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    Bücherfreundin

    Aktiv seit: 04. September 2021
    "Hilfreich"-Bewertungen: 64
    294 Rezensionen
    Mein Mann Maud Ventura
    Mein Mann (Buch)
    05.09.2024

    Großartiges Debüt

    In dem Roman "Mein Mann" von Maud Ventura, der in Frankreich 2021 zum meistverkauften Debüt wurde, steht eine namenlose Ich-Erzählerin im Mittelpunkt. Sie ist 40 Jahre alt, groß, blond und eine Schönheit, und sie liebt ihren Ehemann, mit dem sie seit 15 Jahren zusammen und seit 13 Jahren verheiratet ist, wie am ersten Tag. Die beiden haben zwei Kinder, einen 9-jährigen Sohn und eine 7-jährige Tochter. Während die Ich-Erzählerin neben ihrer Tätigkeit als Englischlehrerin im Nebenberuf als Übersetzerin für einen Verlag arbeitet, ist ihr Mann im Finanzwesen tätig. Sie bewohnen das schönste Haus ihres Viertels, in dem die Protagonistin ihren Mann jeden Abend mit großer Vorfreude erwartet. 

    Die größte Angst der Ich-Erzählerin ist, von ihrem Mann verlassen zu werden. Als Beweis, dass er sie nicht mehr liebt, notiert sie jedes Fehlverhalten ihres Mannes. Warum hält er nicht mehr ihre Hand, wenn sie neben ihm auf dem Sofa sitzt? Wie kann er mit ihr über so unwichtige Dinge wie das Wetter sprechen? Warum erinnert sie ihn an eine Clementine, während eine gemeinsame Freundin ihn an eine exotische Frucht erinnert? Dieser Vorfall kränkt sie sehr, beschäftigt sie ständig und muss bestraft werden wie all seine Vergehen zuvor, über die sie akribisch Buch führt. Doch irgendwann geht sie zu weit ...

    Wir begleiten das Ehepaar über den Zeitraum von einer Woche und erleben dabei seinen Alltag und die Erinnerungen der Protagonistin an Begebenheiten mit ihrem Ehemann, bei denen er sie verärgert oder enttäuscht hat. Dass er es wagte, während ihrer Flitterwochen krank zu werden, macht sie heute noch zornig.

    Die Geschichte liest sich sehr flüssig, ist stellenweise sogar recht humorvoll. Die schöne Sprache hat mir sehr gut gefallen, auch die großartige Zeichnung der Charaktere. Ich konnte mir das Ehepaar sehr gut vorstellen und habe dabei tief in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonistin blicken können. Ihre Gedanken kreisen fast ständig um ihren Mann, sie beobachtet ihn und seine Reaktionen ganz genau, achtet auf alles, was er sagt. Sie hat kein Bedürfnis, Zeit mit Freunden oder den Eltern zu verbringen. Selbst ihre Kinder empfindet sie als Störfaktor, denn sie möchte nur mit ihrem Mann zusammen sein. 

    Mir hat dieses Ehedrama über obsessive und leidenschaftliche Liebe, Eifersucht, Sehnsucht und Ängste sehr gut gefallen. Ich fand es genial geschrieben, es hat mich gefesselt und nachdenklich gemacht. Das überraschende Ende ist brillant. Ich kann mir sehr gut eine filmische Umsetzung des außergewöhnlichen Buches vorstellen. 

    Absolute Leseempfehlung für dieses großartige und kurzweilige Debüt!
    Die Jagd nach dem magischen Detektivkoffer, Band 7: Das verflixt verfluchte Geisterhaus Cally Stronk
    Die Jagd nach dem magischen Detektivkoffer, Band 7: Das verflixt verfluchte Geisterhaus (Buch)
    03.09.2024

    Liebevoll gestaltete und spannende Kinderbuchreihe

    Mein Enkel liebt die Geschichten um den magischen Detektivkoffer und lässt sie sich immer wieder gern vorlesen. Ich habe mich daher sehr darüber gefreut, dass der Ravensburger Verlag nun "Das verflixt verfluchte Geisterhaus" veröffentlicht hat, den 7. Band aus der Reihe "Die Jagd nach dem magischen Detektivkoffer".

    Im Mittelpunkt des fesselnden Abenteuers stehen wieder die Zwillinge Marie und Lukas, die zu ihrem siebten Geburtstag von ihrer Tante Gundula einen Detektivkoffer bekommen haben, mit dessen Hilfe sie Kriminalfälle lösen können. Die Gegenstände, die sich im Koffer befinden, haben verschiedene magische Fähigkeiten. Zwei Ganoven, Theodor Topf und Doris Deckel, tun alles, um in den Besitz des Koffers zu gelangen, und mit einem Trick erreichen sie sogar ihr Ziel. Doch sie haben nicht damit gerechnet, dass Marie und Lukas bald herausfinden, dass sie im gruseligen Geisterhaus suchen müssen ... 

    Auch diese Geschichte, die sich an Kinder ab etwa 7 Jahren richtet, ist nicht nur superspannend, sondern auch sehr schön und altersgerecht von Cally Stronk erzählt. Jüngere Kinder freuen sich, wenn sie ihnen vorgelesen wird, Ältere werden zum Selbstlesen animiert, da die Schrift schön groß ist. Die Texte werden durch die wunderschönen bunten Illustrationen von Patrick Fix ergänzt. Das Buch enthält auch Rätsel, die nicht nur von Marie und Lukas, sondern auch vom kleinen Leser zu lösen sind - eine tolle Idee. Allerdings kann es sein, dass bei jüngeren Kindern ein Erwachsener etwas Hilfestellung geben muss.

    Der neue Band hat mich mit seinen schönen Texten und Illustrationen wieder begeistert. Besonders gut gefällt mir, wie liebevoll die Personen - und natürlich auch der Hund Sokrates, die Katze Pfötchen und der Wellensittich Brötchen - dargestellt sind. Die Ganoven sind erfreulicherweise so gezeichnet, dass sie die kleinen Leser nicht verängstigen. Das farbenfrohe Cover passt hervorragend zum Titel. 

    Absolute Lese- und Vorleseempfehlung für dieses äußerst liebevoll gestaltete Kinderbuch!
    Das Schweigen meiner Freundin Giulia Baldelli
    Das Schweigen meiner Freundin (Buch)
    28.08.2024

    Großartige Lebens- und Liebesgeschichte

    In ihrem Debütroman "Das Schweigen meiner Freundin" erzählt die italienische Autorin Giulia Baldelli die Geschichte der Freundinnen Giulia und Cristi.

    Zu Beginn des Romans lernen wir die Ich-Erzählerin Giulia kennen. Die 60-jährige Anwältin wartet im dunklen Wald auf ihre Freundin Cristi, obwohl sie weiß, dass diese nicht kommen wird. Giulia ist sehr krank, sie wird nur noch drei Monate leben. Ihr Mann und ihre Tochter wissen nicht, wo sie ist, sie hat ihnen gesagt, dass sie einen dienstlichen Termin hat. Heimlich ist sie in ihren Heimatort gereist, um Cristi endlich die Wahrheit zu sagen, die sie ihr seit 50 Jahren verschweigt.

    Wir begegnen Giulia und Cristi im Jahr 1991. Giulia ist 10 Jahre alt, als sie die drei Jahre Jüngere in der Küche der Großmutter Ida zum ersten Mal sieht. Da Ida vormittags ihrer Arbeit als Köchin nachgeht, wird Giulia die Aufgabe übertragen, während der Sommermonate auf die Kleine aufzupassen. Anfangs ist ihr Cristi, die kaum spricht, lästig, doch schon bald freut sie sich auf die Unternehmungen mit ihr. Im zweiten Sommer gesellt sich Mattia zu ihnen, er ist 11 Jahre alt und ein guter Schüler, der sich manchmal prügelt. Von nun an unternehmen sie viel zu dritt. Mattia und Cristi fühlen sich zueinander hingezogen, und Giulia, die sich in Cristi verliebt hat, reagiert mit Eifersucht.

    Das Buch ist in hinreißend schöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Wir begleiten die Freundinnen und Mattia durch die Jahre, während der Fokus auf der Ich-Erzählerin Guilia liegt. Diese weiß schon früh, dass sie Jura studieren und Anwältin werden möchte. Ehrgeizig und zielstrebig geht sie ihren Weg, während Cristis Weg ein anderer ist. Außerhalb der Sommerferien lebt sie mit ihrer Mutter in sehr bescheidenen Verhältnissen in Bologna, bis diese einen wohlhabenden Finanzmanager heiratet.

    Die Autorin beschreibt ganz wunderbar und mit viel Empathie die tiefe und komplizierte Liebe, die die Personen miteinander verbindet. Die Figurenzeichnung hat mir sehr gut gefallen, ich mochte die zielstrebige Giulia und die schweigsame Cristi, die von der Mutter arg vernachlässigt wird. Wir sehen ihre Stärken und Schwächen, erleben ihre Höhen und Tiefen. Auch die Nebencharaktere sind sehr schön beschrieben, ganz besonders Giulias Eltern, die unverschuldet in Not geraten, Cristis Großmutter Ida und Giulias Mitbewohnerin Pia.

    Vom Erzählstil her hat mich das Buch an die Neapolitanische Saga von Elena Ferrante erinnert. Es ist ein Buch über Liebe und Freundschaft, Eifersucht und Sehnsucht, Verrat, Lügen und Depressionen. Ich habe es bis zum für mich stimmigen Ende mit sehr viel Freude gelesen, es ist spannend, mitreißend und hat mich sehr berührt.

    Absolute Leseempfehlung für dieses großartige Debüt, das eine große Leserschaft verdient!
    Unsere Jahre auf Fellowship Point Alice Elliott Dark
    Unsere Jahre auf Fellowship Point (Buch)
    22.08.2024

    Wunderbare Sprache - ärgerliche und unglaubwürdige Wendung

    An ihrem neu erschienenen Roman "Unsere Jahre auf Fellowship Point" hat die amerikanische Autorin Alice Elliott Dark 17 Jahre geschrieben. Das schöne Cover mit den beiden jungen Frauen sprach mich sofort an, ebenso der Klappentext, und ich freute mich sehr auf die Lektüre - doch glücklich bin ich mit dem Buch leider nicht geworden.
     
    Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die beiden Freundinnen Agnes Lee und Polly Wister, die sich seit fast 80 Jahren kennen. Sie sind in Quäkerfamilien in Philadelphia aufgewachsen und haben jeden Sommer in den Sommerhäusern ihrer Familien auf Fellowship Point an der Küste Maines zusammen verbracht. Obwohl sie sehr verschieden sind, ergänzen und respektieren sie sich. Inzwischen sind sie alte Damen, und ihre Freundschaft hat die Jahrzehnte überdauert. Agnes, die eine Krebsoperation vor sich hat, ist seit über 60 Jahren eine erfolgreiche Schriftstellerin und hat bereits einige Romane und eine erfolgreiche Kinderbuchreihe geschrieben. Sie hat nie geheiratet, hat sich schon früh gegen die Ehe ausgesprochen, weil sie sie für antiquiert hält. Ihre Freundin Polly hat einen anderen Lebensweg gewählt, sie ist mit dem Philosophieprofessor Dick verheiratet, die beiden haben drei Söhne. Polly ist gutmütig und immer bemüht, ihrem Mann, der bald in Pension geht, ein angenehmes Leben zu bereiten. Agnes und Polly treffen sich regelmäßig und sind beunruhigt, als sie in einem Zeitungsartikel lesen, dass in der Nähe ihrer Sommerhäuser ein neuer Luxusapartment- und Yachtclubkomplex errichtet werden soll. 
     
    In einem zweiten Erzählstrang begegnen wir der 26-jährigen Lektorin Maud, die gemeinsam mit ihrer psychisch kranken Mutter Heidi und ihrer 3-jährigen Tochter Clemmie in einem großen Haus in Manhattan lebt. Sie hat die Idee, Agnes zu überreden, ihre Memoiren zu schreiben. Doch diese zögert ....

    Das 733 Seiten umfassende Buch ist in wunderschöner und anspruchsvoller Sprache geschrieben. Der Leser begleitet die Freundinnen während der relativ kurzen Zeitspanne von drei Jahren, die Briefe, die Agnes an ihre Schwester Elspeth schreibt und die einen dritten Erzählstrang bilden, stammen aus den Jahren 1960 bis 1963. Wir blicken außerdem zurück auf die 1870er Jahre, als Agnes' Urgroßvater, William Lee aus Philadelphia und Mitglied einer reichen Händlerfamilie, die gesamte Landzunge auf Fellowship Point kaufte. Er errichtete Häuser für seine Familie und seine Freunde sowie die Angestellten.

    Die Autorin beschreibt die Freundschaft der beiden Frauen ganz wundervoll und skizziert nicht nur die Hauptcharaktere sehr liebevoll und intensiv, sondern auch die Nebenfiguren, wie Maud, Robert, Dick und Pollys Söhne, Virgil und Nan. Sehr gut gefallen haben mir der Rückblick in die 1870er Jahre und Agnes' Briefe an ihre Schwester. Weniger gefallen haben mir die teilweise sehr ausführlichen und oft auch unwichtigen Schilderungen von Nebensächlichkeiten, die mich schnell langweilten. Der Kampf um das Vorgehen bezüglich des Vogelschutzgebiets nimmt in meinen Augen zu viel Raum ein. Etwas unterhaltsamer wurde es mit Mauds Einbinden in die Handlung, und erst die Briefe, die Agnes an ihre Schwester schrieb und in denen Geheimnisse und Tragödien offenbart werden, konnten mich fesseln. 

    Ich finde es so schade und ärgerlich, dass das mit so wunderbaren Worten geschriebene Buch, in dem es um Liebe und Freundschaft, das Altern und Krankheit, Trauer und Verlust geht, gegen Ende eine völlig unrealistische und auch kitschige Wendung hatte. Außerdem habe ich es sehr bedauert, dass das Leben der Freundinnen, das sie zwischen 1963 und 2000 führten, so wenig Erwähnung fand. Hier hätte ich gern mehr gelesen.

    Das Buch konnte leider meine Erwartungen nicht erfüllen - wegen der wunderbaren Sprache gebe ich trotzdem 3 Sterne!
    Mein drittes Leben Daniela Krien
    Mein drittes Leben (Buch)
    21.08.2024

    Berührende Geschichte über Trauer und die Rückkehr ins Leben

    Im neuen Roman "Mein drittes Leben" von Daniela Krien steht die Ich-Erzählerin Linda im Mittelpunkt. Sie ist glücklich mit Richard verheiratet, die beiden haben eine Tochter, Sonja. Als das Mädchen 17 Jahre alt ist, geschieht ein schreckliches Unglück. Ein LKW-Fahrer übersieht Sonja, die mit ihrem Fahrrad unterwegs ist, beim Abbiegen. Sonja überlebt den Unfall nicht. 
    Zwei Jahre später hat Linda sich von Richard getrennt und ihre Tätigkeit als Kuratorin im Kunstbereich aufgegeben. Sie ist an Krebs erkrankt und leidet unter den Folgen der Behandlung. In einem kleinen Dorf mietet sie einen Hof und führt ein zurückgezogenes Leben. Sie kümmert sich um ihren Hund Kaja und die Hühner, und sie lenkt sich mit der schweren Hofarbeit ab. Soziale Kontakte pflegt sie kaum. Richard kümmert sich um sie, er besucht sie regelmäßig und hofft, dass sie wieder zueinanderfinden. 
     
    Das Buch, das sich dem Thema Trauerbewältigung widmet, ist in sehr schöner und klarer Sprache geschrieben. Mit großer Einfühlsamkeit beschreibt die Autorin Lindas tiefe Trauer über den Tod ihres Kindes und die Unmöglichkeit, ein normales Leben zu führen. Der Verlust ihrer Tochter nimmt ihr den Lebensmut, jegliche Freude und Perspektive. Anfangs noch gefangen in ihrer Trauer und ihrem Schmerz, braucht es viel Zeit, bis es Linda gelingt, sich wieder anderen Menschen zu öffnen und ihnen mit Empathie zu begegnen. Sie erkennt, dass auch ihr nahestehende Menschen schweren Lebenskrisen ausgesetzt sind und versucht ihnen zu helfen.

    Wir begleiten Linda nicht nur durch die verschiedenen Phasen der Trauer, sondern erleben auch ihren harten Alltag auf dem Hof. Die körperlich schwere und für sie ungewohnte Arbeit hilft ihr dabei, den Tag zu überstehen, starke Medikamente helfen ihr durch die Nacht. In Rückblicken erfahren wir viel über Sonja und die Mutter-Tochter-Beziehung sowie das vergangene Familienleben, und wir lernen Natascha kennen, deren Tochter durch schweren Autismus behindert ist und in der Linda eine liebe Freundin findet.

    Die Autorin beschreibt ihre Haupt- und Nebenfiguren sehr authentisch und lässt uns tief in Lindas Gefühls- und Gedankenwelt blicken. Ich mochte Linda, die ihr Leben neu ordnet und ihrer Trauer Raum gibt, und ich mochte Richard, der sie auf ihrem neuen Weg unterstützt und immer für sie da ist. Mir hat das Buch, in dem es neben Verlust und Trauer auch um Liebe und Freundschaft geht, sehr gut gefallen. Es ist tiefgründig und eindringlich, ohne rührselig zu sein, und es hat mich von Beginn an bis zum hoffnungsvollen Ende gefesselt und zutiefst berührt.

    Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen Roman!
    Pi mal Daumen Alina Bronsky
    Pi mal Daumen (Buch)
    15.08.2024

    Geistreiche Unterhaltung mit viel Witz und Tiefgang

    In "Pi mal Daumen", dem neuen Roman von Alina Bronsky, geht es um die beiden Mathematik-Studenten Oscar und Moni, die sich zum ersten Mal in einem Hörsaal begegnen. Oscar ist 16 Jahre alt, ein etwas weltfremder Überflieger mit autistischen Zügen und Adelstitel. Moni dagegen ist schon 53 und hat neben ihrer Tochter Püppi drei Enkel, um die sie sich regelmäßig kümmern muss. Sie hat drei Jobs, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, während sich Oscar dank des Reichtums seiner Eltern nicht ums Geldverdienen kümmern muss. Trotz aller Unterschiedlichkeit und der Herablassung und Ablehnung, mit der Oscar Moni anfangs begegnet, werden die beiden zu Freunden.

    Die Geschichte ist, wie ich es von der Autorin bereits kenne, in schöner Sprache mit viel Wärme und noch mehr Humor erzählt, sie liest sich sehr flüssig. Wir lernen zwei Menschen kennen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Der Ich-Erzähler Oscar tritt sein Studium mit sehr viel Selbstvertrauen an und ist wenig erfreut, als sich die etwas schrill gekleidete Moni im Hörsaal neben ihn setzt. Sie verwickelt ihn in ein Gespräch, und er erkennt sehr schnell, dass ihr die wichtigen Grundlagen der Mathematik fehlen. Moni indes entwickelt mütterliche Gefühle für den jungen Mann, der sich nicht nur schlecht ernährt, sondern soziale Defizite und sehr spezielle Verhaltensweisen aufweist. Regelmäßig versorgt sie ihn mit Nahrung, während Oscar ihr bei der Lösung komplizierter Aufgabenstellungen hilft.

    Ich fand es sehr spannend, Oscar und Moni nicht nur durch die Semester mit all ihren Herausforderungen zu begleiten, sondern auch Einblick in ihr privates Umfeld zu erhalten. Wir lernen Oscars Familie kennen, die mit seinen Eigenarten lebt, auf ihn eingeht und ihn unterstützt, während Monis Familie, die nichts von ihrem Studium weiß, ihre Hilfsbereitschaft und Warmherzigkeit über die Maßen ausnutzt.
    Meine Lieblingsfigur war Moni, die eine außergewöhnliche Frau mit mathematischer Begabung ist, leidenschaftliche Mutter und Großmutter mit einem großen Herzen für ihre Mitmenschen. Ich mochte auch Oscar, der sich dank der Freundschaft mit Moni in seinem Sozialverhalten erfreulich weiterentwickelt hat. 

    In "Pi mal Daumen" geht es nicht nur um zwei liebenswerte Außenseiter und die Freundschaft, die sie verbindet, sondern auch um Liebe, Selbstvertrauen, die Erfüllung eines Traums - und natürlich um Mathematik. Ich habe das kurzweilige Buch, eine Komödie mit Tiefgang, sehr gern gelesen und mich bestens unterhalten gefühlt.

