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    Bücherfreundin

    Aktiv seit: 04. September 2021
    "Hilfreich"-Bewertungen: 64
    294 Rezensionen
    Marschlande Jarka Kubsova
    Marschlande (Buch)
    30.08.2023

    Großartiger und zutiefst berührender Roman

    Der Fischer Verlag hat "Marschlande" veröffentlicht, den neuen Roman von Jarka Kubsova, in dem diese die berührende Geschichte zweier Frauen in unterschiedlichen Zeiten erzählt. Beide verbindet der Wunsch nach Selbstbestimmung.
     
    Britta Stoever ist 45 Jahre alt, promovierte Geographin und zieht mit ihrem Mann Philipp und den beiden Kindern Mascha und Ben von Hamburg nach Ochsenwerder in Marschlande. Die Familie suchte schon länger nach einem bezahlbaren Haus, und Philipp verliebte sich sofort in das Anwesen. Er ist glücklich in der neuen Bleibe, während es Britta schwer fällt, sich einzugewöhnen. Die Menschen im Dorf sind ihr gegenüber zurückhaltend, und sie vermisst ihre Forschungstätigkeit an der Universität. Auf einer Erkundungstour entdeckt sie den Abelke-Bleken-Ring. Ihre Neugier ist geweckt, sie möchte wissen, wer Abelke war. Sie beginnt zu recherchieren und erfährt durch Ruth, eine Bewohnerin des Ortes, weitere Details über die Bäuerin Abelke, der großes und grausames Unrecht widerfuhr.
     
    Auf einer zweiten Zeitebene im 16. Jahrhundert begleiten wir die junge und kämpferische Abelke Bleken, die nach dem Tod der Eltern den großen Bauernhof allein mit Hilfe eines Knechts und zwei Mägden weiterführt. Nach einem Sturm warnt sie die Bewohner des Dorfes vor einem weiteren Sturm. Niemand nimmt sie ernst, und bei der Allerheiligenflut 1570 kommen viele Menschen ums Leben, Tiere verenden, Häuser werden zerstört. Der Deichvogt fordert die Bauern auf, die Deiche wiederherzustellen. Da Abelke weder über Geld noch über Arbeitskräfte verfügt, ist es ihr unmöglich, der Forderung innerhalb der gesetzten Frist nachzukommen, und ihr wird wegen des Verstoßes gegen die Deichpflicht schließlich der Hof entzogen.
     
    Jarka Kubsova erzählt in wunderbarem Sprachstil in sich abwechselnden Kapiteln die Geschichte der beiden Frauen und zeichnet dabei die Charaktere authentisch und bildhaft. Sie lässt uns teilhaben an ihrem Leben, ihrer Gedanken- und Gefühlswelt. Im Hier und Jetzt erleben wir Brittas Alltag und ihre zunehmende Unzufriedenheit mit ihrer persönlichen Situation und fast 500 Jahre zuvor das harte Leben der jungen Abelke. Der Bäuerin werden schon allein Steine in den Weg gelegt, weil sie eine alleinstehende Frau ist. Es hat mich erschüttert, wie sie durch die Dorfbewohner ausgegrenzt und verraten wurde und sich einem unmenschlichen Gerichtsverfahren stellen musste.
     
    Das Buch hat mich von Anfang an gefesselt, ich konnte es kaum aus der Hand legen. Abelkes Geschichte hat mich zutiefst berührt und traurig gemacht, die Haltung und der Einfluss der Kirche hat mich entsetzt. Sehr interessant fand ich die ausführlichen Beschreibungen der Landschaft und der rauen Natur. Das Buch über Abelkes tragische Geschichte beruht teilweise auf wahren Gegebenheiten. In ihrem sehr lesenswerten Nachwort ergänzt die Autorin ihren Roman durch weitere historische Fakten über Abelke Bleken und die damaligen Umstände in Marschlande.
     
    Absolute Leseempfehlung von mir für diesen großartigen und zutiefst berührenden Roman!
    Sekunden der Gnade Dennis Lehane
    Sekunden der Gnade (Buch)
    23.08.2023

    Schockierender und aufwühlender Roman

    "Sekunden der Gnade", der neue Roman des amerikanischen Schriftstellers Dennis Lehane, spielt inmitten einer Hitzewelle im Sommer des Jahres 1974 in Boston. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 42-jährige Krankenhaushelferin Mary Pat Fennessy. Ihr erster Ehemann Dukie lebt nicht mehr, der zweite, Ken, hat sie wegen einer jüngeren Frau verlassen. Mary Pat lebt mit ihrer 17-jährigen Tochter Jules, die ihr Ein und Alles ist, in ärmlichen Verhältnissen. Ihr Sohn Noel starb nach seiner Rückkehr aus Vietnam an einer Überdosis Heroin. In der Stadt brodelt es, seit ein Bostoner Richter entschieden hat, dass die Rassentrennung an den öffentlichen Highschools aufgehoben werden soll. Das bedeutet, das nun Schüler aus überwiegend weißen Stadtvierteln mit Bussen in überwiegend schwarze Stadtviertel zur Schule gebracht werden und umgekehrt. Die Entscheidung weckt den Widerstand vieler Bostoner.
     
    Eines Nachts kehrt Jules nach einem Treffen mit Freunden nicht nach Hause zurück. Ihre Mutter sucht sie verzweifelt, und schon bald sucht auch die örtliche Polizei nach Jules im Zusammenhang mit dem Tod eines jungen Mannes in der Nacht ihres Verschwindens. Mary Pat will herausfinden, was passiert ist. Sie stellt viele Fragen und stößt bei ihren Recherchen auf eine Mauer aus Schweigen. Doch sie findet mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln heraus, was sich in der Nacht von Jules Verschwinden ereignet hat und startet einen Rachefeldzug.
     
    Die Geschichte ist keine leichte Kost. Bereits Mary Pats Kindheit und Jugend sind geprägt von Gewalt durch die Eltern und Geschwister. Der Leser begleitet sie auf der Suche nach ihrer Tochter, bei der sie fast nur unter Einsatz brutaler Gewalt zu weiteren Erkenntnissen gelangt. Diese Gewaltszenen waren für mich schwer zu ertragen. 

    Dennis Lehane erzählt die Geschichte in nüchternem und kraftvollem Sprachstil, sie ist spannend und beschreibt sehr detailliert den Rassismus der damaligen Zeit. Das düstere Buch, in dem es um Drogen und Mafia, Liebe, Hass und Rache geht, hat mich gefesselt, aber auch schockiert und aufgewühlt. 
    Wilde Jagd René Freund
    Wilde Jagd (Buch)
    20.08.2023

    Spannende und humorvolle Geschichte mit Tiefgang

    Der österreichische Autor René Freund hat seinen neuen Roman "Wilde Jagd" veröffentlicht.

    Im Mittelpunkt der spannenden Geschichte steht der 53-jährige Quintus Erlach. Er ist Philosophieprofessor an der Universität in Salzburg und lebt derzeit in seinem heruntergekommenen Elternhaus in Stein im Gebirge, während seine Ehefrau Lou, die Ärztin ist, in Südamerika über Schamanismus forscht. Die gemeinsame Tochter Michaela redet eigentlich nicht mehr mit ihrem Vater, aber während ihres Auslandssemesters in Kanada darf er gern ihren Hund Machtnix betreuen.
    Auf einem Spaziergang lernt Quintus die seltsame Evelina kennen, die einen Plüschhund namens Bruno in der Hand hält. Sie kommt aus der Slowakei und arbeitet seit 2 Wochen als Pflegerin für Herwig Zillner. Der 88-Jährige sitzt im Rollstuhl und ist auf Unterstützung und Hilfe angewiesen. Evelina erzählt Quintus, dass ihre Vorgängerin Angelika spurlos verschwunden ist, und sie beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen.

    Wir begleiten den Geisteswissenschaftler, der dem Alkohol sehr zugeneigt ist, und die Pflegerin mit den allem Anschein nach seherischen Fähigkeiten über einen Zeitraum von 12 Tagen bei ihrer Suche nach Angelika. Dabei stoßen sie bei den Dorfbewohnern auf Ablehnung und eine Mauer des Schweigens, bis jemand Quintus auf dem Zeltfest zuflüstert, er solle sich die Sundberg-Höhle anschauen ...

    Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Er ist in intelligenter Sprache geschrieben und liest sich flüssig. Der Autor lässt seinen herrlichen Humor in die Geschichte einfließen und sorgt damit für manches Schmunzeln, z.B. über den Idioten-Apostroph, dem man in der Tat häufig begegnet. Es ist ihm gelungen, nicht nur die Hauptcharaktere, sondern auch die Nebenfiguren sehr liebevoll und bildhaft zu skizzieren.
    Das spannende Buch hat mich von Beginn an bis zur erschütternden Auflösung gefesselt. Es gab eine Reihe von Verdächtigen, vollkommen überraschende Wendungen und gekonnt gelegte falsche Fährten. Das Ende ist stimmig und beantwortet alle Fragen.

    Ich finde die geistreiche und vergnügliche Mischung aus Komödie und Krimi, gespickt mit Gesellschaftskritik und etwas Esoterik, sehr lesenswert, und es hat mir viel Freude bereitet, Quintus' philosophischen Gedanken zu folgen. Das war zwar mein erster Roman von René Freund, aber mit Sicherheit nicht mein letzter! Absolute Leseempfehlung!
    Sommersonnenwende Pascal Engman
    Sommersonnenwende (Buch)
    17.08.2023

    Gelungener Auftakt einer neuen Krimireihe

    Die schwedischen Autoren Pascal Engman und Johannes Selåker haben ihren ersten gemeinsamen Kriminalroman veröffentlicht. "Sommersonnenwende" bildet den Auftakt einer neuen Reihe um den Kriminalkommissar Tomas Wolf und die Journalistin Vera Berg.
     
