schwelle zwischen Neo-Country-Traditionen und anspruchsvollem Singer-Songwriter-Denken.

    Sam Morgan hörte als Kind Country-Swing und die BEATLES. Anfang der 1990er Jahre zogen die Eltern des damals 10Jährigen von South Dakota nach Southern California. Hier wurden EMMYLOU HARRIS und GEORGE JONES große Einflüsse im Bestreben, später Profimusiker zu werden. Als die Entscheidung getroffen war, nahm er den Geburtsnamen seiner Mutter als Künstler-Ego an. Für einen Country-Musiker ist das nicht die schlechteste Wahl. Mr. Outlaw macht grade eine Metamorphose vom Neo-Traditionellen Country-Sänger zum selbstbewussten, eigenständigen Singer-Songwriter durch. Auch der Soft-Rock der frühen 1970er Jahre haben bei ihm Spuren hinterlassen. Seine Stimme erinnert nämlich an Wegbereiter dieses Stils wie DAN FOGELBERG oder NED DOHENEY. Außerdem kommen Vergleiche mit dem fast vergessenen, intensiven KEVIN MONTGOMERY, der 1993 das tolle, introvertiert-eindringliche FEAR NOTHING veröffentlichte, ins Gedächtnis.

    SAM OUTLAW befindet sich in einem guten Entwicklungsstadium, denn fast alle Songs auf seinem zweiten Solo-Album haben scharfe Konturen und straffe Melodien, die von seinem sinnlich-tiefschürfenden Gesang umgeben werden. Der einschmeichelnden, suggestiven Wirkung der Lieder kann man sich kaum entziehen. Zurzeit bewegt sich der Musiker kompositionstechnisch im Dreiecksverhältnis zwischen dem Laurel-Canyon-Folk-Rock und den Anfängen des Country-Rock ab Mitte der 1960er Jahre sowie dem daraus entstandenen Soft-Rock. Traditionen, individuelle Ausdruckskraft und Eleganz treffen so aufeinander und werden meistens ausgewogen miteinander abgeschmeckt. Nur selten sind die Songs zu weich gezeichnet und zu ausladend arrangiert, wie z.B. beim Titelstück.

    Wem also herkömmliche introvertierte Songwriter meistens zu düster und grau sind und wer gerne packende oder eingängige Melodien mag, der bekommt mit SAM OUTLAW genau die richtige Alternative und Mischung geliefert. Denn der Musiker vereint Sensibilität, Geschmeidigkeit und Ernsthaftigkeit. Das gefühlvolle „Everyone`s Looking For Home“ überrascht mit plötzlich einsetzenden verfremdeten Tönen, die sowohl von Streichern, aber auch von Mariachi-Trompeten stammen. Die beherzten, wohlklingenden Country-Rocker „Trouble“ und „Say It To Me“ haben die Klasse und Reife der gehaltvoll-lockeren Songs der DESERT ROSE BAND des ex-THE BYRDS-Mitglied CHRIS HILLMAN. Auch der zu Tränen rührende Country-Walzer „She`s Playing Hard To Get (Rid Of)“ ist eindringlich, ohne klebrig zu sein. „Two Broken Hearts“ kann als leicht ins Ohr gehender Country-Pop mit Schwung überzeugen, der sich nicht an mögliche Charts-Notierungen anbiedert. Outlaws Vortrag ist tiefschürfend, aber nicht depressiv. Er ist melancholisch, dabei aber selten schmalzig.TENDERHEART wächst aufgrund der starken Songs mit jedem Hördurchgang. Sam ist ein talentierter Musiker, der die Chance verdient, sich weiter beweisen und entwickeln zu dürfen. Hoffentlich fällt seine hoffnungsvolle Karriere nicht noch kommerziellen Gesichtspunkten zum Opfer.
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    04.04.2017
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Die DJs und Plattensammler Keb Darge und Cut Chemist haben gemeinsam rare Garagen- und Psychedelic-Rocker ausgegraben.

    Der erfahrene DJ und Plattensammler Keb Darge ist relativ neu im Garagen-Rock- und Psychedelic-Sound-Sektor unterwegs. Lange Zeit tummelte er sich im Soul- und Funk-Umfeld. 2007 kompilierte er mit seinem Kollegen Cut Chemist den LOST & FOUND – ROCKABILLY & JUMP BLUES- Sampler. Dann gab es noch die vierteilige Rockabilly- und Surf-Serie LEGENDARY WILD ROCKERS, die er mit seiner Partnerin LITTLE EDITH präsentierte. Eigentlich ist die Hinwendung zum rohen und teils ausgeflippten Garagen-Rock-Sound der USA aus den mittleren 1960er Jahren aufgrund der Neigungen nur folgerichtig, aber es bedurfte dem Einfluss von Cut Chemist sowie von DJ SHADOW und BILLY GIBBONS von ZZ TOP, um KEB DARGE auf die Spur zu bringen. Für THE DARK SIDE haben Keb & Cut nun jeweils 15 Tracks ausgesucht. Offensichtlich legten die Sammler dabei gesteigerten Wert auf einen aufmunternden bis aufgestachelten Beat, damit sich die Stücke auch auf der Tanzfläche bewähren können. Deswegen gibt es hier auch keine langen Improvisationen zu hören und auf bekannte Namen der Szene wie THE SEEDS oder 13TH FLOOR ELEVATORS wurde auch verzichtet. Stattdessen findet man rare Tracks von obskuren Combos, die sich häufig durch Engagement, Frechheit und jugendliche Leidenschaft auszeichnen. Die Vorbilder für die Kompositionen liefern überwiegend Bands der British Invasion. Also jene Gruppen, die den Amis damals ihre Blues-Wurzeln zurück brachten und diese mit Rock & Roll aufpeppten. Also vor allem Bands wie THE KINKS, THE ANIMALS, THE ROLLING STONES und THEM. Aber natürlich haben manchmal auch die BEATLES ihre Spuren hinterlassen und CAPTAIN CRUNCH AND THE CREW verarbeiten beim Psychedelic-Folk-Rocker „Nowadays People“ sogar Einflüsse der frühen PINK FLOYD unter SYD BARRETT.

    Die Zusammenstellung dokumentiert eine Zeit, in der viele Jugendliche von dem Wunsch beseelt waren, ihrem Frust ein Sprachrohr in Form von Musik zu geben, die abseits der herrschenden, muffigen Schlager-Normen Gefühle wie Aufbegehren und Freiheit transportiert. Beat und Rhythm & Blues sorgten für einen tanzbaren Takt und psychedelische Ausschmückungen kündigten eine Zeitenwende an. Viele der ausgewählten Bands glänzen eher durch Hingabe als durch ausgefeilte Instrumententechnik. Die Inbrunst ist oft ansteckend und die eher monoton-primitiven Rhythmen sorgen dafür, dass die Musik in die Beine geht. AL`s UNTOUCHABLES und THE SPADES spielen feurigen R&B wie die frühen THE KINKS und auch THE OMENS sorgen mit „Searching For Love“ durch eine ungezwungene Orgel/Gitarre/Schlagzeug Druck-Befüllung für einen wilden Sound. Umso unbändiger, umso besser: „Project Blue“ von THE BANSHEES ist ein aufgedrehter Titel, der immer kurz vorm Bersten zu sein scheint. Der Sänger ist außer Rand und Band und eine rastlose Gitarre treibt die Rhythmus-Abteilung erbarmungslos an.

    Aber es gibt auch ungewöhnliche Varianten: Sonderbarer Gesang, eine Folk-Harmonika und unangepasste Melodieführungen mit Pop-Geschmeidigkeit und stoischem R&B-Rhythmus bieten THE OUTSIDERS. Einen schnellen Beat auf der Schwelle zum Power-Pop in der Art der MONKEES präsentieren YOUNG ARISTOCRAZY und Garagen-Rock mit Pop-Zutaten, dessen Mixtur an BUFFALO SPRINGFIELD erinnert, gibt es bei „I See The Light“ von THE SOUND TRACK zu hören.
    Nicht alle Beiträge haben die gleiche Klasse, das liegt jedoch in der Natur der Sache. Der Sound wurde weitestgehend sauber überarbeitet, aber bei 2 Tracks konnten die Tonspuren nicht exakt reproduziert werden. Insgesamt bietet THE DARK SIDE eine vitale Sicht auf den 1960er-Garagen-Punk, hat ein schönes Digi-Pack-Klappcover mit detaillierten Track-By-Track-Informationen und ist mit knapp 77 Minuten Laufzeit prall gefüllt.
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    23.03.2017
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Die beiden Frauen der WORRY DOLLS unterbreiten ein harmonisches, aber trotzdem abwechslungsreiches Programm.