    Leseempfehlung! 
    Ich komme nicht zurück Rasha Khayat
    Ich komme nicht zurück (Buch)
    13.08.2024

    Großartiger Roman über eine besondere Freundschaft

    In ihrem aktuellen Buch "Ich komme nicht zurück" erzählt die Autorin Rasha Khayat die Geschichte einer Freundschaft. Hanna, Zeyna und Cem kommen aus unterschiedlichen Kulturen und sind seit den späten Achtzigern unzertrennlich. Ihr Zuhause ist eine Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet. Hanna lebt seit dem Tod ihrer Mutter bei ihren Großeltern Felizia und Theo, Zeynas Mutter ist im Krieg durch eine Bombe getötet worden, ihre Tochter wächst bei ihrem Vater Nabil auf. Cem lebt bei seinen Eltern, die einen Lebensmittelladen betreiben. Die enge Freundschaft der drei bekommt durch die Terroranschläge des 11. September 2001 erste Risse. Zeyna und Cem leiden unter den Anfeindungen, denen sie nun ausgesetzt sind, und rücken näher zusammen, während Hanna sich ausgegrenzt fühlt. Zeyna verändert sich, sie wird ruhelos und beschließt, Fotografin zu werden, um die Welt zu bereisen. Schließlich kommt es zu einem Ereignis, das zum Bruch der Freundschaft zwischen Zeyna und Hanna führt.
     
    Die Geschichte wird aus Hannas Sicht in der Ich-Form erzählt. Wir begleiten sie im Hier und Jetzt nach ihrer Rückkehr in die Wohnung der Großeltern, nachdem Felizia gestorben ist. Vor dem Hintergrund der Pandemie und den Kontaktverboten vereinsamt sie zunehmend. Sie setzt sich mit Cem in Verbindung, und sie sucht verzweifelt nach Zeyna, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Doch eine Kontaktaufnahme scheint unmöglich ...
     
    Auf einer weiteren Erzählebene lernen wir Hanna, Zeyna und Cem als 9-jährige Kinder kennen und sehen sie aufwachsen, erleben sie als Jugendliche und junge Erwachsene. Hannas Großeltern bringen Zeyna große Zuneigung entgegen, Nabil und Theo verbindet eine herzliche Freundschaft.

    Das Buch ist in sehr schöner Sprache geschrieben, kraftvoll und gleichzeitig poetisch, es liest sich sehr flüssig. Die Autorin beschreibt die Charaktere ganz wunderbar: die ruhige und eifersüchtige Hanna, die kämpferische und selbstbewusste Zeyna und der ausgleichende Cem, der immer für beide da ist. Ich mochte die drei Freunde, aber meine Lieblingsfigur war die sensible Hanna, die gefangen ist in ihren Erinnerungen an die Vergangenheit. 
    .
    Ich habe das Buch, in dem es neben Freundschaft auch um Sehnsucht und Verrat, Einsamkeit, Trauer und Ausgrenzung geht, und das auch den Zeitgeist der achtziger und neunziger Jahre sehr treffend beschreibt, sehr gern gelesen. Es hat mich bis zum hoffnungsvollen und stimmigen Ende gefesselt, berührt und nachdenklich gemacht. 
     
    Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen Roman!
    Und dahinter das Meer Laura Spence-Ash
    Und dahinter das Meer (Buch)
    11.08.2024

    Wunderbares Debüt

    In ihrem Debütroman "Und dahinter das Meer" erzählt die amerikanische Autorin Laura Spence-Ash die Geschichte der jungen Beatrix, die in London bei ihren Eltern Millie und Reginald Thompson aufwächst. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs beschließen ihre Eltern schweren Herzens, ihre 11-jährige Tochter vor den Bombenangriffen in Sicherheit zu bringen und nach Amerika zu Gasteltern zu schicken. Nach langer Überfahrt mit dem Schiff wird Beatrix von ihrer Gastfamilie, die aus den Eltern Nancy und Ethan Gregory sowie deren Söhnen William und Gerald besteht, herzlich aufgenommen. William ist 13, Gerald 9 Jahre alt. Bea lebt sich in Boston schnell ein und fühlt sich bald als Mitglied der Familie. Die Sommermonate auf der kleinen Privatinsel in Maine, auf der die Gregorys ein Haus besitzen, bilden den jährlichen Höhepunkt im Leben der Familie, und auch Bea liebt die unbeschwerten Ferien am Meer. Als sie 16 Jahre alt ist, endet der Krieg, und es ist für sie an der Zeit, nach London zurückzukehren. 
     
    Der mitreißende Roman ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil erleben wir Beas Jahre bei den Gregorys, die zwei weiteren Teile beinhalten die Jahrzehnte danach. Die einzelnen Kapitel sind teilweise kurz und schildern abwechselnd die Ereignisse aus Sicht der einzelnen Familienmitglieder. 

    Die Autorin erzählt Beas Geschichte, die einen Zeitraum von fast 40 Jahren umfasst, in ganz wunderbarer und bildhafter Sprache. Mit viel Feingefühl und Wärme beschreibt sie die liebenswerten Charaktere. Neben der anfangs sehr schüchternen Bea lernen wir die herzliche Nancy kennen, die sich immer nach einer Tochter gesehnt hat, und den ruhigen Ethan, der als Mathematiklehrer an einer Privatschule tätig ist. Während Bea ein aufregendes Leben in Boston lebt, vermissen ihre in London zurückgebliebenen Eltern sie schmerzlich und sehnen den Tag herbei, an dem sie ihr Kind wieder in die Arme schließen können. 

    Wir begleiten Bea während der spannenden Jahre in Boston und erleben ihre Rückkehr nach London. Dort fällt es ihr schwer, sich wieder einzugewöhnen, sie sehnt sich nach ihrer Gastfamilie. Ich konnte sehr gut nachvollziehen, dass sie sich hin- und hergerissen fühlt zwischen zwei Welten. Im London der Nachkriegsjahre muss sie ihren Weg finden, das Verhältnis zur Mutter gestaltet sich wegen deren Eifersucht auf die Gregorys schwierig. Die Jahre vergehen, und wir folgen Bea und den Mitgliedern beider Familien durch die Zeit, erleben dabei ihre Schicksalsschläge, Höhen und Tiefen. 

    Die wunderbare Geschichte, in der es neben Liebe, Familie und Freundschaft auch um Verlust und Trauer geht, hat mir sehr gut gefallen, sie hat mich gefesselt und zutiefst berührt.

    Absolute Leseempfehlung! 
    Cascadia Julia Phillips
    Cascadia (Buch)
    07.08.2024

    Faszinierend und fesselnd

    In ihrem zweiten Roman "Cascadia" führt uns die amerikanische Autorin Julia Phillips auf die malerische Insel San Juan im Nordwesten der USA. Dort bewohnen die Schwestern Sam und Elena gemeinsam mit ihrer Mutter ein inzwischen vom Verfall bedrohtes Haus, das die Großmutter nach dem Tod ihres Mannes gekauft hatte. Sam ist 28 Jahre alt und arbeitet nach durch die Pandemie verursachter zweijähriger Arbeitslosigkeit wieder im Bistro auf einer Fähre. Die fast 30-jährige Elena hat die kleine Familie mit ihren Einkünften im örtlichen Golfclub über Wasser gehalten, doch nach wie vor ist das Geld knapp, die unbezahlten Rechnungen stapeln sich. Es ist Sams Traum, mit Elena die Insel zu verlassen, um sich gemeinsam mit ihr ein neues, ein besseres Leben aufzubauen. Doch die Erfüllung ihres Traums liegt noch in weiter Ferne, da ihre Mutter betreut und gepflegt werden muss. Sie ist schwer lungenkrank und hat Sarkoidose, die Lösungsmittel im Nagelstudio, in dem sie arbeitete, haben sie krank gemacht. Eines Tages steht ein wilder Bär vor ihrem Haus, der das Leben der Schwestern und auch ihre Beziehung zueinander verändern wird .....
     
    Wir erleben zwei Schwestern, die in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Beide arbeiten hart, doch die geringen Einkünfte reichen nicht aus, um ihnen ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Ihre Schulden wachsen durch die Behandlungskosten der Mutter stetig. Während Elena eher praktisch veranlagt ist und sich in hohem Maße um die Mutter kümmert, träumt Sam von einer sorglosen, finanziell gesicherten Zukunft. Mit dem Auftauchen des Bären geht eine Veränderung mit Elena vor. Während Sam sich vor dem Tier fürchtet, sucht ihre Schwester Kontakt zu ihm, sie füttert es und spricht mit ihm.

    Die Geschichte ist in schöner Sprache ruhig erzählt und liest sich sehr flüssig. Die Autorin hat nicht nur die Hauptcharaktere, sondern auch die Nebenfiguren ganz wunderbar gezeichnet. Die psychische Verfassung von Sam ist hervorragend dargestellt, ebenso Elenas spirituelle Bindung zu dem Bären. 

    Das fesselnde Buch, in dem es neben Familie und Geschwisterbeziehung auch um Armut, Krankheit und Träume geht, hat mir sehr gut gefallen, es hat mich fasziniert und erschüttert. Ich mochte die verbitterte und träumerische Sam trotz ihrer etwas schroffen Art, und ich mochte die besonnene und sanfte Elena, die den wilden Bären als Bereicherung empfindet und sich auf die Begegnungen mit ihm freut. Die Geschichte endet überraschend, heftig und schockierend. Ich habe mich natürlich gefragt, ob ich eine reale Geschichte gelesen habe oder ein Märchen. Das Buch ermöglicht jedem, seinen Gedanken viel Raum zu geben und seine ganz persönliche Antwort zu finden.

    Absolute Leseempfehlung für dieses außergewöhnliche und spannende Buch!
    Wenn die Welt nach Sommer riecht Herbert Dutzler
    Wenn die Welt nach Sommer riecht (Buch)
    04.08.2024

    Fesselnde und unterhaltsame Reise ins Österreich der siebziger Jahre

    Der neue Roman "Wenn die Welt nach Sommer riecht" von Herbert Dutzler spielt auf zwei Zeitebenen. Im Hier und Jetzt betrachtet Siegfried Niedermayr ein Fotoalbum, das er nach dem Tod der Mutter aus ihrem Haus mit nach Hause genommen hat. Es ist sein allererstes Fotoalbum, und die Fotos, anfangs noch schwarz-weiß, erinnern ihn an ein bewegtes und aufregendes Jahr, als er 13 Jahre alt war.

