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    Bücherfreundin

    Aktiv seit: 04. September 2021
    "Hilfreich"-Bewertungen: 64
    305 Rezensionen
    Meine Mutter

    Bettina Flitner
    Meine Mutter (Buch)

    05.09.2025

    Bewegende und fesselnde Familiengeschichte

    In ihrem vielbeachteten, im Jahr 2022 erschienenen Buch "Meine Schwester", widmet sich Bettina Flitner dem Leben ihrer Schwester, die 2017 freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Nun hat der Verlag Kiepenheuer & Witsch "Meine Mutter", das neue Werk der Autorin, veröffentlicht, in dem diese nicht nur den Selbstmord ihrer Mutter thematisiert, sondern auch - basierend auf zahlreichen Gesprächen und schriftlichen Erinnerungen ihres Vaters, des Großvaters, der Urgroßmutter und einer Großtante sowie Briefen und Zeitdokumenten - die Geschichte ihrer Familie erzählt. 

    Die Ich-Erzählerin Bettina befindet sich anlässlich einer Lesereise in Celle, dem Ort, in dem sie aufgewachsen ist, und sucht spontan den Friedhof auf, auf dem vor 40 Jahren ihre Mutter Gisela, als Kind "Gila" genannt, beigesetzt wurde. Ein Sparbuch und ihr bisher unbekannte Fotos, die kurz vor dem Suizid ihrer Mutter entstanden sind, veranlassen sie dazu, über sie nachzudenken. Wer war ihre Mutter, und warum hat sie sie vergessen? Sie beschließt, sich auf Spurensuche zu begeben und nach Wölfelsgrund im damaligen Niederschlesien zu fahren, wo Gisela 1936 geboren wurde und bis 1946 lebte ...

    Bettina Flitners Roman führt uns zurück bis ins Jahr 1884, als ihr Ururgroßvater Heinrich im Luftkurort Wölfelsgrund, am Fuß des Riesengebirges, ein Sanatorium für Nervenkranke errichtete. Im benachbarten Doktorhaus lebte Urgroßvater Richard mit seiner Frau Elfriede und den fünf Kindern, später Bettinas Großvater Api und die Großmutter Ami mit ihren sechs Kindern. Eines der Kinder war Gisela, die Mutter der Autorin. Als Folge des Zweiten Weltkriegs musste die Familie 1946 ihre Heimat verlassen und baute sich in Westdeutschland ein neues Leben auf.

    Die Geschichte ist in beeindruckend schöner Sprache auf mehreren, sich abwechselnden Zeitebenen erzählt und liest sich sehr flüssig. Nach und nach blättert sich die Vergangenheit einer Familie auf, in der es über mehrere Generationen Höhen und Tiefen gab - und mehrere Selbsttötungen. Wir lernen die kleine Gila kennen, die bereits früh mit den Familientragödien konfrontiert wird, und wir erleben die erwachsene Gisela, die mit 21 Jahren den Juristen Hugbert heiratet. Das Paar bekommt zwei Töchter, doch die Ehe ist nicht glücklich. Hugbert hat das Gefühl, nicht mit Gisela reden zu können, es ist keine Beziehung auf Augenhöhe. Es gibt Affären und Streitigkeiten, und Gisela leidet zunehmend unter schweren Depressionen. Glücklich ist sie immer dann, wenn sie allein nach Sylt fahren kann. 

    Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es hat mich fasziniert, berührt und betroffen gemacht. Sehr gut gefallen hat mir, dass Bettina Flitner eine eher sachliche Erzählweise gewählt hat. Sie stellt Fragen, aber sie erhebt keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisungen. Manches ist fast nüchtern erzählt, und doch sind ihre Ausführungen sehr bewegend. 

    Die Thematik der Vertreibung durch die Russen und das polnische Militär war mir bisher nur oberflächlich bekannt. Die Familie der Autorin musste innerhalb von 24 Stunden ihre Heimat verlassen und die beschwerliche 18-tägige Reise antreten, die sie durch zerbombte Städte und zerstörte Landschaften nach Celle führte. Diese Folgen des Zweiten Weltkriegs bekamen damals sehr viele Menschen zu spüren, allein aus Schlesien sind nach Kriegsende mehr als drei Millionen Menschen geflohen bzw. wurden vertrieben.

    Absolute Leseempfehlung für das mit großer Offenheit verfasste sehr persönliche Buch, in dem die Autorin ihre Familiengeschichte verarbeitet und einen Weg gefunden hat, sich nachträglich mit ihrer Mutter auszusöhnen.
    Die Rheinreise

    Ann Schlee
    Die Rheinreise (Buch)

    05.09.2025

    Wunderbare und ruhige erzählte Geschichte

    Der Dumont Verlag hat den bereits im Jahr 1981 erschienenen Roman "Die Rheinreise" der in den USA geborenen Schriftstellerin Ann Schlee, die 2023 im Alter von 89 Jahren verstorben ist, in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ihren Debütroman, der für den renommierten Booker Prize nominiert wurde. Das Cover ist wunderschön und sehr hochwertig gestaltet.

    Wir schreiben das Jahr 1851, drei Jahre nach den Unruhen der Europäischen Revolution von 1848, als Reverend Charles Morrison mit seiner Frau Marion und der 17-jährigen Tochter Ellie eine Reise mit dem Schaufelraddampfer von Baden-Baden bis Köln antritt. Mit dabei ist Charles' jüngere, etwa 40-jährige unverheiratete Schwester Charlotte, die ihre Schwägerin unterstützt und sich um ihre Nichte kümmert. Charlotte war jahrelang die Haushälterin ihres Bruders, ehe sie dem betagten Reverend Ransome bis zu dessen Tod den Haushalt führte und von ihm mit einer Erbschaft bedacht wurde. Als sie unter den Reisenden einen Mann sieht, der ihrer ersten Liebe ähnelt, werden Erinnerungen in ihr wach. Sie war gerade 18 Jahre alt, als sie sich in den Mühlenbesitzer Desmond Fermer verliebte, der bei Charles um ihre Hand anhielt. Doch für diesen war Desmond nicht standesgemäß, er war gegen die Verbindung, und Charlotte blieb es verwehrt, eine eigene Familie zu gründen.

    Die Geschichte ist in sehr schöner Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Ich fühlte mich gleich in das Viktorianische Zeitalter versetzt, als die Rolle der Frau noch eine ganz andere war als heute. Die Autorin lässt uns eintauchen in Charlottes Lebensgeschichte, die geprägt ist von Gehorsam und Unterwürfigkeit gegenüber ihrem Bruder. Als Alleinstehende ist es ihr nicht möglich, ihr Leben eigenständig zu gestalten. Ihr Bruder trifft für sie alle wichtigen Entscheidungen, und sie ordnet sich ihm unter. Die Begegnung mit Edward Newton verändert sie und weckt alte Erinnerungen, mit denen sie sich endlich auseinandersetzt.

    Ich habe den Roman sehr gern gelesen, er hat mich beeindruckt und sehr berührt. Der Zeitgeist ist ganz großartig eingefangen, und ich mochte Ann Schlees ruhige und empathische Erzählweise. Sie skizziert ihre Protagonisten ganz wunderbar und authentisch, besonders die feinfühlige Charlotte, die auf der Rheinreise ihre Vergangenheit reflektiert, in Tagträumen versinkt und schließlich vor die Frage gestellt wird, ob sie fortan im Haushalt des Bruders leben möchte. Die Autorin schildert nicht nur mit großer Intensität Charlottes innere Zerrissenheit, ihre Sehnsüchte und Wünsche, sondern auch ihre Entwicklung, die dazu führt, dass sie eine zukunftsweisende Lebensentscheidung treffen kann.
    Der dominante Charles, der seine Schwester wie eine Bedienstete behandelt, machte es mir schwer, ihn auch nur ansatzweise zu mögen. Auch für seine Frau, die schwierige Marion, konnte ich keine Sympathie empfinden.

    Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung der Rheinreise mit ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten, da ich im Rheinland lebe und mir viele der erwähnten Orte ein Begriff sind.

    Absolute Leseempfehlung für diesen wunderbaren historischen Roman mit Tiefgang, der mich gefesselt und bestens unterhalten hat!
    Aufsteiger

    Peter Huth
    Aufsteiger (Buch)

    01.09.2025

    Großartiger und packender Gesellschaftsroman

    In seinem neuen Roman "Aufsteiger" erzählt Peter Huth die Geschichte des 48-jährigen Felix Licht. Dieser ist seit 20 Jahren mit seiner Frau Sarah verheiratet, die beiden haben eine gemeinsame Tochter, die 10-jährige Emilia. Felix ist seit über 10 Jahren als Journalist für ein Wochenmagazin tätig und wartet ungeduldig auf einen Termin bei Christian Berg, dem Eigentümer des Magazins. Endlich ist es soweit, er hofft, zum Chefredakteur berufen zu werden und malt sich seine Zukunft in den schönsten Farben aus. Er wird seinen Freund und derzeitigen Chefredakteur Richard Leck ablösen, einen "Mann von gestern", dessen Zeit vorbei ist. Felix' Enttäuschung ist riesig, als nicht er berufen wird, sondern ausgerechnet die attraktive Zoe Rauch, deren Mentor, Freund und Vertrauter er vor 12 Jahren war ...

    Die Geschichte ist in intelligenter und klarer Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Dem Autor ist es hervorragend gelungen, die Charaktere bildhaft und authentisch zu skizzieren. Wir lernen den ehrgeizigen Felix Licht kennen, erleben seine Enttäuschung und Resignation, die er im Alkohol zu ertränken versucht, blicken tief in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Seine Ehe droht zu scheitern, ein ehemaliger Anwalt, der vom Leben enttäuscht und nun als Hassblogger tätig ist, bietet ihm juristischen Beistand an. 

    Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es hat mich von Beginn an gefesselt und berührt. Ich fand es spannend, hinter die Kulissen eines Verlags und dessen Machenschaften zu schauen. Auch die juristischen Aspekte des Falls sind interessant, Verfahrensabläufe werden beschrieben, der Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit deutlich gemacht. Ich mochte Felix, der für seine Karriere beim Magazin auf so vieles verzichtet hatte, seine Familie und Freundschaften vernachlässigte, und dessen Welt von einem Tag auf den anderen zusammenbricht, weil er nun selbst der "Mann von gestern" ist. Ich mochte auch die junge Zoe, die es trotz ihres selbstbewussten Auftretens nicht leicht hat, in ihrem neuen beruflichen Umfeld andere Wege zu gehen und dabei auch Persönliches mit Beruflichem zu verknüpfen versucht.

    Es hat mir gut gefallen, dass das Buch viele wichtige Themen beinhaltet. Es geht nicht nur um gescheiterte Zukunftspläne und die Macht eines Chefredakteurs, sondern auch um Klimakleber, um einen Kriegstanz, der einen neuen Namen erhält, und es geht um Feminismus, Manipulation durch die sozialen Medien, Diskriminierung und queere Themen. Es gibt verschiedene Wendungen - wobei allerdings eine Wendung infolge des Prologs etwas zu früh zu erahnen ist -, ehe die Handlung auf ihr dramatisches Finale zusteuert. 