    Die WORRY DOLLS sind ZOE NICOL und ROSIE JONES, die sich in Liverpool trafen, als sie grade mal 18 Jahre alt waren. Die Damen stellten fest, dass sie sich gegenseitig an ihrem Gesang aufrichten konnten. Als Duett harmonieren sie prächtig miteinander, suchen gegenseitigen Schutz und finden Kraft. So können sie auch gegen einen heftigeren, lauten Instrumenteneinsatz bestehen. Ansonsten solidarisieren sich mit jeder Art von Intimität, Verletzlichkeit und Nachdenklichkeit. Die Ladies kamen durch den Soundtrack von O BROTHER, WHERE ART THOU? zu ihrer jetzigen Bestimmung und entsprechend nah am Bluegrass, Folk und Country ist ihre Vortragsweise angesiedelt. Deshalb war es auch logisch, dass sie GO GET GONE in Nashville aufnahmen.

    „Endless Road“ klingt unschuldig und sehnsüchtig zugleich. „Train`s Leaving“ feiert das Unterwegs sein mit Aufbruchstimmung. Der Walzer „Miss You Already“ klingt wie ein Outtake aus dem 1930er Country-Repertoire der CARTER FAMILY und „Don`t Waste Your Heart On Me“ transportiert diesen düsteren, mysteriösen und staubigen Charme, der im O BROTHER…-Film eine tragende Rolle spielt. „She Don`t Live Here“ ist eine Piano-Ballade mit verwehten Steel-Guitar-Einschüben, die auch auf RUMOURS von FLEETWOOD MAC eine gute Figur gemacht hätte. Bei „Bless Your Heart“ geht es verhältnismäßig druckvoll und herausfordernd zur Sache und „Light Oh Light“ verbreitet Zuversicht. Beim dunkel-intensiven Folk von „Passport“ bestimmt auch das Banjo den Rhythmus und die Geige bekommt Freiraum, um sich freigeistig und progressiv zu äußern. Mit „Things Always Work Out“ wird es sentimental, bevor „Someday Soon“ ein zunächst elegisches und später Roots-rockiges Ende einläutet.

    Die WORRY DOLLS betören mit eng verbundener Harmonie, die sie zur Untermalung von traditionell ausgelegten Country- und Folk-Titeln einsetzen, die aber auch im Pop- und Roots-Rock-Gewand überzeugend eingesetzt wird.
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    Non Canon (CD)
    05.03.2017
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Nachdenklich, aber nicht depressiv. Kunstvoll, aber nicht kopflastig. So versteht Barry Dolan die Magie von melancholischen Songs.

    Non Canon ist das Art-Folk Projekt von Barry Dolan aus Bristol, der 2014 noch mit „Half-Life Of Facts“ ein impulsives, druckvolles Heavy-Punkrock-Album unter seinem Bandnamen Oxygen Thief herausgebracht hat. Non Canon ist komplett anders. Barry zeigt sich verletzlich und melancholisch, aber nicht resignierend. Die Songs wurden intelligent aufgebaut, der Gesang behält seriös die Kontrolle über die Situation und die instrumentelle Begleitung wirkt gediegen und ungewöhnlich. Der wandlungsfähige Musiker schildert in seinen Tondichtungen Ängste ohne Selbstmitleid und die Musik lädt auf intellektuelle Weise zum Innehalten ein.

    Sparsamkeit bestimmt „Splinter Of The Mind`s Eye“. Klirrend-tropfende Akustik-Gitarren-Töne und A Cappella-Gesang werden zunächst separat aufgeführt und finden erst später zueinander. Wehmütige, schwere Cello- und Geigenklänge komplettieren diesen kammermusikalischen Folk. Bei „Eponymous“ finden bodenständiger Folk und experimentelle Songstrukturen zueinander. Das hört sich, wie auch „Bad Twin“, nach der komplexen Komponierweise von Bill Callahan an. Das Piano öffnet hier Räume, die durch Marsch-Schlagzeug und Trauer-Cello gefüllt werden.

    Protest-Folk in laut und leise übermittelt „The Book Of Jasher“. Die akustische Gitarre verbreitet für „Home Alone 3“ Übungs-Akkorde und Barry Dolan singt unbeirrbar seine Verse darüber: Als würden Stimme und Instrument aneinander vorbei kommunizieren. Ausgebremster Power-Pop wird bei „A Study In Emerald“ in lebendigen Art-Pop umgewandelt und „Crayola“ regt als barocke Pop-Kunst an.

    Virtuos und kreativ gespielten, extravagant inszenierten instrumentalen Folk gibt es bei „1999 In Roman Numerals“ zu hören. „Memory Beta“ lebt in allen Belangen von monotonen Wiederholungen. Das gilt sowohl für die Gitarrenakkorde wie auch für die Refrains, die endlos und übertrieben nachhallen. Der Hypnotik-Effekt wird jedoch überstrapaziert und schlägt in Langeweile um.

    Für Barry Dolan ist redensartlich das Glas zwar halb leer, aber er ist nicht betrübt deswegen, sondern sieht das nüchtern als Tatsache. Wenn die Flasche dann leer ist, gibt es eben eine Neue. Bravo, hier wird das Prinzip Hoffnung bewusst gelebt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Der nachdenkliche Songwriter drückt also glaubhaft Betroffenheit aus und kann dies intensiv musikalisch darstellen.
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    05.03.2017
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Kammermusik, Folk, Jazz und Pop: Die Musiker von DAWA vereinen diese Stile locker und seriös zugleich.

    DAWA ist ein kammermusikalisch geprägtes Folk-Pop-Jazz-Quartett aus Österreich, das aktuell in der Besetzung John Michael Dawa (Gesang, Gitarre, Fußschelle (!)), Barbara Wiesinger (Gesang, Percussion, Hammond-Orgel, Gitarre), Laura Pudelek (Cello, E-Bass, Harmoniegesang) und Oama Richson (Cajón/Schlagzeug/Percussion, Harmoniegesang) auftritt. Im Jahr 2015 nahm die Gruppe an der ORF-Fernsehshow „Wer singt für Österreich“, einer Vorausscheidung für den European Song Contest teil und wurde Zweite. „(r) e a c h“ ist jetzt das dritte Studioalbum der Band und zeigt sie als ausgeruhte Pop-Künstler, die u.a. Folk-Einflüsse von Crosby, Stills & Nash und Pop-Sensibilitäten im Sinne von Fleetwood Mac`s „Rumours“ verarbeiten. Nichtsdestotrotz erhalten sie sich eine eigene Identität. DAWAs Kompositionen überzeugen nämlich durch Raffinesse bei den Arrangements, packende Melodien und einer lockeren Souveränität bei der Umsetzung. DAWA sind konzentriert und leichtfüßig zugleich. Ihre Instrumental- und Gesangsbeiträge sind vielschichtig und dennoch luftig.Dieses Rundum-Sorglospaket ist viel zu schade für einen schnöden Schlagerwettbewerb! Die Musiker brauchen eher ein fachkundiges Folk/Singer-Songwriter-Publikum, dass ihre Qualitäten zu schätzen weiß.

    „Reach“ beinhaltet Folk-Jazz mit Pop-Schmeicheleien sowie Klassik-Ernsthaftigkeit als Beigabe. Beim harmonischen Folk-Pop „Speed Of Light“ wird ein forsches Tempo angedeutet, das sich aber nicht durchsetzt. Geschickt manövriert der Track zwischen lässigem Wohlklang und nachdenklichem Erzählton. „Open Up“ greift den belebenden Samba-Rhythmus von „Intro Samba“ abschnittsweise wieder auf. Der Gesang bleibt als Kontrast dazu streng und unnahbar. Mit einfachen Mitteln wird „Child Of The Sun“ in einen rauschhaften Zustand versetzt: Das Cello spielt kratzige Akkorde in Dauerschleife, gläserne Töne verbreiten Durchhalteparolen, das Schlagzeug tuschelt erwartungsvoll und die akustische Gitarre zitiert psychedelischen Westcoast-Folk. „Put It Away“ hat den Soul von Ben Harper und die individuelle Klasse von Marianne Faithfull aufgesaugt und bewegt sich in etwa im introvertierten Folk-Bereich von Ben Howard. „Emma“ lässt sich Zeit. Aus den zufällig erscheinenden, getropften Tönen entwickelt sich langsam ein stoischer Minimal-Art-Folk-Song. Wenn man so will, kann das harte, druckvolle „White Walls“ aufgrund der brutalen Ausstrahlung unter Heavy-Metal-Folk eingeordnet werden. Ein versöhnlicher, ernsthaft-seriöser Nachklang des Songs gelingt mit dem „White Walls Outro“. Pulsierender Soul-Folk-Jazz wird beim sowohl gefühlvoll wie energisch ausfallenden Klangbild von „Wait Another Day“ dargeboten.