    Auf der Vergangenheitsebene entführt uns der Autor ins Österreich der siebziger Jahre. Wir begleiten den 13-jährigen Ich-Erzähler Siegfried, kurz Sigi genannt, für die Dauer eines Jahres. Sigi lebt mit seinen Eltern Edeltraud und Adolf sowie seiner jüngeren Schwester Uschi und der Großmutter in einem alten Bauernhaus auf dem Land. Er ist ein wissbegieriger Schüler, der nach den Ferien in die vierte Klasse des Gymnasiums kommt. Er liest mit großer Leidenschaft die Bücher von Karl May, interessiert sich für Raumfahrt und kocht gern, was der Vater nicht gern sieht, da Kochen für ihn Frauensache ist.

    Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, sie ist in schöner Sprache und mit viel Herz und Humor erzählt. Die Charaktere sind liebevoll und vollkommen authentisch beschrieben. Ich mochte Sigi, der kein Kind mehr ist, der dafür kämpft, seine Haare etwas länger tragen zu dürfen und der erste romantische Gefühle für ein Mädchen aus der Parallelklasse entwickelt. Das Buch beinhaltet neben Sigis Alltag innerhalb der Familie und der Schule auch Themen wie erste Erfahrungen mit Zigaretten und Alkohol sowie die Probleme, die durch die Herausgabe einer Schülerzeitung entstehen.

    Mein Lieblingskapitel ist der Besuch bei Tante Irmgard in Wien, als Sigi zum ersten Mal auf einer Rolltreppe fährt, seinen ersten Toaster sieht und sich für den Farbfernseher der Tante begeistert, damals noch keine Selbstverständlichkeit in den Haushalten. Die Unternehmungen dieses Wochenendes begeistern ihn und werden ihm immer in Erinnerung bleiben.

    Das Jahr mit Sigi als 13-Jährigem ist wie im Flug vergangen. Es hat mir sehr viel Lesefreude bereitet, in die mir vertraute Welt der siebziger Jahre einzutauchen, als der Haushalt in vielen Familien noch Frauensache und die Erziehung sowohl zuhause als auch in der Schule autoritär war. Ich habe Sigi gern begleitet, oft geschmunzelt und ihn manchmal bedauert. Es würde mich sehr freuen, bald wieder über ihn und seine Familie lesen zu dürfen.

    "Wenn die Welt nach Sommer riecht" ist nach "Die Welt war eine Murmel" und "Die Welt war voller Fragen" bereits der dritte Band um Sigi Niedermayr. Die Bände können unabhängig voneinander gelesen werden, da in jedem Buch die familiären Strukturen gut beschrieben werden.

    Absolute Leseempfehlung von mir für diese wunderbare, mit viel Herz und Humor geschriebene Geschichte!
    Lua Luftwurzel - Silberelfen fängt man nicht Christoph Minnameier
    Lua Luftwurzel - Silberelfen fängt man nicht (Buch)
    02.08.2024

    Zauberhaftes Kinderbuch

    Der Beltz & Gelberg Verlag hat "Lua Luftwurzel - Silberelfen fängt man nicht", das Debüt von Christoph Minnameier, veröffentlicht.
    Das gebundene Buch ist hochwertig gestaltet und richtet sich an Kinder ab etwa 6 Jahren. Es erzählt die Geschichte der kleinen Silberelfe Lua, deren Aufgabe es ist, sich um die Tiere im Wald zu kümmern. Sie hilft, wo sie kann und ist immer gut beschäftigt. Ihr Schreck ist groß, als sie den Hilferufen eines kleinen Vogels folgt und mit einer List in einen goldenen Käfig gelockt und eingesperrt wird. Sie ist in eine Zauberfalle der Hexe Malicia Warzenbuckel geraten, die eine angesehene Fabelwesen-Händlerin war. Inzwischen laufen ihre Geschäfte mit dressierten Haushaltshilfen schlecht. Sie freut sich, dass sie nun eine Silberelfe gefangen hat, die seltenste aller Waldelfenarten. Lua stellt bald fest, dass sie nicht die einzige Gefangene der Hexe ist. Im Käfig neben ihr hockt Fobu, ein Gnom. Wird es den beiden gelingen, bald wieder in Freiheit zu leben?
     
    Die fantasievolle Geschichte ist auf 123 Seiten in 14 Kapitel unterteilt, sie ist in kindgerechter Sprache packend erzählt und eignet sich hervorragend zum Vorlesen. Auch Erstleser werden an dem liebevoll gestalteten Buch ihre Freude haben. Die Schrift ist schön groß und gut lesbar. Auf vielen Seiten befinden sich pfiffige Illustrationen in schönen Farben von Daniel Napp. Die kleinen Leser begleiten Lua, erleben geheimnisvollen Nebelzauber, lernen Zappaniel Zifferzankim kennen und erfahren, was das Zauberwort "Borkwatzka" bewirkt. Mir hat die Darstellung der Hexe sehr gut gefallen. Sie ist nicht so böse und Angst einflößend wie in anderen Märchen, man sieht in ihr auch eine Person mit eigenen Sorgen und Nöten.
     
    Das mitreißende und märchenhafte Buch mit dem schönen Ende, in dem es auch um Freundschaft und Hilfsbereitschaft geht, hat mir sehr gut gefallen, und ich hoffe auf weitere Leseabenteuer von Lua Luftwurzel. Die kleine Silberelfe ist einfach zum Verlieben und wird Jungen und Mädchen gleichermaßen begeistern. 

    Absolute Vorlese- und Leseempfehlung!
    Ex-Wife Ursula Parrott
    Ex-Wife (Buch)
    30.07.2024

    Wiederentdeckung eines fast 100 Jahre alten Skandalromans

    Der Fischer Verlag hat "Ex-Wife", den Roman der amerikanischen Autorin Ursula Parrott, der bereits im Jahr 1929 anonym veröffentlicht wurde, nun in deutscher Übersetzung herausgegeben. Das Buch erregte damals in den USA sehr viel Aufsehen und löste einen Skandal aus. Es verkaufte sich mehr als 100.000 Mal und wurde zum Bestseller.

    Im Mittelpunkt der Geschichte steht Patricia, die nach nur drei Jahren Ehe von ihrem Ehemann Peter verlassen wird. Sie haben früh geheiratet, Pat ist 21, Peter 22 Jahre alt. Wenig später kommt ihr Sohn Patrick zur Welt, der mit drei Monaten stirbt. Peter hat Affären mit anderen Frauen, und als Pat ihm untreu wird, reagiert er mit tiefer Enttäuschung, hielt er Pat doch immer für die reinste Frau der Welt. Als Pats Freundin Hilda aus Boston zu Besuch kommt, kommen Hilda und Peter sich näher. Nach drei Wochen bittet Peter seine Frau um die Scheidung, da er Hilda heiraten möchte.

    Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von nur wenigen Jahren und lässt uns eintauchen ins New York der zwanziger Jahre. Wir begleiten Pat, die in einem Kaufhaus tätig ist und sich nach der Trennung von Peter mit ihrer Freundin Lucia eine Wohnung teilt. Tagsüber schreibt sie Werbetexte, nachts besucht sie Clubs und Flüsterkneipen. Es wird getanzt, geraucht, gut gegessen, der Alkohol fließt in Strömen, und viele Männer liegen Pat zu Füßen. Doch ihr Herz gehört immer noch Peter ...

    Das Buch ist in der Ich-Form in schöner Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Wir erhalten Einblick in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als die Stellung der Frau in Ehe und Gesellschaft noch eine ganz andere war als heute. Scheidung war ein Skandal, und geschiedene Frauen wurden oft wie Freiwild behandelt. "Ex-Wife" ist eine Geschichte über Frauen, Ehe und Affären, Liebe und Freundschaft. Es werden auch traurige Themen behandelt, wie häusliche Gewalt, Übergriffigkeit, Verlust und Trauer.
    Mir hat Pats Entwicklung sehr gefallen. Anfangs versinkt sie in Selbstmitleid und wünscht sich sehnlichst, dass Peter zu ihr zurückkehrt. Mit Lucias Hilfe gelingt es ihr, ihr Leben neu zu gestalten. Die modebewusste Frau widmet sich nicht nur intensiv ihrem Äußeren, sondern entwickelt auch beruflichen Ehrgeiz in der männlich dominierten Werbebranche.

    Die Autorin hat die Charaktere sehr authentisch und bildhaft gezeichnet. Pat ist eine moderne Frau, die die neugewonnene Freiheit in vollen Zügen genießt. Trotz ihrer erfolgreichen Karriere sehnt sie sich nach Romantik, Ehe, Stabilität und Mutterschaft. Ich habe sie gern begleitet, auch wenn ich sie oft als oberflächlich empfand und ihre Handlungen nicht immer nachvollziehen konnte. Meine absolute Lieblingsfigur war Lucia, die ihrer Freundin stets mit Rat und Tat zur Seite steht.

    Das fesselnde Buch hat mir sehr gut gefallen - Leseempfehlung!
    Das Baumhaus Vera Buck
    Das Baumhaus (Buch)
    27.07.2024

    Atmosphärischer Thriller

    Im Mittelpunkt des aktuellen Thrillers "Das Baumhaus" der Autorin Vera Buck steht die Familie Saunders, bestehend aus dem Vater Henrik, der Mutter Nora und dem 5-jährigen Sohn Fynn. Henrik ist Kinderbuchautor, seine Frau arbeitet als Meerestechnikerin. Sie wohnen in Greifswald und nehmen eine 15-stündige Fahrt auf sich, um im schwedischen Västernorrland das idyllisch gelegene Ferienhaus am See zu übernehmen, das einst Henriks Großvater gehörte. Henrik beschäftigt sich viel mit Fynn, er erzählt dem Jungen phantasievolle Geschichten und zeigt ihm den großen Wald, der zum Grundstück gehört. Während eines Spiels im Wald verschwindet Fynn spurlos, die Polizei startet sofort eine große Suchaktion, um den Jungen zu finden. 

    Auf einer zweiten Erzählebene lernen wir Rosa kennen. Sie hat ein Studium in forensischen Wissenschaften absolviert und ist nach Hause zurückgekehrt, um ihren Bruder Ebbe zu pflegen. Nachdem sie im Wald bei der Suche nach Tierkadavern das Skelett eines Kindes ausgegraben hat, geht sie mit ihrem Fund zur Polizei. Besteht hier ein Zusammenhang mit Fynns Verschwinden?
    Der dritte Erzählstrang widmet sich der jungen Marla, die als Kindergartenkind entführt wurde und sich seitdem in der Gewalt ihres Entführers befindet.

