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    Bücherfreundin

    Aktiv seit: 04. September 2021
    "Hilfreich"-Bewertungen: 64
    300 Rezensionen
    Frau Hempels Tochter. Roman Alice Berend
    Frau Hempels Tochter. Roman (Buch)
    15.02.2025

    Wunderbare Wiederentdeckung

    Der Reclam Verlag hat "Frau Hempels Tochter", den Roman der deutsch-jüdischen Autorin Alice Berend, der erstmalig 1913 erschienen ist, in überarbeiteter Fassung neu veröffentlicht.

    Im Mittelpunkt der Geschichte steht Lina Hempel, die mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter Laura in einem Berliner Mietshaus lebt, in dem viele sehr unterschiedliche Menschen wohnen. Ihr Mann ist Schuster, während Lina als Portiersfrau tätig ist. Sie ist die gute Seele des Hauses, hilft jedem, der Hilfe benötigt und kümmert sich um die Wohnungen und Haustiere, wenn die Bewohner verreist sind. Hempels führen ein bescheidenes, aber zufriedenes Leben, und die fleißige Lina nimmt jede hauswirtschaftliche Arbeit an, um etwas dazuzuverdienen. Sie spart eisern, denn ihre zarte und schöne Tochter soll es einmal besser haben als ihre Eltern.

    Lauras Schulzeit ist zu Ende, und sie wird von Herrn Bombach, dem Hausbesitzer, als Kindermädchen für den neugeborenen Stammhalter eingestellt. Doch schon bald, Laura ist gerade 17 Jahre alt, wechselt sie in den Haushalt des Sohns vom Bankdirektors und dessen Ehefrau und arbeitet dort als Hausangestellte und Zofe. Auch sie träumt von einem besseren Leben, aber ist der junge Graf Egon aus verarmtem Adel von gegenüber, den sie so anziehend findet, der Richtige für sie?

    Die Autorin erzählt die Geschichte über die fleißige Portiersfrau in der Sprache der zwanziger Jahre. Mit viel Herz und noch mehr Humor beschreibt sie Linas Träume und den Alltag der Hempels. Das Buch hat einen ganz besonderen Erzählstil und liest sich sehr flüssig. Die Charaktere sind so wunderbar und authentisch skizziert, dass ich sie mir gut vorstellen konnte. Meine absolute Lieblingsfigur war die fleißige und strebsame Lina, die in einer dunklen Kellerwohnung lebt und von einem Haus mit zwei Zimmern, Schornstein und zwei kleinen Gärten träumt. Ich mochte ihre zupackende Art und Zielstrebigkeit, aber auch ihren Mut, vollkommen neue Wege zu gehen.

    "Frau Hempels Tochter" hat mir sehr gut gefallen, ich liebte den herrlichen Humor der Autorin und ihre präzise Schilderung des Lebens in einem Berliner Mietshaus. Ich habe mich von dem Buch, das vom Kernthema her zeitlos ist, bestens unterhalten gefühlt, auch wenn ich das Ende etwas unrealistisch fand.

    Alice Berend war als Autorin von etwa 25 Romanen äußerst erfolgreich, bis die Nationalsozialisten ihre Bücher verboten und verbrannten. Sie wanderte in die Schweiz aus und lebte später in Italien, wo sie 1938 im Alter von 63 Jahren mittellos starb. Weitere Informationen finden sich im auch sehr lesenswerten 11-seitigen Nachwort der Germanistin und Publizistin Margret Greiner am Ende des Buches.

    Absolute Leseempfehlung für diese wunderbare Wiederentdeckung!
    Von hier aus weiter Susann Pásztor
    Von hier aus weiter (Buch)
    13.02.2025

    Berührend und unterhaltsam

    In ihrem neuen Roman "Von hier aus weiter" erzählt Susann Pásztor die Geschichte der pensionierten Grundschullehrerin Marlene, die nach dem Selbstmord ihres Mannes jeglichen Lebensmut verloren hat. Rolf litt an einer unheilbaren Krebserkrankung und wollte selbstbestimmt aus dem Leben scheiden. Nun ist Marlene nach 30 Jahren, die sie mit ihrem Mann zusammen war, wieder allein und betäubt ihren Schmerz und ihre Wut mit Alkohol und Beruhigungsmitteln. Ihre Freundin Ida, die fünf Jahre zuvor Rolfs Arztpraxis übernommen hat, macht sich Sorgen um Marlene und rät ihr zum Besuch einer Trauergruppe.
     