    Damit ist den Österreichern ein spannendes, abwechslungsreiches und gleichzeitig homogenes Werk von internationalem Format gelungen.
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    23.10.2016
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Der Klassiker ist zurück: Zum 50jährigen Jubiäum gibt`s eine neue Zusammenstellung von Sunny-Interpretationen.


    Sunny ist ein Evergreen. Ein Song, den jeder schon mal gehört hat und der über die Jahre nichts von seiner Faszination einbüßte. Es gibt ca. 2.000 Versionen des Liedes und im Jahr 2000 wurden schon mal ein paar bekannte und markante Interpretationen zusammengetragen. Anlässlich des 50sten Geburtstags erfolgt jetzt eine erneute Würdigung der Komposition und dessen Verfassers BOBBY HEBB. Dieser wurde durch die Ermordungen von John F. Kennedy und seines Bruders, die an zwei aufeinander folgenden Tagen geschahen, sowie eines violett erscheinenden Sonnenaufgangs in New York City zu den unsterblichen Zeilen und der zeitlosen Melodie inspiriert.

    Das Lied kam allerdings nur durch Zufall auf Bobbys erste, empfehlenswerte und auch neu herausgebrachte Langspielplatte: Am Ende der regulären Aufnahmen war noch Studiozeit über und so spielte Mr. Hebb die Komposition mit den noch verbliebenen Studiomusikern ein und schuf so spontan einen Pop-Klassiker, der natürlich auch auf The 50th Anniversary Collection Of Sunny vertreten ist. Die Auswahl der Interpretationen verdeutlicht eindrucksvoll, wie flexibel der Track einsetzbar ist. Er taugt für etliche Musikstile und durch die Transformation werden jeweils neue Facetten freigelegt.

    JAMES BROWN macht daraus mit dem DEE FELICE TRIO und der großartigen Sängerin MARVA WHITNEY einen Late-Night-Jazz, der zunächst melancholisch und später aufgedreht abläuft. Auf die große Show-Bühne wird der Track mit unterschiedlicher Intensität durch SHIRLEY BASSEY, den Schauspieler ROBERT MITCHUM, TRINI LOPEZ und DUSTY SPRINGFIELD gehoben. Von THE HEAD SHOP wird der Titel in einen Psychedelic-Pop umgewandelt und das JOHN SCHRÖDER ORCHESTRA lässt das Lied swingen. GEORGIE FAME überführt ihn in seinen speziellen Rhythm & Blues und peppt ihn mit Funk-Gitarren auf. CHER erstaunt mit einer coolen Southern-Soul-Pop-Version und WILSON PICKETT legt seine gesamte Stimmgewalt und tief empfundene Emotionen in den Track, wobei er das Tempo niedrig hält. Jazz-Flötist HERBIE MANN hat sich für seine Interpretation stimmliche Unterstützung von TAMIKO JONES geholt und BOOKER T. & THE MG`s bleiben ihrem Sound treu und verfassen eine groovende Instrumentalnummer, bei der Gitarre und Orgel quasi den Gesangspart übernehmen.

    Die große Dame des Jazz, ELLA FITZGERALD, mag es karibisch und lässt einige Percussion-Instrumente ausgelassen klappern, bevor das Jazz-Orchester die Oberhand gewinnt und sie mit ihren Gesangskünsten die Komposition variabel vereinnahmt. JOSE FELICIANO gibt seinem Bossa-Nova-Arrangement noch ein Streicher-Gewand mit, was dann zu einer Weichzeichnung führt. Zwölfmal der gleiche Song, ist das nicht langweilig? Nein, denn Sunny macht bei jeder Bearbeitung erneut eine gute Figur.
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    23.10.2016
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Rare Disco-Tracks aus den 1970er und 1980er Jahren bietet We Know How To Boogie

    The Grasso Brothers Present: We Know How To Boogie ist das Produkt der italienischen Brüder Gino und Federico Grasso, bei dem rare und obskure Disco-, Boogie- und Soul-Perlen zusammengetragen werden, die in der Zeit von Mitte der 1970er Jahre bis Mitte der 1980er Jahre entstanden sind. Die Tracks eignen sich nicht ausschließlich nur zur Füllung von Tanzflächen, sondern auch zum Einsatz in der Chill-Out-Zone oder für den Heimbedarf bei ungezwungenen Feiern. Das Tempo vieler Tracks ist maximal im Mid-Tempo-Bereich angesiedelt, hitzige oder rasante Passagen sind selten. Der Groove baut sich deshalb in der Regel mit Laufzeiten bis über neun Minuten nur langsam auf. Die Sammlung richtet sich auch an Spezialisten der Disco-Ära, die alles sammeln, was an hörenswerten Veröffentlichungen stattgefunden hat und auch Interesse an instrumentalen Spielereien haben.

    So verbindet KENNY PIERCE mit seinem zurückgenommenen „Done Been“ die lässige Eleganz von KID CREOLE & THE COCONUTS mit chromblitzendem Funk-Jazz. Die TOGETHER BAND setzt bei „You Can`t Run From Love“ auf eine Kombination aus leichtfüßigem Philly-Sound mit Bass-lastigem Schlafzimmer-Soul. SHARON JOHNSON singt teils abgeklärt, teils schwärmerisch und bedient mit „A Better Day“ eine Schnittmenge aus flüssigem Disco und glattem Pop. Zu „Times Three“ von ARABI kann eine kesse Sohle aufs Parkett gelegt werden, ohne dass sich die Tänzer verausgaben müssen. Ein kurzes Gitarren-Solo, hüpfende Keyboard-Noten und energische Bläser tragen dazu bei, dass der Song kurzweilig bleibt. LIVING COLOUR legen mit „Plastic People“ einen federnden Funk vor und THOSE GOOD INTENTIONS können mit dem belebenden „We Know To Boogie“ punkten. Ansteckend optimistisch ist „Dance To Freedom“ von SHERMAN HUNTER ausgefallen und „Le Love“ von BLACK SUN schlägt schwungvoll in die gleiche Kerbe.

    Die Zusammenstellung zeigt die Disco-Welle also aus der Sicht von Musikern, die es nicht zu Ruhm und Ehre gebracht haben, aber vielfach einen reizvollen Beitrag beigesteuert haben.
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    Popcorn Heartbreak 1958-1964 Popcorn Heartbreak 1958-1964 (CD)
    23.10.2016
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Rhythm & Blues zum Jive tanzen oder entstand zuhören. Popcorn Heartbeat 1958 bis 1964 passt zu beiden Gelegenheiten.

    Popcorn ist ein Musik-Potpourri, das in den 1970er Jahren in Belgien aus alten Soul-, Rhythm & Blues-, Ska- und Pop-Scheiben destilliert wurde und sich eher im unteren Tempobereich bewegt. Dazu wurde dann ein langsamer Jive getanzt. Jay Strongman Presents Popcorn Heartbeat ist eine Zusammenstellung, die sich auf die Rhythm & Blues-Stücke, die im Zeitraum von 1958 bis 1964 entstanden, konzentriert:

    „River Love“ von HILLARD STREET versprüht exotischen Zauber und DOLLY LYONs „In The Palm Of Your Hand“ hat beinahe den selben Coolness-Faktor wie der Evergreen „Fever“, im Original von LITTLE WILLIE JOHN. Auch „You Got Me Crazy“ von LEW CONETTA ist stilistisch an der dunklen Nachtclub-Atmosphäre von „Fever“ ausgerichtet worden, überzeugt aber schon alleine aufgrund des engagierten Gesanges. „Lonely Moon“ von JOHNNY WELLS kann ebenfalls als extrem cool groovender Rockabilly punkten. Schmierige Streicher und Background-Sängerinnen, bei denen es sich auch um verstellte Männerstimmen handeln könnte, sorgen hier für Schräglage. VARETTA DILLARD lässt die Stimme aufgrund ihrer Wut über eine zerbrochene Beziehung für „That`s Why I Cry“ grimmig vibrieren. In diesem Gemütszustand möchte man der Dame lieber nicht begegnen. Ein Saxophon erzählt verzerrt von der Pein und die Rockabilly/R&B-Basis heizt die gereizte Stimmung noch zusätzlich an. So entsteht ein Liebesdrama voller sinnlicher Bezüge.