    Absolute Leseempfehlung für diesen großartig geschriebenen gesellschaftskritischen Roman mit Tiefgang, der mich bestens unterhalten hat!
    Girls

    Kirsty Capes
    Girls (Buch)

    27.08.2025

    Ingrid und ihre Töchter

    Im Mittelpunkt von "Girls", dem dritten Roman der englischen Autorin Kirsty Capes, stehen die beiden Töchter Matilda und Nora der weltberühmten Malerin Ingrid Olssen. Diese führte ein ausschweifendes und hemmungsloses Leben, war manisch depressiv und suchtkrank. Mit 50 Jahren erkrankte sie an Lungenkrebs und starb vier Jahre später. Ihr letzter Wunsch war, dass Matilda und Nora ihre Asche in einem Canyon verstreuen und all ihre Werke ins Meer werfen. 

    Zwei Jahre nach Ingrids Tod plant der Kunstkritiker Richard, ein Buch über die Malerin zu schreiben, deren bekanntestes Werk ein Bild ist, das sie und ihre beiden Töchter zeigt. Karoline, die ihre Schwester Ingrid als Managerin und Agentin unterstützte und sich um alles Geschäftliche kümmerte, plant derweil eine Ausstellung mit Ingrids Werken in San Francisco. 

    Ingrids älteste Tochter Matilda führt uns als Ich-Erzählerin durch die Geschichte. Die 33-Jährige arbeitet als Sozialarbeiterin und lebt mit ihrer 17-jährigen Tochter Beanie in einer kleinen Wohnung. Matildas Verhältnis zu ihrer 9 Jahre jüngeren Schwester Nora ist schwierig, die Schwestern haben sich seit Ingrids Tod nicht mehr gesehen. Nora nimmt ihr immer noch übel, dass Matilda sie mit 8 Jahren der labilen Mutter überließ, die trank und immer wieder für einige Tage verschwand. Wenn Karoline sich dann nicht um die Kleine kümmern konnte, blieb Nora sich selbst überlassen. 

    Kirsty Capes verwebt in ihrem Buch gekonnt die Gegenwart mit den Ereignissen der Vergangenheit. Wir beobachten rückblickend das Aufwachsen der Schwestern bei ihrer chaotischen Mutter, die psychisch krank war und ihre Kínder vernachlässigte, und wir sehen, welche Herausforderung die Aufarbeitung der Vergangenheit für die Schwestern darstellt. Das Buch ist keine leichte Kost, es behandelt schwere Themen wie komplizierte Beziehungen, Kindheitstraumata, Selbstverletzung, Suchtkrankheiten, Depressionen und Suizid. Die einzelnen Kapitel wechseln sich ab mit Auszügen aus Interviews, die Richard für sein Buch über Ingrid führte. Diese Auszüge ermöglichen dem Leser eine andere Sicht auf die Ereignisse.

    In der ersten Hälfte des Buchs lernen wir Ingrids Töchter und ihre Lebensumstände kennen und blicken zurück auf Ingrids Leben, im zweiten Teil geht es um die Reise von Matilda, Nora und Beanie in die Vereinigten Staaten, wo sie Ingrids Vermächtnis erfüllen wollen. Während mir der erste Teil gut gefallen hat, hatte ich mit dem zweiten Teil meine Schwierigkeiten. Er ist stellenweise traurig und herzzerreißend, dann aber wieder geradezu absurd, vorhersehbar und wenig glaubhaft. 

    Die Sprache der Autorin konnte mich leider nicht überzeugen. Formulierungen wie "... mit zusammengebissenen Zähnen, in den Wind gerichtet, sage ich zu ihm ..... " und ".... und dann würde er mich wieder anschauen, und es würde sein, als prickelte die Welt um uns herum wie Schampus" sind mir immer wieder begegnet und haben mir das Lesen etwas verleidet.
    Bis auf Gus und Marnie war mir keine der Personen wirklich sympathisch, ich fand einfach keinen Zugang zu den Hauptfiguren. Die Episoden mit der Jagd nach der Kühltasche und Dolly Parton fand ich recht albern.

    Ingrids Lebensgeschichte mit all ihren Höhen und Tiefen ist glaubhaft dargestellt. Auch die Beschreibung von Noras Schmerz und Matildas Schuldgefühlen sowie die daraus resultierende Problematik der Schwesternbeziehung konnte mich überzeugen. Im zweiten Teil hat die Geschichte einige Längen, dennoch finde ich sie insgesamt sehr gut aufgebaut, sie hat mich berührt und ist mir unter die Haut gegangen.
    Mein Name ist Emilia del Valle

    Isabel Allende
    Mein Name ist Emilia del Valle (Buch)

    20.08.2025

    Roman über eine mutige und selbstbewusste Frau

    Wie all ihre Werke hat der Suhrkamp Verlag auch "Mein Name ist Emilia del Valle" veröffentlicht, den aktuellen Roman der chilenisch-US-amerikanischen Schriftstellerin Isabel Allende.

    Am 14.4.1873, dem siebten Geburtstag der kleinen Emilia, geht ihre Mutter Molly mit ihr zum Fotografen. Am nächsten Tag begeben sie sich zum Haus des in einem feinen Wohnviertel von San Francisco lebenden Gonzalo Andrés del Valle. Die junge Frau möchte dem chilenischen Aristokraten das Foto und einen Brief übergeben, in dem sie ihm seine Tochter vorstellt.
    Molly, die in einem Waisenhaus aufwuchs, wollte Nonne werden, ehe sie Gonzalo kennenlernte und von ihm schwanger wurde. Sie musste das Kloster verlassen und heiratete den Schulleiter Francisco Claro. Dieser verwöhnt Emilia wie eine Prinzessin, er fördert und unterstützt sie, stärkt ihr Selbstvertrauen. Emilia, die schon als Kind leidenschaftlich gern liest und deren Schreibtalent sich früh zeigt, veröffentlicht mit 17 Jahren ihren ersten Groschenroman unter einem männlichen Pseudonym. Der Roman verkauft sich gut, weitere Romane und Abenteuergeschichten folgen. Fünf Jahre später beginnt Emilia bei der Zeitung Daily Examiner als Journalistin und wird 1891 gemeinsam mit ihrem Kollegen Eric Whelan nach Chile geschickt, um über den bevorstehenden Bürgerkrieg zu berichten. Ihre Mutter nimmt ihr vor der Reise das Versprechen ab, Gonzalo aufzusuchen und ihm einen Brief zu übergeben ...

    Isabel Allende beherrscht die Kunst des Erzählens meisterhaft, das beweist sie auch in ihrem neuen Roman. Während es im ersten Drittel des Buches um Mollys Vergangenheit sowie Emilias Kindheit und Jugend geht, steht im restlichen Teil überwiegend Emilias und Erics Aufenthalt in Chile im Fokus. Die Autorin beschreibt detailliert die Gräuel und Schrecken des Krieges und schildert Emilias Suche nach ihrem leiblichen Vater. Die Darstellung des grausamen Kriegsgeschehens ist schwer zu ertragen und ging mir stellenweise so unter die Haut, dass ich das Buch aus der Hand legen musste. Interessant und berührend fand ich Emilias Suche nach ihren Wurzeln und die Begegnungen mit ihrem chilenischen Vater. 

    Die fesselnde Geschichte ist in der Ich-Form aus Emilias Perspektive erzählt und liest sich sehr flüssig. Die Charaktere sind authentisch skizziert, das Rollenbild der Frau, das so vollkommen anders war als heute, ist gut dargestellt. Ich mochte Emilia, die schon früh weiß, was sie will und selbstbewusst ihren Weg geht. Mutig bewegt sie sich mitten im Kriegsgeschehen und hilft, wo sie kann. Sie sieht das sinnlose Töten und gerät dabei selbst in große Gefahr, wird verletzt und gefoltert. 

    Leider konnte mich das Buch nicht so begeistern wie "Violeta" und "Der Wind kennt meinen Namen", die beiden letzten Werke der Autorin. Im aktuellen Roman stellt der von Isabel Allende ergreifend beschriebene Bürgerkrieg einen deutlichen Schwerpunkt dar. Das war mir zu viel, ich hätte gern weniger über das Kriegsgeschehen gelesen und mehr über Emilias späteres Leben erfahren. Gut gefallen haben mir die eingeschobenen Zeitungsartikel, die sie während des Kriegs für ihren Arbeitgeber verfasst, sie enthalten interessante Zusatzinformationen.

    Wie schon in ihren anderen Romanen, so vermittelt Isabel Allende auch in "Mein Name ist Emilia del Valle" auf eindrucksvolle Weise Kultur, Geschichte und Leid ihrer Heimat. Ich kann mir vorstellen, dass der Roman in vielen Lesern das Interesse weckt, sich intensiver mit der Geschichte Chiles zu beschäftigen und empfehle das Buch gern weiter!
    Junge Frau mit Katze

    Daniela Dröscher
    Junge Frau mit Katze (Buch)

    15.08.2025

    Beeindruckend und fesselnd

    Nach dem großen Erfolg des letzten Romans von Daniela Dröscher, "Lügen über meine Mutter", der 2022 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand und dessen Verfilmung bald im Kino zu sehen sein wird, hat der Verlag Kiepenheuer & Witsch nun "Junge Frau mit Katze", das neue Buch der Autorin, veröffentlicht. Auch hierbei handelt es sich um eine autofiktionale Geschichte, die sich zwar an "Lügen über meine Mutter" anschließt, aber durchaus auch ohne Vorwissen gelesen werden kann.

    Hinter der mittlerweile erwachsenen Ich-Erzählerin Ela liegt eine schwierige Kindheit. Ihr Vater war von dem Gedanken besessen, dass Elas Mutter zu dick sei, er wünschte sich eine schöne schlanke Frau zum Vorzeigen an seiner Seite und thematisierte ständig ihr Übergewicht. Er schämte sich für sie und gab ihr die Schuld für seine beruflichen Misserfolge.
    Inzwischen lebt Ela mit ihrer Katze in einer kleinen Dachgeschosswohnung, sie hat Literaturwissenschaft studiert und ihre Doktorarbeit, an der sie fünf Jahre lang gearbeitet hat, abgegeben. Nur die Verteidigung ihrer Arbeit steht noch an, für die Zeit danach hat sie bereits eine Stelle in Aussicht. Doch eine Lüge bringt Ela in arge Bedrängnis, Selbstzweifel quälen sie, und ganz plötzlich bekommt sie eine Kehlkopfentzündung und Herzprobleme. Sie begibt sich zur Abklärung ins Krankenhaus. Viele Untersuchungen mit teils zweifelhaften Diagnosen folgen, Elas Ängste und gesundheitliche Probleme nehmen zu. Zwischen zahlreichen Besuchen bei Ärzten und Therapeuten wird ihr langsam klar, dass es so nicht weitergehen kann.