    Marlenes Leben ändert sich mit dem Erscheinen des Klempners Jack, der ihre Dusche repariert und sich als einer ihrer ehemaligen Schüler entpuppt. Da er gerade wohnungslos ist, stellt sie ihm ganz spontan ihr Gästezimmer zur Verfügung, bis er eine neue Bleibe gefunden hat. Seine Anwesenheit tut Marlene gut, er ist ein angenehmer und respektvoller Untermieter, der sich um die Mahlzeiten kümmert und wieder Struktur in ihren Alltag bringt. Als Marlene beschließt, nach Wien zu ihrer alten Schulfreundin Wally zu fahren, die ihr einen Brief von Rolf geben möchte, bieten Jack und Ida, die sich gerade behutsam einander annähern, ihr an, sie auf dieser Reise zu begleiten ...
     
    Das Buch ist in schöner Sprache geschrieben, äußerst humorvoll und liest sich sehr flüssig. Die Figuren sind ganz wunderbar und liebevoll beschrieben, besonders die trauernde und auf ihren Mann wütende Marlene, der es nach ihrem schweren Verlust schwerfällt, nach vorn zu sehen und zurück ins Leben zu finden. Auch der patente und feinfühlige Jack, der sich um Marlene kümmert, ohne aufdringlich zu sein, war mir sehr sympathisch. Ich mochte den mit Leichtigkeit und Tiefgang geschriebenen Roman, in dem es nicht nur um Verlust und Trauerbewältigung, sondern auch um Liebe und die Kraft der Freundschaft geht. Ich habe die Geschichte, in der es trotz des ernsten Themas viele lustige Momente, ein wenig Slapstick und etwas Mystik gibt, sehr gern gelesen, sie hat mich gleichermaßen berührt, amüsiert und nachdenklich gemacht. 

    Susann Pásztor ist es gelungen, mit viel Herz, Humor und Empathie ein tiefgründiges Buch mit einem hoffnungsvollen Ende zu schreiben - Leseempfehlung!
    Nacht der Ruinen Cay Rademacher
    Nacht der Ruinen (Buch)
    13.02.2025

    Großartiger historischer Kriminalroman

    "Nacht der Ruinen", der neue Kriminalroman von Cay Rademacher, spielt im März 1945 und führt den Leser in die von den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg zerstörte Stadt Köln.

    Der amerikanische Bomberpilot Richard Rohrer befindet sich mit seinem Flugzeug über Köln, als die Maschine angeschossen wird und abstürzt. Es ist der 31. Einsatz des 23-Jährigen und der letzte Großangriff auf Köln. Er kann sich mit seinem Fallschirm retten und landet in der Kirche Sankt Kolumba. Doch schon bald wird er Opfer eines Lynchmords.

    Joe Salmon, der als Joseph Salomon in Köln aufgewachsen ist und nach der "Reichskristallnacht" im November 1938 mit seinen Eltern nach Amerika emigrieren konnte, ist Jude. Nun kommt er als amerikanischer Soldat zurück in die Domstadt und erhält im Hauptquartier der Army den Auftrag, den Mord an Rohrer aufzuklären. Der Krieg ist fast vorbei, Köln liegt in Schutt und Asche, die Amerikaner haben die Stadt besetzt. In den Ruinen leben nur noch 20.000 Menschen, von ehemals 58.000 Häusern sind nur noch 300 intakt. Nachdem die Wehrmacht die letzte Brücke gesprengt hat, bildet nun der Rhein die Front.
    Gemeinsam mit dem englischen Kriegsreporter George Orwell begibt sich Joe nicht nur auf die Suche nach dem Mörder des Piloten, er will auch seinen besten Freund Jakub finden und Hilda, die junge Frau, in die Jakub und er verliebt waren ....