    KITTIE WHITE hat Vorahnungen, dass ihr nächstes Date peinlich enden könnte. Das HUGO PERETTI ORCHESTRA unterstreicht diese drohende Situation bei „I`m Gonna Be A Fool Next Monday“ mit mächtigen Bläsersätzen, die stark und abgeklärt zugleich rüberkommen. Solche Mini-Dramen finden sich zuhauf auf diesem Album. Die Intensität der Verarbeitung der Gefühle hat dabei eine Bandbreite, die sich von leidend-schmalzig bis trotzig-beherrscht erstreckt. Fans von DION & THE BELMONDS, den frühen WALKER BROTHERS, von DUSTY SPRINGFIELD oder PEGGY LEE sollten sich hier auf jeden Fall angesprochen fühlen.
    Meine Produktempfehlungen
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    DJ Amir Presents: Buena Musica Y Cultura DJ Amir Presents: Buena Musica Y Cultura (CD)
    23.10.2016
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Begeisternder, rarer Latin-Sound aus den 1960er und 1970er Jahren.

    DJ Amir Presents Buena Musica y Cultura beinhaltet obskure Latin-Tracks der 1960er und 1970er Jahre, die hauptsächlich aus New York stammen. Das ist der Stoff, den Carlos SANTANA als Vorlage für seine frühen Aufnahmen im Ohr gehabt haben mag oder den STEPHEN STILLS zur Belebung einiger seiner Kompositionen heranzog. Die Musik lebt von der hinreißenden Dynamik der Schlaginstrumente, die manchmal ein Eigenleben entwickeln. Trotzdem wird das komplexe Gesamtkonstrukt von unsichtbaren Kräften zusammengehalten. Überall klappert und scheppert es. Es klingelt und klopft und die Poly-Rhythmen bewegen sich abwechselnd auseinander und wieder aufeinander zu.

    Die Musik atmet und pulsiert dadurch. Fanfarengleiche, manchmal stechend intensive Blechbläser und lebensfrohe Flöten starten Attacken, die in ihrer aufgestachelten, alarmierenden Wirkung in dieser Form gerne auch für Thriller-Soundtracks verwendet werden. Der Rhythmusteppich ist so stabil und euphorisierend, dass die Solisten die schrägsten Einfälle unterbringen können, ohne den geschmeidigen Ablauf zu stören: Der Bassist, der Pianist und der Posaunist von LA MODERNA OF NEW YORK erhalten zum Beispiel bei „Picadillo“ Freiräume zur künstlerischen Entfaltung und nutzen diese außergewöhnlich jazzig und ausdrucksstark. Es ist ein seltener Glücksfall, wenn Musik gleichzeitig körperlich wie auch intellektuell ausgerichtet ist. Hier wird sowohl das Tanzbein angeregt wie auch Staunen über die Virtuosität der Musiker erzeugt. Das ist durchgängig herrlich anzuhören!
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    Primrose Green Ryley Walker
    Primrose Green (CD)
    18.10.2015
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Folk-Jazz der Spitzenklasse

    Das ging ja flott. Im April 2014 erschien das Debut-Album „All Kinds Of You“ des versierten Gitarristen, Komponisten und Sängers RYLEY WALKER aus Chicago. Der 1989 geborene Künstler überraschte alle Anhänger von anspruchsvollem Singer-Songwriter-Liedgut, das sich zwischen den Stilen Folk, Jazz und Blues bewegt, mit einem erstaunlich ausgereiften Werk.

    Als Eckpunkte und Einflüsse ließen sich hochkarätige Vorbilder wie TIM BUCKLEY, BERT JANSCH & PENTANGLE und JOHN MARTYN lokalisieren. Da liegt die Messlatte hoch, aber RYLEY WALKER verstand es, sowohl stimmlich wie auch kompositorisch und hinsichtlich der instrumentalen Umsetzung zu überzeugen. Und nun schiebt er ein Jahr später schon das nächste Album nach. „Primrose Green“ besteht auch wieder aus betörenden, psychedelischen Folk-Jazz-Titeln, die mit und ohne Gesang vorgetragen werden. Es ist fast unheimlich, wie nahe er diesmal TIM BUCKLEY kommt. Er streift mit dem Song „Primrose Green“ das „Goodbye And Hello“-Album und bringt angelehnt an die „Happy Sad“-Phase ein prägendes Vibraphon im Klangbild unter („Summer Dress“).

    Selbst die halluzinogenen Momente von „Lorca“ finden sich wieder. Bei „Same Minds“ und „All Kinds Of You“ spielt der jazzig-experimentelle JOHN MARTYN als Einfluss eine große Rolle und im Stück „Sweet Satisfaction“ münden die gemeinsamen Buckley und Martyn-Inspirationen in ein berauschendes Feedback-Gitarren-Gewitter. „The High Road“ würde ins Repertoire der Folk-Jazz-Formation PENTANGLE passen, könnte aber auch ein verlorener Track von NICK DRAKE sein. RYLEY WALKER reflektiert sehr intensiv den Sound seiner Idole. Er scheut sich nicht vor komplexen Strukturen und kann dabei kompositorisch voll überzeugen.
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    04.10.2015
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Dave und Phil Alvin verbeugen sich erneut vor ihren musikalischen Helden

    Die Brüder Dave und Phil Alvin sind Institutionen der Roots Music-Szene der USA. Anfang der 80er Jahre waren sie mit The Blasters Teil der Bewegung, die die Schubladen No Depression und Americana erst möglich machte. Damals entstand aus dem Punk heraus eine neue Besinnung auf die uramerikanischen Stile Blues, Country und Folk und solch wegweisende Bands wie Green On Red, The Long Ryders, X und Los Lobos entstanden in diesem Fahrwasser. Nach dem Ende der Blasters arbeiten die Brüder Dave und Phil Alvin nicht mehr oft zusammen. Zu unterschiedlich haben sich ihre beruflichen Wege entwickelt. Während Dave dem Roots-Rock treu geblieben ist, hat sich Phil zunächst hauptsächlich um sein Studium gekümmert und nur zwei Solo-Alben veröffentlicht. Erst 2014 huldigten die Brüder wieder mit einem gemeinsam Album der Blues-Legende Big Bill Broonzy. Nun gibt es quasi die Fortsetzung der Verbeugung vor ihren musikalischen Helden. Hierzu wurden alleine vier Songs von ihrem Mentor, dem Tausendsassa Big Joe Turner, der sowohl im Jazz wie auch im R&B und Rock`n`Roll zu Hause war, ausgewählt. Außerdem gibt es unter anderem auch Titel vom Folk- und Blues-Sänger Leadbelly („In New Orleans (Rising Sun Blues)“) und vom Soul- und Funk-Pionier James Brown („Please Please Please“) zu hören.

    Wer nun gehofft hat, dass die Songs so rüpelhaft, mysteriös und energisch interpretiert werden, wie Dave Alvin sein letztes Solo-Werk „Eleven Eleven“ von 2011 gestaltet hatte, der wird unter Umständen milde enttäuscht sein. „Lost Time“ ist nämlich über weite Strecken relativ konservativ, ehrfürchtig und traditionsbewusst ausgefallen und spiegelt somit die Stimmung des Vorgängers „Common Ground“ wider. Nur beim rumpligen Gospel „World`s In A Bad Condition“, den das Golden Gate Quartett schon in den 30er Jahren eingespielt hatte sowie beim geheimnisvollen, stechenden Boogie-Blues „Sit Down, Baby“, im Original von Otis Rush, tanzen sie aus der Reihe, Dann zeigen sie deutlich ihr urwüchsiges, rebellisches Potential. Die Songs von „Lost Time“ wurden zwar alle kompetent und inspiriert umgesetzt, manchen hätte aber etwas mehr Schärfe besser gestanden.
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    The Beau Brummels The Beau Brummels (CD)
    22.02.2015
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    The Beau Brummels ist ein subtiles, zeitloses (fast) vergessenes Meisterwerk

    Mitte der 60er Jahre fegte die British Invasion mit den BEATLES als Speerspitze wie ein Sturm über die Teenager der USA hinweg und sorgte dafür, dass sich hunderte von Bands gründeten. Eine davon waren die in San Francisco ansässigen BEAU BRUMMELS. Sie bestanden im Kern aus dem begnadeten Sänger SAL VALENTINO und dem sensiblen Gitarristen und Song-Autoren RON ELLIOTT. Schnell erweiterten sie den vom Mersey-Beat-adaptierten Sound und wurden eine der ersten Folk-Rock-Formationen. Sie bezogen auch psychedelische Elemente ein und entwickelten sich so zu einer der innovativsten Gruppierungen der Bay-Area. Ihre Alben TRIANGLE von 1967 und BRADLEY`S BARN von 1968 sind Musterbeispiele für hochemotionalen und handwerklich raffinierten Westcoast-Sound mit Folk- und Country-Wurzeln.