    Stockholm im Sommer 1994. Mit über 30 Grad über Wochen hinweg ist es ungewöhnlich heiß. Das Land fiebert mit seiner Fußballnationalmannschaft, die in den USA um den Weltmeisterschaftspokal kämpft. Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien brachte viele Flüchtlinge ins Land, der Rassismus nimmt zu. Im Schatten des Massenmords von Mattias Flink in Falun geschieht ein weiterer Mord. Eine junge Migrantin wird in einem Stockholmer Vorort tot aufgefunden, sie wurde vergewaltigt und erdrosselt.
     
    Kommissar Tomas Wolf ist nach seinem Einsatz als UN-Soldat im Jahr 1993 in Bosnien-Herzegowina bereits wieder bei der Stockholmer Kriminalpolizei tätig und ermittelt im Mordfall der jungen Frau. Er ist durch seine schockierenden Kriegserlebnisse schwer traumatisiert, leidet unter Aussetzern und Panikattacken, was sein Familienleben und seine Ehe mit Klara belastet. Bevor er Polizist wurde, war er genau wie seine beiden Brüder Neonazi.
    Die junge Journalistin Vera Berg ermittelt in der gleichen Mordsache. Sie arbeitet erst seit kurzem bei einer Stockholmer Zeitung und ist dort großem Druck ausgesetzt. Vor ihrem kriminellen Freund Jonny, mit dem sie vier Jahre in Malmö zusammenlebte und der seit einer Woche nicht mehr nach Hause gekommen ist, ist sie geflohen. Sie hat seinen 6-jährigen Sohn Sigge mitgenommen, um das Kind, das bereits seine Mutter verloren hat, nicht dem Jugendamt zu überlassen. Auch Vera hat Schweres erlebt. Ihre Eltern sehen sie nicht mehr als ihre Tochter an, seit vor 12 Jahren etwas Schreckliches geschehen ist.
    Bald kreuzen sich Tomas' und Veras Wege, und gemeinsam jagen sie den Frauenmörder. Hierbei begibt sich vor allem Vera durch ihre Alleingänge in große Gefahr. 
     
    Im Mittelpunkt des Romans steht zwar die spannende Suche nach dem brutalen Frauenmörder, aber auch das Privatleben der beiden Ermittler nimmt sehr viel Raum ein. Wir erleben Tomas' innere Zerrissenheit und Veras ehrgeizige Bemühungen, ihren Arbeitgeber zufriedenzustellen und gleichzeitig für Sigge da zu sein. Wir sehen aber auch unprofessionelles Verhalten beider Protagonisten, Korruption und Erpressung. 
     
    Der Krimi hat mir sehr gut gefallen. Er ist von Beginn an sehr spannend und fesselnd. Das Buch ist in schönem und klarem Sprachstil geschrieben, es liest sich flüssig. Die Figuren sind bildhaft dargestellt. Gut gefallen hat mir auch der kritische Blick auf die politische und gesellschaftspolitische Situation Schwedens und die Rassismusprobleme des Landes in den Neunzigern. Auch der Blick hinter die Kulissen einer Zeitungsredaktion war für mich äußerst interessant. Nervend fand ich, dass neben der Tatsache, dass mehrere Romanfiguren übermäßig dem Alkohol zugesprochen haben, im Buch gefühlt zigmal eine Zigarette angezündet oder geascht wurde. 
     
    Erwähnenswert ist das außergewöhnlich schön gestaltete Cover mit seinem Farbschnitt.
    Das spannende Buch endet zwar mit gleich mehreren Cliffhangern, dennoch freue ich mich schon auf "Wintersonnenwende", den nächsten Teil der Reihe. Absolute Leseempfehlung!
    Kontur eines Lebens Jaap Robben
    Kontur eines Lebens (Buch)
    16.08.2023

    Zutiefst berührende Geschichte

    Der Dumont Verlag hat "Kontur eines Lebens", den neuen Roman des niederländischen Schriftstellers Jaap Robben, veröffentlicht.
     
    Im Mittelpunkt der emotionalen Geschichte steht die 81-jährige Frieda. Ihr Mann Louis, mit dem sie seit einem halben Jahrhundert verheiratet ist, pflegt und umsorgt sie. Als er vollkommen unerwartet stirbt, muss Frieda in ein Pflegeheim umziehen. Ihr Sohn Tobias und seine schwangere Freundin Nadine unterstützen sie und kümmern sich um die Auflösung der Wohnung. Die Eingewöhnung in die neue Umgebung fällt Frieda schwer. Erinnerungen an ihre erste Liebe und an ein Ereignis, das 60 Jahre zurückliegt und um das niemand außer ihr weiß, werden wach und lasten schwer auf ihr. Es gibt unbeantwortete Fragen, und endlich setzt sie sich mit ihrer Vergangenheit auseinander und stellt Nachforschungen an.
     
    Wir erleben Frieda auf einer zweiten Zeitebene. Im März 1963 ist sie 21 Jahre alt, lebt noch bei ihren Eltern und ist als Floristin in einem Blumenladen tätig. Ihre drei Schwestern haben bereits das Elternhaus verlassen und gehen eigene Wege. Die Gegend ist katholisch geprägt, die Teilnahme am Sonntagsgottesdienst selbstverständlich. Auf einem zugefrorenen Fluss lernt sie den 10 Jahre älteren Otto kennen, der an der Universität arbeitet und glücklich mit seiner Frau Brigitte verheiratet ist. Frieda und Otto verlieben sich ineinander, und es kommt zwischen ihnen zu einem intimen Verhältnis, das nicht ohne Folgen bleibt ...

    Der Autor beschreibt Friedas Leben auf sehr feinfühlige Art, die unter die Haut geht, aber niemals kitschig ist. Friedas Schicksal steht stellvertretend für das Schicksal vieler Frauen, die in den sechziger Jahren und auch noch danach schwanger waren, ohne verheiratet zu sein. Sie brachten Schande über ihre Familien und wurden nicht selten von diesen verstoßen. Jaap Robben schildert die schwere Zeit von Friedas Schwangerschaft und eine kurze Zeit danach. Es ist erschütternd, zu lesen, wie verächtlich und herzlos Frieda von ihren Eltern, ihrem Umfeld und im Krankenhaus behandelt wurde.
     
    Lange hat mich kein Buch mehr so berührt und erschüttert wie dieses. Ich habe mit der jungen Frieda mitgefühlt und mitgelitten und der alten Frieda gewünscht, dass sie ihren Seelenfrieden findet. Die abwechselnd auf zwei Zeitebenen erzählte Geschichte ist in wunderbarem und sensiblem Sprachstil geschrieben, sie hat mich vom Anfang bis zum Ende gefesselt. Die Charaktere sind ebenso authentisch und großartig beschrieben wie der Zeitgeist der sechziger Jahre. Der Autor lässt uns nicht nur eintauchen in die Gedanken- und Gefühlswelt der jungen Frieda, sondern auch in die der alten, etwas eigenwilligen Frieda.
     
    Absolute Leseempfehlung von mir für dieses großartige und bewegende Buch, das mich tief beeindruckt hat und noch lange beschäftigen wird!
    Herr Winter taut auf Stefan Kuhlmann
    Herr Winter taut auf (Buch)
    15.08.2023

    "AVON bringt Schönheit direkt ins Haus"

    Viele kennen sicher den Werbeslogan "AVON bringt Schönheit direkt ins Haus", mit dem die Kosmetikfirma AVON seit den sechziger Jahren ihre Produkte und den in den Anfangszeiten noch sehr ungewöhnlichen Vertriebsweg beworben hat. Die Produkte konnten nämlich von Beginn an nicht in Geschäften erworben werden, sondern nur über spezielle AVON-Beraterinnen. In seinem Debütroman "Herr Winter taut auf" erzählt Stefan Kuhlmann mit viel Herzenswärme die Geschichte eines ehemaligen Finanzbeamten, der nach dem Tod seiner Ehefrau deren Tätigkeit als AVON-Berater fortsetzt.

    Im Mittelpunkt der Geschichte steht der frisch pensionierte Robert Winter, der kein sehr angenehmer Zeitgenosse ist. Er ist oft unfreundlich, ungesellig, pedantisch und manchmal cholerisch. Seine Frau Sophia weiß ihn zu nehmen, Bestätigung findet sie in ihrer Tätigkeit als AVON-Beraterin. Als sie durch einen Autounfall ums Leben kommt, bricht Roberts Welt zusammen. Der Lebensmut hat ihn verlassen, er verlässt kaum das Haus. Sein Leben erhält wieder Struktur, als er beschließt, nicht nur Sophias Bestellungen auszuliefern, sondern auch in ihre Fußstapfen zu treten. Er möchte "AVON-Berater des Jahres" werden und diese Auszeichnung Sophia widmen.

    Roberts Ehrgeiz ist geweckt, und er beschäftigt sich nun akribisch mit der Produktpalette der Kosmetikfirma, sein Nachbar Basti gibt ihm hilfreiche und weniger hilfreiche Tipps, den Rest besorgt das Internet. Mit seiner direkten Art vergrault er anfangs etliche Kundinnen, aber im Laufe der Zeit wird sein Umgang mit ihnen behutsamer und feinfühliger, diplomatisch und taktvoll - jedenfalls meistens. Die Damen - und auch einige Herren - schätzen seinen Rat, und Roberts Kosmetikpartys sind ein Erfolg. Aber kann er es in der Kürze der Zeit wirklich schaffen, "AVON-Berater des Jahres" zu werden, zumal eine Konkurrentin alles daran setzt, ihn loszuwerden?

    Wir lernen den mürrischen Robert kennen, erleben seine Trauer und begleiten ihn auf seinem neuen Weg als AVON-Berater, der Höhen und Tiefen für ihn bereithält. Es ist schön zu lesen, wie er im Laufe der Zeit tatsächlich auftaut, wie er zugänglicher und geselliger wird. Auch das Verhältnis zu seiner Tochter Miriam, das immer eher frostig war, verändert sich positiv.