    Die Geschichte, die einen Zeitraum von 17 Tagen umfasst, ist in klarer Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Sie hat mich von Beginn an gefesselt und in ihren Bann gezogen. Es war spannend, Joe bei seiner Mördersuche und der Suche nach Jakub und Hilda zu begleiten. Dabei begegnet er auch historischen Persönlichkeiten, die in Köln gelebt haben, wie Konrad Adenauer, Hans Habe und Irmgard Keun. Der Roman ist sehr spannend, es gibt überraschende Wendungen, und mehrmals führte mich der Autor auf falsche Fährten. Neben der Krimihandlung beschreibt er sehr eindrucksvoll den Kampf der Menschen ums Überleben, ihren Hunger, die katastrophale Wohnsituation, die schlechten hygienischen Verhältnisse. Er widmet sich auch Themen wie der Verfolgung der jüdischen Bürger und den schrecklichen Machenschaften der Gestapo.

    Cay Rademacher verwebt in seinem Roman gekonnt Geschichte und Fiktion. Dank gründlicher Recherchen und seiner guten Ortskenntnisse zeichnet er ein sehr genaues Bild von der zerstörten Stadt Köln. Dieses Bild ging mir unter die Haut, da ich Köln und viele der im Roman erwähnten Örtlichkeiten gut kenne.

    Sehr häufig findet das Wort "dammit" Verwendung, das hat mich schnell genervt. Dennoch habe ich das Buch, in dem es neben der Mördersuche und dem Kriegsgeschehen auch um Liebe und Freundschaft geht, sehr gern gelesen. Das Ende hat mich überrascht und erschüttert. Absolute Leseempfehlung!
    Fernwehland Kati Naumann
    Fernwehland (Buch)
    09.02.2025

    Mitreißende und warmherzige Geschichte

    "Fernwehland", der neue Roman von Kati Naumann, ist für mich das zweite Buch der Autorin. Während sie in "Sehnsucht nach Licht" die Geschichte von Familien erzählt, die im Erzgebirge im Bergbau arbeiten, geht es in ihrem neuen Buch um die Schifffahrt, wobei das Kreuzfahrtschiff "Astoria" im Fokus steht, das 1946 unter dem Namen "Stockholm" in See stach und von 1960 bis 1985 als "Völkerfreundschaft" für die DDR fuhr.

    Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Wir schreiben das Jahr 1919, als Henri und Simone in England eine Kreuzfahrt mit der "Astoria" antreten. Es wird für sie eine Reise in die Vergangenheit, denn die beiden haben sich vor 46 Jahren auf der "Völkerfreundschaft" kennengelernt. Henri war damals Matrose, während Simone als Stewardess arbeitete. An Bord lernen sie die Schwedin Frida kennen, die als Kind die Taufe des Schiffs erlebte, und bald gesellt sich die junge Elli, die ein Geheimnis zu haben scheint, zu ihnen.

    Der zweite Erzählstrang führt uns im Jahr 1938 nach Kötzschenbroda, einem kleinen Ort nahe Dresden. Die junge Dora hat ihren Ehemann durch ein Unglück verloren und lebt nun mit ihrem kleinen Sohn Erwin bei den Schwiegereltern. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, arbeitet sie auf einem Ausflugsschiff und sieht ihr Kind nur noch selten. Der Junge begeistert sich schon früh für die Schifffahrt und lernt heimlich zu schwimmen. Nach den harten Jahren des Zweiten Weltkriegs wird er Schiffsjunge auf einem Dampfschiff. Sein großer Traum ist es jedoch, zur See zu fahren ...

    Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von etwa acht Jahrzehnten. Während wir Henri, Simone und Frida im Jahr 2019 auf ihrer Kreuzfahrt begleiten, sehen wir in Rückblicken den kleinen Erwin aufwachsen und lernen mit Henri und Karin die nächste Generation kennen. Wir begleiten Henri, Simone und Frida durch die Jahre, erleben ihre Höhen und Tiefen, ihre Schicksalsschläge und Enttäuschungen. Die Autorin lässt uns nicht nur in das Leben der Protagonisten eintauchen, sie ermöglicht uns auch intensive Einblicke in den Alltag und die damaligen Verhältnisse in der DDR, als Menschen durch die Behörden schikaniert wurden, wenn Familienmitglieder der Stasi nicht linientreu erschienen.