    1975 kam die Gruppe ein letztes Mal für ein Reunion-Album, schlicht THE BEAU BRUMMELS betitelt, zusammen. Haben Wiedervereinigungen oft den Charakter von lauen Aufgüssen vergangener Tage, so ist dieses Werk eine logische und qualitativ hochwertige Fortsetzung der Evolution der beteiligten Musiker. Neben den erwähnten VALENTINO und ELLIOTT bestand die reformierte Band noch aus den Gründungsmitgliedern DECLAN MULLIGAN am Bass und JOHN PETERSEN am Schlagzeug. Sporadisch beteiligte sich auch der Ex-Kollege RON MEAGHER an der Gitarre. Gastauftritte von DAN LEVITT an Gitarre und Banjo, VICTOR FELDMAN an allerlei Schlagwerk und vom Pianisten MARK JORDAN vervollständigten das Klangbild. Und das ist sehr feinsinnig und ausgewogen. Unter den 10 Songs ist auch YOU TELL MY WHY, der schon das zweite Werk THE BEAU BRUMMELS, VOL. 2 von 1965 zierte. Er wird hier runderneuert präsentiert und fügt sich dabei nahtlos in das Gesamtkonzept ein. Und das besteht darin, eine homogene Songsammlung aus ultra-geschmeidigen, fließenden Country-Folk-Tracks anzubieten. Die zehn RON ELLIOTT-Kompositionen haben allesamt Hit-Potential, sind eingängig, virtuos instrumentiert und werden von SAL VALENTINO traumhaft beseelt gesungen. FIRST IN LINE, SINGING COWBOY und WOLF nehmen gemäßigt und elastisch Fahrt auf, wobei die beiden zuletzt genannten Tracks die Lässigkeit von Steely Dan-Songs erreichen.

    YOU TELL MY WHY, THE GATE OF HEARTS sowie GOLDRUSH bewegen sich in mittlerem Tempo sehr entspannt und souverän fort. Bei TENNESSEE WALKER, THE LONELY SIDE und TODAY BY DAY handelt es sich um cremige, versunkene Balladen. DOWN TO THE BOTTOM gehört prinzipiell auch in diese Kategorie. Der Track bekommt jedoch vom Gast Ronnie Montrose aufrüttelnde E-Gitarren-Salven spendiert, die ihn aus der introvertierten Umgebung reißen.

    THE BEAU BRUMMELS überzeugt rundum. Die Songs sind allesamt von erlesener Qualität, das heißt meisterlich komponiert, eingespielt und gesungen. Sie erzeugen eine abgeklärte und überlegene Stimmung und die Arrangements sind luftig, feinfühlig und clever. Der Band ist somit ein subtiles, zeitloses Meisterwerk gelungen. THE BREAU BRUMMELS ist also ein (fast) vergessener Klassiker, der bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat.
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    Home Part 1 Home Part 1 (CD)
    22.02.2015
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Scott Matthews ist ein besinnlicher, geschmackvoller Künstler mit zurückhaltenden, gediegenen Songs

    Zuhause zu sein hat für Scott Matthews mit erfüllter Sehnsucht zu tun. Dieses romantische Bild spiegelt sich auch in der Musik des seit 10 Jahren aktiven Musikers wider. Scott ist Engländer, spielt zurückhaltende, gediegene Songs und zeigt sich auf „Home Part 1“ somit als besinnlicher und geschmackvoller Künstler.

    Das zentrale Thema auf dem 4. Album des Singer-Songwriters ist also im Prinzip die Bedeutung von Heimat sowie die Magie des Ortes, an dem man seine Wurzeln hat. Scott hat diese persönlichen Gedanken in seinem eigenen Heimstudio in Töne umgesetzt. Wenn Mr. Matthews seinen Gefühlen besonderen Nachdruck verleihen möchte, dann gleitet er in ein waidwundes Falsett ab oder verstärkt diese Wirkung noch durch leichtes Tremolo. Das hat Ähnlichkeit mit der Methode, die Jeff Buckley angewendet hat, um seinen Songs emotionale Tiefe zu verleihen. Ansonsten singt der introvertierte Barde mit trauriger, aber fester Stimme, die schon mal in ihrer Empfindsamkeit an Thom Yorke von Radiohead erinnern kann. Stilistisch bewegt er sich im dunkelgrauen, nachdenklichen Folk-Umfeld, ohne traditionell zu sein. Er ist ein seriöser Komponist, der die Werke von Nick Drake und Joni Mitchell intensiv studiert zu haben scheint und eigene Schlüsse für seine Kunst daraus abgeleitet hat. Bei der Umsetzung ist er sensibel genug, sich nicht mit Plagiaten abzugeben und hat verstanden, worauf es ankommt, wenn man gefühlvolle Songs schreiben will, die aufrecht und intensiv sein sollen. Seine Stücke werden mit ästhetischen Begleitungen ausgestattet, die ihnen eine kammermusikalische Würde verleihen.

    Matthews wird trotz vorhandenem Pathos nie zu weinerlich. Er hält die Spannung zwischen Verletzlichkeit und Zuversicht aufrecht und sorgt deshalb dafür, dass seine Schöpfungen nicht in Tristesse versinken. Die Arrangements und Melodielinien sind delikat ausgestaltet und bereiten einen abwechslungsreichen, kunstvollen Hörgenuss. Unter den vielen melancholischen Songwritern nimmt der Barde aufgrund seiner ausgeklügelten Strukturen eine Sonderstellung ein. „Home Part 1“ ist ein friedvolles, sanftes, ausgewogenes Album mit brillanten Liedern und vielen exquisiten instrumentellen Leckerbissen geworden. Hoffentlich müssen wir nicht allzu lange auf „Home Part 2“ warten.
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    Boxers Boxers (CD)
    22.02.2015
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Matthew Ryan ist eine Empfehlung an Roots-Music und Americana-Fans

    Matthew Ryan ist unkompliziert und geradeaus. Schnörkellos präsentiert er seine Songs, die ohne Effekte und elektronische Gimmicks auskommen. Handgemacht und ehrlich ist häufig eine Standardbeschreibung für solch robuste Rock-Musik, die nur manchmal ruhig und intim wird („We Are Libertines“, „Then She Threw Me Like A Hand Grenade“, „United Kingdom Come“, „If You`re Not Happy“). Ryan Adams („Suffer No More“) und Bruce Springsteen („The First Heartbreak“) fallen sofort als Bezugspunkte ein. Matthew Ryan wollte eine Platte machen, die so klingen sollte, als träfen Crazy Horse auf die frühen Replacements.

    Dazu hat er sich mit Kevin Salem einen Bruder im Geiste als Produzenten ausgesucht. Dieser erzeugte schon in den 90er Jahren mit seinen CDs „Soma City“ und „Glimmer“ einen Garagensound, der dem jetzigen Vorhaben von Matthew Ryan sehr nahe kommt. Das Ergebnis von „Boxers“ Punk zu nennen, ginge zu weit. Aber die Musik ist auch oft wütend und textlich rebelliert sie gegen das Establishment, so dass ein gewisser (t)rotziger Eindruck entsteht. Die Aufnahmen entstanden quasi live im Studio und es gab nur wenige Overdubs. Diese Direktheit springt einen sofort an und Matthews raue, durchdringende Stimme färbt die Töne rot glühend.

    Diese Scheibe sprengt keine musikalischen Grenzen, ist aber eine Empfehlung für Menschen, die griffige Rockmusik mit eingängigen Melodien, abseits des Mainstream schätzen. Alle Roots-Music- und Americana-Fans müssen das Teil sowieso haben.
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    Take It Like A Man Jim White
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    22.02.2015
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Jim White macht eine Hillbilly-Country-Platte ohne Hinterwäldler-Mief

    So wie im richtigen Leben geht Jim White auch bei der Musik nicht den graden, berechenbaren und vorhersehbaren Weg. Bevor er ernsthaft Musiker wurde, verdiente er sein Geld als Profi-Surfer und Model. Er wuchs in Florida mit weißer Gospel-Musik auf und startete 1997 als „Wrong Eyed Jesus“ mit halluzinogenem und exzentrischem Country-Folk seine künstlerische Karriere. 2013 produzierte er ein Album der Bluegrass-Formation The Packway Handle Band, die er daraufhin als Begleitgruppe für sein aktuelles Werk engagierte. Mit ihnen hat Jim White eine Hillbilly-Country-Platte ohne Hinterwäldler-Mief aufgenommen. Als tragendes Instrument wurde dabei das Banjo eingesetzt, das den Songs immer wieder Tempo und gleichzeitig Urwüchsigkeit verleiht.