    Die in schönem Sprachstil mit viel Herz und Humor erzählte Geschichte hat mir gut gefallen, auch wenn sie in einigen Punkten etwas vorhersehbar ist. Der Autor beschreibt sehr liebevoll seinen Protagonisten Robert mit all seinen Stärken und Schwächen. Der Titel des Buches mit dem wunderschönen Cover passt ganz hervorragend, es gibt queere Themen, und es mangelt nicht an komödiantischen Übertreibungen.

    Leseempfehlung für diesen gelungenen Debütroman, der mich berührt und erheitert hat!
    Simone Anja Reich
    Simone (Buch)
    15.08.2023

    Zutiefst berührend und aufwühlend

    In ihrem neuen Roman "Simone" erzählt Anja Reich die Geschichte ihrer Freundin Simone, die sich im Oktober 1996 mit 27 Jahren das Leben genommen hat.
     
    Die 28-jährige Anja ist bereits verheiratet, hat einen kleinen Sohn und arbeitet in ihrem Beruf als Journalistin in Festanstellung, während ihre Freundin, die ein Jahr jüngere Simone, immer noch Single ist und ein Studentenleben führt. Simone ruft an, aber Anja hat keine Zeit, weil ihr Sohn und ihr Vater ihre Geburtstage feiern. Am nächsten Tag ruft Simone sie in der Redaktion an, aber wieder hat sie keine Zeit, da sie einen Artikel zu Ende schreiben muss. Sie wimmelt Simone ab - und zwei Stunden später ist die Freundin tot.
     
    Anja fragt sich nach dem Warum und sucht nach Antworten. 10 Jahre nach Simones Selbstmord trifft sie sich mit ihrem Bruder André, der versucht, das Geschehene zu vergessen. Es vergehen weitere 10 Jahre, und Anja sucht Simones Eltern Dana und Ulrich auf. Von nun an besucht sie sie oft, sie führen intensive Gespräche und sehen sich alte Fotos an. Anja erhält Einsicht in alle Unterlagen und Dokumente ihrer Freundin, darf ihre Kalender, Briefe, Dokumente und Tagebücher lesen. Darüber hinaus führt sie Gespräche mit mehreren Experten zu den Themen Suizid und Depressionen und nimmt Kontakt zu Simones Cousine Miriam, ihren Freunden und Bekannten auf.
     
    Nach und nach blättert sich Simones Leben auf, wir erfahren vieles über ihre Kindheit, ihre Freundschaften und ihr Liebesleben. Das Verhältnis zu den Eltern ist eng, aber schwierig. Auch Anjas Leben fließt in den Roman ein, die Mädchen lernen sich kennen, als Anja und Simones Bruder André ein Paar werden. Damals ist Simone 15, Anja 16 Jahre alt. Sie werden Freundinnen, als André seinen Grundwehrdienst ableistet. 

    Das in schönem Sprachstil verfasste Buch hat mich sehr berührt und gefesselt. Anja Reich dokumentiert nicht nur Simones kurzes Leben, sondern auch das ihrer Eltern und Großeltern. Sie schildert das Aufwachsen in der DDR und fragt sich, ob Simone den Systemwechsel vielleicht nicht verkraftet hat, dass sie vor der Wende innerhalb der alten Regeln und Strukturen mehr Halt fand. Mit großer Offenheit beschreibt sie ihre Schuldgefühle, sie fragt sich immer wieder, weshalb sie nicht erkannt hat, wie schlecht es Simone ging und ob sie ihren Selbstmord hätte verhindern können. Der Autorin ist es gelungen, uns nicht nur Simones Gedankenwelt, sondern auch ihre Gefühlswelt sehr nahezubringen. Ich habe oft mit der jungen und haltlosen Frau mitgefühlt, ihre seelischen Nöte und Sehnsüchte verstanden, aber ihre Handlungsweisen auch oft nicht nachvollziehen können.

    Der emotionale Roman, der mich noch lange beschäftigen wird, hat mich erschüttert und aufgewühlt, er ist keine leichte Kost - von mir absolute Leseempfehlung!
    Die Verborgenen Die Verborgenen (Buch)
    12.08.2023

    Spannender Thriller

    Im Mittelpunkt von "Die Verborgenen", dem neuen Thriller des Kölner Autors Linus Geschke, steht die Familie Hoffmann, die ein geräumiges Haus an der Nordseeküste bewohnt. Der Vater Sven ist 42 Jahre alt und arbeitet als Journalist für einen Bremer Fernsehsender, seine 40-jährige Ehefrau Franziska hat eine Teilzeitstelle in einem Tourismusbüro. Die 17-jährige Tochter Tabea steht kurz vor dem Abitur. In der Ehe von Sven und Franziska kriselt es, und nicht nur Tabea hat Geheimnisse. Alle sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht bemerken, dass sie eine fremde Person in ihrem Haus beherbergen. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Phrogger, das sind Menschen, die in fremde Häuser eindringen und dort unbemerkt leben. Sie verstecken sich in Kellern oder auf Dachböden. Wenn die Bewohner das Haus verlassen, erkunden die Phrogger die Räume und bedienen sich an den Lebensmitteln. 

    Die Geschichte hat zwei Schwerpunkte. Den einen bildet der Mord an einer Mitschülerin von Tabea, den anderen die geheimnisvolle Person, die sich im Haus der Familie Hoffmann aufhält und durch ihre Vorgehensweisen für große Irritationen und Verdächtigungen innerhalb der Familie sorgt.

    Der Schreibstil des Autors hat mir gut gefallen, das Buch liest sich sehr flüssig. Die Handlung ist bedrohlich und atmosphärisch, die Charaktere sind sehr gut gezeichnet. Der Thriller ist spannend und packend erzählt, allerdings flacht der Spannungsbogen leider in dem Moment ab, als nach gut 200 Seiten die Identität des Phroggers gelüftet wird. Die Kapitel, die häufig mit einem Cliffhanger enden, sind abwechselnd aus Sicht der einzelnen Familienmitglieder und des Phroggers erzählt. Die Auflösung am Ende hat mich enttäuscht, ich fand sie schwach und hätte mehr erwartet. Die Darstellung der familiären Probleme, die in dem Buch viel Raum einnehmen, fand ich hingegen sehr gelungen und realitätsnah.

    Ich habe das spannende Buch, das ohne Blutvergießen und Gemetzel auskommt, sehr gern gelesen und mich gut unterhalten gefühlt. Es war sehr interessant für mich, etwas über Phrogger zu erfahren, die mir bisher vollkommen unbekannt waren und zum Glück in Deutschland noch nicht ihr Unwesen treiben.
    Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe Doris Knecht
    Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe (Buch)
    09.08.2023

    Gravierende Veränderungen

    Die österreichische Autorin Doris Knecht erzählt in ihrem neuen Roman "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" die Geschichte einer Frau, die mit Mitte Fünfzig vor gravierenden Veränderungen steht. Sie ist alleinerziehend, ihre Kinder Max und Mila, die Zwillinge sind, werden nach dem Abitur auf eigenen Füßen stehen. Die 130 qm große Wohnung wird für die namenlose Ich-Erzählerin unbezahlbar, da ihr Exmann keinen Mietzuschuss mehr an sie zahlen wird. Obwohl sie Veränderungen hasst, wird sie sich eine neue, bezahlbare Bleibe suchen und sich von vielen Dingen trennen müssen.

    Die Protagonistin lässt ihr Leben Revue passieren. Sie ist das älteste Kind in ihrer Familie, nach ihr bekamen die Eltern zwei Zwillingsmädchen, nach zwei Jahren zwei weitere Zwillingsmädchen. Die Schwestern sind blond wie die Mutter, nur die Ich-Erzählerin hat dunkle Haare. Sie galt als unsportlich, war immer gern für sich und eher ihren Büchern zugewandt, während die Schwestern im Hochleistungssport aktiv waren und von den Eltern gefördert wurden. Neben den Schwestern hat sie sich immer unsichtbar gefühlt, und das ist noch heute so.

    Während sie mit ihrer Wohnungssuche beschäftigt ist, lässt sie ihren Gedanken freien Lauf. Wir erfahren dabei viel über ihre Vergangenheit und ihre Ansichten. Sie blickt zurück auf ihre Kindheit und das Verhältnis zu den Eltern, ihre Freundschaften und ihr Berufs- und Liebesleben. Das geschieht mit schonungsloser Offenheit, vollkommen unsentimental und authentisch.

    Doris Knecht ist eine begnadete Erzählerin, die ihre Protagonistin ganz wunderbar skizziert und auch sehr viel ihres feinen Humors in die Geschichte einfließen lässt. Das Buch ist in zahlreiche kurze Kapitel mit passenden Überschriften gegliedert und sehr kurzweilig. Es ist nicht spektakulär, es beschreibt das wahre Leben, und es ist auch ein Buch über berührende Themen wie Mutterschaft und Loslassen. 

    Es hat mir sehr viel Freude bereitet, den Gedankengängen der Ich-Erzählerin zu folgen und sie auf ihrem Weg in ihr neues Leben zu begleiten. Ich fand mich oft wieder in den Texten, konnte so vieles nachempfinden und habe dabei auch immer wieder meine eigene Vergangenheit reflektiert.

    Die ruhige und in intelligentem Sprachstil erzählte Geschichte hat mir sehr gut gefallen - absolute Leseempfehlung!
    Frag nach Jane Heather Marshall
    Frag nach Jane (Buch)
    02.08.2023

    Aufwühlender Roman über ein wichtiges Thema

    In ihrem Debütroman "Frag nach Jane", in dem es um das zentrale Thema Selbstbestimmte Mutterschaft geht, erzählt die kanadische Autorin Heather Marshall in drei Handlungssträngen, die am Ende zusammengeführt werden, die Geschichte dreier Frauen.

    Toronto 1960: Die junge Evelyn Taylor erwartet von ihrem verstorbenen Verlobten ein Kind. Sie wird von ihrem Vater in das Sankt Agnes-Heim gebracht, einem Heim für ledige Mütter, das von Nonnen geführt wird. Dort macht man ihr klar, dass ihr Kind nach der Geburt an ein Ehepaar zur Adoption gegeben wird. Evelyn erlebt eine traumatische und leidvolle Zeit im Heim, ist Schikanen ausgesetzt und sämtlicher persönlicher Freiheiten beraubt. Später absolviert sie ein Medizinstudium. Neben ihrer Tätigkeit als Hausärztin hilft sie verzweifelten Mädchen und Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind. Sie führt Schwangerschaftsabbrüche durch und schließt sich dem illegalen Abtreibungsnetzwerk "Jane" an.