    Das Buch ist in schöner und klarer Sprache erzählt, es liest sich sehr flüssig und fesselte mich. Die Autorin beschreibt mit großer Intensität und Offenheit Elas Befindlichkeiten und Krankheiten. Schon als Kind ist sie häufig krank, leidet unter Allergien und Phobien. Vor 10 Jahren, sie war gerade 20 Jahre alt, hatte sie einen gutartigen Gehirntumor, die Schilddrüse scheint nun auch nicht mehr in Ordnung zu sein.

    Ein weiterer Schwerpunkt des Buches ist Elas Verhältnis zur Mutter, die wegen ihrer Fibromyalgie von einer kleinen Erwerbsminderungsrente lebt und als Nanny arbeitet. Sie spielt eine wichtige Rolle in Elas Leben, genau wie ihr Bruder, der in London lebt und den sie schmerzlich vermisst.

    "Junge Frau mit Katze" hat mch zwar nicht ganz so wie "Lügen über meine Mutter" begeistern können, dennoch habe ich das Buch sehr gern gelesen und dabei tief in Elas Seele blicken, ihren Druck, ihre Selbstzweifel und ihre Sorgen nachempfinden können. Ich habe mich um Elas physische und mentale Gesundheit gesorgt und ihr gewünscht, dass sie bald aus dem Teufelskreis von Krankheitsängsten ausbrechen kann und die richtigen zukunftsweisenden Entscheidungen trifft. Gut gefallen haben mir auch die Passagen über Elas Mutter und ihr Leben nach der Trennung von Elas Vater. 

    Das Thema Krankheiten nimmt relativ viel Raum ein, das ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Ich interessiere mich für medizinische Themen und fand die teilweise sehr detaillierten Beschreibungen von Elas Symptomen sowie die Gespräche mit Ärzten und Therapeuten interessant und informativ. Laut Klappentext ist Elas Selbstfindung psychologisch mitreißend und hinreißend komisch. "Psychologisch mitreißend" trifft für mich ganz sicher zu, aber hinreißend komisch fand ich das Buch an keiner Stelle.

    Leseempfehlung für diesen fesselnden Roman!
    Der Buchladen am Ende der Welt

    Ruth Shaw
    Der Buchladen am Ende der Welt (Buch)

    15.08.2025

    Fesselnde und bewegende Lebensgeschichte

    Die Neuseeländerin Ruth Shaw ist 70 Jahre alt, als sie beschließt, gemeinsam mit ihrem Mann Lance in Manapōuri im Süden des Landes zwei kleine, bunt bemalte Buchläden zu eröffnen. Diese sind immer von Ende September bis Mitte April geöffnet, der kleinere der beiden Läden enthält nur Kinderbücher. Ruth führt sie mit viel Liebe und Herzlichkeit, sorgt dafür, dass ihre Kunden sich wohl fühlen und hat den Ehrgeiz, für jeden das richtige Buch zu finden.

    In "Der Buchladen am Ende der Welt" erzählt die Autorin, deren Schreibtalent sich schon früh zeigte, die fesselnde und bewegende Geschichte ihres Lebens. Die 1946 Geborene verbringt gemeinsam mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester Jill eine unbeschwerte Kindheit. Mit 16 Jahren schließt sie die Schule ab und wird stellvertretende Küchenchefin in einem Krankenhaus. Sie erleidet mehrere Schicksalsschläge, erlebt Gewalt, leidet zeitweise unter Depressionen und wird zunehmend rastloser. Immer wieder sieht sie sich nach neuen Beschäftigungen um und wird nirgends sesshaft. Zunächst geht sie als medizinische Assistentin zur Marine und arbeitet danach in den verschiedensten Berufen: als Köchin für einen Bischof, als Nachtschwester in einem Krankenhaus für Senioren. Später eröffnet sie ein Café, ist als Küchenhilfe, Krankenpflegerin, Bauzeichnerin, Haushüterin und Sozialarbeiterin tätig und geht auf abenteuerliche Segeltörns. Drei Ehen scheitern, ehe sie nach 20 Jahren ihre Jugendliebe Lance wiedersieht.

    Die 28 Kapitel umfassende Geschichte ist abwechselnd in zwei Handlungssträngen erzählt. Während sich rückblickend Ruths Lebensgeschichte aufblättert, erzählt sie im zweiten Handlungsstrang unterhaltsame Episoden aus den Buchläden über interessante Begegnungen und Erlebnisse mit ihren Kunden.

    Das Buch ist in klarer Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Ich habe es sehr gern gelesen, es hat mich gefesselt und zutiefst berührt. Mit großer Offenheit und ohne Selbstmitleid beschreibt Ruth Shaw die Höhen und Tiefen ihres Lebens, wir erleben ihren Schmerz und ihre Trauer. Immer wieder flieht sie vor ihren eigenen Emotionen und stürzt sich schnell in das nächste Abenteuer. Trotz aller Widrigkeiten geht sie entschlossen ihren Weg und schafft es, an der Seite ihrer großen Liebe ihren inneren Frieden wiederzufinden.

    Sehr gut gefallen haben mir auch die Abschnitte mit den Geschichten aus dem Buchladen, in denen Ruth von schönen und besonderen Begegnungen mit ihren Kunden erzählt. Die Tätigkeit in ihren Buchläden bedeutet ihr sehr viel, sie hat ein großes Herz für ihre großen und kleinen Kunden und verschenkt fast genauso viele Bücher, wie sie verkauft.
    Schön fand ich auch die Fotos in der Mitte des Buches, die einige Lebensstationen von Ruth dokumentieren.

    Absolute Leseempfehlung für alle, die Bücher lieben und sich für faszinierende Lebensgeschichten interessieren!
    Anna oder: Was von einem Leben bleibt

    Henning Sußebach
    Anna oder: Was von einem Leben bleibt (Buch)

    06.08.2025

    Beeindruckende und fesselnde Geschichte über eine außergewöhnliche Frau

    In seinem neuen Roman "Anna oder: Was von einem Leben bleibt" widmet sich Henning Sußebach, preisgekrönter Redakteur der Wochenzeitung "DIE ZEIT", dem Leben seiner Urgroßmutter Anna, die 1932 im Alter von 65 Jahren verstorben ist. Wenig ist von ihr geblieben: ein paar Fotos, zwei Poesiealben, einige Notizbücher, wenige Briefe und Dokumente, ein Kaffeeservice, ein Sticktuch und ein Verlobungsring. Dank intensiver Recherchen des Autors ist aus dem Wenigen eine ganz wunderbare Geschichte entstanden.

    Anna Kalthoff stammt aus der Gegend um Soest und hat 7 Geschwister. Der Vater ist Gastwirt und stirbt, als sie 12 Jahre alt ist. Mit zunehmender Industrialisierung werden Lehrerinnen gebraucht, und Anna wird auf eine Höhere Mädchenschule in Steyl geschickt. Später wird sie dort als Lehrerin ausgebildet und legt ihr Examen ab. Wir schreiben das Jahr 1887, als die mittlerweile 20-Jährige in dem kleinen Ort Cobbenrade im Sauerland ankommt. Sie tritt dort ihren Dienst als Dorfschullehrerin an und bezieht im Dachgeschoss des Schulgebäudes eine kleine Wohnung.
    Als sie sich mit 24 Jahren in den 20-jährigen Clemens verliebt, ältester Sohn der einflussreichen Familie Vogelheim, torpedieren dessen Eltern die Beziehung der beiden. Erst nach dem Tod von Clemens' Vater können sie endlich heiraten. Bei der Hochzeit ist Anna 37, der Bräutigam 33 Jahre alt. Doch nach nur 90-tägiger Ehe passiert beim Dreschen ein schreckliches Unglück, das Clemens nicht überlebt. Selbstbewusst tritt Anna das Erbe ihres Mannes an und führt die Geschäfte fort, kümmert sich um die Postagentur, das Restaurant, die Viehwirtschaft und den Warenverkauf. Als begehrteste Frau im Ort, die von vielen Männern umschwärmt wird, sorgt Anna sechs Jahre später für einen Skandal, als sie den 19 Jahre jüngeren Lehrer Bernhard Raesfeld heiratet.

    Die bewegende Geschichte, die brillante Sprache und der schöne Erzählstil machten das Buch für mich zu einem ganz besonderen Leseerlebnis. Liebevoll zeichnet der Autor anhand weniger Eckdaten, Fotos und Dokumente das Bild einer Frau, die sich gegen Widerstände durchsetzte und ihr Leben selbstbestimmt gestaltete. Es war spannend, in Annas Leben einzutauchen und ihre Höhen und Tiefen zu erleben in einer Zeit, in der Frauen wenig Rechte hatten. Das Wahlrecht für Frauen lag noch in weiter Ferne, und es galt das Lehrerinnenzölibat, nach dem nur unverheiratete Lehrerinnen ihren Beruf ausüben durften. Ich habe Annas Mut bewundert, mit dem sie sich in einer von Männern dominierten Welt behauptete.

    Es hat mir gut gefallen, dass Henning Sußebach die ihm von seiner Urgroßmutter verbliebenen Fotos und weitere Dokumente in seinem Buch veröffentlicht hat. Ich mochte auch, dass er wichtige historische Ereignisse der damaligen Zeit immer wieder in die Handlung hat einfließen lassen.

    Absolute Leseempfehlung und 5 Sterne für dieses wunderbare Buch, das mich berührt und begeistert hat und bereits jetzt eines meiner diesjährigen Lesehighlights ist!
    Schattengrünes Tal

    Kristina Hauff
    Schattengrünes Tal (Buch)

    22.07.2025

    Düsteres Psychodrama

    Kristina Hauffs dritter Roman "Schattengrünes Tal" spielt im fiktiven Ort Herzogsbronn im Nordschwarzwald. Dort haben Lisa Berndl und ihr Ehemann Simon, von Beruf Förster aus Leidenschaft, ihr Zuhause. Sie sind seit über 20 Jahren verheiratet und haben eine gemeinsame Tochter, Emilia. Neben ihrer Tätigkeit in der städtischen Tourismuszentrale kümmert sich Lisa um die Buchhaltung des Hotels "Zum alten Forsthaus", das ihrem Vater Carl gehört und das er gemeinsam mit seiner heimlichen Lebensgefährtin Margret führt. Am Hotel nagt der Zahn der Zeit, doch Carl weigert sich, die dringend nötigen Modernisierungen durchführen zu lassen. Als Daniela Arnold, die auf der Suche nach einer neuen Wohnung ist, im Hotel absteigt, bemüht Lisa sich, der Alleinstehenden behilflich zu sein. Daniela findet nicht nur eine neue Bleibe, sondern auch sehr schnell Anschluss im Ort. Zu Carls Freude hilft sie im Hotel, sie singt bald im Chor und lernt Lisas beste Freundin Johanna kennen, die sich nun Lisa gegenüber sehr reserviert zeigt. Auch Simons Verhalten gibt Lisa Anlass, sich Gedanken zu machen ...