    Aber Mr. White ist ein ruheloser, individueller Künstler, der sich nicht allein mit traditionellen Mustern begnügt. Deshalb baut er Instrumente ein, die man in diesem Kontext nicht vermuten würde (z.B. Bläser, Pan Flöte, Melodica). Außerdem fallen ihm Gleichnisse ein, die in dieser Verbindung auch nicht alltäglich sind („Jim 3:16“: „Eine Bar ist eine Kirche, wo sie Bier servieren“). Die Songs weichen auch im Aufbau vom üblichen Country-Schema ab. Sie sind so beweglich, dass sich ihre Ausrichtung während des Verlaufs ändern kann. So beginnt „Breaking Room“ als riffbetonter Country-Folk, nimmt dann Background-Gesänge, die an „Gimme Shelter“ der Rolling Stones erinnern auf und endet im New Orleans-Brass-Band Sound.

    An diesem Beispiel zeigt sich, dass Jim ganz groß darin ist, die Erwartungen des Hörers ins Leere laufen zu lassen. Dabei heraus kommen hier aber trotzdem hochgradig eingängige Songs, die nur oberflächlich betrachtet ins Roots-Music Schema passen. Jim White ist Scharlatan und spannender Unterhalter in einer Person und „Take It Like A Man“ ist ein erneuter Beweis für seine ungebrochene Kreativität.
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    The Simple Truth (CD)
    22.02.2015
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    3 von 5

    Der erfahrene Bluegrass-Musiker Jeff Austin öffnet sich in Richtung Pop

    Der Mann ist hierzulande bisher nur Kennern der US-Bluegrass-Szene bekannt. Jeff Austin ist seit 20 Jahren Profi-Musiker und war die meiste Zeit davon Sänger und Mandolinen-Spieler der YONDER MOUNTAIN STRING BAND. Mit „The Simple Truth“ gibt er tiefere Einblicke in seine musikalischen Vorlieben und hat sich für die Umsetzung andere musikalische Grenzgänger als Verstärkung geholt. Die Jeff Austin Band setzt sich im Kern aus Danny Barnes (BAD LIVERS), Banjo, Gitarre und Gesang, Ross Martin (Gitarre), Eric Thorin (Bass und Gesang) sowie Cody Dickinson (NORTH MISSISSIPPI ALLSTARS) an Schlagzeug, Percussion und elektrischem Waschbrett zusammen. Die Studio-Aufnahmen wurden noch durch Gastbeiträge, wie vereinzelte Bläsersätze, ergänzt. Jeff öffnet sich bei diesen Aufnahmen weit in Richtung Pop und Rock. Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist immer dann anregend, wenn er das Verhältnis zwischen Roots-Music und Mainstream ausbalanciert.

    Das funktioniert beim Brass-Rock/Bluegrass-Hybrid „Simple Truth“ und dem gut gelaunten Fiddle-Pop von „Fiddling Around“. Außerdem beim Country-Rocker „15 Steps“, bei den Balladen „Falling Stars” und „Scrapbook Pages“ sowie dem Bluegrass-Pop von „Run Down“. Nimmt der Pop-Einfluss allerdings überhand, wie beim schmalztiefenden Track „Over And Over“, dem trockenen, eindimensionalen „Gatlin Gun“, dem flotten Country-Pop „What The Night Brings“ oder dem krampfhaft auf Modern-Pop getrimmten „Shake Me Up“, dann wird es beliebig und austauschbar.

    Jeff Austin macht ein großes Fass auf und bewegt sich teilweise auf Gebieten, auf denen er nicht sattelfest ist. Er will stilistisch offen musizieren, aber seine Wurzeln nicht verleugnen. Gleichzeitig soll möglichst auch ein neues Publikum erschlossen werden. Dieser Spagat gelingt ihm nicht immer und so wird der zwiespältige Gesamteindruck diesem erstklassigen Musiker nicht gerecht.
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    22.02.2015
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    JD McPherson lässt Rock`n`Roll, Rhythm & Blues und Soul ultramodern wirken

    Der ehemalige Lehrer JD McPherson trat zuerst 2010 mit seinem Album „Signs & Signifiers“ in Erscheinung und sorgte unter Anhängern von frühem Rock`n`Roll, Rhythm & Blues und Soul für Furore. Sein Vortrag war so urwüchsig, als wären die Aufnahmen in den 50er- und frühen 60er Jahren entstanden. Schön spröde und aufgekratzt bietet er tanzbaren Stoff und auch gefühlvollen Soul vom Schlage eines Sam Cooke („Bridgebuilder“).

    Zum Glück hat der glühende Little Richard-Anhänger auch bei seinem neuen Werk die Ecken und Kanten dran gelassen und präsentiert ein abwechslungsreiches Potpourrie an zündenden Songs mit griffigen Hooklines und knackigen Riffs. Eine psychedelische Platte im 50er Jahre-Sound wollte er machen und verband damit die Idee, mit neuen Klangideen und frischen Einflüssen zu experimentieren, ohne gänzlich einen anderen Weg einzuschlagen. Was er damit gemeint haben mag, lässt sich z.B. beim brodelnd heißen „Bossy“ ableiten. Der im Kern schön stumpf-stampfende Rocker spielt gekonnt mit dem Wechsel von lauten und leisen Passagen. Der Song hat ein Gitarren-Solo, dass auch von einer prickelnden Creedence Clearwater Revival-Nummer stammen könnte, verliert aber trotzdem nicht die Bodenhaftung. Eine solche Frischzellenbehandlung spürt man in jeder Note des grandiosen aktuellen Albums und das macht diese Musik so unwiderstehlich. Bewährte Tugenden treffen auf unverbrauchte Vorstellungen. Das Ergebnis ist dann nicht mehr retrospektiv, sondern ultramodern.

    Neben Nick Waterhouse und James Hunter ist JD McPherson heute der lebende Beweis dafür, dass immer noch weiße Musiker überzeugend die großen Quellen afro-amerikanischer Vorbilder anzapfen und dabei authentisch sein können. Es ist an der Zeit, dass diese Musiker die Tanzflächen der Welt erobern.
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    14.11.2014
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    The Goddamn Gallows bieten Country-Music mit Punk-, Metal- und Rockabilly-Zutaten

    Gleich im ersten Stück zeigt sich die US-Band als Schaf im Wolfspelz. Gemütlich und atmosphärisch weitläufig beginnt „The Maker“ und steigert sich dann zum wütend überschäumenden Speed-Bluegrass mit hyper-aggressivem Gesang. Die grundsätzliche Ausrichtung der Band ist Country-Music mit Punk-, Metal- und Rockabilly-Zutaten, die sie ungeniert auch extrem übersteigert einsetzt. Dazu benutzen sie ausschließlich akustische Instrumente wie Banjo, Gitarre, Bass, Akkordeon und Schlagzeug. Das schnelle „What Was The High“ hat Heavy-Metal-Vocals, die an Lemmy von Motörhead erinnern. Der Lemmy-Gedächtnis-Gesang prägt auch den flotten Rockabilly von „Demon In The Night“.

    „Load Your Guns“ beginnt wie eine verschlafene Country-Nummer mit langsam gepicktem Banjo. Sie wird dann aber zu einem übermütigen Polka-Ritt, der von versoffen-dreckigem, kaputtem Gesang begleitet wird. „Save Yourself“ agiert an der Grenze zwischen Cowpunk und Garagen-Rock. „I Am Still The King“ erinnert an den Western-Evergreen RAWHIDE, im Original von Frankie Lane, der z.B. auch von den BLUES BROTHERS gecovert wurde. Auch „Cold And Deep“ ist mehr Western als Country. Der Gesang wird hier zur Abwechslung mal fast geflüstert. Beinahe konventionellen Country & Western-Sound bekommt man bei „Ol` Dusty Trail“ geboten, wäre da nicht diese knorrig-knarzende Stimme. „Ragtime Sinner“ ist wieder Highspeed-Bluegrass und der anfänglich als Cabaret-Nummer startende „Copper King“ verändert sich im Verlauf zu einer aggressiv-bösen Heavy-Mutation. „Howlin` Wind“ läuft ähnlich ab. Eingeflochtener übel-fieser Horror-Show-Gesang inklusive Jodler testet das Durchhaltevermögen des Hörers. Versöhnlich wird es dann mit „Outta The Cold“. Dieser gepflegte Bluegrass/Songwriter/Country zeigt, dass die Band auch Musik ohne Ausraster spielen kann.