    Toronto 1979: Die 18-jährige Nancy begleitet ihre Cousine Clara, die ihr sehr nahesteht, zu einer Abtreibung. Ein Jahr später, sie lebt inzwischen nicht mehr bei ihren Eltern, erhält sie von ihrer demenzkranken Großmutter einen Hinweis und hat Grund zu der Annahme, dass ihre Eltern nicht ihre leiblichen Eltern sind. Wenige Jahre später wird auch Nancy ungewollt schwanger und sucht auf Vermittlung von "Jane" Evelyn Taylor auf. Zwei Jahre später schließt sie sich dem Netzwerk an.

    Toronto 2017: Angela, die Leiterin eines Antiquitätenladens, und ihre Frau Tina wünschen sich ein Baby. Das Kinderzimmer ist bereits eingerichtet, doch Angela hatte nach mehreren Kinderwunschbehandlungen Fehlgeburten. In einer Kommode findet sie den Brief einer ihr unbekannten Mutter an ihre Tochter, in der sie dieser offenbart, dass sie nach ihrer Geburt adoptiert wurde. Der Brief stammt aus dem Jahr 2010, und Angela begibt sich auf die Suche nach der rechtmäßigen Empfängerin.

    Heather Marshall beschreibt in schönem Sprachstil und mit sehr viel Empathie die Schicksale der drei Frauen. Dabei verflechten sich ganz langsam die Handlungsstränge miteinander. Die Autorin zeichnet die starken Figuren absolut authentisch und bildhaft, und sie lässt uns tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt blicken. Einen Handlungsschwerpunkt bildet Evelyns Leben. Wir begleiten sie ab dem Jahr 1960 und erleben ihren Aufenthalt im Heim für ledige Mütter und die unnachgiebige Härte, mit der sie dort von den Nonnen behandelt wird. Das geht unter die Haut und ist oft nur schwer zu ertragen.

    Das emotionale Buch, in dem außer Abtreibung auch Adoption und unerfüllter Kinderwunsch thematisiert werden, hat mich vom Beginn bis zum überraschenden Ende gefesselt, es hat mich zu Tränen gerührt, aber auch wütend gemacht. Sehr lesenswert ist auch das Nachwort der Autorin, in dem sie u.a. das System der Entbindungsheime und der Netzwerke beschreibt und ihrer Enttäuschung über die Aufhebung des Roe-Urteils im Jahr 2022 Ausdruck verleiht.

    Absolute Leseempfehlung von mir für diesen zutiefst berührenden Roman über ein wichtiges Thema!
    Lüpkes, S: Licht im Rücken Lüpkes, S: Licht im Rücken (Buch)
    02.08.2023

    Fesselnder Gesellschafts- und Familienroman

    Sandra Lüpkes war mir als Autorin bislang unbekannt. Das Cover von "Das Licht im Rücken" hat mich nicht besonders angesprochen, der Klappentext dagegen sofort fasziniert. Ich mag interessante Firmengeschichten, die mit fesselnden Familienschicksalen über mehrere Generationen hinweg verknüpft sind.
     
    Die Handlung beginnt im Jahr 1914, als Oskar Barnack eines Nachmittags durch die Stadt spaziert und fotografiert. Der Berliner ist dankbar dafür, dass es ihn nach Wetzlar verschlagen hat, wo er die Versuchsabteilung der Leitz-Werke leitet und mit seiner Familie eine schöne Dienstvilla bewohnen darf. Es ist ein besonderer Tag, denn er hat etwas Bahnbrechendes erfunden, das das umständliche Fotografieren mit riesigen und schweren Apparaten überflüssig machen wird. In diesem Moment kann er nicht ahnen, dass seine Erfindung, die Leica, einen weltweiten Siegeszug antreten wird.
     
    Die Geschichte wird während der Zeitspanne zwischen 1914 und 1945 auf zwei Ebenen erzählt. Wir lernen die Mitglieder der Unternehmerfamilie Leitz kennen: den Patriarchen Ernst Leitz, seinen Sohn Ernst, "der Zweite" genannt, sowie dessen Tochter Elsie und die Söhne Ernst und Ludi. Ernst II. ist seit einigen Jahren verwitwet, seine Ehefrau Elisabeth hat sich das Leben genommen.
    Auf der zweiten Erzählebene begegnen wir der Familie Gabriel, die das "Haus der Präsente" führt. Sie besteht aus dem jüdischen Vater Anton Gabriel, einem langjährigen Freund von Ernst II., seiner Ehefrau und den beiden Kindern Milan und Dana. 
     
    1924 beschließt Ernst II., mit der Leica in Produktion zu gehen. Die neue Kamera wird ein Verkaufsschlager, und die Firma expandiert. Ernst II. heiratet Hedwig, die beste Freundin seiner verstorbenen Frau, Elsie studiert Jura. Milan Gabriel macht eine Ausbildung bei der Firma Leitz als technischer Kaufmann, seine Schwester Dana hilft dem Vater im Laden. Mit dem Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten kommt es zu dramatischen Entwicklungen und Veränderungen im Leben der beiden Familien.
     
    Der Roman ist in sehr schönem Sprachstil geschrieben und liest sich flüssig. Der Autorin ist es gelungen, die interessanten Figuren authentisch und bildhaft zu beschreiben. Das Buch ist sehr spannend und nimmt den Leser mit in die schwere Zeit zweier Weltkriege. Wir folgen den Schicksalen der Mitglieder der Familien Leitz und Gabriel, erleben neben ihren Höhen und Tiefen auch ihre Tragödien. Mir hat die Geschichte, in der es um Liebe und Freundschaft, Menschlichkeit und Verrat geht, sehr gut gefallen. 
    Am Ende des hochwertig und liebevoll gestalteten Buches finden wir neben einem sehr lesenswerten Nachwort der Autorin ein ausführliches Register aller realen und fiktiven Personen. Darüber hinaus gibt es im vorderen und hinteren Teil des Buches viele interessante Fotos. Passend zur jeweiligen Zeit sind im Roman Fotos der unterschiedlichen Leica-Modelle mit technischen Angaben eingefügt.
     
    Leseempfehlung für diesen fesselnden und großartig recherchierten Gesellschafts- und Familienroman!
    Nicht ein Wort zu viel Andreas Winkelmann
    Nicht ein Wort zu viel (Buch)
    30.07.2023

    Nur fünf Wörter

    Der Rowohlt Taschenbuch Verlag hat den neuen Thriller von Andreas Winkelmann veröffentlicht. "Nicht ein Wort zu viel" spielt in der Buchbloggerszene und erregte wegen dieses vielversprechenden Themas meine Aufmerksamkeit. Bislang kannte ich noch kein Buch des Autors und war daher sehr neugierig.

    Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 32-jährige Buchhändlerin und Buchbloggerin Faja, deren Privatleben sich weitgehend im Internet abspielt. Sie glaubt an einen Scherz, als sie während einer Autorenlesung in einem Video auf ihrem Handy ihren Buchblogger-Freund Claas sieht. Er sitzt auf einem Stuhl, ist eng in Frischhaltefolie eingehüllt, und auf einem Pappschild, das um seinen Hals hängt, steht: "Erzähl mir eine spannende Geschichte. Sie darf fünf Wörter haben. Sonst muss dein Freund sterben".

    Auf einer zweiten Handlungsebene folgen wir dem Polizisten Jaro, der während eines Einsatzes eine folgenschwere Fehlentscheidung trifft. Daraufhin kommen der Täter und auch seine Geisel ums Leben. Jaro wird mit sofortiger Wirkung von seiner Vorgesetzten degradiert mit der Auflage, Gespräche mit der Polizeipsychologin Aylin zu führen. Der Überqualifizierte wird nun mit einfachen Ermittlungsarbeiten betraut. Er ist wenig begeistert und beschäftigt sich nun mit dem Fall des 22-jährigen Thorsten. Der Sohn eines Unternehmers wird seit 10 Tagen vermisst, und Jaro begibt sich auf die Spurensuche.
    Parallel begleiten wir den Polizisten Simon, der im Fall Claas Rehagen ermittelt.

    Das Buch liest sich dank des angenehmen Sprachstils sehr flüssig. Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, so dass die Spannung von Beginn an auf einem hohen Level ist und beibehalten wird. Die Charaktere sind sehr gut und authentisch beschrieben, vor allem der unbeherrschte und emotionale Jaro. Ich fand es sehr interessant, Einblick in die Welt der Buchblogger zu erhalten, auch die Verknüpfung der Handlungsstränge und die daraus resultierende Zusammenarbeit der beiden doch so völlig unterschiedlichen Ermittler hat mir gut gefallen. Bei der Tätersuche tappte ich vollkommen im Dunkeln, es gab viele Verdächtige, und ich habe mich vom Autor mehr als einmal auf falsche Fährten führen lassen. Gestört hat mich das zeitweise unprofessionelle Verhalten der Polizei, z.B. wird ein entwendetes Buchmanuskript vor einer Hausdurchsuchung schnell zurückgelegt. Die Auflösung war zwar überraschend, aber das Motiv hat mich nicht wirklich überzeugen können.

    Das Buch hat mir zwar gut gefallen, blieb aber insgesamt leider hinter meinen Erwartungen zurück.
    Schönwald Philipp Oehmke
    Schönwald (Buch)
    27.07.2023

    Großartige und mit feinem Humor erzählte Familiengeschichte

    Der Piper Verlag hat "Schönwald", den Debütroman von Philipp Oehmke, veröffentlicht.
     