    Das Buch ist in schöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Die Kapitel werden abwechselnd aus der Perspektive von Lisa, Simon, Carl und Margret erzählt. Diese Erzählweise hat mir sehr gut gefallen, da der Leser tiefe Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten erhält. Die Skizzierung der Hauptfiguren fand ich durchweg gelungen, ganz besonders die von Lisa und Carl. Lisa, die sich immer darum bemüht, es allen recht zu machen, kämpft um die Anerkennung ihres Vaters, während dieser hofft, dass Lisas Bruder Felix sein Nachfolger wird. Auch Simon wird realitätsnah beschrieben, Daniela hingegen fand ich als Person überzeichnet und wenig authentisch. Über Rose, Felix und Johanna hätte ich gern mehr gelesen.

    Der erste Teil der Geschichte ist sehr spannend und geheimnisvoll. Wir lernen das allem Anschein nach funktionierende Familiengefüge um Lisa, Simon, Carl und Margret kennen. Mit Danielas Erscheinen gerät dieses Gefüge jedoch ins Wanken, Intrigen werden gesponnen, Unwahrheiten erzählt. Die Handlung entwickelt sich immer mehr zum düsteren Psychodrama. Danielas Beweggründe und die Auflösung im letzten Teil habe ich früh erahnt, das Ende fand ich etwas überhastet. Gut gefallen hat mir, dass Kristina Hauff in ihrem Roman auch das wichtige Thema Klimawandel aufgreift.

    Auch wenn mich das Buch nicht ganz so wie "In blaukalter Tiefe" überzeugen konnte, so habe ich es doch gern gelesen. Ich mochte die schönen Naturbeschreibungen und kann mir vorstellen, dass die Geschichte eine gute Vorlage für einen spannenden Film wäre.
    Ja, nein, vielleicht

    Doris Knecht
    Ja, nein, vielleicht (Buch)

    22.07.2025

    Lebenskluge und humorvolle Geschichte mit Tiefgang

    Nachdem ich "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" der österreichischen Autorin Doris Knecht mit großer Begeisterung gelesen habe, freute ich mich sehr auf ihr neues Buch "Ja, nein, vielleicht". Meine Erwartungshaltung war sehr hoch - und ich wurde nicht enttäuscht!

    Im Mittelpunkt der in der Ich-Form erzählten Geschichte steht eine namenlose Autorin Ende fünfzig, die nie geheiratet hat und deren Kinder, die Zwillinge Mila und Max, bereits ausgezogen sind und ihr eigenes Leben führen. Sie ist erschüttert, als ihr Zahnarzt ihr sagt, dass einer ihrer Backenzähne nicht zu retten ist und gezogen werden muss. Der Gedanke, sich mit dem Älterwerden abzufinden, nagt an ihr, fühlt sie sich doch heute fitter als früher. Ein zweites Problem bahnt sich an, als ihre jüngere Schwester Paula sie bittet, wegen einer beruflichen Fortbildung einige Tage in der Stadtwohnung der Protagonistin wohnen zu dürfen. Zähneknirschend willigt diese ein, sie hat ja noch das kleine Haus auf dem Land, in das sie sich zurückziehen kann. Vollkommen überraschend läuft ihr dann auch noch nach 24 Jahren Friedrich im Supermarkt über den Weg. Die beiden pflegten damals ein lockeres und unverbindliches Verhältnis, das irgendwann endete, einfach so. Bald schon fragt sie sich, ob sie wirklich bereit ist, ihr behagliches Leben Friedrich zuliebe aufzugeben, schließlich ist sie doch zufrieden mit ihrem selbstbestimmten Leben, sie hat ihren Seelenfrieden und genießt ihre Unabhängigkeit ...
     
    Wie bereits das Vorgängerbuch, so hat mich auch dieser lebenskluge Roman von der ersten Seite an mitgerissen und begeistert. Ich mag die intelligente Sprache und den Erzählstil der Autorin sehr, und ich bin gern in das Leben und die Gefühls- und Gedankenwelt der Ich-Erzählerin eingetaucht. Mit viel Empathie skizziert Doris Knecht ihre Protagonistin ganz wunderbar, mit ihrer unnachahmlichen Beobachtungsgabe und feinem Humor schildert sie ihren Alltag, die stressigen Vorbereitungen für die Hochzeit der besten Freundin, die Zahnbehandlungen und die Begegnungen mit ihrer Familie, ihren Freunden - und Friedrich.
     
    Das Buch mit dem wunderschönen und farbenfrohen Cover beschreibt äußerst kurzweilig das wahre Leben und hat mir bis zum stimmigen Ende sehr gut gefallen. Es beschäftigt sich nicht nur mit dem persönlichen Ja, Nein oder Vielleicht der sympathischen Protagonistin, sondern auch mit Themen wie dem Leben als alleinstehende Frau mit Kindern, dem Älterwerden, gesundheitlichen Problemen und der Kraft der Freundschaft.
      
    Es hat mir sehr viel Freude bereitet, die Ich-Erzählerin zu begleiten und ihren Gedankengängen zu folgen. Ich fand mich oft wieder in den Texten, konnte vieles nachempfinden und habe dabei auch immer wieder mein eigenes Leben reflektiert.
     
    Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen, leider mit seinen 238 Seiten viel zu kurzen Roman, der zum Nachdenken anregt!
    Überland

    Raynor Winn
    Überland (Buch)

    11.07.2025

    Faszinierende und bewegende Geschichte

    Der Dumont Verlag hat das aktuelle Buch "Überland" der englischen Autorin Raynor Winn nun auch als Taschenbuch veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um den dritten Teil einer Trilogie, der erste Band, "Der Salzpfad", erschien 2018 und wurde ein internationaler Bestseller, 'Windstille" folgte 2021. Alle Bände können unabhängig voneinander gelesen werden.

    Wir befinden uns mitten in der Corona-Pandemie, als Raynor beschließt, mit ihrem Ehemann Moth den 370 km langen Fernwanderweg Cape Wrath Trail in Schottland zu gehen, der als der härteste Wanderweg in Großbritannien gilt. Beide sind erfahrene Kletterer, die Tour soll etwa einen Monat dauern. Moth leidet seit Jahren an der neurodegenerativen Erkrankung Kortikobasale Degeneration, die unheilbar ist und das Gehirn langsam zerstört. Eine Therapie gibt es nicht. Seine Frau macht sich wegen des Fortschreitens der Krankheit große Sorgen um ihn und hofft, dass es ihm durch die Wanderung wieder besser geht. Auf ihrer letzten, über 1000 km langen Rucksackwanderung, geschah nach etwa 320 km etwas, womit sie nicht gerechnet hätten: Moths Zustand verbesserte sich zusehends. In den Jahren danach, als sie wieder ein sesshaftes Leben führten und der normale Alltag einkehrte, ging es mit seiner Gesundheit erneut bergab. Wird es Moth auch nach dieser neuen Tour wieder besser gehen?

    Das Buch ist in klarer Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Die Autorin beschreibt die strapaziöse und nicht ungefährliche Wanderung mit ihrem schwerkranken 61-jährigen Mann, bei teils extremen Wetterlagen, bei Regen und Wind. Moth ist schnell erschöpft, er quält sich und braucht viele Pausen, Raynor leidet unter starken Fußschmerzen. Schon bald geraten sie an ihre physischen und psychischen Grenzen. Werden sie die Wanderung abbrechen müssen?

    Die Geschichte von Raynor und Moth hat mir sehr gut gefallen, sie ging mir unter die Haut, hat mich gefesselt und tief berührt. Ich habe mit den beiden mitgelitten und gehofft, dass Moth die Tour bewältigt und die ersehnten gesundheitlichen Fortschritte macht. Die wunderbaren und faszinierenden Naturbeschreibungen fand ich sehr beeindruckend, besonders die interessanten Ausführungen über die Vogelwelt. Raynor Winn schildert die gemeinsamen Erlebnisse mit Moth so spannend und lebendig, dass ich oft das Gefühl hatte, auf der Wanderung dabei zu sein. Ich habe Raynors und Moths Mut, Kraft und Ausdauer bewundert, mit denen sie die einzelnen Etappen und auftretende Probleme bewältigt haben.

    Sehr hilfreich sind die Routenzeichnungen zu Beginn mehrerer Kapitel, die es mir ermöglichten, den Wegen der beiden Wanderer genau folgen zu können.

    Das Buch, das auch Themen wie die Corona-Pandemie, den Klimawandel und den Brexit behandelt, ist nicht nur eine Geschichte über eine lange Wandertour mit all ihren Herausforderungen und Strapazen, es ist auch ein Buch über Mut und Hoffnung, die tiefe Liebe zweier Menschen zueinander und die heilende Kraft der Natur.

    Absolute Leseempfehlung!
    Strandgut

    Benjamin Myers
    Strandgut (Buch)

    22.06.2025

    Die heilende Kraft der Musik

    Im Mittelpunkt von "Strandgut", dem neuen Roman des britischen Autors Benjamin Myers, steht Earlon Bronco, genannt Bucky. Er ist über siebzig und lebt seit dem Tod seiner Frau Maybellene vor fast einem Jahr allein und zurückgezogen in Chicago. Sein Leben lang hatte er zahlreiche Gelegenheitsjobs, aber keine Krankenversicherung, er konnte sie sich nicht leisten. Nun, im Alter, wird er von unerträglichen Arthroseschmerzen geplagt. Starke Schmerzmittel verschaffen ihm für ein paar Stunden Erleichterung und haben zur Abhängigkeit geführt.

    Mit 17 Jahren schrieb Bucky einige Songs und erhielt für die Plattenaufnahmen ein kleines Honorar. Weitere Einnahmen hatte er mit den Liedern nicht, er hat sie nie wieder gesungen und ist auch nie mit ihnen aufgetreten.
    Zu seiner Überraschung erhält er eine Einladung, seine alten Lieder, die in den USA längst vergessen sind, auf einem Soul-Festival in der englischen Küstenstadt Scarborough zu singen. Am Flughafen Yorkshire wird er von der Mittfünfzigerin Dinah Lake abgeholt, die ihn kontaktiert hatte und seit langem ein großer Fan von ihm ist ....

    Die Geschichte ist in ganz wunderbarer, teilweise poetischer Sprache erzählt und hat mich von Beginn an gefesselt. Mit viel Empathie und Liebe beschreibt der Autor seine beiden Protagonisten und blättert dabei nach und nach insbesondere Buckys Vergangenheit auf, die von Leid und Verlust geprägt ist.
    Während Buckys Welt nach dem Tod seiner Frau klein geworden ist und er in erster Linie zwischen seinem Zuhause und der Apotheke pendelt, um sich seine Opiate zu besorgen, lebt die Supermarktkassiererin Dinah ein trostloses und unglückliches Leben an der Seite ihres alkoholkranken Mannes Russell, der keiner geregelten Arbeit nachgeht. Dem gemeinsamen Sohn Lee fehlt jeglicher Ehrgeiz, er nimmt Drogen und verbringt seine Zeit mit Computerspielen.