    Egal, ob man ihre Musik nun als „Hobocore“ oder „Americana-Punk“ klassifiziert, das fünfte Studio-Album der wilden Burschen ist stellenweise unbeherrscht, respektlos und stilsprengend. Rock`n`Roll eben, mit anderen Mitteln als gewohnt, aber erfrischend konsequent. So könnten BOSS HOSS klingen, wenn sie nicht mit angezogener Handbremse agieren würden.
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    14.11.2014
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Robyn Hitchcock ist eine Klasse für sich

    Der Mann bürgt seit Ende der 70er Jahre für gediegenes Songwriting. Nachdem sich die einflussreichen SOFT BOYS, dessen Kopf er war, 1981 auflösten, brachte er in relativ gleichbleibendem Takt unter eigenem Namen Musik auf gleichbleibend hohem Niveau heraus. Beeinflusst von britischer psychedelischer Musik und da besonders von SYD BARRETT, hat er einen individuellen Klang mit hohem Wiedererkennungswert gefunden. Allein seine markante Stimme, die er eigentümlich um die Noten dreht, bewahrt ihn davor, mit anderen Musikern verwechselt oder verglichen zu werden.

    THE MAN UPSTAIRS ist jetzt schon sein zwanzigstes Album und in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Es wurde vom legendären JOE BOYD (NICK DRAKE, FAIRPORT CONVENTION, SANDY DENNY) produziert und besteht jeweils zur Hälfte aus Cover-Versionen und eigenen Songs. Die Lieder aus fremden Federn hat er ausgewählt, weil er sich gewünscht hätte sie wären ihm selbst eingefallen. Darunter befindet sich THE GHOST IN YOU der PSYCHEDELIC FURS, TO TURN YOU ON von ROXY MUSIC und CRYSTAL SHIP von den DOORS.

    Alle Aufnahmen wurden nur sparsam arrangiert. Neben Hitchcocks Gitarre hört man noch Cello, Klavier und weiblichen Harmoniegesang. Herausgekommen ist daher ein über weite Strecken intimes, kammermusikalisches Folk-Album, das den Hörer eindringlich und altersweise in seinen Bann zieht. Robyn Hitchcock ist eben eine Klasse für sich!
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    Clover Lane Jonah Tolchin
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    14.11.2014
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    CLOVER LANE ist ein vielfältiges Album eines aufstrebenden Americana-Künstlers

    Wie entwickelt sich ein Jugendlicher, der im Mississippi-Delta aufwächst und dessen Vater einen Plattenladen hatte? Er wird unter dem Einfluss von Blues, Folk und Country groß, lernt selber Gitarre spielen und Songs schreiben. So ist es JONAH TOLCHIN ergangen, der 2011 seine erste EP rausbrachte und nun mit erst 22 Jahren bereits sein zweites vollständiges Album vorlegt. Mit seiner leicht knödelnd-nasalen Stimme wirkt er jedoch wesentlich älter. Seine abwechslungsreichen Songs besitzen bereits die Handschrift eines erfahrenen Songwriters, denn sie rufen diverse angenehme Assoziationen wach.

    MOCKINGBIRD ist ein stampfend-schwitzender akustischer Country-Blues, der direkt aus den Sümpfen von Louisiana entsprungen sein könnte. Beschwingten Country wie aus dem Heuschober hört man bei MIDNIGHT RAIN. Beim HEY BABY BLUES fühlt man sich in eine Kaschemme in Chicago versetzt, in der grade rauchiger, betont lässiger Blues läuft. Wie ein Schlaflied kommt die beruhigende Ballade DIAMOND MIND rüber und ATLANTIC WINDS ist eine Folk-Country-Blues-Mischung, die sich anhört, als würde sie sich auf Schienen vorwärts bewegen. MANSION IN HOLLYWOOD fällt durch den lakonischen Gesang in Verbindung mit Streichern auf, der das Stück als Vertonung eines ROADTRACKS empfiehlt.

    Lagerfeuerromantik entsteht bei der Folk-Ballade LOW LIFE. Sie klingt wie aus dem SIMON & GARFUNKEL-Songbook entnommen. Im Gegensatz dazu steht der handfest rockende, sumpfige Track HYBRID AUTOMOBILE. Das hört sich an, als würden ZZ TOP und TONY JOE WHITE aufeinander treffen. 21st CENTURY GIRL ist ein leicht melancholischer Pop-Titel mit einer einprägsamen Melodie. Hat da jemand JONATHAN RICHMAN gerufen? An die NEW RIDERS OF THE PURPLE SAGE, die seit den 70er Jahren quasi die Country-Vorlieben der GRATEFUL DEAD weiter ausgelebt hatten, erinnert MOTEL #9. Als Absacker gibt es mit I`ll BE GONE eine sparsame, intime Folk-Ballade, die ins New Yorker Künstlerviertel Greenwich Village der mittsechziger Jahre entführt.

    CLOVER LANE ist ein vielfältiges Album eines aufstrebenden Americana-Künstlers geworden. Bei guter Entwicklung sollte da noch mehr zu erwarten sein.
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    The Ballad Of Willy Robbins Vikesh Kapoor
    The Ballad Of Willy Robbins (CD)
    27.04.2014
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Eine tragische Geschichte eines Arbeiters, erzählt von Vikesh Kapoor

    Vikesh Kapoor ist ein ernsthafter junger Folk-Musiker, der wie aus der Zeit gefallen scheint. Aber eigentlich ist er auch grade wieder modern, denn er spiegelt genau den Sound wider, der im aktuellen Coen-Brüder Film INSIDE LLEWYN DAVIS porträtiert wird. Gemeint ist die New Yorker Greenwich Village Folk-Szene der frühen und mittleren 60er Jahre, aus denen solche Größen wie DAVE VAN RONK (sein Leben lieferte grob die Vorlage für den Streifen), PHIL OCHS und BOB DYLAN hervorgegangen sind.

    Auch wenn er seine Songs nur einmal solo zur Gitarre vorträgt (bei „Blue Eyed Baby“), wird sein Hang zum Geschichtenerzähler deutlich. THE BALLAD OF WILLY ROBBINS basiert inhaltlich auf einem Zeitungsartikel. Der Name ist ausgedacht, die Geschichte ist wahr. Sie erzählt vom Scheitern eines Arbeiters in der Zeit der wirtschaftlichen Depression. „Es ist die brutale, aber hoffnungsvolle Geschichte von einem Mann, der nach und nach alles verliert: Ambitionen, Gesundheit, Familie und Schutz“, so beschreibt Vikesh den zeitlosen Inhalt seines Konzeptalbums. Zwei Jahre hat der Barde daran gearbeitet, die Vorlage zu einem schlüssigen, nachvollziehbaren musikalischen Konzept umzuwandeln.

    Vikesh Kapoor spielte zunächst Punk-Rock, aber eine zufällig entdeckte JOHNNY CASH-Platte und da besonders der Song BIG RIVER brachte ihm die intensive Energie akustisch gespielter Töne nahe. Er versucht, seinen Folk-Sound vom gängigen Schema abzugrenzen und lässt die Songs deshalb sparsam, aber wirkungsvoll begleiten. Seine Stimme erklimmt ab und zu höhere Lagen und er verfällt auch mal in einen quäkend-nöligen Unterton, der an JAKE BUGG erinnert. Diese Mätzchen werden aber nicht übertrieben, sondern gewährleisten, dass die Aufmerksamkeit beim Hören neu belebt wird. Bei „Bottom Of The Ladder“ hört man die Verwandtschaft zwischen Country-Music und Irish-Folk. Der Song „The Ballad Of Willy Robbins“ wird von Gitarre, Xylophon und Klavier begleitet. Die Stimmung bleibt auch hier gedrückt, balladesk und verhalten. Diese Atmosphäre ist stellvertretend für das gesamte Werk. „I Dreamt Blues“ könnte auch von LEONARD COHEN erdacht worden sein. Vikesh Kapoor nutzt ähnlich veranlagte Muster, um Tragik und Melancholie zu transportieren. Untröstlichen, dunklen Country-Folk hört man im Lied „Carry Me Home“. Dramatisch und tiefschürfend führen Gitarre und Banjo durch diese kantige Moritat. Der hohe Gesang bei „I Never Knew What I Saw In You“ ist das herausstechende Merkmal bei diesem kurzen Intermezzo und bei „Searching For The Sun“ sorgt eine klagende Steel-Guitar für Tiefe und Andacht. „Ode To My Hometown“ ist mit Xylophon, Bass, Piano, Gitarre und Geige relativ üppig ausgestattet, ohne je überladen zu sein. Der intime Charakter des Albums wird auch hier gewahrt. Das gilt auch für die Abschlussnummer „Forever Gone“, dessen Tragik von Klarinette, Hammond-Orgel und Bass getragen wird.