    Die Geschichte, in der einem Baumhaus eine wichtige Rolle zukommt, ist in einfacher und klarer Sprache erzählt, sie liest sich sehr flüssig. Wie bereits in "Wolfskinder", dem ersten Thriller der Autorin, sind auch hier die einzelnen Kapitel abwechselnd aus der Perspektive verschiedener Personen in der Ich-Form geschrieben. Die Autorin ermöglicht es dadurch dem Leser, das Geschehen durch die Augen von Henrik, Nora, Rosa und Marla besonders intensiv zu erleben. 

    Im ersten Teil des Buches geht es eher gemächlich zu, wir lernen nach und nach die unterschiedlichen, gut gezeichneten Charaktere kennen. Ab dem zweiten Teil steigt mit Fynns Verschwinden der Spannungsbogen stark an und bleibt bis zum Ende auf konstant hohem Niveau. Ich mochte die geheimnisvolle und bedrohliche Atmosphäre und habe mich von der Autorin mehrmals auf falsche Fährten führen lassen. Es kommt zu einigen Wendungen, der Aufdeckung von Geheimnissen und unerwarteten Erkenntnissen, so dass die Suche nach dem Täter bis zur für mich vollkommen überraschenden Auflösung sehr spannend blieb.

    Der Thriller ist packend und mitreißend, durch die Cliffhanger am Ende jedes Kapitels wird die Spannung noch zusätzlich gesteigert. Am Ende finden die einzelnen Erzählstränge zu einem sinnvollen Ganzen zusammen. Auch wenn ich die Geschichte nicht immer ganz realistisch fand und der letzte Teil handlungsmäßig etwas überfrachtet war, hat sie mich gefesselt und ist mir stellenweise unter die Haut gegangen.

    Leseempfehlung für diesen atmosphärischen Thriller!
    Kleine Monster Jessica Lind
    Kleine Monster (Buch)
    22.07.2024

    Ergreifendes Familiendrama

    Im Mittelpunkt des zweiten Romans "Kleine Monster" der österreichischen Autorin Jessica Lind stehen die Mittdreißiger Pia und Jakob sowie ihr 7-jähriger Sohn Luca. Die Eltern werden zu Lucas Klassenlehrerin zitiert, die ihnen eröffnet, dass es einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben habe. Es sei während der Pause in der Klasse passiert, und das Mädchen habe angegeben, dass es bereits öfter dazu gekommen sei. Das Vorkommnis spricht sich sofort herum, Pia und Jakob werden unverzüglich aus der Eltern-WhatsApp-Gruppe entfernt. Während Jakob von der Unschuld seines Sohnes überzeugt ist, ist Pia verunsichert, Zweifel kommen in ihr auf. Sie versucht herauszufinden, was im Klassenzimmer passiert ist, doch Luca blockt ab. Er schweigt, und von nun an beobachtet Pia ihr Kind ganz genau ....
     
    Die packende Geschichte ist auf zwei Zeitebenen erzählt. Während Pia sich im Hier und Jetzt verzweifelt bemüht, Luca zum Reden zu bringen, erinnert sie sich an ihre eigene Kindheit, als sie und ihre Schwestern Romi und Linda unzertrennlich waren, und sie denkt zurück an das traumatische Ereignis, das sich in der Familie ereignete, als sie in Lucas Alter war.
    Auf der zweiten Erzählebene blättert sich behutsam Pias Kindheit auf. Sie ist zwei Jahre alt, als die Eltern die fast gleichaltrige Romi adoptieren. Wenige Jahre später wird Linda geboren. Sie sind eine glückliche Familie, bis es zu einer schrecklichen Tragödie kommt. Das Unglück verändert die Mutter, die sich seither immer geweigert hat, über dessen nähere Umstände zu sprechen. 
     
    Die Autorin beschreibt sehr eindrücklich Pias Umgang mit der belastenden Situation, ihr Misstrauen und dessen Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung. Pia beobachtet Luca und reagiert fast panisch, als sie ihn anlässlich eines Familienbesuches aus den Augen verliert. Geht eine Gefahr von ihm aus, wenn er mit seiner 3-jährigen Cousine spielt?
     
    Die Geschichte ist in klarer und intelligenter Sprache geschrieben, sie liest sich flüssig. Der Autorin ist es gelungen, die Charaktere authentisch und bildhaft zu beschreiben, sie lässt uns tief in Pias Gefühls- und Gedankenwelt blicken. Wir erleben Pias Verzweiflung und Ängste, sie quält sich, ist zwischen Liebe und Wut hin- und hergerissen. Ich hatte nicht nur großes Mitgefühl für die verunsicherte Pia, sondern auch für Luca, der dem Misstrauen seiner Mutter ausgesetzt ist. Die Lektüre ist keine leichte Kost, es geht neben Verdrängung und Trauer auch um Schuldgefühle und Ausgrenzung. Das Buch hat mir sehr gut gefallen, es hat mich gefesselt und zutiefst bewegt. 

    Absolute Leseempfehlung für dieses tiefgründige Familiendrama!
    Das Pfauengemälde Maria Bidian
    Das Pfauengemälde (Buch)
    22.07.2024

    Anspruchsvolles und mitreißendes Debüt

    In ihrem Debütroman "Das Pfauengemälde" erzählt Maria Bidian die Geschichte der Cutterin Ana, die zwei Jahre nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters Nicu in dessen Heimat Rumänien reist. Nach langer Prozessdauer soll ihre Familie endlich vor über 70 Jahren von den Kommunisten enteigneten Besitz zurückerhalten. Dazu gehört neben dem Rumänischen Haus nebst Einrichtung und weiteren Immobilien auch das Pfauengemälde, ein Familienerbstück, von dem Nicu seiner Tochter oft erzählt hat. Er hatte sich immer gewünscht, das Bild, das er liebte, zurückzubekommen und an Ana zu vererben.

    Bei der Großfamilie in Rumänien angekommen, erwarten Ana zahlreiche Formalitäten. Doch es gibt Probleme, da ihr rumänischer Pass gerade abgelaufen ist und der deutsche nicht akzeptiert wird. Nun ist sie den Mühlen der Bürokratie ausgeliefert, sie muss lange Wartezeiten in Kauf nehmen, immer wieder legen die Behörden ihr Steine in den Weg. Während die Familie plant, wie die Renovierung des Rumänischen Hauses vonstatten gehen soll, träumt Ana von dem Gemälde, das ihrem Vater so viel bedeutet hat ....

    Es hat mir viel Lesefreude bereitet, die Ich-Erzählerin Ana, die auch nach zwei Jahren immer noch sehr unter dem Tod ihres Vaters leidet, auf ihrer Reise zu Nicus Wurzeln zu begleiten. Sie wird liebevoll von der Familie aufgenommen und erfährt Einzelheiten über Nicus Zeit als Widerstandskämpfer, seine Inhaftierung, die Flucht nach Deutschland und die Umstände, die zu seinem Tod geführt haben. Intensiv blicken wir in Anas Gedanken- und Gefühlswelt. Sie erinnert sich nicht nur an zahlreiche Begebenheiten während ihrer Ferienaufenthalte mit dem Vater in Rumänien, sie denkt auch daran, dass sie zu spät kam, als es ihm schlecht ging, und quält sich mit Schuldgefühlen.

    Das anspruchsvolle Buch ist in sehr schöner Sprache geschrieben, es hat mich gefesselt und berührt. Die Figuren sind so authentisch und liebevoll gezeichnet, dass ich sie mir gut vorstellen konnte. Eindrücklich beschreibt die Autorin die heutige und damalige Politik in Rumänien, Demonstrationen und Aufstände. Ich fand es sehr interessant, viel über die Lebensumstände der Rumänen zu erfahren, ihre familiären und religiösen Traditionen und Rituale. Sehr gut gefallen hat mir auch der Blick zurück auf Nicus Leben in Deutschland, wo es ihm schwer gemacht wurde, beruflich Fuß zu fassen. Seine lebenslange und tiefe Verbundenheit mit der Heimat hat mich sehr berührt.

    Ich habe die mitreißend erzählte Geschichte sehr gern gelesen. Leseempfehlung!
    Bevor wir uns vergessen Éliette Abécassis
    Bevor wir uns vergessen (Buch)
    20.07.2024

    Schöne Liebesgeschichte - ganz wunderbar erzählt

    Im Mittelpunkt von "Bevor wir uns vergessen", dem aktuellen Roman der französischen Autorin Éliette Abécassis, stehen Alice und Jules, die seit über 60 Jahren ein Paar sind.

    Im ersten Kapitel, wir schreiben das Jahr 2022, lernen wir Alice und Jules kennen, die Mitte Achtzig sind und sich auf einer Parkbank im Jardin du Luxembourg treffen. Die beiden sind sich sympathisch und kommen ins Gespräch, aber sie wissen nicht, dass sie sich nicht zum ersten Mal begegnen, dass ein gemeinsames langes Leben hinter ihnen liegt. 

    Die Autorin erzählt die Geschichte in umgekehrter Chronologie und blättert dabei langsam die lebenslange Beziehung eines Paares auf, das durch Höhen und Tiefen gegangen ist. Alice ist 18 Jahre alt, als sie im Mai 1955 dem 22-jährigen Jules begegnet. Auf ihre zu Beginn heimliche Liebesbeziehung folgen Heirat und die Geburten ihrer beiden Kinder. Doch das Glück der beiden ist nicht von Dauer. Jules verfolgt mit viel Ehrgeiz und Fleiß seine Karriere als Architekt, während Alice sich um die Kinder und den Haushalt kümmert. Das Paar verbringt nur noch wenig Zeit miteinander, und Alice fühlt sich zunehmend von ihrem Mann vernachlässigt.

    Der mitreißende Roman ist in ganz wunderbarer Sprache geschrieben und hat mich von Beginn an begeistert. Die Autorin hat die interessanten Figuren sehr authentisch skizziert. Ich mochte Alice und Jules und habe sie gern durch die Jahrzehnte begleitet, dabei nicht nur ihren Alltag erlebt, ihre Unzufriedenheit und Irrwege, sondern auch die tiefe Zuneigung gespürt, die sie verbindet. Obwohl sie so verschieden sind und unterschiedliche Eigenarten und Vorlieben haben, finden sie sich immer wieder. Jules liebt und verehrt seine Frau, dennoch können sie ihr Glück nicht bewahren. 