    Im Mittelpunkt der Geschichte steht die gut situierte Familie Schönwald. Sie besteht aus Hans-Harald - bis auf seine Frau nennen ihn alle Harry -, seiner Ehefrau Ruth sowie ihren Kindern Christopher, Karolin und Benni. Der 80-jährige Harry ist pensionierter Oberstaatsanwalt, seine über 70-jährige Frau absolvierte ein Germanistikstudium, verzichtete aber zum Wohle der Familie auf eine eigene Karriere. Das Paar lernte sich auf einem Militärball kennen, ist seit über 50 Jahren verheiratet und lebt in Köln. Christopher ist mit seinen 49 Jahren der Älteste der Geschwister, er lebt seit langem in New York und ist Literaturprofessor an der Columbia Universität. Seine Schwester Karolin ist 2 Jahre jünger. Sie hat Kunstgeschichte studiert und ist dabei, sich in Berlin ihren Lebenstraum zu erfüllen. Benni ist mit seinen 37 Jahren der Nachzügler, hat Jura und Mathematik studiert und lebt mit seiner Frau Emilia, Tochter eines schwerreichen Vaters, und den zwei Kindern in der Uckermark. Er hat nicht den Ehrgeiz seiner Geschwister, dafür verfügt er über eine hohe soziale Kompetenz und eine rasche Auffassungsgabe.
     
    Aus Anlass der Eröffnung von Karolins queerem Fachbuchladen trifft sich die Familie in Berlin, um das Ereignis gemeinsam zu feiern. Dabei kommt es zu einem unschönen Zwischenfall, als junge Internet-Aktivisten Farbbeutel gegen die Schaufensterscheiben werfen. Sie protestieren damit gegen die Finanzierung des Geschäfts durch sogenanntes "Nazigold".
     
    In Rückblicken wird die Familiengeschichte der Schönwalds aufgeblättert. Alle Familienmitglieder haben ihre Probleme und Geheimnisse, von denen die anderen nichts wissen. Die Unfähigkeit, über Probleme zu kommunizieren, gehört für sie zur Normalität, und besonders Ruth ist der Meinung, dass nicht alles thematisiert werden muss. Nach und nach wird nun so manches Geheimnis aufgedeckt, und bisher Ungesagtes kommt zur Sprache. Wir erfahren nicht nur die Gründe für Christophers berufliche Veränderungen in den USA, auch die lange Zeit verdrängten Geschehnisse während Ruths Aufenthalt mit Karolin in Hamburg werden endlich thematisiert.
    Das Buch widmet sich vielen Themen, so geht es neben Kindesmissbrauch und Homosexualität auch um die Trump-Bewegung und Sexismus. 
     
    Philipp Oehmke erzählt die Geschichte in sehr schönem und anspruchsvollem Sprachstil. Die vielschichtigen Charaktere beschreibt er sehr authentisch und bildhaft. Ich konnte mich dadurch sehr gut in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten hineinversetzen. Besonders sympathisch waren mir Harry und Benni. Die enge und liebevolle Bindung zwischen Christopher und Benni hat der Autor mit viel Empathie beschrieben, sie hat mich sehr berührt. Der Roman hat mich von Beginn an bis zum überraschenden Ende gefesselt. Ich habe die Geschichte mit sehr viel Freude gelesen, der feine Humor des Autors machte das Buch zu einem äußerst unterhaltsamen Leseerlebnis. 
     
    Absolute Empfehlung von mir für diesen großartigen Debütroman, der einmal mehr aufzeigt, wie wichtig Offenheit und Kommunikation innerhalb der Familie sind!
    Blue Skies T. C. Boyle
    Blue Skies (Buch)
    26.07.2023

    Beeindruckender Familien- und Umweltroman

    In "Blue Skies", dem neuen Buch von T.C. Boyle, geht es um die dramatischen Folgen des Klimawandels, die er am Beispiel einer amerikanischen Familie aufzeigt.
     
    Im Mittelpunkt der Geschichte, die in naher Zukunft spielt, steht die Familie Cullen, die in Kalifornien bzw. Florida lebt. Sie besteht aus dem Vater Frank, der als Hausarzt praktiziert, und seiner Ehefrau Ottilie, die bis vor drei Jahren in der Praxis ihres Mannes arbeitete. Ihr Sohn Cooper lebt nicht mehr zuhause, er ist Biologe und mit großer Leidenschaft als Insektenforscher tätig. Cat, die Tochter von Frank und Ottilie, hat mit ihrem Freund Todd in Florida ein Strandhaus bezogen, das dieser von seiner Mutter geerbt hat. 
     
    In Kalifornien leiden die Menschen unter der brütenden Hitze und der anhaltenden Trockenheit, es besteht Waldbrandgefahr. Ottilie versucht, klimafreundlicher zu leben. Sie stellt auf Anraten ihres Sohnes einen Teil der Ernährung um und beginnt, Grillen und später Bienen zu züchten. Den Wasserverbrauch hat sie drastisch reduziert.
    Für ihre Tochter Cat stellen die ständigen Regenfälle in Florida, die für das Strandhaus immer mehr zur Bedrohung werden, ein großes Problem dar. Die hohe Luftfeuchtigkeit verursacht Schimmel und Fäulnis im Haus. Cat geht keinem geregelten Beruf nach und träumt davon, sich als Influencerin einen Namen zu machen. Ihr Freund Todd ist Botschafter eines Rumherstellers und viel auf Reisen. Cat langweilt sich und legt sich zum Leidwesen ihres Freundes einen Tigerpython zu. 
    Cooper lebt in der Nähe der Eltern. Seit seiner Kindheit ist er von der Natur fasziniert. Mit großer Sorge sieht er den Klimawandel mit seiner Verwüstung und dem Artensterben. Seine Liebe gilt den Insekten, was ihn eines Tages beinahe das Leben kosten wird. 
     
    Der Roman ist äußerst unterhaltsam, teilweise auch humorvoll, und -  wie man es vom Autor kennt - in intelligentem und mitreißendem Sprachstil geschrieben. Wir begleiten die Mitglieder der Familie Cullen über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren, erleben ihre Höhen und Tiefen, aber auch ihre Tragödien. Die bewegende Darstellung des amerikanischen Lebens in Zeiten des Klimawandels ist T.C. Boyle hervorragend gelungen. Liebevoll zeichnet er seine interessanten Figuren mit all ihren Schwächen und zeigt einmal mehr die Ausplünderung der Erde durch die Menschen auf.
    Mir hat die Mischung aus Familien- und Umweltroman sehr gut gefallen, die Geschichte wirkt erschreckend realistisch und hat mich von Beginn an gefesselt.
     
    Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen Roman, der sehr zum Nachdenken anregt!
    Nachts erzähle ich dir alles Anika Landsteiner
    Nachts erzähle ich dir alles (Buch)
    26.07.2023

    Wunderbarer Roman mit Tiefgang

    In ihrem neuen Roman "Nachts erzähle ich dir alles" erzählt Anika Landsteiner die Geschichte der 35-jährigen Léa, die auf Drängen ihrer Mutter Brigitte in deren Ferienhaus an die Côte d’Azur fährt. Léa braucht dringend Erholung, sie hat sich vor 6 Monaten von ihrer Lebensgefährtin Antonia getrennt und ist überlastet durch ihre Tätigkeit in dem von ihr geführten Café in München. Sie war seit vielen Jahren nicht mehr in dem Haus in Saint Martin, um das sich Brigittes Freundin Claire kümmert. Am ersten Abend kommt ein fremdes Mädchen in den Garten. Alice ist 16 Jahre alt, die beiden unterhalten sich angeregt bei einem Glas Wein, man verabredet sich locker für den nächsten Tag. Wenige Tage später steht Émile Bernard vor Léas Tür, Alice' Bruder. Alice ist tot, und Léa ist die letzte Person, die das Mädchen lebend gesehen hat. Der völlig Verzweifelte möchte herausfinden, was passiert ist.
    Léa versucht, Émile bei seiner Suche nach der Wahrheit zu unterstützen. Sie sind sich sympathisch, führen viele intensive Gespräche und treffen sich immer wieder. Obwohl der 10 Jahre Jüngere als erfolgreicher Podcaster in einer vollkommen anderen Welt als Léa lebt, verlieben sie sich ineinander, was Léa vor neue Probleme stellt.
     
    Parallel zur Geschichte lesen wir (in kursiver Schrift) eine Art Brief, den Claire an Léa richtet. Sie erzählt darin aus ihrem Leben und von der besonderen Beziehung, die sie mit Brigitte verbindet. 
     
    Das anspruchsvolle Buch ist in ganz wunderbarem und klugem Sprachstil geschrieben, es hat mich von Beginn an fasziniert, gefesselt und berührt. Wir begleiten die Protagonisten und tauchen dabei ganz tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt ein. Es geht in dem Roman nicht nur um Liebesbeziehungen, sondern auch um Trauerbewältigung und das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung. Anika Landsteiner hat die interessanten und sympathischen Figuren sehr liebevoll gezeichnet, die Charaktere sind authentisch. Das Buch hat mir sehr gut gefallen, das Ende ist stimmig und lässt Raum für eigene Gedanken.
     
    Absolute Leseempfehlung von mir für dieses wunderbare Buch!
    Nur ein einziger Tanz Hermien Stellmacher
    Nur ein einziger Tanz (Buch)
    20.07.2023

    Warmherzige und bewegende Geschichte

    In ihrem neuen Roman "Nur ein einziger Tanz" erzählt Hermien Stellmacher die Geschichte der Rike Kehrmann. Die 56-jährige Übersetzerin wurde vor kurzem nach 12 Jahren Zusammenleben von ihrem Lebensgefährten Edgar für eine Auszeit verlassen. Nun hat sie gerade ein Buchprojekt beendet und möchte sich in der Bretagne erholen. Mitten in der Planung erreicht sie ein Brief aus Amsterdam. Der ihr unbekannte Hendrik Rhee schreibt ihr, dass er ihre Mutter Francisca, die vor einem Jahr gestorben ist, kannte und sie seit seiner Rückkehr aus Australien gesucht habe. Nach einem Telefonat mit Hendrik beschließt Rike, nach Amsterdam zu fahren, der Stadt, in der sie ihre Kindheit verbrachte.