    „The Ballad Of Willy Robbins“ ist ein rundes, trotz der durchgängig düster-depressiven Stimmung spannend inszeniertes und gut durchhörbares Dark-Americana-Album geworden. Vikesh Kapoor versteht es, durch geschickt eingesetzte Detailverschiebungen über die Laufzeit von 31 Minuten interessant zu bleiben. Mit minimalen Mitteln erzeugt er so eine maximale dramaturgische Wirkung. Er ist dabei glaubhaft, intensiv, nachdenklich und authentisch. Den Mann sollte man im Auge behalten.
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    Jackson C.Frank Jackson C.Frank (CD)
    27.04.2014
    Klang:
    5 von 5
    Musik:
    5 von 5

    Jackson C. Frank: Ein Pionier des melancholischen Folk

    Die Biographie des Folk-Sängers JACKSON CAREY FRANK ist durchzogen von persönlichen Katastrophen und Rückschlägen, was sicher Auswirkungen auf seinen melancholischen Sound hatte, aber auch die Leidenschaft seiner Kunst geprägt hat. Ja, er hat den Blues erlebt und berichtet in seiner Musik von den Schattenseiten des Lebens, die sich bei ihm schon früh gezeigt haben. Als Kind erlitt er bei einem Feuer in seiner Schule schwere Verbrennungen. Ein Heizkessel war explodiert und es wurden dabei 15 Mitschüler getötet. Jackson lag nach dem traumatischen Vorfall 7 Monate im Krankenhaus und lernte in dieser Zeit Gitarre spielen. Große Einschnitte begleiteten sein weiteres Leben. Als sein einziger Sohn starb, litt er schon unter Depressionen. Dieser Vorfall warf ihn dann total aus der Bahn und er lebte danach jahrelang in der Psychiatrie oder auf der Straße. In dieser Zeit verlor er auch noch sein linkes Auge, weil er in die Schusslinie einer Schrotflinte geriet. 1999 starb er nach einem Herzinfarkt mit nur 56 Jahren.

    Zwischendurch schien es so, als würde seine musikalische Karriere Fahrt aufnehmen können. Mitte der 60er Jahre zog er nach London und teilte sich dort mit dem ebenfalls grade ausgewanderten Folk-Sänger PAUL SIMON eine Wohnung. SIMON war es auch, der 1965 das jetzt als Wiederveröffentlichung vorliegende Album des damals 21jährigen Barden in weniger als 3 Stunden produzierte. Außer einem Achtungserfolg in Großbritannien schlug die LP trotz ihrer offensichtlichen Qualitäten keine großen Wellen. Aber andere Künstler – nicht zuletzt sein Zimmergenosse PAUL SIMON– wurden auf Basis seiner Ideen bekannt oder sogar berühmt.

    Auch wenn der Vergleich inflationär gebraucht wird, macht er hier doch Sinn: JACKSON C. FRANK erlangt in seinen besten Momenten durchaus die Intensität eines NICK DRAKE. Das liegt zum Einen an der Qualität seines Materials und zum Anderen an der Art seines Gesangs. Wie DRAKE oder FRED NEIL oder auch TIM BUCKLEY dehnt er manchmal das letzte Wort eines Verses und erzeugt dadurch eine Schwingung, die seine Verbundenheit mit der Musik unterstreicht und betont. Man bedenke: Mr. Frank begleitet sich fast durchweg nur an der akustischen Gitarre. Nur auf YELLOW WALLS ist AL STEWART im Hintergrund zusätzlich an einer Gitarre zu hören. Ansonsten gibt es keine Begleitmusiker, keine Overdubs und keine Effekte. Da braucht man als Hörer Durchhaltevermögen, denn wenn die Songs nicht spannend präsentiert werden, tritt bei dieser Vorgehensweise leicht Langeweile auf. Der Gratmesser der Qualität ist in solch einem Fall also die Energie und Attraktivität des Gesangs sowie die Fähigkeit, Worte durch die sparsame Instrumentierung wirkungsvoll zu unterstützen. Vor allem ist es aber die Substanz der Kompositionen, die zählt. Da fehlt es bei JACKSON C. FRANK an nichts. Natürlich wirken die Songs bei Hörern, die eine Vollbedienung an unterschiedlichen Tönen gewöhnt sind, eher wie Demos. Es wäre wirklich interessant, die Lieder in Bandfassungen zu hören, aber sie verströmen auch so ihr sanftes, verführerisches Gift.

    Zwar steht das Stück BLUES RUN THE GAME mit seiner bedeutsamen Innigkeit als Synonym für das Gesamtwerk des Künstlers, jedoch hat der vorliegende, beinahe untergegangene Schatz noch viel mehr zu bieten. Bis auf DON`T LOOK BACK werden alle Einspielungen von feinfühligem Gitarren-Picking umkränzt. Nur bei diesem Titel werden die Akkorde harsch angeschlagen und somit weist er aggressiv-angreiferische Momente aus. Es ist eben ein Protestsong. MILK AND HONEY gehört zu den lieblichsten Kompositionen des Folk-Genres und wird, wie alle Songs hier, mit dunkler Stimmung und ohne Zuckerguss präsentiert. Das ist Melancholie mit Haltung. MY NAME IS CARNIVAL sticht ebenfalls durch eine unwiderstehliche Melodie heraus. TIM BUCKLEYS Frühwerk hört sich wie von I WANT TO BE ALONE (DIALOGUE) und JUST LIKE ANYTHING beeinflusst an. Hört man YOU NEVER WANTED ME, muss man unwillkürlich an GORDON LIGHTFOOT denken und YELLOW WALLS scheint Pate bei NEIL YOUNG´s POCAHONTAS gestanden zu haben.

    JACKSON C. FRANKs Einflüsse sind also omnipräsent. Er war demnach direkt und indirekt Wegbereiter für einige Songwriter. Bei NICK DRAKE ist das durch 4 Demos von J.C. FRANK-Songs belegt, die posthum auf FAMILY TREE veröffentlicht wurden. SANDY DENNY, mit der Jackson kurz liiert war und die durch seinen Zuspruch erst Profi-Musikerin wurde, nahm sein MILK AND HONEY auf. Ihre Trennung hat er im Song SHE NEVER WANTED ME reflektiert. PAUL SIMON hat zusammen mit ART GARFUNKEL eine schöne Version von BLUES RUN THE GAME vertont.

    Die Debut-Aufnahmen von JACKSON C. FRANK gab es 2003 schon mal als Doppel-CD-Reissue, zusammen mit Songs, die in den 70er Jahren entstanden waren. Unverständlich, warum man bei dieser Wiederveröffentlichung darauf verzichtet hat, diese als Bonus mitzuliefern. Das schmälert natürlich in keiner Weise den Wert der vorliegenden Lieder. Diese gehaltvollen Kompositionen verdienen es auf jeden Fall, wiederentdeckt zu werden.
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    The Gears EP The Gears EP (CD)
    27.04.2014
    Klang:
    4 von 5
    Musik:
    4 von 5

    Sons Of Bill erweitern geschmackvoll ihren Americana-Background

    Diese EP bietet einen Vorgeschmack auf das kommende Album der nach neuen Ausdrucksformen suchenden Americana-Formation aus Charlottesville in Virginia. Drei der insgesamt 7 Tracks findet man dann später auch auf dem neuesten Werk LOVE AND LOGIC.

    BRAND NEW PARADIGM glänzt dabei als langsamer, nachdenklicher, hymnischer, harmonietrunkener 60s-Pop. Atmosphärisch weitläufigen Country-Folk mit betörendem Mann/Frau-Duett-Gesang hört man dagegen bei ROAD TO CANAAN. Dagegen wirkt BAD DANCER als mainstreamiger, riffiger Folk-Rock mit seinen Billig-Keyboards beinahe wie ein Fremdkörper. Zwei Live-Titel ergänzen diese Vorschau: TURN IT UP überzeugt als sämiger mid-tempo-Folk-Rock mit erhöhtem Pop-Anteil und mit der NEIL YOUNG-Cover-Version UNKNOWN LEGEND, bei der das Tempo im Vergleich zum Original beschleunigt wird, kann man gar nicht danebenliegen. Besondere, exklusive Leckerbissen sind zum Schluss die beiden Akustik-Nummern. SANTA ANA WINDS ist eine atmosphärisch starke Nummer mit bewusst reduzierter Instrumentierung (Pedal Steel, ak. Gitarre, Piano) und sehnsuchtsvollem Gesang. RADIO CAN`t REWIND vermittelt die Kunst des Loslassens sowie Weite, Melancholie und Ruhe.

    SONS OF BILL sind eine klasse Band, die sich im Americana-Umfeld ständig neu justiert. Die von KEN COOMER (WILCO) produzierte angekündigte Veröffentlichung darf also mit Spannung erwartet werden.
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