    Die Geschichte, in der es um Liebe, Leidenschaft und Sehnsucht, Untreue und Altwerden geht, hat mir sehr gut gefallen, sie hat mich gefesselt und tief bewegt. Ich fand das Buch ganz großartig, ich mochte die kluge Sprache und den außergewöhnlichen, rückwärts gerichteten Erzählstil. Ich mochte auch Alice und Jules, auch wenn ich ihre Handlungsweisen nicht immer verstanden habe. Dass die beiden trotz aller Widrigkeiten und Enttäuschungen eine tiefe Liebe verbindet, die sie bis in hohe Alter zusammenhält, hat mich sehr berührt. Ein krönender Abschluss ist für mich der Brief am Ende des Buches, den Jules nach ihrem Kennenlernen an Alice geschrieben hat und der eine wichtige Rolle in der Geschichte spielt.

    Leider umfasst das Buch nur 174 Seiten. Gern hätte ich noch viel mehr über Alice und Jules gelesen - absolute Leseempfehlung für diesen großartigen Roman!
    Mitternachtsschwimmer Roisin Maguire
    Mitternachtsschwimmer (Buch)
    15.07.2024

    Berührend und fesselnd

    Ich habe ein Faible für Romane irischer Autoren und habe mich nach dem Lesen des vielversprechenden Klappentextes sehr auf "Mitternachtsschwimmer", den Debütroman der Autorin Roisin Maguire, gefreut.  
     
    Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 50-jährige Grace Kielty, die in dem kleinen Dorf Ballybrady an der irischen Küste lebt und ein sehr zurückgezogenes Leben führt. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mit der Vermietung des kleinen Cottages, in dem sie aufgewachsen ist, und dem Anfertigen von Quilts. Sie schwimmt bei jedem Wetter mit großer Leidenschaft im Meer, angelt und widmet sich ihrem Hund, dem sie keinen Namen gegeben hat. Kurz bevor es zum Lockdown kommt, bezieht Evan Moore, der sich am Tiefpunkt seines Lebens befindet, Grace' Cottage. Er hat sich eine Auszeit genommen und das Haus für eine Woche gemietet. Seine Ehe steckt in einer tiefen Krise, nachdem er und seine Frau Lorna ihre kleine Tochter Jessie verloren haben. Evan verbringt eine ruhige Woche im Cottage, schläft viel und widmet sich seinem Hobby, der Fotografie. Mit Beginn des Lockdowns verlängert sich Evans Aufenthalt in dem kleinen Dorf. Er lernt nun nicht nur Grace, sondern auch die Bewohner des Dorfes besser kennen. Seine Situation verändert sich, als Lorna ihn bittet, den 8-jährigen gemeinsamen Sohn Luca zu sich zu nehmen, damit sie arbeiten kann ...

    Das Buch hat mich sehr gefesselt, es liest sich flüssig und ist in schöner Sprache geschrieben. Es hat mir viel Freude gemacht, die liebevoll gezeichneten Personen kennenzulernen. Die eigenwillige und tierliebe Grace, unter deren harter Schale sich ein weicher Kern verbirgt, habe ich sofort ins Herz geschlossen. Sie wird von den Dorfbewohnern als verrückt angesehen und ärgert sich über die Touristen, die ihren Strand aufsuchen. Ich mochte auch den traumatisierten und trauernden Evan, dem es endlich gelingt, Zugang zu seinem gehörlosen Sohn zu finden, welcher in der neuen Umgebung aufblüht, eine verständnisvolle Freundin findet und großes Interesse für Meerestiere entwickelt. Auch die Dorfbewohner mit ihren Eigenarten sind so großartig gezeichnet, dass ich sie mir gut vorstellen konnte.

    Die Landschaft, die Naturgewalten und die Faszination des Meeres sind intensiv und detailreich beschrieben. Besonders berührend fand ich den Teil des Buches, in dem die Autorin Lucas Entwicklung, sein besonderes Verhältnis zu Grace und die behutsame Annährung zwischen ihm und seinem Vater beschreibt.

    Ich habe den melancholischen und ruhig geschriebenen Roman, in dem es neben Trauer und Verlust auch um Liebe, Freundschaft und Hoffnung geht, sehr gern gelesen. Er hat mich gleichermaßen gefesselt und berührt - absolute Leseempfehlung!
    Himbeereis am Fluss Maria Parr
    Himbeereis am Fluss (Buch)
    14.07.2024

    Mit viel Herz und Humor erzählte Geschichte

    Die norwegische Autorin Maria Parr hat mit "Himbeereis am Fluss" ein wunderbares Buch für Kinder zwischen 5 und 9 Jahren geschrieben. Das hochwertig gestaltete Kinderbuch, das im Dressler-Verlag erschienen ist, ist auf 205 Seiten in elf auch unabhängig voneinander zu lesende Kapitel gegliedert. Die einzelnen Episoden eignen sich wunderbar zum Vorlesen, sind aber auch für Erstleser geeignet. Die Schrift ist groß und gut lesbar, die Sprache altersgerecht. Die zauberhaften und farbenfrohen Illustrationen von Åshild Irgens ergänzen die Texte.

    Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Ida und Oskar, die mit ihren Eltern in einem großen roten Haus leben. Ida ist 7, ihr Bruder 5 Jahre alt, die beiden teilen sich ein Zimmer. Sie erleben viele Abenteuer, streiten und versöhnen sich, Oskar wird eingeschult, und Ida träumt von einem eigenen Zimmer. Mit viel Herz und genauso viel Witz und Humor erzählt die Autorin Geschichten aus dem Alltag der Familie. Es geht in dem Buch auch um Veränderungen und Verluste, die für alle sehr schmerzlich sind. Altersgerecht und sehr feinfühlig beschreibt die Autorin den Umgang der Kinder mit der Krankheit und dem Tod ihres Onkels Øywind.

    Die Geschichte ist aus Idas Sicht in der Ich-Form erzählt. Sie lässt uns in ihre kindliche Gefühls- und Gedankenwelt blicken und macht ihrem Ärger über Oskar Luft. Als große Schwester fühlt sie sich oft für den kleinen und chaotischen Bruder verantwortlich und muss dabei immer wieder ihre eigenen Wünsche zurückstellen. Mir hat besonders gut das Weihnachtskapitel gefallen, in dem die Familie sich rührend um den verwitweten Onkel Bulle kümmert und dabei eine große Überraschung erlebt.

    Mein Fazit: ein wunderschönes Buch zum Vorlesen oder Selberlesen, für das ich mir allerdings noch ein Inhaltsverzeichnis gewünscht hätte, damit man jederzeit schnell auf die Lieblingsepisoden zurückgreifen kann, ohne lange suchen zu müssen.

    Absolute Vorlese- und Leseempfehlung für dieses warmherzige Buch, das nicht nur Kinder, sondern auch vorlesende Erwachsene begeistern wird!
    Seinetwegen Zora del Buono
    Seinetwegen (Buch)
    11.07.2024

    Fesselnd und berührend

    Die Ich-Erzählerin Zora del Buono ist gerade 8 Monate alt, als ihr Vater Manfredi del Buono, ein 33-jähriger angesehener Oberarzt, schwer verunglückt. Er sitzt neben seinem Schwager in dessen VW Käfer, als das Fahrzeug des 28-jährigen E.T. bei einem riskanten Überholmanöver mit überhöhter Geschwindigkeit frontal mit dem VW Käfer zusammenstößt. Der Vater erleidet neben einem Genickbruch zahlreiche weitere Verletzungen und verstirbt wenig später. Zora wächst bei ihrer Mutter auf, die nie wieder heiraten wird. Sie hat eine glückliche Kindheit und vermisst ihren Vater, an den sie keine Erinnerungen hat, nicht. Die Mutter spricht nur selten über ihn, die Tochter kann dann ihren Schmerz nicht ertragen. Viele Jahre später, Zora ist mittlerweile 60 Jahre alt, und ihre demenzkranke Mutter lebt in ihrer eigenen Welt, macht sie sich Gedanken darüber, was aus E.T. geworden ist und wie er all die Jahre mit seiner Schuld gelebt hat. Sie beginnt zu recherchieren ...

    Das Buch ist in einem sehr speziellen, etwas gewöhnungsbedürftigen Stil geschrieben. Wir begleiten die Autorin bei ihren Recherchen, ihren Besuchen im Pflegeheim, erleben intensive und tiefgründige Kaffeehaus-Gespräche mit ihren Freunden Isadora, Henri und Munz. Wir folgen ihren zahlreichen Gedankensprüngen, die uns in die Vergangenheit führen und interessante Einblicke in Zoras Leben und das Leben ihrer Familie ermöglichen.

    Es erleichtert Zoras Suche nach dem Unfallverursacher, dass sie aus alten Dokumenten ihrer Mutter den vollständigen Namen von E.T. erfährt. Dank der Unterstützung eines Mitarbeiters des Staatsarchivs gelangt sie sogar in den Besitz der Prozessakten. Sie führt zahlreiche Telefonate und persönliche Gespräche, nach und nach setzen sich viele Puzzleteile zu einem Ganzen zusammen. Nun ist der Mann, durch dessen Schuld das Leben des Vaters ausgelöscht wurde, kein Fremder mehr, er hat ein Gesicht bekommen. Zora ist überrascht über das Ergebnis ihrer Recherchen und muss das Bild, das sie sich von E.T. gemacht hat, korrigieren.

    Das Buch, das auch private Fotos enthält, ist in klarer, fast sachlicher Sprache geschrieben und hat mich sehr gefesselt. Es ist ein Buch nicht nur über Zoras Leben und ihre Suche nach dem Unfallverursacher, es geht neben Themen wie Verlust und Trauer, Schuld und Vergebung auch um Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Die Gedankengänge der Autorin haben mich teilweise sehr berührt, ebenso ihre Gespräche mit der demenzkranken Mutter. Sehr interessant fand ich auch die Ausführungen zur Schweizer Rechtsprechung und den Volksabstimmungen. 

    "Seinetwegen" hat mir sehr gut gefallen - Leseempfehlung von mir!
    Gussie Christoph Wortberg
    Gussie (Buch)
    10.07.2024

    Interessante Romanbiografie über Gussie Adenauer

    Im Mittelpunkt des aktuellen Romans "Gussie" von Christoph Wortberg steht Auguste Zinsser, kurz Gussie genannt, die zweite Ehefrau von Konrad Adenauer.
     