    Die Geschichte ist in klarer Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Mit viel Liebe und Empathie, dabei vollkommen authentisch, beschreibt Kati Naumann ihre Charaktere. Meine Lieblingsfigur war Dora, die ihrem Sohn eine liebevolle Mutter ist und später Erwin und Marion unterstützt und entlastet, wo sie nur kann. Dabei verzichtet sie auf die ersehnte eigene berufliche Erfüllung.

    Ich habe das Buch, in dem es um Liebe und Freundschaft, Heimat, Sehnsucht und Lebensträume geht, mit sehr viel Freude gelesen. Der Zeitgeist ist ganz wunderbar eingefangen, und ich habe vieles über die Schifffahrt und die Arbeit an Bord erfahren. Sehr gut gefallen hat mir, dass die Handlung mit den damaligen historischen Ereignissen verknüpft ist. Das Buch ist gespickt mit viel Detailwissen, auf den letzten Seiten finden wir neben einem Interview mit der Autorin eine Zeittafel und technische Daten. Alle 12 Namen des Schiffes sind ebenso aufgelistet wie die Zutaten für den Spezialcocktail Völkerfreundschaft.

    Absolute Leseempfehlung für den packenden und hervorragend recherchierten Roman!
    Halbe Leben Susanne Gregor
    Halbe Leben (Buch)
    03.02.2025

    Fesselnder Roman mit wichtigem Thema

    In ihrem neuen Roman "Halbe Leben" erzählt Susanne Gregor die Geschichte der österreichischen Familie Steiner und der slowakischen Pflegekraft Paulína. Klara und Paulína befinden sich auf einer Bergwanderung, als das schreckliche Unglück geschieht. Die 38-jährige Klara, die im vierten Monat schwanger ist, stürzt 50 Meter in die Tiefe und stirbt auf dem Transport ins Krankenhaus. Was ist passiert, wie konnte es zu der Tragödie kommen?

    In Rückblicken wird nun nach und nach das Leben von Klara, ihrer Mutter Irene und Paulína aufgeblättert.
    Klara ist eine erfolgreiche Architektin, die mit ihrem Mann Konrad und der gemeinsamen Tochter Ada in einem großen Haus lebt. Ihr Alltag ist gut organisiert, Irene unterstützt die kleine Familie regelmäßig. Als sie einen Schlaganfall erleidet, kümmert sich Karla drei Monate lang um ihre vergessliche und zum Pflegefall gewordene Mutter. Von Konrad, der freiberuflich als Fotograf arbeitet, erhält sie dabei wenig Unterstützung. Schon bald stößt sie an ihre Grenzen, und die Familie beschließt, Irene zu sich in ihr Haus zu holen und von einer Pflegekraft betreuen zu lassen. Von nun an kümmert sich die Slowakin Paulína, die bereits ihre eigene Mutter gepflegt hat, um Irene. Sie arbeitet in wechselndem Rhythmus, zwei Wochen ist sie bei der Familie Steiner, danach für zwei Wochen in ihrer Heimat. Während ihrer Abwesenheit wird Irene von Radek betreut, einem Pfleger. Alle sind zufrieden, die Probleme scheinen gelöst.

    Das Buch beschreibt sehr eindrucksvoll den Alltag der Familie Steiner und ihrer Pflegekraft, die sehr schnell die Herzen der Familienmitglieder gewinnt und für alle bald unentbehrlich wird. Paulínas Arbeitskraft wird geschätzt und honoriert, doch niemand interessiert sich wirklich für sie als Person, niemand bemerkt, wie sehr sie sich nach ihren beiden Kindern sehnt und welche Sorgen sie sich um ihre bei ihrer Schwiegermutter lebenden Söhne macht.

    "Halbe Leben" hat mir sehr gut gefallen, ich mochte die schöne Sprache der Autorin und ihren ruhigen Erzählstil. Die Figuren hat sie bildhaft und authentisch gezeichnet. Das Buch hat mich vom Anfang bis zum Ende gefesselt und begeistert. Ich konnte mich gut in jede der Hauptpersonen hineinversetzen und ihre Handlungsweisen nachvollziehen. Die Geschichte verdeutlicht die Situation der osteuropäischen Pflegekräfte, die ihre Heimat verlassen, um ihre daheim gebliebenen Familien finanziell zu unterstützen, und beschreibt sehr eindrucksvoll die damit verbundenen Probleme und Belastungen.