    Buckys und Dinahs Schicksale haben mich sehr berührt, ich konnte mich gut in ihre unterschiedlichen Lebenswelten hineinversetzen und habe die beiden schnell in mein Herz geschlossen. Ganz besonders mochte ich die herzliche und bisweilen auch schroffe Dinah, die sich um Bucky kümmert, auf seine Sorgen eingeht und ihm neues Selbstvertrauen gibt. Ich mochte auch Shabana, die Reinigungskraft aus Afghanistan, die Bucky im Hotel kennenlernt, und natürlich habe ich seit Buckys Flug über den Großen Teich seinem Auftritt ungeduldig entgegengefiebert.

    "Strandgut" hat mir sehr gut gefallen, es ist ein leises und bewegendes Buch, in dem es um Trauer und Verlust, das Altwerden, Drogen- und Alkoholsucht geht. Es ist aber auch ein Buch über Freundschaft und Hoffnung, Neubeginn - und die heilende Kraft der Musik.

    Absolute Leseempfehlung!
    Perlen

    Siân Hughes
    Perlen (Buch)

    11.06.2025

    Melancholische und sensibel erzählte Geschichte

    Die englische Autorin Siân Hughes hat ihren Debütroman "Perlen" veröffentlicht. Das Buch, das über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten entstanden ist, war in England ein großer Erfolg und schaffte es 2023 auf die Longlist für den Booker Prize und auf die Shortlist für den Author’s Club Best First Novel. 

    Marianne, die Ich-Erzählerin, ist acht Jahre alt, als ihre Mutter Margaret kurz nach der Geburt des kleinen Joe verschwindet, ohne jemandem zu sagen, wohin sie geht und wann sie wiederkommt. Die Kinder wachsen bei ihrem Vater Edward, einem Geschichtsdozenten, in einem alten Haus am Rand eines kleinen Dorfes und später in einem gemieteten Stadthaus auf. Marianne bleiben Erinnerungen an ihre Mutter und die Liebe, die sie miteinander verband, an die Märchen und Lieder von damals, die gemeinsamen Spiele  - und an "Pearl", das Lieblingsgedicht der Mutter. Je älter sie wird, desto mehr sucht sie nach den Gründen, die Margaret dazu veranlassten, ihre Familie zu verlassen. Als sie 30 Jahre nach Margarets Weggang selbst Mutter einer kleinen Tochter wird, stürzt ihr unbewältigtes Trauma sie in eine tiefe Depression.

    Die Geschichte, in der Marianne sich rückblickend an den Schmerz über den Weggang der Mutter erinnert und in der es um die zentralen Themen Verlust, Mutterschaft, Trauer und Trauerbewältigung geht, ist in wunderschöner und ruhiger Sprache geschrieben, sie hat mich gefesselt und zutiefst berührt. Die Autorin zeichnet ihre Protagonisten, ganz besonders Marianne, sehr bildhaft und authentisch. Wir erfahren, wie die Abwesenheit der Mutter das Leben ihrer zurückgebliebenen Tochter prägte, erleben neben ihrer Kindheit auch die schwierigen Jahre ihrer Jugend und blicken dabei tief in ihre Gefühls- und Gedankenwelt. 

    Ich hatte nicht nur tiefes Mitgefühl für das kleine Mädchen, das den Alltag mit dem Vater und Joe allein bewältigen muss und die Mutter so schmerzlich vermisst, sondern auch für die wütende und aufbegehrende Heranwachsende, die sich selbst Verletzungen zufügt.

    Die sensibel erzählte Geschichte hat mir sehr gut gefallen - Leseempfehlung!
    Die Erdbeermädchen

    Judith Allert
    Die Erdbeermädchen (Buch)

    30.05.2025

    Zauberhaftes und sehr liebevoll gestaltetes Kinderbuch

    In seiner Reihe "Einfach lesen lernen" hat der Carlsen Verlag "Die Erdbeermädchen" veröffentlicht, das neue Kinderbuch von Judith Allert und Tessa Rath.

    Gleich auf den ersten Seiten werden die wichtigsten Figuren Anna, Jo, Kira und Oma Irmi vorgestellt. Irmi ist die "Erdbeeroma", die nur "geliehen" ist, also keine wirkliche Oma von einem der Mädchen ist. Sie wohnt mit ihrem Hund Wuschel in einem kleinen Haus am Waldrand, und die Kinder lieben es, in ihrem Garten zu spielen. Im Sommer freuen sich alle auf die Erdbeerernte, dann gibt es Marmelade und Erdbeereis. Doch in diesem Jahr ist alles anders, denn Anna wird mit ihrer Familie vielleicht bald umziehen, und Oma Irmi muss ganz plötzlich ins Krankenhaus. Wird der von allen ersehnte Erdbeersommer in diesem Jahr ganz ausfallen?
     
    Das Buch mit dem auffallend schönen und liebevoll gestalteten Cover richtet sich an Kinder ab etwa 5 Jahren und ist in altersgerechter Sprache erzählt. Die Schrift ist groß, die Sätze sind kurz, was kleine Leseanfänger dazu animieren wird, die Geschichte eigenständig zu lesen. Sie eignet sich aber auch hervorragend zum Vorlesen für Vorschulkinder. Judith Allerts Texte sind ergänzt durch eine Vielzahl zauberhafter und farbenfroher Illustrationen von Tessa Rath.

    Die warmherzige Geschichte, in der es nicht nur um Erdbeeren und Freude an der Natur geht, sondern auch um Freundschaft und Hilfsbereitschaft, ist spannend und kindgerecht erzählt. Dass auf den ersten beiden Seiten die sympathischen Protagonistinnen in kurzen Steckbriefen vorgestellt werden, erleichtert den Kindern den Einstieg in das Geschehen. Die Kapitel sind kurz gehalten, enthalten neben den Texten auch Sprechblasen und überfordern kleine Leseanfänger nicht. Auf der letzten Seite befindet sich das Erdbeermarmeladenrezept von Oma Irmi - eine schöne Idee!

    Absolute Vorlese- und Leseempfehlung für dieses zauberhafte Kinderbuch!
    Teddy

    Emily Dunlay
    Teddy (Buch)

    21.05.2025

    Beeindruckender und faszinierender Debütroman

    Die in Dallas lebende, aus einer wohlhabenden Familie stammende Teddy Carlyle ist 34 Jahre alt, als sie sich vornimmt, bis zu ihrem 35. Geburtstag einen Ehemann zu finden. Es ist bei Teddy keine Liebe auf den ersten Blick, als sie auf Vermittlung einer Cousine David Shepard zum ersten Mal begegnet. Dieser zeigt Interesse an der jungen Frau, nach nur wenigen Wochen findet die Hochzeit statt. Das Leben der beiden ändert sich schon bald, als sie nach Rom ziehen, wo David als Botschaftsangehöriger arbeiten wird. Auf einer Party des Botschafters Warren Carey erregt Teddy nicht nur durch ihre Schönheit viel Aufsehen, und man bietet ihr an, die Kunstsammlung der Botschaft zu sichten und zu katalogisieren. Teddy blüht auf, sie und David sind nun gern gesehene und gefragte Gäste auf Empfängen und Obernabenden, darüber hinaus erhält sie viele Einladungen der Botschaftsfrauen. Als auf einer Party ein kompromittierendes Foto von ihr und dem Botschafter geschossen wird, gerät sie in große Schwierigkeiten ....

    Die Geschichte ist auf zwei Zeitebenen erzählt. Im ersten Erzählstrang, wir schreiben den 9. Juli 1969, steht Teddy in Rom zwei Ermittlungsbeamten Rede und Antwort, die zweite Zeitebene spielt in Dallas und umfasst die Monate Januar bis Mai 1969. 
    Ich fand es faszinierend, die Ich-Erzählerin Teddy zu begleiten und dabei tief in ihre Gefühls- und Gedankenwelt zu blicken. Sie führt in Rom ein vollkommen anderes Leben als in den USA, lebt mit ihrem Mann in einer kleinen und bescheidenen Wohnung und hat den Wunsch, ihre geheimnisvolle Vergangenheit hinter sich zu lassen und eine gut gekleidete, höfliche und perfekte Diplomatengattin zu sein. 

    Sprache und Erzählstil des Romans haben mir sehr gut gefallen, die Geschichte ist flüssig und äußerst unterhaltsam erzählt. Die Charaktere sind sehr bildhaft und authentisch beschrieben. Ich mochte die naive, chaotische und mir sehr oberflächlich erscheinende Protagonistin, der Designerkleidung und Kosmetika übertrieben wichtig sind, die zu viel Alkohol trinkt und aufputschende Tabletten schluckt, anfangs überhaupt nicht und konnte ihre Handlungsweisen oft nicht nachvollziehen. Im Laufe der Handlung und mit zunehmendem Wissen über ihre Vergangenheit wurde sie mir sympathischer, und ich habe sie bedauert bei ihren verzweifelten Versuchen, den von ihr mitverursachten Skandal zu verhindern.

    Die Handlung springt zwischen den beiden Zeitebenen hin und her, und während wir immer mehr über Teddys Vergangenheit erfahren, steigt die Spannung stetig bis zum überraschenden Ende. Der Zeitgeist ist ganz wunderbar eingefangen, und es war spannend, in die sechziger Jahre einzutauchen und dabei Einblick in die damaligen Gesellschaftsstrukturen zu erhalten, als die Rolle der Frau noch eine vollkommen andere war als heute. 

    Ich habe das faszinierende Buch, in dem es neben dem Dolce Vita auch um traurige Familiengeheimnisse, Tablettenmissbrauch, Kunst, Intrigen, Verrat, Manipulation und Korruption geht, sehr gern gelesen. 

    Absolute Leseempfehlung!
    Wut und Liebe

    Martin Suter
    Wut und Liebe (Buch)

    30.04.2025

    Großartige und mitreißende Unterhaltung

    Als ich "Wut und Liebe", den neuen Roman des Schweizer Schriftstellers Martin Suter, entdeckte, habe ich mich sehr gefreut. Mein Lieblingsbuch des Autors ist zwar nach wie vor "Small World", aber auch weitere Bücher von ihm haben mich begeistert, zuletzt "Melody". Meine Erwartungshaltung war also sehr hoch - und ich wurde nicht enttäuscht!

    Im Mittelpunkt stehen die 31-jährige Camilla da Silva und der 33-jährige Noah Bach. Die beiden haben sich beim Tanzen kennengelernt und sind seit drei Jahren zusammen. Camilla sorgt als Buchhalterin für den Lebensunterhalt des Paares, während Noah als freischaffender Künstler, der auf den großen Durchbruch hofft, nur geringe Einkünfte hat. Die junge Frau liebt ihren Freund, doch sie ist unzufrieden und wünscht sich ein Leben ohne finanzielle Sorgen. Sie beschließt, sich von Noah zu trennen und nach einem reichen Mann Ausschau zu halten. Der Verlassene lernt in einer Bar die herzkranke 65-jährige Betty Hasler kennen. Sie hat vor drei Jahren ihren Ehemann verloren und hasst seinen Geschäftspartner Peter Zaugg, den sie für den Tod ihres Mannes verantwortlich macht. Geld spielt für die wohlhabende Betty keine Rolle, und so stellt sie demjenigen, der Zaugg tötet, eine Million in Aussicht. Der mittellose Noah könnte mit einem Schlag seine Geldsorgen loswerden und vielleicht sogar seine Freundin zurückgewinnen ...