    Dort trifft sie den 92-jährigen Hendrik und lernt ihn und seine beiden Mitbewohner Greet und Karel kennen. Nach und nach erfährt sie von Hendrik nicht nur Einzelheiten über die Beziehung zwischen ihm und Cisca, wie er sie nennt, sondern auch viel Überraschendes über ihre Mutter. Rike wandelt in Amsterdam auf den Pfaden ihrer Kindheit, sie erinnert sich mehr und mehr daran und auch an die Jahre in Süddeutschland, die anfangs so schwer für sie waren. Ihre eigene Vergangenheit und die Geheimnisse ihrer Mutter werden langsam aufgeblättert, und Rike erkennt den Grund, der zu dem plötzlichen Wegzug ihrer Familie aus Amsterdam führte.

    Das Buch ist in schönem Sprachstil geschrieben und liest sich sehr flüssig. Die Autorin erzählt die Geschichte mit großer Herzenswärme, aber auch viel Humor. Nach und nach fügen sich die Puzzleteile zu einem Ganzen zusammen, das Ende ist sehr berührend und stimmig. Nicht nur die sympathischen Hauptprotagonisten Rike und Hendrik, auch sämtliche Nebenfiguren sind äußerst liebevoll und authentisch skizziert. Wir begleiten Rike auf ihrer Reise in die Vergangenheit, die für sie einige Überraschungen bereithält, Höhen und Tiefen hat. Der Roman, der auch viele Lebensweisheiten enthält, hat mir sehr gut gefallen. Er hat mich von der ersten Seite an gefesselt und berührt, ohne dabei kitschig und vorhersehbar zu sein.

    Auch das Nachwort ist lesenswert, die Autorin erzählt darin die Entstehungsgeschichte des Buches.
    Leseempfehlung von mir für diesen schönen Roman mit Tiefgang, den ich mit sehr viel Freude gelesen habe.
    22 Bahnen Caroline Wahl
    22 Bahnen (Buch)
    15.07.2023

    Schöner Debütroman für junge Leser

    In ihrem Debütroman "22 Bahnen" erzählt Caroline Wahl die Geschichte von Tilda Schmitt. Tilda wohnt gemeinsam mit ihrer Mutter Andrea und ihrer 10-jährigen Schwester Ida in einer Mietwohnung in einer nicht benannten Stadt. Während ihre Freunde nach dem Abitur die Welt bereisten und aus der Kleinstadt wegzogen, hat die nerdige Mathematikstudentin ihre Heimat nie verlassen. Tilda pendelt jeden Tag zwischen Uni und der Fröhlichstraße, in der sie wohnt, hin und her. Sie kümmert sich nicht nur um ihre alkoholkranke Mutter, sondern auch um Ida. Da das Geld knapp ist, arbeitet sie nachmittags als Kassiererin in einem Supermarkt. Entspannung vom stressigen Alltag findet sie im Schwimmbad, das sie täglich aufsucht, um genau 22 Bahnen zu schwimmen. Dort begegnet sie Viktor, dem älteren Bruder von Ivan, mit dem sie vor 5 Jahren befreundet war. Als ihr Professor ihr eine Promotionsstelle an der Humboldt-Universität in Berlin in Aussicht stellt, gerät sie in einen Konflikt. Kann sie es wagen, diesem Ruf zu folgen und ihre kleine Schwester bei der Mutter zurücklassen?

    Das Buch ist in der Sprache der Jugend in der Ich-Form aus Tildas Perspektive geschrieben und liest sich sehr flüssig. Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich, dass die Dialoge wie in einem Drehbuch verfasst sind. 
    Wir lernen Tilda kennen, die weitgehend auf eigene Vergnügungen verzichtet, um ihren Alltag bewältigen zu können. Liebevoll kümmert sie sich um Ida, die immer wieder den Ausbrüchen der betrunkenen Mutter ausgesetzt ist. Die Autorin beschreibt das Verhältnis der Schwestern zueinander sehr berührend. Mit Tildas Unterstützung gelingt es Ida, selbstbewusster zu werden und sich neben ihrer Malerei neuen Aktivitäten zu öffnen. Die sich langsam und sehr behutsam entwickelnde Annäherung zwischen Tilda und Viktor wird vollkommen kitschfrei beschrieben, das Ende des Buches stimmt zuversichtlich. 

    Die Coming-of-Age-Geschichte hat mir gut gefallen, ich empfehle sie jedoch eher jungen Lesern.
    Elternhaus Ute Mank
    Elternhaus (Buch)
    13.07.2023

    Lesenswerter Roman über ein emotionales Thema

    Der dtv Verlag hat "Elternhaus", den zweiten Roman von Ute Mank, veröffentlicht.
     
    Sanne ist die älteste von drei Schwestern und hat sich in letzter Zeit neben ihrem Beruf verstärkt um ihre alt gewordenen Eltern gekümmert, die ganz in der Nähe immer noch ihr vor Jahrzehnten gebautes Haus mit großem Garten bewohnen. Die ständigen Besuche bei den Eltern und die damit verbundenen Hilfeleistungen überfordern Sanne, und sie beschließt, dass die Eltern in eine altersgerechte Wohnung umziehen sollen. Ihre Schwester Gitti, die jüngste der Schwestern, ist dagegen, die mittlere Schwester Petra, die weit entfernt wohnt, ahnt nichts von den Umzugsplänen. Sanne setzt sich durch, ist nach dem Umzug der Eltern erst einmal erleichtert. Dann aber plagt sie doch das schlechte Gewissen, und sie fühlt sich nach wie vor verpflichtet, täglich bei den Eltern vorbeizuschauen. Diese haben ihr das Haus bereits überschrieben, und Sanne möchte es verkaufen, wovon weder die Eltern noch ihre Schwestern etwas wissen.
     
    Im Mittelpunkt der gefühlvollen Geschichte stehen Sanne und Petra, über Gitti erfahren wir eher wenig. Abwechselnd erleben wir Sannes und Petras Alltag und blicken dabei tief in ihre Gefühls- und Gedankenwelt. Die Frauen erinnern sich an die Zeit, als sie noch Kinder waren und mit den Schwestern im Elternhaus lebten. Mit ihrem Auszug aus dem schmalen Haus haben sie sich auseinandergelebt, das Verhältnis ist schwierig, und sie haben wenig Kontakt zueinander. 
     
    Das Buch hat mich sehr berührt, und ich konnte mich sehr gut in die Eltern hineinversetzen, die wenig begeistert von den Umzugsplänen ihrer Tochter sind, aber auch in Sanne, die durch die Situation völlig überlastet ist und einen Ausweg sucht. Das aktuelle Thema ist emotional, fast jeder von uns steht irgendwann vor der Frage, was zu tun und vor allem richtig ist, wenn die Eltern alt werden und "nicht mehr können". Die Autorin schildert die Problematik des Älterwerdens und den Umgang der jüngeren Generation damit äußerst einfühlsam und lebensnah. Auch das Verhältnis der Schwestern untereinander, die zutage tretenden alten Konflikte und die emotionale Belastung, die mit der aktuellen Situation verbunden ist, hat Ute Mank ganz wunderbar beschrieben, die unterschiedlichen Charaktere äußerst authentisch und bildhaft skizziert.
     
    Ich habe die in ruhigem und klarem Sprachstil erzählte Geschichte sehr gern gelesen, sie hat mich berührt und sehr nachdenklich gemacht.
    Absolute Leseempfehlung!
    Den Teufel im Leib Raymond Radiguet
    Den Teufel im Leib (Buch)
    10.07.2023

    Großartiger Klassiker in wunderbarer Neuübersetzung

    Der Pendragon Verlag hat genau 100 Jahre nach dem Erscheinen des Buches "Den Teufel im Leib" von Raymond Radiguet das Werk in neuer Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel veröffentlicht. Das Buch ist sehr hochwertig und ansprechend gestaltet. Es enthält neben der eigentlichen Geschichte Zeichnungen und erstmals in deutscher Sprache veröffentlichte Texte von Jean Cocteau sowie Gedichte und Briefe von Raymond Radiguet und ein sehr lesenswertes Nachwort des Übersetzers.

    Im Mittelpunkt der Geschichte steht der 15-jährige François, der auf einer gemeinsamen Wanderung mit seinem Vater die 18-jährige Marthe kennenlernt, die ihn sofort verzaubert. Marthe ist mit dem Soldaten Jacques verlobt, der im Ersten Weltkrieg für sein Land kämpft. Einen Monat später treffen sich François und Marthe zufällig wieder, und der Jugendliche begleitet die junge Frau, die bald heiraten wird, beim Möbelkauf. Kurz nach der Hochzeit setzt Marthe sich mit François in Verbindung, der sie fortan täglich in ihrer Wohnung besucht. Sie verlieben sich ineinander und beginnen eine intime Beziehung. Doch schon bald erhält Marthe einen Brief ihres Ehemannes, in dem dieser seinen bevorstehenden Fronturlaub ankündigt ....

    Dank der großartigen, unserer Zeit angepassten Übersetzung und des schönen Sprachstils liest sich das Buch sehr flüssig. Der Ich-Erzähler François lässt uns teilhaben an seiner Gefühls- und Gedankenwelt, wir erleben seine innere Zerrissenheit und seine jugendlichen Verhaltensweisen. Dem Autor ist es gelungen, die Charaktere authentisch und bildhaft zu skizzieren. Ich fand den frühreifen François nicht sympathisch, einige seiner Gedankengänge und Handlungen entsetzten mich. Er liebt Marthe und kann ohne sie nicht sein, dennoch verhält er sich ihr gegenüber häufig dominant und manipulativ.

    Das Buch, das der Autor mit 17 Jahren fertigstellte, wurde veröffentlicht, als er 20 Jahre alt war. Dass es bei seinem Erscheinen 1923 einen Skandal auslöste und von der Kritik als Geschmacklosigkeit gewertet wurde, kann ich auch aus heutiger Sicht gut nachvollziehen. Ich habe diesen anspruchsvollen Roman mit sehr viel Freude gelesen, er hat mich bis zu seinem stimmigen Ende berührt, fasziniert und gefesselt.

    Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen Klassiker!
    Gelegenheiten Romy Schneider
    Gelegenheiten (Buch)
    10.07.2023

    Leichte Sommerlektüre

    Der Kopfreisen Verlag hat "Gelegenheiten", den Debütroman von Romy Schneider, veröffentlicht.
     
    Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Marketingmanagerin Karla. Der 34-Jährigen geht es eigentlich bestens: sie lebt mit ihrem Freund Marc, einem erfolgreichen Vermögensberater, in einer großen Penthousewohnung in Berlin, hat Karriere gemacht und verdient gut. Das Paar lebt im Luxus, macht teure Reisen und genießt gesellschaftliches Ansehen. Aber Karla ist nicht glücklich, denn sie hat seit langem einen Traum. Sie wünscht sich, Schriftstellerin zu sein und sieht sich dabei in einem kleinen Häuschen in der Provence. Marc hat jedoch andere Lebensziele, und so fasst Karla den Entschluss, ihn zu verlassen und allein einen neuen Anfang zu wagen.
     
    Karla kündigt ihren Job, packt 2 Koffer und fährt zum Haus ihrer Eltern. Von dort aus macht sie sich auf den Weg in die Provence, wo sie durch Vermittlung einer befreundeten Buchhändlerin ein Haus in der Nähe von La Motte-d'Aigues mietet. Dort verbringt sie die ersten Tage mit den nötigen Einkäufen und Renovierungsarbeiten und widmet sich fortan ihrem Buchprojekt.
     
    Den Einstieg in die Geschichte fand ich sehr gelungen, konnte ich doch Karlas Wunsch nach Veränderung gut nachvollziehen. Wir begleiten Karla nun auf ihren Wegen in der neuen Umgebung, lernen ihre neuen Freunde kennen und erleben dank schöner Landschaftsbeschreibungen die Faszination der Provence. Mit Karlas Ankunft in der Provence flacht die Geschichte aber leider sehr schnell ab. Nahezu alles, was Karla anpackt, ist von Erfolg gekrönt und perfekt. Das habe ich als wenig authentisch empfunden, es mangelte mir an Tiefgang und ging mir zu sehr in die Richtung eines sogenannten Wohlfühlromans. 
     
    Das Buch ist in angenehmem Sprachstil geschrieben und liest sich sehr flüssig. Alle Charaktere sind sehr sympathisch, allerdings zeigt keine der Personen Ecken und Kanten. Der Teil des Buches, der in Berlin und in Karlas Heimatdorf spielt, hat mir gut gefallen. Ich empfand die Handlung als stimmig und authentisch. Den Teil, der in der Provence spielt, fand ich hingegen in weiten Teilen unrealistisch und vorhersehbar. Die Buchidee eines Neuanfangs als Schriftstellerin ist so  schön und interessant, ich habe mir viel erhofft und mich auf eine tiefgründige Lektüre gefreut. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch - der Roman hat mich leider nicht überzeugen können.
    One of the Girls One of the Girls (Buch)
    08.07.2023

    Dramatischer Junggesellinnenabschied

    Der dtv Verlag hat "One of the Girls" vorgelegt, den neuen Roman der britischen Autorin Lucy Clarke.
     
    Lexi Lowe ist überglücklich. Bald wird die 31-Jährige Yogalehrerin heiraten, ihr Auserwählter heißt Ed Tollock und ist 35 Jahre alt. Lexi wünscht sich eine Hochzeit im kleinen Kreis, in einer alten Mühle. Ihre selbsternannte beste Freundin Bella macht ihr klar, dass sie um einen Junggesellinnenabschied nicht herumkommt und organisiert einen Flug nach Griechenland. Auf einer kleinen Insel wollen Lexi und fünf Freundinnen während eines verlängerten Wochenendes eine unbeschwerte Zeit genießen. 
    Nach und nach lernen wir die Freundinnen kennen und erfahren, woher und wie lange sie Lexi kennen. Außer Bella ist da noch Fen, die Lebensgefährtin Bellas, deren Tante den jungen Frauen die Villa, die bald verkauft werden soll, zur Verfügung stellt. Robyn ist Anwältin und Mutter eines kleinen Jungen. Außerdem ist Eleanor dabei, Eds Schwester, deren Verlobter Sam vor einem Jahr kurz vor der Hochzeit gestorben ist. Und wir lernen Ana kennen, alleinstehende Mutter eines 15-jährigen Sohnes.
    Die Freundinnen sind begeistert von ihrer geschmackvollen Unterkunft unter griechischer Sonne, genießen die Abgeschiedenheit und den herrlichen Blick aufs Meer. Doch schon bald kommt es zu Spannungen und Auseinandersetzungen, der reichliche Alkoholkonsum trägt dazu bei, dass Geheimnisse enthüllt und Freundschaften auf den Prüfstand gestellt werden.
     
    Das spannende Buch hat mir sehr gut gefallen. Bereits der Einstieg in die Geschichte ist sehr gelungen. Von Anfang an weiß der Leser, dass in der Strandfeuernacht etwas Schreckliches passieren wird, dass eine Person den Urlaub nicht überleben wird. Das hält die Spannung durchgehend auf einem hohen Level. Lucy Clarke erzählt die Geschichte in kurzen Kapiteln, trotz ständig wechselnder Perspektiven behält man sehr gut den Überblick. Das Buch ist sehr gut aufgebaut und hat zahlreiche unerwartete Wendungen, immer wieder wurde ich überrascht. Nach und nach erfahren wir viel aus der Vergangenheit der Freundinnen, gute und schlechte Erinnerungen werden enthüllt. Es gibt aufschlussreiche Verknüpfungen zwischen den Frauen, und es werden wahre Gefühle preisgegeben. Die interessanten und vollkommen unterschiedlichen Charaktere hat die Autorin sehr bildhaft und gekonnt beschrieben.
     
    Ich habe den Roman sehr gern gelesen und war gefesselt bis zum für mich vollkommen überraschenden Ende.  
    Zwei Wochen für ein ganzes Leben Dierk Breimeier
    Zwei Wochen für ein ganzes Leben (Buch)
    04.07.2023

    Berührende Geschichte vor faszinierender Kulisse

    Dierk Breimeier erzählt in seinem Roman "Zwei Wochen für ein ganzes Leben" die Geschichte des jungen Raimund, der einst als Matrose auf einem Frachtschiff zur See gefahren und nun als Theaterregisseur tätig ist. Er ist fasziniert von der Schönheit Lapplands und tritt Ende August zum dritten Mal die lange Reise von Hamburg nach Lappland an. Diesmal hat er für 8 Monate eine abgelegene Hütte gemietet, um dort den arktischen Winter zu verbringen und sich auf eine neue Theaterproduktion vorzubereiten. Die Hütte ist klein, sie hat keinen Strom, besteht nur aus einem einzigen Raum und ist zweckmäßig eingerichtet. Während der ersten Tage ist Raimund mit der Beschaffung von Brennholz beschäftigt, Wasser holt er sich aus dem nahe gelegenen See.

    Im nächstgelegenen Ort befindet sich eine Cafeteria, die von Kajssa und Jokki sowie deren Tochter Lilija bewirtschaftet wird. Hier kann Raimund nicht nur einkaufen und telefonieren, man kümmert sich dort auch um seine Wäsche. Zwischen Lilija und Raimund kommt es zur behutsamen Annährung, und auch Lilijas Eltern begegnen Raimund mit viel Herzlichkeit. Dieser steht bald vor der Frage, ob eine Liebe zwischen zwei Menschen aus derart unterschiedlichen Kulturkreisen möglich ist ...

    Das in ruhigem und klarem Sprachstil geschriebene Buch liest sich flüssig und hat mir gut gefallen. Es nimmt den Leser mit auf die Reise in ein außergewöhnliches Land. Wir lernen die Samen, ihre Bräuche und Traditionen kennen und begleiten Raimund auf seinen mehrtägigen abenteuerlichen Wanderungen. Beeindruckend sind die faszinierenden und intensiven Naturbeschreibungen. Die sich langsam entwickelnde Zuneigung zwischen Raimund und Lilija hat mich sehr berührt, Raimunds Überlegungen, seine innere Zerrissenheit und seine Entscheidung konnte ich gut nachempfinden.

    Diese schöne und berührende Geschichte hat ein größeres Publikum verdient. Allerdings gibt es einen Kritikpunkt: anscheinend hat das Buch vor der Veröffentlichung kein professionelles Lektorat durchlaufen. Das sollte vor einer Neuauflage nachgeholt werden, da der Roman leider viele Rechtschreib- und Zeichenfehler, aber auch Setz- und stilistische Fehler enthält.
    Wunder gibt es immer wieder Beate Sauer
    Wunder gibt es immer wieder (Buch)
    30.06.2023

    Geschichte über eine junge Frau, die für ihren Traum kämpft

    Der Heyne Verlag hat "Wunder gibt es immer wieder", den neuen Roman von Beate Sauer, veröffentlicht. Es handelt sich um den ersten Band der Trilogie "Die Fernsehschwestern". Die beiden Fortsetzungen werden im Oktober 2023 bzw. Januar 2024 erscheinen.

    Die Geschichte spielt in München, wir schreiben das Jahr 1953. Im Mittelpunkt steht die junge Eva Vordemfelde, die mit ihren Eltern und den beiden Zwillingsschwestern Franzi und Lilly in München lebt. Ihr Vater Axel ist Journalist beim Münchner Abend, die Mutter Annemie ist Hausfrau. Das Fernsehen hält Einzug in viele Haushalte, und auch die Familie Vordemfelde erlebt vor dem Bildschirm live die Krönung von Queen Elizabeth. Zwei Jahre später arbeitet Eva als Sekretärin in einer Druckerei. Sie ist nicht glücklich damit, sie entwirft und näht mit Leidenschaft ihre Kleider und wäre viel lieber Schneiderin geworden. Aber der Vater hat es ihr nicht erlaubt, war der Meinung, das sei etwas für kleine Leute. Während eines Urlaubs mit ihrer Cousine Margit in Ischgl hat Eva in dem Film "Sissi" mit Romy Schneider einen kurzen Einsatz als Statistin. Sie bewundert die wunderschönen Kostüme der Schauspieler und beschließt, Kostümbildnerin zu werden. Ihr Vater torpediert ihren Plan, doch er hat nicht mit der Zielstrebigkeit und dem Mut seiner Tochter gerechnet ....