    Meine Lieblingsfigur war Paulína, die ein Leben zwischen zwei Welten führt. Die Autorin lässt uns tief in ihre Gefühls-und Gedankenwelt blicken, und ich konnte ihre innere Zerrissenheit und die Sorge um ihre Söhne, zu denen sie trotz häufiger Telefonate zunehmend den Zugang verliert, sehr gut nachempfinden. Ich mochte aber auch Klara, die sich ständig bemüht, allen Anforderungen gerecht zu werden, die sowohl von ihrer Familie als auch von ihrem Chef an sie gestellt werden. 

    Absolute Leseempfehlung für die bewegende und berührende Geschichte, die mich betroffen gemacht hat und noch lange nachwirken wird. 

    Als wir im Schnee Blumen pflückten Tina Harnesk
    Als wir im Schnee Blumen pflückten (Buch)
    25.01.2025

    Melancholische Familiengeschichte

    In ihrem mit einem wunderschönen Cover gestalteten Debütroman, der in Schweden als Buch des Jahres 2023 ausgezeichnet wurde, erzählt die schwedische Autorin Tina Harnesk die Geschichte eines hochbetagten Ehepaares, das in Nordschweden in einem alten, heruntergekommenen Haus lebt und zunehmend verwahrlost.

    Als die alte Samin Máriddja von ihrer Ärztin erfährt, dass sie unheilbar an Krebs erkrankt ist, beschließt sie, dass ihr demenzkranker Mann Biera nicht davon erfahren darf, er würde es nicht verkraften. Von einer häuslichen Unterstützung will Máriddja nichts hören. Damit die Behörden sie nicht anrufen können, um sich nach ihrem Zustand zu erkundigen, entsorgt sie auf dem Heimweg kurzerhand ihr Handy. Sie weiß, dass sie bald sterben wird und wünscht sich sehnlichst, ihren Neffen Heaika-Joná wiederzusehen, der vor vielen Jahren bei ihnen lebte und dem sie und Biera ihre ganze Liebe schenkten.

    Auf einer zweiten Erzählebene lernen wir das Ärzteehepaar Kaj und Mimmi kennen. Die beiden sind nach dem Tod von Kajs Mutter von der Stadt aufs Land gezogen und dabei, sich in ihrer neuen Umgebung einzuleben. Das besondere Vermächtnis von Kajs Mutter gibt ihnen Rätsel auf, die es zu lösen gibt.

    Die Geschichte ist in schöner und ruhiger Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Die Figuren sind liebevoll und tiefgründig gezeichnet, ich konnte sie mir gut vorstellen: die eigensinnige und kämpferische Máriddja, die trotz ihrer schweren Krankheit jede Hilfe von außen strikt ablehnt, und der zufriedene Biera, der immer mehr in seiner eigenen Welt versinkt. Kaj und Mimmi fand ich sehr sympathisch, beide sind Ärzte aus Leidenschaft und suchen die Ruhe auf dem Land.

    Auch wenn das Ende der bewegenden Geschichte früh zu erahnen ist, habe ich das Buch, in dem es neben Liebe, Sehnsucht und Heimat auch um Trauer und Elternschaft geht, sehr gern gelesen. Die Passagen, in denen sich Máriddja mit Sire, einer KI-gestützten Telefonstimme, auf Bieras neuem Handy unterhält, sind berührend und amüsant. Neben der Familiengeschichte der Protagonisten habe ich viel über die mir bis dahin unbekannte Geschichte der Samen sowie über ihre Tradtionen, Bräuche und ihren Aberglauben erfahren. Auch die Zwangsaussiedlungen der Samen werden von der Autorin thematisiert. 
    Der Roman enthält zahlreiche samische Begriffe, deren Bedeutung mir nicht bekannt ist. Hier hätte ich mir ein erklärendes Glossar am Ende des Buches gewünscht. 