    Die mitreißende Geschichte, eine Mischung aus Liebesroman und Krimi, ist in gewohnt schöner und eleganter Sprache mit immer wieder aufblitzendem Humor erzählt und liest sich sehr flüssig. Die interessanten Figuren beschreibt Martin Suter lebensnah und präzise, er lässt uns tief eintauchen in ihre Lebenswelten. Ich fand es spannend, Camilla, Noah und Betty kennenzulernen, konnte ihre Handlungsweisen allerdings nicht immer nachvollziehen. Die Beschreibungen über die Kunst und ihre Vermarktung sowie sehr spezielle Finanzgeschäfte haben mich fasziniert. Gut gefallen hat mir, dass der Autor wie in vielen seiner Werke auch in "Wut und Liebe" nicht mit Gesellschaftskritik spart. Nicht gefallen hat mir dagegen der häufige und reichliche Alkoholgenuss der Protagonisten.

    Das Buch ist fesselnd und spannend bis zur letzten Seite, es gibt raffinierte Wendungen, Geheimnisse werden enthüllt, und das Ende hat mich vollkommen überrascht. Ich habe den kurzweiligen Roman, in dem es neben Liebe und Wut auch um Verzweiflung, Verrat und Trauer geht, sehr gern gelesen und mich dabei bestens unterhalten gefühlt.

    Absolute Leseempfehlung! 
    Wut und Liebe

    Martin Suter
    Wut und Liebe (Buch)

    30.04.2025

    Großartige und mitreißende Unterhaltung

    Als ich "Wut und Liebe", den neuen Roman des Schweizer Schriftstellers Martin Suter, entdeckte, habe ich mich sehr gefreut. Mein Lieblingsbuch des Autors ist zwar nach wie vor "Small World", aber auch weitere Bücher von ihm haben mich begeistert, zuletzt "Melody". Meine Erwartungshaltung war also sehr hoch - und ich wurde nicht enttäuscht!

    Im Mittelpunkt stehen die 31-jährige Camilla da Silva und der 33-jährige Noah Bach. Die beiden haben sich beim Tanzen kennengelernt und sind seit drei Jahren zusammen. Camilla sorgt als Buchhalterin für den Lebensunterhalt des Paares, während Noah als freischaffender Künstler, der auf den großen Durchbruch hofft, nur geringe Einkünfte hat. Die junge Frau liebt ihren Freund, doch sie ist unzufrieden und wünscht sich ein Leben ohne finanzielle Sorgen. Sie beschließt, sich von Noah zu trennen und nach einem reichen Mann Ausschau zu halten. Der Verlassene lernt in einer Bar die herzkranke 65-jährige Betty Hasler kennen. Sie hat vor drei Jahren ihren Ehemann verloren und hasst seinen Geschäftspartner Peter Zaugg, den sie für den Tod ihres Mannes verantwortlich macht. Geld spielt für die wohlhabende Betty keine Rolle, und so stellt sie demjenigen, der Zaugg tötet, eine Million in Aussicht. Der mittellose Noah könnte mit einem Schlag seine Geldsorgen loswerden und vielleicht sogar seine Freundin zurückgewinnen ...

    Die mitreißende Geschichte, eine Mischung aus Liebesroman und Krimi, ist in gewohnt schöner und eleganter Sprache mit immer wieder aufblitzendem Humor erzählt und liest sich sehr flüssig. Die interessanten Figuren beschreibt Martin Suter lebensnah und präzise, er lässt uns tief eintauchen in ihre Lebenswelten. Ich fand es spannend, Camilla, Noah und Betty kennenzulernen, konnte ihre Handlungsweisen allerdings nicht immer nachvollziehen. Die Beschreibungen über die Kunst und ihre Vermarktung sowie sehr spezielle Finanzgeschäfte haben mich fasziniert. Gut gefallen hat mir, dass der Autor wie in vielen seiner Werke auch in "Wut und Liebe" nicht mit Gesellschaftskritik spart. Nicht gefallen hat mir dagegen der häufige und reichliche Alkoholgenuss der Protagonisten.

    Das Buch ist fesselnd und spannend bis zur letzten Seite, es gibt raffinierte Wendungen, Geheimnisse werden enthüllt, und das Ende hat mich vollkommen überrascht. Ich habe den kurzweiligen Roman, in dem es neben Liebe und Wut auch um Verzweiflung, Verrat und Trauer geht, sehr gern gelesen und mich dabei bestens unterhalten gefühlt.

    Absolute Leseempfehlung! 
    Das Lieben danach

    Helene Bracht
    Das Lieben danach (Buch)

    06.04.2025

    Mutiges Buch über ein wichtiges Thema

    Der Hanser Verlag hat "Das Lieben danach", das Debüt von Helene Bracht, veröffentlicht, in dem diese sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzt.  

    Während eines Urlaubs auf den Kanaren schreibt die 70-jährige Autorin sich von der Seele, was sie über Jahrzehnte verdrängt hatte. Strecker, Untermieter im Haus ihrer Eltern, gibt der kleinen Lene regelmäßig einmal pro Woche Nachhilfe und missbraucht sie über einen längeren Zeitraum. Erst als sie acht Jahre alt, erkennt ihre Mutter, was ihrem Kind angetan wird und erteilt Strecker Hausverbot.

    Helene Bracht, die als Psychologin tätig ist, verarbeitet in ihrem Sachbuch nicht nur das an ihr verübte Verbrechen, sondern analysiert auch dessen Auswirkungen auf ihre späteren Liebesbeziehungen. Sie fragt sich, weshalb sie damals alles ertragen hat, was für sie schmerzhaft und qualvoll war und warum sie sich nicht gewehrt hat, sondern sogar Freude empfand, wenn ihr Peiniger zu ihr kam. Für ihn war sie "etwas ganz Besonderes", sie fühlte sich von ihm geliebt und hielt die Schmerzen klaglos aus, fühlte sich dadurch sogar innig verbunden mit ihrem kriegsversehrten Vater, der unter ständigen Schmerzen litt. 
    Die Missbrauchserfahrungen prägen ihr Liebesleben. Der Gymnasiallehrer, bei dem sie ein Praktikum absolviert und für den sie auch "etwas ganz Besonderes" ist, umwirbt sie und macht ihr Geschenke. Sie vermag sich ihm nicht zu widersetzen, und es bleibt nicht bei diesem einen Zweckbündnis.

    Das Buch, das sich auch mit Themen we Me-too, Scham und Vertrauen auseinandersetzt, ist in klarer und sachlicher Sprache geschrieben und liest sich flüssig. Es hat mich zutiefst erschüttert, dass Helene Bracht als kleines Mädchen über Jahre missbraucht wurde, und ich konnte nicht verstehen, dass ihre Eltern dem Täter nur Hausverbot erteilten anstatt mit ihrem Kind zur Polizei zu gehen. Mit großer Offenheit beschreibt die Autorin nicht nur ihre Schwierigkeiten, sich auf Beziehungen einzulassen, sondern auch ihre eigene Umkehr vom Opfer zur Täterin, die andere Menschen physisch und psychisch verletzte.

    Helene Brachts mit großer Offenheit geschilderte Erfahrungen sind aufwühlend und machen betroffen. Ich bewundere den Mut, den sie mit ihrer Veröffentlichung bewiesen hat - Leseempfehlung für dieses wichtige Buch, das unter die Haut geht!
    Wie Risse in der Erde

    Clare Leslie Hall
    Wie Risse in der Erde (Buch)

    05.04.2025

    Dreiecksgeschichte und Krimi

    Im Mittelpunkt von "Wie Risse in der Erde", dem neuen Roman der britischen Autorin Clare Leslie Hall, steht die junge Beth Johnson, die mit ihrem Ehemann Frank und Schwager Jimmy eine Farm im kleinen Ort Hemston in Dorset bewirtschaftet. Das Buch erscheint weltweit in 31 Ländern und erntet von Kollegen der Autorin, wie Miranda Cowley Heller, Delia Owens und Chris Whitaker, großes Lob. Ich freute mich daher riesig auf die Lektüre - doch so richtig glücklich bin ich mit der Geschichte leider nicht geworden.

    Der Roman spielt auf mehreren Zeitebenen und umfasst die Zeit von 1955 bis 1975. Er ist in fünf Hauptteile und zahlreiche kurze Kapitel gegliedert, die in erster Linie Ereignisse der Jahre 1955 und 1968 beinhalten. Die Handlung springt zwischen 1968, "früher" und "der Prozess" hin und her, was durch die Kapitelüberschriften sehr gut zu erkennen ist.

    Die 17-jährige Schülerin Beth Kennedy, Tochter eines Lehrerehepaares, verliebt sich in den ein Jahr älteren Gabriel Wolfe aus begütertem Elternhaus. Die beiden verleben einen glücklichen Sommer, ehe die Verbindung zerbricht. 13 Jahre später, Beth ist inzwischen mit dem Farmer Frank Johnson verheiratet, zieht Gabriel, mittlerweile erfolgreicher Schriftsteller, mit seinem Sohn Leo wieder in sein Elternhaus ein. Es dauert nicht lange, bis Beth und Gabriel sich auf der Farm wiedersehen. Die junge Frau zögert nicht, als Gabriel sie bittet, auf Leo aufzupassen, damit er sein Buch fertigstellen kann. Das Kind erinnert sie an ihren Sohn Bobby, der zwei Jahre zuvor durch einen tragischen Unfall beim Fällen eines Baumes ums Leben gekommen ist. Obwohl Beth ihrem Mann gegenüber ein schlechtes Gewissen hat, ist sie gern mit dem Jungen -  und auch Gabriel - zusammen. Als es zu einer Tragödie kommt, bricht erneut ihre Welt zusammen ... 

    Die Geschichte, die eine Mischung aus Dreiecksgeschichte und Krimi ist, ist in einfacher Sprache aus Beth' Perspektive in der Ich-Form erzählt und liest sich leicht. Bereits mit dem ersten Kapitel über den Prozess baut sich Spannung auf und steigt bis zum Ende stetig an. Was auf der Farm passiert ist und zum Tod eines Menschen führte, wird erst im letzten Viertel des Buches aufgedeckt. 

    Die Kapitel über den Kriminalfall habe ich sehr gern gelesen. Ich fand den Prozess spannend und glaubhaft dargestellt. Besonders gut gefallen hat mir, dass die Identität des Opfers und des Verdächtigen über den größten Teil des Buches im Dunkeln bleibt.