    Das Buch führt uns in die Welt der fünfziger Jahre, wir erleben die historischen Ereignisse und die Anfänge des Fernsehens. Das alles ist bestens recherchiert und sehr unterhaltsam. Die Autorin beschreibt das Leben einer typischen Familie der fünfziger Jahre, als die Rolle der Frau noch eine ganz andere war als heute. Die Väter verdienten das Geld und erwarteten, dass die Familienmitglieder sich nach ihren Wünschen richteten. Das ist auch bei den Vordemfeldes so. Axel hat das Sagen, seine Frau Annemie ordnet sich ihm vollkommen unter. Eva hingegen verfolgt ihre eigenen Ziele, für die ihr Vater kein Verständnis hat. Nach dem Umzug nach Bonn vermittelt er ihr eine Stelle als Sekretärin beim NWDR, dem späteren WDR. Aber Eva ist nicht glücklich in ihrem Beruf und setzt alles daran, ihren Traum zu verwirklichen, auch gegen den Willen des konservativen Vaters.

    Der Roman hat mir in weiten Teilen gut gefallen. Der Autorin ist es ganz wunderbar gelungen, den damaligen Zeitgeist einzufangen. Der Roman liest sich flüssig, die Charaktere sind authentisch und bildhaft beschrieben. Die Handlung ist stimmig und für mich nachvollziehbar. Im letzten Drittel nimmt das Buch dann gewaltig an Fahrt auf. Die Ereignisse innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne überschlagen sich. Diese vielen Geschehnisse wirkten auf mich sehr unglaubwürdig und haben mir dann letztlich die Lesefreude genommen. Auch die Liebesgeschichte von Eva und Paul konnte mich leider nicht begeistern, ich fand sie am Ende eher kitschig und wenig glaubhaft.
    So weit der Fluss uns trägt Shelley Read
    So weit der Fluss uns trägt (Buch)
    28.06.2023

    Wunderbar erzählter Debütroman über eine mutige Frau

    Shelley Read erzählt in ihrem aufsehenerregenden Debütroman, der in über 30 Ländern erscheint, die Geschichte der jungen Victoria Nash, die als Tochter eines Pfirsichbauern in Iola, einem kleinen Städtchen nahe des Gunnison River, in Colorado aufwächst. Als sie 12 Jahre alt ist, verliert sie durch einen tragischen Autounfall ihre Mutter, ihre Tante und ihren Cousin. Sie sieht fortan ihre Aufgabe darin, ihre Mutter zu ersetzen und übernimmt alle anfallenden Hausarbeiten. Darüber hinaus hilft sie dem Vater auf der Pfirsichplantage und kümmert sich um ihren 2 Jahre jüngeren Bruder Seth und den kriegsversehrten Onkel Og. Die Familie bringt ihr wenig Zuneigung entgegen, ihr Alltag besteht aus Arbeit.
     
    Als Victoria 17 Jahre alt ist, begegnet sie im Ort einem Fremden, von dem sie sofort fasziniert ist. Wilson Moon ist aus den Kohlebergwerken in Dolores weggelaufen und auf der Suche nach einer Unterkunft. Doch im Ort begegnet man dem dunkelhäutigen Mann mit Ablehnung. Wil und Victoria verlieben sich ineinander und treffen sich heimlich. Bald kommt es zu einer Tragödie, und Victoria verlässt ihr Elternhaus. In der Wildnis muss sie Hindernisse überwinden, um ihr Leben und das ihres ungeborenen Kindes kämpfen und trifft in ihrer Verzweiflung eine folgenschwere Entscheidung .....
     
    Der wunderschön geschriebene Roman wird in der Ich-Form aus der Perspektive von Victoria erzählt und umfasst die Zeitspanne zwischen 1948 und 1971. Während dieser 23 Jahre erleben wir Victorias Schicksal, ihre Tragödien und Verluste. Die junge Frau erlebt Leidenschaft und Verrat, dennoch schafft sie es, sich mit Stärke und Ausdauer ein neues Leben aufzubauen. 
    Ein wichtiger Teil des in ruhigem Schreibstil verfassten Buches widmet sich der kargen und rauen Natur Colorados. Die faszinierenden Naturbeschreibungen haben mich sehr beeindruckt. Auch fand ich es sehr interessant, Einblicke in viele Tätigkeiten zu bekommen, die auf einer Pfirsichplantage notwendig sind, um eine außergewöhnliche Pfirsichernte von hoher geschmacklicher Qualität zu erzielen.

    Das Buch, das sich auch mit den Themen Tod und Trauer, Heimat und Rassismus auseinandersetzt, hat mich von der ersten Seite bis zum hoffnungsvollen Ende fasziniert und zutiefst berührt. Ich mochte Victoria, ihr Schicksal ist mir sehr nahegegangen, und ich habe mit ihr gelitten und gehofft. Gleichzeitig war ich aber auch voller Bewunderung für ihren Mut und ihre Kraft. Shelley Read hat nicht nur die Hauptprotagonistin Victoria, sondern auch alle Nebenfiguren liebevoll und authentisch skizziert. 

    Der Roman hat mir sehr viel Lesefreude bereitet, und ich freue mich bereits jetzt auf das nächste Werk der Autorin.
    Absolute Leseempfehlung von mir für diesen beeindruckenden und ergreifenden Debütroman über eine mutige Frau, die ihren Weg sucht.
    Institut für gute Mütter Jessamine Chan
    Institut für gute Mütter (Buch)
    26.06.2023

    Dramatisch und beklemmend

    Der Ullstein Verlag hat "Institut für gute Mütter", den beeindruckenden Debütroman der amerikanischen Autorin Jessamine Chan, veröffentlicht.
     
    Im Mittelpunkt der verstörenden Geschichte steht die alleinerziehende 39-jährige Frida Liu, die mit der Betreuung ihrer 18 Monate alten Tochter Harriet und ihrer Tätigkeit im Homeoffice vollkommen überfordert. ist. Ihr Ehemann Gust hat sie 3 Monate nach Harriets Geburt verlassen, seitdem teilen sie sich das Sorgerecht für ihre Tochter. Es ist für Frida "ein schlechter Tag", an dem sie total übermüdet einen folgenschweren Fehler begeht und Harriet über zwei Stunden allein in der Wohnung zurücklässt, um sich einen Kaffee zu besorgen und anschließend kurz ihren Arbeitsplatz aufzusuchen. Nachbarn hören das Kind schreien und benachrichtigen die Polizei, die es umgehend aus der Wohnung holt. Die eingeschaltete Kinderschutzbehörde entzieht der Mutter mit sofortiger Wirkung das Sorgerecht und gibt die Kleine in die Obhut ihres Vaters Gust und dessen Lebensgefährtin Susanna. 
     
    Frida darf ihre Tochter fortan nur kurzzeitig und in Anwesenheit einer Sozialarbeiterin besuchen. Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, und Frida muss für die Dauer eines Jahres an einem Rehabilitierungsprogramm teilnehmen. In einem ehemaligen College absolviert sie gemeinsam mit anderen Müttern zahlreiche Unterrichts- und Trainingsstunden mit dem Ziel, eine gute Mutter zu werden und dabei stets das Wohl des Kindes über das eigene zu stellen. Dabei wird ihr eine KI-Puppe, die ihrer Tochter ähnlich sieht und die sie Emmanuelle nennt, zur Seite gestellt. Das Projekt unterliegt strengster Geheimhaltung, im Institut gelten zahlreiche Regeln, Verbote und Strafen sind an der Tagesordnung.
     
    Die Autorin führt uns in eine neue dystopische Welt, in der mütterliche Verfehlungen drakonisch geahndet werden. Wir erleben Fridas verzweifelte Bemühungen, das Rehabilitierungsprogramm erfolgreich zu absolvieren und leiden mit ihr, wenn ihr - oft aus nichtigen Gründen - untersagt wird, mit Harriet zu telefonieren. Das Training mit der Puppe ist fordernd und bringt Frida immer wieder an ihre Grenzen. Neben Frida lernen wir auch weitere Mütter mit unterschiedlichen Schicksalen und Lebenswegen kennen. Sie alle sind ständigen Demütigungen und Schikanen durch die Mitarbeiter des Instituts ausgesetzt, werden ständig überwacht. Was den Frauen angetan wird, ist oft nur schwer zu ertragen. In der Besserungsanstalt gibt es auch Väter, die sich Verfehlungen haben zuschulden kommen lassen, jedoch werden diese weniger hart behandelt als die weiblichen Insassen.
     
    Das Buch liest sich flüssig und ist fesselnd geschrieben. Die Charaktere sind sehr authentisch und bildhaft skizziert. Frida war mir sympathisch, ich habe mitgelitten und gehofft, dass sie Harriet bald wiedersehen darf. Allerdings konnte ich nicht verstehen, dass sie als Auslöser ihrer Situation immer nur den "richtig schlechten Tag" sieht und keine wirkliche Einsicht zeigt.
    Der Roman zeigt ein beunruhigendes Schreckensszenario auf, das betroffen macht und unter die Haut geht. Er behandelt auch Themen wie Rassismus, Sexismus und Diskriminierung. Die Geschichte bietet viel Diskussionsstoff und regt zum Nachdenken an. Das Ende hat mir gefallen, ich fand es sehr stimmig. 
     
    Leseempfehlung für diesen dramatischen und beklemmenden Roman, der bald als TV-Serie verfilmt wird. 
    151 bis 175 von 294 Rezensionen
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