    Leseempfehlung für diese gefühlvolle und fesselnde Geschichte!
    In einem Zug Daniel Glattauer
    In einem Zug (Buch)
    14.01.2025

    Humorvoller und intelligenter Roman mit Tiefgang

    Im Mittelpunkt des neuen Romans von Daniel Glattauer steht der Schriftsteller Eduard Brünhofer, der mit Liebesromanen bekannt geworden und dessen letztes Buch vor 13 Jahren erschienen ist. Er befindet sich auf einer Zugfahrt von Wien nach München, wo er einen Gesprächstermin mit seinem Verlag hat. Ihm schräg gegenüber sitzt eine Frau frühen mittleren Alters. Sie heißt Catrin Meyr, ist Physio- und Psychotherapeutin und verwickelt Eduard schon bald in ein Gespräch. Zunächst fragt sie ihn intensiv über seinen Beruf aus, worüber er wenig begeistert ist und sich wünscht, dass sie bald aussteigen möge. Doch sie hat das gleiche Ziel wie er und wird nicht müde, ihm weiter indiskrete Fragen zu stellen, inzwischen geht es um sein Privatleben.

    Mit dem für ihn typischen und unnachahmlichen Humor beschreibt der Autor die Gespräche der beiden Protagonisten während der vierstündigen Zugfahrt und lässt uns dabei tief in Eduards Gefühls- und Gedankenwelt blicken. Dieser lässt sich nur ungern ausfragen, doch nach dem Genuss der kleinen Rotweinflaschen im Zugbistro ist er geradezu euphorisch und erliegt Catrins Charme. Seine Zunge lockert sich, und er gibt immer mehr Details seines Privatlebens preis.

    Das Buch ist ganz wunderbar geschrieben, die Dialoge zwischen den gänzlich verschiedenen Protagonisten sind so klug und tiefgründig, dass mir das Lesen eine große Freude war. Es geht in den Unterhaltungen nicht nur um Eduards Beruf, das Leben, die Liebe und Familie, auch das Thema Alkohol bleibt ihm nicht erspart, während Catrin, die von Langzeitbeziehungen nichts hält, eher zögerlich von sich erzählt. Ich mochte den ein wenig schrulligen Ich-Erzähler Eduard, während mir Catrin mit ihrer indiskreten und dreisten Art immer unsympathischer wurde. 

    Daniel Glattauer beweist wieder einmal, wie wunderbar er Humor und Tiefgang miteinander verknüpfen kann. Es ist ihm meisterhaft gelungen, über Gespräche und persönliche Gedanken während einer langen Zugfahrt einen großartigen und unterhaltsamen Roman mit einem überraschenden Ende zu schreiben - absolute Leseempfehlung!
    Wackelkontakt Wolf Haas
    Wackelkontakt (Buch)
    10.01.2025

    Einfach grandios!

    Selten habe ich ein Cover gesehen, das so gut zum Titel gepasst hat wie das von "Wackelkontakt", dem neuen Roman des österreichischen Autors Wolf Haas.

    Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Trauerredner Franz Escher, der auf seinen Elektriker wartet. Die Steckdose in seiner Küche hat einen Wackelkontakt, und Escher vertreibt sich die Wartezeit mit dem Zusammenbau eines Puzzles. Schon bald hat er es fertiggestellt und greift nach einem Buch seines bevorzugten Genres: Mafia-Romane. In seiner aktuellen Lektüre geht es um den jungen italienischen Mafia-Kronzeugen Elio Russo, der viele Menschen verraten hat und nun um sein Leben fürchten muss. Er befindet sich in einem Zeugenschutzprogramm und wartet auf seine Entlassung aus dem Gefängnis. Der Untersuchungsrichter sorgt dafür, dass Sven, ein Drogendealer aus Deutschland, mit ihm die Zelle teilt und ihm die deutsche Sprache beibringt. Elio misstraut seinem Zellengenossen und hält sich nachts mit Hilfe eines Buches so lange wach, bis er sicher ist, dass Sven eingeschlafen ist. Das Buch hat Sven ihm geschenkt, es ist in deutscher Sprache verfasst und handelt von Franz Escher, dessen Steckdose einen Wackelkontakt hat und der schon den halben Tag auf seinen Elektriker wartet ...