    Die Professorentochter Gussie ist 19 Jahre alt, als sie Konrad Adenauer vorgestellt wird. Sie hat eine Einladung von Emma Adenauer, der Ehefrau Adenauers, zum gemeinsamen Musizieren angenommen. Fünf Jahre später, Emma ist inzwischen verstorben, heiratet Gussie den 19 Jahre Älteren, der mittlerweile Oberbürgermeister von Köln ist und drei Kinder mit in die Ehe bringt. Ihm zuliebe konvertiert sie zum katholischen Glauben. Aus der Ehe gehen fünf Kinder hervor, das erste Kind stirbt 4 Tage nach der Geburt. Gussie widmet sich hingebungsvoll ihrer großen Familie und engagiert sich auf politischem und sozialem Gebiet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verliert Adenauer sein politisches Amt und ist gezwungen, unterzutauchen. Seine Frau wird verhaftet und muss eine folgenschwere Entscheidung treffen.
     
    Auf einer zweiten Erzählebene blickt die inzwischen 52-jährige und dem Tode geweihte Gussie während ihrer letzten Tage auf ihr Leben zurück. Sie erinnert sich an die Zeit, als sie noch bei den Eltern lebte, an ihren liebevollen Vater, der seiner neugierigen und wissbegierigen Tochter alle Fragen beantwortete und immer für sie da war. Er ist ganz anders als ihr ruhiger Ehemann, dessen Schweigen sie so oft zur Verzweiflung bringt und dem es schwerfällt, sein Herz zu öffnen und seine Gefühle zu zeigen.
     
    Das Buch ist in einfacher Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Wir lernen Gussie als fröhliches Mädchen kennen, das mit Hingabe Geige spielt, eine gute Schülerin ist und dem ein Studium verwehrt wird, weil es als höhere Tochter für die Ehe bestimmt ist. Gussie gewinnt mit ihrer lieben und lebensfrohen Art sehr schnell die Herzen ihrer Stiefkinder und ist Adenauer eine liebende Ehefrau. Der Autor bringt uns mit viel Empathie nicht nur ihre Persönlichkeit nahe, sondern auch ihre Enttäuschung über das Schweigen ihres Mannes, Kummer, Leid, Schuldgefühle und ihre lebenslange Trauer über den Tod des erstgeborenen Kindes. 
     
    Gussies Lebensgeschichte ist sorgfältig recherchiert und spannend erzählt. Auch der politische Hintergrund und die schwierigen Lebensbedingungen während der NS-Zeit sind sehr gut dargestellt.
    Die Beschreibung Gussies letzter Lebenstage hat mich leider nicht überzeugt, ich fand sie stellenweise recht unrealistisch und insgesamt zu rührselig dargestellt. Das Buch beruht auf vielen tatsächlichen Begebenheiten, da wundert es mich, dass die allen Kapiteln vorangestellten Briefauszüge nicht Gussies tatsächlicher Korrespondenz entnommen wurden, sondern nur fiktiv sind. 
     
    Nicht unerwähnt lassen möchte ich das schöne Cover mit dem Auszug eines Gemäldes, das Helene von der Leyen 1927 im Auftrag Konrad Adenauers von dessen damals 32-jähriger Frau angefertigt hat. Das vollständige Bild ist auf der ersten und der letzten Buchseite dargestellt. 
    Solito Javier Zamora
    Solito (Buch)
    08.07.2024

    Erschütternde und bewegende Fluchtgeschichte

    In seinem Debüt "Solito" erzählt Javier Zamora seine eigene, sehr persönliche Geschichte. Er ist 9 Jahre alt und lebt bei seinen Großeltern und seinen Tanten in einem kleinen Ort in El Salvador. Seine Eltern haben wegen des Bürgerkriegs ihre Heimat verlassen, den Vater hat Javier mit zwei Jahren zum letzten Mal gesehen. Die Mutter folgte dem Vater drei Jahre später. Im März 1999 beauftragen Javiers Eltern den Schlepper Don Dago, ihren Sohn zu ihnen nach Kalifornien zu bringen. Die Reise soll zwei Wochen dauern. Am 6. April ist es soweit, außer Javier und Don Dago werden noch 6 weitere Personen dabei sein.

    Die Flucht ist schwierig und gefährlich, viele Meilen müssen in mehreren Etappen mit dem Boot, in Bussen, LKWs und zu Fuß bewältigt werden. Immer wieder stößt die Gruppe an ihre körperlichen Grenzen, die langen Fußmärsche in nächtlicher Kälte und sengender Hitze bei Tag über viele Stunden sowie Hunger und quälender Durst machen ihr zu schaffen. Zwischen den Etappen kommt es zu Wartezeiten, die die Flüchtlinge meistens hinter verschlossenen Türen in heruntergekommenen Häusern verbringen müssen.

    Javier Zamora erzählt die Fluchtgeschichte als Ich-Erzähler und gewährt uns dabei einen intensiven Blick in die Seele und Gedanken des 9-jährigen Jungen, der er damals war. Wir begleiten ihn auf der langen Reise und erleben nicht nur seine Sorgen, Nöte und Ängste, sondern spüren auch seine Einsamkeit und seine Sehnsucht nach körperlicher Nähe und Zuwendung. Er passt sich der Gruppe an, möchte tapfer und stark sein, seine Eltern sollen stolz auf ihren Jungen sein. 

    Die bewegende Geschichte über die siebenwöchige Odyssee ist packend und mitreißend in schöner Sprache erzählt. Sie hat mich gleichermaßen gefesselt und erschüttert, die emotionalen Abschiedsszenen haben mich zu Tränen gerührt. Ich habe mit Javier mitgelitten und ihm gewünscht, dass alles gut geht und er bald seine Eltern wiedersehen darf. 
    Die Figuren sind authentisch beschrieben, neben Javier habe ich Patricia in mein Herz geschlossen, die sich des Jungen annimmt, und Chino, der sich selbstlos um andere kümmert und Javier Sicherheit und Nähe gibt.

    In dem Buch geht es um Familie, Mitgefühl, Mut und Nächstenliebe, Ausdauer und Hoffnung, und es behandelt das wichtige und aktuelle Thema Migration. Es hat mich traurig und wütend gemacht wegen der Schwierigkeiten und Gefahren, denen Menschen ausgesetzt sind, die sich auf die Flucht in ein fremdes Land begeben, um dort ein besseres und sicheres Leben zu führen.

    Der Autor verwendet zahlreiche spanische Ausdrücke und Redewendungen, deren Übersetzung in einem 16-seitigen Glossar am Buchende zu finden ist. Der Lesefluss leidet leider durch das häufige Vor- und Zurückblättern. Ich finde, es ist nicht unbedingt erforderlich, jedes spanische Wort zu verstehen, um zu begreifen, was passiert. Vieles ergibt sich aus dem Zusammenhang, ich habe daher weitgehend darauf verzichtet, mir die Übersetzungen anzusehen.

    Absolute Leseempfehlung für dieses mitreißende Buch, das unter die Haut geht! 
    Das erste Licht des Sommers Daniela Raimondi
    Das erste Licht des Sommers (Buch)
    27.06.2024

    Großartige und faszinierende Fortsetzung mit Tiefgang

    Die italienische Schriftstellerin Daniela Raimondi hat mit "Das erste Licht des Sommers" einen Generationenroman über die Familie Casadio geschrieben, der an ihren Debütroman "An den Ufern von Stellata" anknüpft, welcher es 2020 auf Anhieb auf die italienische Bestsellerliste geschafft hatte. Die Bücher können durchaus unabhängig voneinander gelesen werden, ich denke aber, dass das Lesevergnügen gesteigert wird, wenn man das erste Buch gelesen hat und die Familienstrukturen und Zusammenhänge bereits kennt.

    Im Mittelpunkt der Geschichte steht Norma Martiroli, die 1947 geboren wird. Ihre Eltern Guido und Elsa sind erst 20 Jahre alt, als sie aufgrund Elsas unverhoffter Schwangerschaft heiraten. Normas Mutter bringt ihrer Tochter wenig Zuneigung entgegen, während Guido ihr ein herzlicher und liebevoller Vater ist. Ihre Cousine Donata, die Tochter von Guidos Zwillingsbruder Dolfo und dessen Frau Zena, ist ihre liebste Freundin. Regelmäßig verbringt Norma die Sommerferien bei ihren Großeltern in Stellata, wo sie den gleichaltrigen Elia kennenlernt. Die beiden sind als Kinder unzertrennlich und treffen sich während der Ferien jeden Tag zum Spielen. Ihre Wege trennen sich, und erst Jahre später begegnen sie sich in London wieder, wo Norma nach einem Schicksalsschlag auf eine Sprachenschule geht. Norma und Elia verlieben sich ineinander und heiraten ... 

    Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Wir begleiten Norma über eine Zeitspanne von fast 70 Jahren, vom Tag ihrer Geburt bis 2015. Die zweite Erzählebene erstreckt sich über einen Zeitraum von nur wenigen Monaten. Norma kehrt mit ihrer schwer an Krebs erkrankten Mutter Elsa nach Stellata zurück, um sie während ihrer letzten Lebensphase zu unterstützen und zu begleiten.

    Das Buch ist in wunderschöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Wir begleiten Norma auf ihrem Lebensweg, erleben ihre Kindheit, Liebe und Glück, aber auch ihre Tragödien und ihr Leid. Liebevoll und mit viel Empathie beschreibt Daniela Raimondi neben Norma auch die anderen Familienmitglieder mit ihren Emotionen, Gedanken und Träumen.
    Ich konnte in Normas Leben und ihre Gefühls- und Gedankenwelt eintauchen, habe mich mit ihr gefreut und war traurig über ihre Enttäuschungen und Schicksalsschläge. Es war schön, vielen Personen aus dem ersten Band wieder zu begegnen, neue Menschen kennenzulernen und ihre Wege zu verfolgen. 

    Die Autorin beschreibt Normas Beziehung zur Mutter sehr beeindruckend. Ich konnte gut nachfühlen, dass Norma unter Elsas Gefühlskälte sehr gelitten hat und es sie ein Leben lang schmerzte, dass es nie eine herzliche Umarmung von ihrer Mutter gegeben hat. Sehr berührend fand ich, dass sie Elsa trotz des schwierigen Verhältnisses auf dem letzten Stück ihres Weges begleitet hat.