    Leider konnte mich die Rahmenhandlung mit Beth, Frank und Gabriel nicht so begeistern wie das Gerichtsverfahren. Sie las sich gut, fesselte und berührte mich, die Trauer der Familie um Bobby ist glaubwürdig beschrieben und mir nahe gegangen. Ich fand es sehr berührend, dass Beth sich um Leo kümmerte, und auch Beth' innere Zerrissenheit ist hervorragend dargestellt. Die Handlung war mir allerdings zu überladen mit all dem Herzschmerz, den Lügen und Tragödien. Es gab viel Drama, Verrat, Verlust und Schuld, Trauer und Reue. Es war mir von allem etwas zu viel, zu theatralisch und stellenweise unglaubwürdig. Ich habe Beth als recht egoistisch empfunden und konnte ihre Handlungsweisen nicht immer nachvollziehen, während mir Frank zu mitfühlend, zu lieb und zu verständnisvoll dargestellt war und mich mit seiner Güte und Selbstlosigkeit zusehends nervte. Die Darstellung von Gabriel, Leo und Bobby fand ich hingegen gelungen und authentisch. Dass die Familienmitglieder, die stets so liebevoll miteinander umgehen, nicht intensiv genug auf Jimmy einwirken, damit er seine Alkoholsucht bekämpft, habe ich nicht verstanden.

    Der Aufbau des Buches mit den unterschiedlichen Zeitsträngen hat mir sehr gut gefallen, selbst wenn die teilweise sehr kurzen Kapitel meinen Lesefluss etwas hemmten. Auch die Beschreibung des Landlebens war interessant. Es gibt einige teils vorhersehbare Wendungen, ein großes Geheimnis wird enthüllt, und das Ende ist hoffnungsvoll, aber leider auch ziemlich kitschig.

    Obwohl mich der Kriminalfall fesselte, konnte mich die Geschichte insgesamt leider nicht überzeugen.
    Unsere Suche nach Zärtlichkeit

    Martin Ehrenhauser
    Unsere Suche nach Zärtlichkeit (Buch)

    30.03.2025

    Wunderbare und mit viel Empathie erzählte Geschichte

    Im Mittelpunkt von "Unsere Suche nach Zärtlichkeit", dem aktuellen Roman von Martin Ehrenhauser, steht der in Brüssel lebende Sebastien Dumont. Der 49-Jährige ist geschieden und führt ein Uhrengeschäft. Nachts ist er ehrenamtlich als Telefonseelsorger tätig, der den Anrufern geduldig zuhört und versucht, ihnen seelischen Beistand zu geben. Eines Nachts ruft eine weinende Frau an. Obwohl es Dumont nicht gelingt, ein längeres Gespräch mit ihr zu führen, erfährt er, dass sie mit dem Zug nach Antibes in Südfrankreich fahren wird. Dumont, den immer noch der Selbstmord einer Anruferin bedrückt, beschließt spontan, sich eine Auszeit zu nehmen, um der Fremden nachzureisen. Während seines Aufenthaltes in Antibes lernt er in einer Fotoausstellung Florence kennen, die in einem kleinen Pförtnerhäuschen lebt. Die beiden kommen sich näher, doch schon bald gerät Dumont in einen schweren Gewissenskonflikt ...

    Der Leser begleitet den sympathischen Dumont während eines Zeitraums von wenigen Monaten und lernt ihn dabei intensiv kennen, erlebt seinen Alltag in Brüssel und die aufregenden Wochen in Antibes. Martin Ehrenhauser erzählt die Geschichte mit ganz wunderbaren Worten und skizziert seinen Protagonisten sehr liebevoll und mit viel Empathie, so dass ich mich gut in ihn hineinversetzen konnte. Dumonts Aufenthalt in Antibes und seine Zeit mit Florence bilden den Kern des Romans, und wir erleben den sensiblen und nachdenklichen Mann, der von seinen Gefühlen überrollt wird und sich von der neuen Situation bald vollkommen überfordert fühlt. 

    Mit seinem sensiblen Erzählstil ermöglicht es der Autor dem Leser, intensiv in Dumonts Gedanken- und Gefühlswelt zu blicken. Seine Handlungsweisen konnte ich sehr gut nachvollziehen, und ich mochte den feinfühligen Dumont, der sich viele Gedanken macht und nicht mehr weiß, was richtig und falsch ist. Ich mochte auch Florence, die einen kräftezehrenden Alltag hat und nun bereit ist, neue Wege zu gehen. 

    Es freut mich immer wieder, wenn ich ganz besondere Bücher entdecke. Dieses lebenskluge Buch ist für mich etwas ganz Besonderes, es ist ein Herzensbuch und erzählt eine wunderbare und dabei vollkommen kitschfreie Geschichte, in der es nicht nur um Liebe und Zärtlichkeit, sondern auch um Krankheit, Zweifel und Verantwortungsgefühl geht.

    Der Roman hat mir sehr gut gefallen, er hat mich begeistert und zutiefst berührt -  absolute Leseempfehlung für diese wunderschöne und ruhig erzählte Geschichte!
    Halbinsel

    Kristine Bilkau
    Halbinsel (Buch)

    19.03.2025

    Großartiger Roman mit Tiefgang

    Im Mittelpunkt von Kristine Bilkaus neuem Roman "Halbinsel" steht die Ich-Erzählerin Annett. Die 49-jährige Bibliothekarin lebt in Nordfriesland am Wattenmeer und hat ihre Tochter Linn nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemannes vor 20 Jahren allein großgezogen. Linn ist mittlerweile 25 Jahre alt, sie hat ihre Heimat zum Studieren verlassen und arbeitet seit einigen Monaten in Berlin für eine Umweltberatung. Bei einem Vortrag vor größerem Publikum erleidet sie einen Kreislaufkollaps. Besorgt eilt Annett zu ihrer Tochter und holt sie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zur Erholung zu sich nach Hause. Wieder zurück in Berlin, entschließt sich Linn, ihren Job noch vor Ablauf der Probezeit zu kündigen, ihre Wohnung aufzulösen und in ihr Elternhaus zurückzukehren ...

    Die Autorin schildert mit ganz wunderbaren Worten und viel Empathie das Zusammenleben von Mutter und Tochter, das nicht frei ist von Konflikten, Erwartungen und Enttäuschungen. Linn nimmt sich Zeit, ihre berufliche Zukunft neu zu gestalten, während der ungeduldigen Annett die Untätigkeit und Verschlossenheit ihrer Tochter Frust und Sorgen bereiten.

    Die Charaktere sind mit viel Zuneigung beschrieben, Kristine Bilkau lässt uns besonders tief in Annetts Gedanken- und Gefühlswelt blicken. Ich konnte mich sehr gut in Annett hineinversetzen, ihre Unsicherheit, Sorgen und Ungeduld nachvollziehen. Sie macht sich viele Gedanken über ihre Tochter und leidet darunter, dass diese sich zurückzieht und ihren Fragen ausweicht. Auch Linn konnte ich gut verstehen, sie möchte sich ohne mütterlichen Rat und Einfluss vollkommen neu orientieren und gibt nur wenig preis von dem, was sie beschäftigt.

    Das Buch, dessen Handlung einen Zeitraum von etwa 5 Monaten umfasst, hat mir sehr gut gefallen, der ruhige und schöne Erzählstil hat mich begeistert. Ich mochte auch die Passagen, in denen Annett sich an die Zeit erinnert, als sie und Johan ein Paar wurden, heirateten und später mit der kleinen Linn in das Haus von Annetts Großtante einzogen. Sie vermisst ihren Mann immer noch schmerzlich, ihre Zwiesprache mit dem Verstorbenen fand ich sehr berührend.

    Ich habe die Geschichte, die neben der Mutter-Tochter-Beziehung, Loslassen, Trauer und Verlust auch das wichtige Thema Klimaschutz beinhaltet, sehr gern gelesen, sie hat mich gefesselt und berührt. Ich mochte die beiden Frauen, denen es nicht leichtfällt, Verständnis füreinander aufzubringen und die sich nur sehr behutsam wieder einander annähern. 

    Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen und lebensklugen Roman!
    Der ewige Tanz

    Steffen Schroeder
    Der ewige Tanz (Buch)

    15.03.2025

    Mitreißende Geschichte über eine vergessene Ikone

    In seinem neuen Roman "Der ewige Tanz" widmet sich Steffen Schroeder dem aufregenden und exzessiven Leben der in den 1920er-Jahren berühmten Tänzerin und Schauspielerin Anita Berber.

    Im Sommer 1928 befindet sich die 29-jährige Anita im Berliner Bethanien-Krankenhaus. Sie leidet unter einer fortgeschrittenen Tuberkulose und wird von starken Schmerzen geplagt. Die junge Frau, die sich darüber bewusst ist, dass sie die Krankheit nicht überleben wird, blickt zurück auf ihr bewegtes, viel zu kurzes Leben.

    Die kleine Anita wächst bei ihrer Großmutter Lu in Dresden auf, die ihr schon früh einschärft, sich niemals von einem Mann abhängig zu machen. Die Mutter des Mädchens singt und tanzt in einem Berliner Kabarett, der Vater, ein erfolgreicher Geigenvirtuose, hat die Familie wegen der Eifersucht seiner Frau verlassen und sucht keinen Kontakt zur Tochter. Anita beschließt früh, auch Tänzerin zu werden. Nachdem ihre Großmutter mit ihr nach Berlin gezogen ist, wo die beiden gemeinsam mit Anitas Mutter eine Wohnung beziehen, nimmt Anita Tanzstunden bei der ehemaligen Tänzerin Rita Sacchetto. Sie tanzt mit Hingabe und Leidenschaft, und schon bald hat sie ihren ersten Auftritt im Apollo-Theater. Es folgen Solotanzabende, mit 18 Jahren wird sie als Tänzerin für den Stummfilm entdeckt und bekommt eine Hauptrolle. Sie wird als neues Wunder der Tanzkunst gefeiert, mit ihren aufreizenden und akrobatischen Tänzen begeistert sie ihr Publikum. Doch ihr Erfolg währt nur wenige Jahre ...

    Wir begleiten Anita Berber bis zu ihrem frühen Tod, erleben ihre Kindheit, Jugend, die Jahre ihres Ruhms und die Zeit danach. Das Verhältnis zur Mutter ist schwierig, da diese ihr den Erfolg neidet und ihr ihre Zuneigung entzieht. Die Großmutter bleibt lange ihre wichtigste Bezugsperson. Anita hat viele Verehrer, sie genießt den Erfolg, trinkt zu viel Alkohol und nimmt Kokain und Morphium. Sie heiratet dreimal, fühlt sich aber auch zu Frauen hingezogen. In der Modewelt setzt sie neue Akzente, als sie sich einen Smoking schneidern und ein Monokel anpassen lässt. 