    In zwei Erzählsträngen, die der Autor gegen Ende des Buches zu einer einzigen Handlung verwebt, lernen wir Escher und Elio kennen. Während wir Escher nur während einer sehr kurzen Zeitspanne von wenigen Tagen folgen, begleiten wir Elio über etwa zwei Jahrzehnte. Im Rahmen des Zeugenschutzprogramms wird aus Elio Russo nach 3-jährigem Gefängnisaufenthalt Marko Steiner, der sich zunächst in Deutschland und später in Österreich ein neues Leben aufbaut.

    Ich finde die Idee des Autors, zwei unterschiedliche Handlungen in einer fortlaufenden Geschichte ohne einzelne Kapitel zu einer einzigen zu verschmelzen, die auf ein spannendes Finale zusteuert, grandios. Er bedient sich dabei eines Buches im Buch mit ständig hin und her wechselnden Perspektiven. Das ist ihm hervorragend gelungen, die Geschichte  ist von Beginn an spannend und hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Die beiden Figuren sind großartig gezeichnet: hier der etwas schrullige und eigenbrötlerische Escher, dessen Lieblingsbeschäftigung es ist, umfangreiche Puzzles zusammenzusetzen, und dort der patente Marko, dem es schnell gelingt, in seiner neuen Heimat Fuß zu fassen.

    Die ungewöhnliche und teilweise mit sehr viel Humor und Sprachwitz erzählte Geschichte hat mir viel Lesefreude bereitet, Sprache und Erzählstil haben mich sehr beeindruckt.
    Absolute Leseempfehlung für diesen kurzweiligen Roman!
    Wavewalker Suzanne Heywood
    Wavewalker (Buch)
    27.12.2024

    Erschütternde Coming-of-Age-Geschichte

    Die englische Autorin Suzanne Heywood erzählt in ihrem Buch "Wavewalker" die dramatische Geschichte ihrer Kindheit, die sie ab ihrem siebten Lebensjahr auf See verbrachte.

    Für die 6-jährige Sue verläuft Mitte der siebziger Jahre das Leben in England in geregelten Bahnen, als ihr Vater Gordon Cook ihr, ihrer Mutter Mary und dem ein Jahr jüngeren Bruder Jon erklärt, dass sie bald auf den Spuren Captain Cooks wandeln und die Welt umsegeln werden. Gemeinsam mit ihnen werden weitere Personen an Bord sein, die sich an den Kosten beteiligen. Das Abenteuer soll drei Jahre dauern, und genau 200 Jahre nach Captain Cook wird es losgehen. Der Vater muss für die Reise all seine Besitztümer verkaufen, dazu gehört auch das Hotel, das die Eltern neben der Verwaltertätigkeit des Vaters führen. Im nächsten Sommer wird es mit dem Segelschiff Wavewalker losgehen, die Eltern, beide Lehrer, werden ihre Kinder an Bord unterrichten.

    Sues anfängliche Begeisterung verliert sich schnell, als die Wavewalker in gefährliche Gewässer gerät und sie Todesängste erleidet. Sie leistet von klein auf harte Arbeit an Bord, muss bei Orkanen oft tagelang in Dunkelheit unter Deck bleiben. Die so wichtige schulische Ausbildung bleibt ihr versagt, nur halbherzig und sporadisch wird sie von den Eltern unterrichtet. Gravierende Sturmschäden am Schiff zwingen die Familie immer wieder zu wochen- und monatelangen Aufenthalten an Land. Das Geld geht ihnen aus, nur wenn der Vater einer längeren Berufstätigkeit nachgeht, dürfen die Kinder eine öffentliche Schule besuchen. Aus den geplanten 3 Jahren werden 10 lange Jahre ...

    Ich habe die fesselnde und erschütternde Coming-of-Age-Geschichte, die in sachlicher und einfacher Sprache geschrieben ist, sehr gern gelesen. Das Mädchen, das den Traum der Eltern leben musste und sein altes Leben schmerzlich vermisste, hat mir sehr leid getan. Ich konnte nicht verstehen, dass die Eltern nur ihre eigenen Bedürfnisse sahen und dabei die ihrer Kinder weitgehend ignorierten. Sues Entschlossenheit und ihr Wunsch, trotz mangelnder Schulbildung ein Studium zu absolvieren, haben mich sehr beeindruckt.