    Sehr gut gefallen hat mir, dass die Autorin wie bereits im ersten Buch das Leben der Familienmitglieder mit den jeweiligen geschichtlichen und politischen Gegebenheiten und Ereignissen verknüpft hat. Ich habe das vollkommen kitschfreie Buch, in dem es neben Familie und Freundschaft, Liebe, Verrat und Verzeihen auch um die Offenbarung eines gut gehüteten Geheimnisses sowie seherische Fähigkeiten geht, mit großer Begeisterung gelesen, es hat mich von Beginn an bis zum stimmigen Ende gefesselt und zutiefst berührt. 

    Ich war bereits von "An den Ufern von Stellata" sehr angetan und hatte daher hohe Erwartungen an die Fortsetzung - ich bin nicht enttäuscht worden und vergebe sehr gern 5 Sterne.

    Absolute Leseempfehlung!
    Das Waldhaus Liz Webb
    Das Waldhaus (Buch)
    17.06.2024

    Spannendes Debüt

    In ihrem Thrillerdebüt "Das Waldhaus" erzählt die britische Autorin Liz Webb die Geschichte der 37-jährigen Hannah Davidson. Die Ich-Erzählerin hat ein massives Alkoholproblem, als sie sich dazu entschließt, ihren Job in einem Schreibwarenladen aufzugeben und in ihr Elternhaus zurückzukehren, um ihren demenzkranken Vater Philip, einen ehemaligen Physikprofessor, zu versorgen. Ihre Mutter Jennifer lebt nicht mehr, sie ist vor 23 Jahren unter mysteriösen Umständen im Wald hinter dem Haus ums Leben gekommen. Ob es sich um Mord oder Selbstmord handelte, konnte nicht geklärt werden. Philip ging in den vorzeitigen Ruhestand, veröffentlichte nie wieder ein Buch und lebt seither völlig zurückgezogen. Reece, Hannahs älterer Bruder, ist fest davon überzeugt, dass der Vater die Mutter getötet hat. Er hat sein Elternhaus zwei Wochen nach dem Tod der Mutter verlassen, um in Cambridge zu studieren. Mittlerweile ist er ein unter dem Namen Ryan Patterson erfolgreicher und beliebter Schauspieler. Der Kontakt zwischen den Geschwistern wurde im Laufe der Jahre immer weniger und ist inzwischen weitgehend eingeschlafen.

    Hannah hat ihren Vater nie für schuldig am Tod der Mutter gehalten. Sie ist daher sehr überrascht, als er sie für ihre Mutter hält und um Verzeihung bittet. Hat ihr Vater die Mutter doch ermordet? Hannah will herausfinden, was in der damaligen Nacht passiert ist und bittet Chris Manning, der damals die polizeilichen Ermittlungen leitete und mittlerweile nach einer Schussverletzung im Rollstuhl sitzt und seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, ihr bei der Suche nach der Wahrheit zu helfen ...

    Das Buch ist mehr ein Familiendrama als ein Thriller, dennoch fand ich es spannend. Wir begleiten Hannah bei ihren Ermittlungen und lernen neben den Familienmitgliedern auch die Nachbarn kennen, Libbie und Frank Roberts sowie ihren Sohn Marcus, der einst der beste Freund von Reece war. Auch im beruflichen Umfeld der Mutter, die als Fotografin arbeitete, sowie in ihrem Freundeskreis gibt es verdächtige Personen, zu denen Hannah Kontakt aufnimmt. Es kommt zu einigen Wendungen, der Aufdeckung von Familiengeheimnissen und unerwarteten Erkenntnissen über das Leben der Mutter, so dass die Suche nach dem Täter trotz der geringen Anzahl Verdächtiger spannend bleibt.

    Der spektakuläre Showdown ist für meinen Geschmack etwas zu dick aufgetragen, und das Ende hätte ich mir weniger kitschig gewünscht. Die Charaktere sind sehr gut skizziert, allen voran Hannah, die nicht gerade sympathische und anstrengende junge Frau, die bis zur Bewusstlosigkeit trinkt. Gut gefallen haben mir die Beschreibungen der unterschiedlichen Familienbeziehungen, ganz besonders die Beziehung der Geschwister zueinander. Das Buch liest sich sehr flüssig, und ich habe mich gut unterhalten gefühlt. Der Autorin ist es gelungen, mich auf falsche Fährten zu locken, erst kurz vor dem Ende habe ich die Auflösung geahnt.

    Ich empfehle das Buch allen Lesern, die gern ruhig geschriebene Thriller mit viel familiärem Beiwerk lesen.
    Die Vermesserin der Worte Katharina Seck
    Die Vermesserin der Worte (Buch)
    10.06.2024

    Konnte mich leider nicht überzeugen

    Im Mittelpunkt von "Die Vermesserin der Worte", dem neuen Roman von Katharina Seck, steht die 29-jährige Schriftstellerin Ida Hermann. Nach ihrem Studium und einigen Jahren bei einer Lokalzeitung arbeitet sie nun als freie Autorin. Seit vier Monaten hat sie eine Schreibblockade und wird bald die Miete für ihre winzige Einzimmerwohnung nicht mehr aufbringen können. Auch der Kühlschrank ist leer, sie braucht dringend eine Arbeit. Durch einen Tipp ihres Briefträgers Theobald erfährt sie, dass für ein großes Anwesen im Grünen eine Haushaltshilfe gesucht wird. Ida hat Glück und wird eingestellt. Ihr neuer Arbeitsplatz befindet sich in einem abgelegenen Dorf, und ihre Arbeitgeberin, Ottilie Selig, ist eine alte Dame, die ihr mit Zurückhaltung und Ablehnung begegnet. Im Ort ist man auf Ottilie, die von den Einwohnern als "Die Herrin des papiernen Anwesens" bezeichnet wird, nicht gut zu sprechen ...

    Das Buch beginnt sehr vielversprechend, liest sich leicht und flüssig. Wir lernen die junge Ida kennen, die in dem heruntergekommenen Haus von Ottilie damit beschäftigt ist, jahrzehntealten Schmutz und Staub zu beseitigen. Schnell wird ihr klar, dass die alte Dame Gedächtnislücken hat. Ganz behutsam nähern sich die Frauen an, und Ottilie bittet Ida, ihr eine Geschichte zu erzählen. Ab diesem Moment wird aus dem Roman ein Märchen, eine Fantasy-Geschichte, an der ich schnell die Lesefreude verloren habe. Die Handlung wird seicht, kitschig und vorhersehbar. Es geht gewaltig an der Realität vorbei, besonders im Zusammenhang mit dem ernsten Thema Demenz. Da werden Ottilie Weisheiten und Sätze in den Mund gelegt, die eine Demenzkranke ihres fortgeschrittenen Stadiums niemals äußern könnte. Die romantisierende Darstellung der Krankheit fand ich unerträglich.

    Das Putzthema nimmt in meinen Augen übertrieben viel Raum ein, dadurch kommt es zu häufigen Wiederholungen. Gut gefallen haben mir die Beschreibung der Kunst des Buchbindens und die Unterteilung des Buches in einzelne Kapitel mit passenden, gut gewählten Überschriften. 

    Wer ein Faible für sogenannte Wohlfühlromane mit Fantasy-Elementen hat, wird das Buch vielleicht mögen - für mich war es leider nicht das Richtige.
    25 letzte Sommer Stephan Schäfer
    25 letzte Sommer (Buch)
    07.06.2024

    Kluge und warmherzige Geschichte über das Leben

    In seinem Debütroman "25 letzte Sommer" erzählt Stephan Schäfer die Geschichte eines gestressten Mannes, der gefangen ist in seinem hektischen Alltag. Der namenlose Ich-Erzähler verbringt das Wochenende wie so oft auf dem Land in einem kleinen Haus, diesmal allerdings ohne seine Frau und die Kinder. Es gelingt ihm nicht, abzuschalten, die Gedanken kreisen in seinem Kopf, Emails sind zu lesen und zu beantworten, dienstliche Anrufe sind zu erledigen. Er erhofft sich Entschleunigung, indem er seine Joggingschuhe anzieht und einfach losläuft. Ganz spontan beschließt er, im nahe gelegenen Badesee zu schwimmen. Dort begegnet er einem älteren Mann, der sich ihm als Karl vorstellt. Sie kommen ins Gespräch, und Karl lädt den Ich-Erzähler zu sich auf seinen Hof ein. Obwohl dieser eine umfangreiche To-do-Liste abzuarbeiten hat, nimmt er die Einladung an. 
     
    Mit ganz wunderbaren Worten und viel Empathie erzählt der Autor die Geschichte zweier Männer, die sich in langen und intensiven Gesprächen austauschen. Sie nähern sich langsam einander an, öffnen sich und erzählen aus ihrem Leben. Karl zeigt ehrliches Interesse an seinem Gast, der nicht nur offen und ehrlich auf seine Fragen antwortet, sondern ihm auch die traumatischen Ereignisse seines Lebens anvertraut. Auch Karl erzählt von seiner Vergangenheit und seiner Einstellung zum Leben. Er hat vor vielen Jahren eine wichtige Lebensentscheidung getroffen, genießt seinen Alltag und liebt seine Tätigkeit als Kartoffelbauer. Die beiden unterschiedlichen Männer lernen sich immer besser kennen und werden zu Freunden.

    Die warmherzige und ruhig erzählte Geschichte, in der es um Freundschaft, Lebensträume und Entschleunigung geht, hat mir sehr gut gefallen. Sie regt den Leser dazu an, sich auf das Wesentliche zu besinnen und seine Prioritäten zu überdenken, vielleicht dabei auch den eigenen Internetkonsum auf den Prüfstand zu stellen. Der Roman enthält viele Lebensweisheiten und macht nachdenklich. Ich mochte die sympathischen Protagonisten, hier den gehetzten Ich-Erzähler, dort den ausgeglichenen und in sich ruhenden Karl und habe durch ihren intensiven Austausch viele Denkanstöße erhalten. 

    Hervorheben möchte ich, dass nicht nur der Schutzumschlag, sondern auch der Einband des Buches in wunderschönen Farben kunstvoll und liebevoll gestaltet ist.
    "25 letzte Sommer" ist eine Bereicherung für jeden Bücherschrank - absolute Leseempfehlung!
    51 bis 75 von 294 Rezensionen
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