    Die Geschichte ist in schöner Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig, die Charaktere sind bildhaft skizziert. Der Zeitgeist ist ganz wunderbar eingefangen, und es war spannend, in die zwanziger Jahre einzutauchen. Wir erleben Anitas phänomenalen Aufstieg und ihren traurigen Abstieg, und wir lernen ihre Ehemänner kennen. Sie hatte Mut und Ehrgeiz, brach Tabus, sorgte für Skandale und führte ein selbstbestimmtes, aber auch selbstzerstörerisches Leben. Sehr interessant fand ich die Beschreibung der Umstände, die zu dem bekannten Gemälde führten, das Otto Dix von der Künstlerin anfertigte. 

    Ich habe das mitreißende Buch sehr gern gelesen - klare Leseempfehlung!
    Die Fletchers von Long Island

    Taffy Brodesser-Akner
    Die Fletchers von Long Island (Buch)

    15.03.2025

    Faszinierende Familiengeschichte

    Nach ihrem erfolgreichen Debütroman "Fleishman steckt in Schwierigkeiten", der 2019 für den National Book Award nominiert war, hat die amerikanische Autorin Taffy Brodesser-Akner nun "Die Fletchers von Long Island" veröffentlicht.

    Die jüdisch-amerikanische Familie Fletcher hat beträchtlichen Wohlstand erlangt, seit Zelig Fletcher 1942 als blinder Passagier mit einem Ozeandampfer von Polen nach Amerika gekommen ist und ein erfolgreiches Unternehmen gründete, das Styropor produziert. Seit seinem frühen Tod führt sein Sohn Carl die Firma.
    Am 12. März 1980 wird Carl auf dem Weg zur Arbeit vor seiner Haustür in Middle Rock auf Long Island von zwei Männern überwältigt. Sie ziehen ihm einen Sack über den Kopf und entführen ihn in seinem eigenen Auto. Nach 5 Tagen fordern die Entführer die Hinterlegung eines Lösegelds in Höhe von 250.000 Dollar. Nur 10 Minuten, nachdem Carls Ehefrau Ruth, die mit ihrem dritten Kind schwanger ist, der Forderung nachgekommen ist, wird Carl freigelassen. Wenig später führen markierte Geldscheine das FBI auf die Spur der Entführer, das restliche Lösegeld bleibt unauffindbar, der Fall wird geschlossen.

    Es gab ein Leben vor der Entführung, nun beginnt das Leben danach, und die Familie Fletcher versucht, den Vorfall hinter sich zu lassen, indem sie nicht mehr über das Geschehene redet. Nachdem Carl aus dem Krankenhaus entlassen wird, zieht er mit Ruth und den beiden Söhnen Nathan und Bernard, genannt Beamer, in ein Verwalterhaus auf dem Anwesen seiner Mutter Phyllis. Im gleichen Jahr wird Jennifer geboren.

    40 Jahre später ist klar, dass das Verbrechen bei allen Familienmitgliedern tiefe Spuren hinterlassen hat. Die Autorin dokumentiert die emotionalen Auswirkungen und stellt dabei besonders die Kinder von Carl und Ruth in den Fokus. Nathan, der ältere Sohn, ist Anwalt geworden und leidet unter Tics und Angststörungen, die seine Karriere behindern. Sein Bruder Beamer ist Drehbuchautor mit mäßigem Erfolg, er führt ein exzessives Leben mit zu viel Drogen und Affären. Jenny, die Klügste der Geschwister, lehnt den familiären Reichtum ab und distanziert sich von ihrer Familie. 

    Das Buch ist in schöner und klarer Sprache geschrieben, die Autorin verfügt über eine beeindruckende Beobachtungsgabe und skizziert ihre Protagonisten sehr genau. Ich habe die Geschichte bis zum überraschenden Ende sehr gern gelesen, auch wenn mir keine der Figuren wirklich sympathisch war und der mittlere Teil, in dem es um das Leben von Nathan, Beamer und Jenny geht, etwas zu sehr in die Länge gezogen ist. 

    Sehr gut gefallen hat mir, dass die Autorin dem Leser einen tiefen Einblick in das jüdische Leben mit all seinen Sitten und Ritualen ermöglicht. Ich mochte auch die gesellschaftskritischen Aspekte des Buches, auf die detaillierten Schilderungen der regelmäßigen Besuche eines Familienmitglieds bei einer Domina hätte ich dagegen gut verzichten können. 

    Leseempfehlung für diesen faszinierenden Roman, der einmal mehr zeigt, dass Reichtum allein nicht glücklich macht.
    Der Fall Leon

    Florian Apler
    Der Fall Leon (Buch)

    14.03.2025

    Erschütternd und bewegend

    Der junge Familienvater Florian Apler ahnt nicht, dass die Ereignisse am frühen Morgen des 28.8.2022 sein Leben für immer verändern werden. Er ist mit seinem 6-jährigen Sohn Leon unterwegs in St. Johann, als er von einem Unbekannten brutal niedergeschlagen wird. Als er aus der Bewusstlosigkeit erwacht, ist Leon verschwunden. Wenig später wird der Junge tot geborgen, er ist in der Kitzbüheler Ache ertrunken. Ein halbes Jahr später wird Florian Apler des Mordes an seinem Sohn beschuldigt und festgenommen. 522 Tage wird er unschuldig im Untersuchungsgefängnis verbringen, ehe er in einem drei Tage dauernden Gerichtsprozess am 1. August 2024 von den acht Geschworenen einstimmig freigesprochen wird.

    Gemeinsam mit Volker Schütz, einem Rechtsanwalt, der mit der Familie Apler befreundet ist, hat Florian Apler seine Geschichte, die zu einem großen Teil auf den Tagebuchaufzeichnungen aus der langen Zeit seiner Inhaftierung basiert, aufgeschrieben. Er erzählt mit sehr viel Liebe von seinem kleinen Sohn Leon, der mit einem seltenen Gen-Defekt, dem Syngab Syndrom, zur Welt gekommen ist. Florian Apler erklärt, was die Krankheit für die Familie bedeutet hat und berichtet über den Alltag mit Leon, der nicht sprechen konnte und ständige Betreuung benötigte.

    Der Autor beschreibt in seinem Buch die Erfahrungen, die er mit der Polizei und der Justiz machen musste. Zahlreiche Ermittlungs- und Verfahrensfehler reihten sich aneinander, entlastende Beweise, Videoaufnahmen und Gutachten von Seiten der Verteidigung wurden vom Gericht nicht zugelassen. Auch über die Zeit seiner Inhaftierung berichtet er und über die Willkür, der er ausgesetzt war. Florian Apler lässt den Leser tief in seine Seele blicken, wir erleben neben seiner tiefen Trauer um Leon auch seine Ängste, tiefste Verzweiflung und seinen Zorn. Familie und Freunde gaben ihm durch ihre Briefe viel Kraft, sie alle haben den Glauben an ihn und seine Unschuld nie verloren.

    Das aufrüttelnde Buch ist in schöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Neben Fotos und Zeichnungen enthält es Auszüge aus Briefen, die Florian Apler von seiner Familie und seinen Freunden während seines Gefängnisaufenthaltes erhalten hat. Auch die emotionale Aussage des Autors vor Gericht ist wortgetreu wiedergegeben.

    Am Ende siegte die Gerechtigkeit, aber bei mir bleiben Zorn, Unverständnis und Betroffenheit zurück. Polizei und Justiz haben in diesem Fall jämmerlich versagt, doch niemand wurde zur Rechenschaft gezogen, eine Entschuldigung erfolgte nie, die Entschädigung für 522 Gefängnistage ist kaum der Rede wert.

    Absolute Leseempfehlung für dieses mutige Buch, das unter die Haut geht und mich zutiefst berührt und erschüttert hat!
    Zwei Frauen, zwei Räder, ein Zelt

    Tanja Willers
    Zwei Frauen, zwei Räder, ein Zelt (Buch)

    06.03.2025

    Spannende Fahrradreise durch 21 Länder

    Der österreichische Verlag Tyrolia hat "2 Frauen, 2 Räder, 1 Zelt - Durch 21 Länder von Kapstadt nach Wien" der Autorinnen Tanja Willers und Johanna Hochedlinger veröffentlicht. Das Taschenbuch ist äußerst liebevoll und sehr hochwertig gestaltet und enthält zahlreiche Fotos, die die Fahrradreise der beiden Frauen anschaulich dokumentieren.

    Die Idee zu der Reise ist geboren, als Tanja mit einem gebrochenen Bein auf dem Sofa ihrer Schwester in Kapstadt liegt. Es sollte allerdings noch 1 1/2 Jahre dauern, bis Tanja und Johanna ihre Idee umsetzen und nach Kapstadt fliegen. Von dort aus geht es los, mit ihren beiden Fahrrädern, einem Zelt und zahlreichen Taschen, die alles enthalten, was sie für ihre Reise benötigen.

    Nun beginnt eine abenteuerliche und nicht immer ungefährliche Reise, die die beiden durch 21 Länder in Afrika, Asien und Europa führen wird. Sie legen an 445 Tagen insgesamt rund 24.000 Kilometer zurück, bei teils extremen Temperaturen, bei Regen und Wind. Dabei stoßen sie oftmals an ihre Grenzen, sie streiten und versöhnen sich. Auf ihrer Reise begegnen sie neben Einheimischen immer wieder interessanten Menschen, die wie sie das Abenteuer und neue Herausforderungen suchen.

    Ich habe das in schöner Sprache geschriebene Buch sehr gern gelesen, es hat mich gefesselt und zutiefst beeindruckt. Die Erlebnisse der beiden Frauen sind so spannend und lebendig geschildert, dass ich oft das Gefühl hatte, dabei zu sein. Ich habe ihre Kraft und Ausdauer bewundert, mit denen sie die einzelnen Etappen und auftretende Probleme bewältigt haben. Sehr hilfreich fand ich das umfangreiche Kartenmaterial, das es mir ermöglichte, die Route genau zu verfolgen. Zwischen den Aufzeichnungen der Autorinnen finden sich immer wieder einseitige Einschübe über wichtige Themen, wie z.B. die richtige Ausrüstung, Kommunikation. Fahrrad, Essen, Trinkwasser, Kriminalität, Finanzen, Reiseapotheke und vieles mehr. Auch diese Seiten fand ich sehr interessant, da sie mir viele Fragen beantworteten, die sich mir im Laufe der Lektüre stellten.

    Sehr gut gefallen haben mir die vielen unterschiedlichen und faszinierenden Eindrücke, die das Buch vermittelt. Jedes Land hat seine Besonderheiten, und immer wieder begegneten den Autorinnen gastfreundliche und hilfsbereite Menschen. Sie erlebten zahlreiche beglückende Momente, kosteten von Speisen, von denen sie noch nie zuvor gehört hatten, wurden aber auch hartnäckig angebettelt und manchmal sogar verfolgt.

    Es hat mir sehr viel Freude bereitet, Tanja und Johanna auf ihrer Reise zu begleiten, und ich kann mir vorstellen, dass ihr unterhaltsamer und interessanter Bericht viele Reiselustige dazu motiviert, ferne Länder mit dem Fahrrad zu entdecken.

    Absolute Leseempfehlung!
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