    Sehr gut gefallen haben mir die zweiseitige Zeichnung im vorderen Innencover, die das Innere der Wavewalker zeigt, sowie die Farb- und schwarz weiß Fotos, die sich in der Buchmitte auf sieben Seiten befinden. Die Karten zu Beginn jeden Kapitels mit Angabe der Orte und Zeitabschnitte fand ich sehr hilfreich, um der Route gedanklich folgen zu können.

    Leseempfehlung für diese wahre und berührende Geschichte!
    Paddy Clarke Ha Ha Ha Roddy Doyle
    Paddy Clarke Ha Ha Ha (Buch)
    12.12.2024

    Bewegender Roman über eine Kindheit in Irland

    Der GOYA Verlag hat den Roman "Paddy Clarke Ha Ha Ha" des irischen Schriftstellers Roddy Doyle in neuer Übersetzung veröffentlicht. Der Autor wurde für sein Buch, das bereits 1993 im Original erschienen ist, mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet.

    Im Mittelpunkt der Geschichte steht der 10-jährige Paddy Clarke, der gemeinsam mit seinem Bruder Francis, den er Sinbad nennt, und den beiden Schwestern im Irland der 60iger Jahre aufwächst. Die Eltern leben mit ihren Kindern in einem kleinen Einfamilienhaus in Barrytown, einem Vorort von Dublin. Paddy und sein bester Freund Kevin gehören einer Clique an, die Fußball spielt, durch die Stadt zieht und nicht nur viele Streiche spielt, sondern auch vor Ladendiebstählen und Brandstiftung nicht zurückschreckt.

    Wir lesen keine fortlaufende und zusammenhängende Handlung, sondern recht kurze Abschnitte über Paddys Alltag in der Familie, der Schule und in seiner Freizeit. Es hat mir gut gefallen, dass das Buch in der Ich-Form erzählt ist. Dadurch erleben wir Paddys Leben hautnah aus Sicht und in der Sprache eines Kindes. Wir folgen seinen Gedanken und lernen ihn, seine Familie und Freunde nach und nach immer besser kennen. Paddy ist ein intelligenter Junge, der beobachtet, wie sich die Welt um ihn herum verändert. Seinen kleinen Bruder ärgert und quält er gnadenlos ohne jegliches Schuldgefühl. Im Umgang mit seinen Freunden ist es ihm wichtig, mutig und hart zu sein.

    Ich hatte meine Probleme mit Paddy wegen seiner Gewaltbereitschaft, seinem mangelnden Unrechtsbewusstsein und der Art, wie er Francis behandelt. Doch er beweist, dass er auch eine sensible Seite hat. Die Eheprobleme seiner Eltern entgehen ihm nicht, sie machen ihm Angst. Er leidet unter der Unberechenbarkeit des Vaters, der ihn und seinen Bruder regelmäßig verprügelt, und es schmerzt und belastet ihn, dass seine Mutter nicht glücklich ist. Sehr berührend fand ich die Szene, in der er eine ganze Nacht wach bleibt, um aufzupassen, dass nichts passiert.

    Die Geschichte, in der es auch um Mobbing und Ausgrenzung geht, hat mir sehr gut gefallen. Obwohl sie teilweise recht humorvoll geschrieben ist, ist sie keine leichte Kost. Dem Autor ist es hervorragend gelungen, dem Leser mit seinem Buch die Welt eines Kindes durch dessen Augen nahezubringen. Paddy machte es mir besonders in den ersten beiden Dritteln des Buches schwer, ihn zu mögen. Den kleinen Francis dagegen hatte ich sofort in mein Herz geschlossen. Ich hatte großes Mitleid mit dem kleinen Jungen, der von Paddy so oft schikaniert wurde.

    Leseempfehlung für diesen bewegenden Roman!
    Über allen Bergen Valentine Goby
    Über allen Bergen (Buch)
    04.12.2024

    Wunderbar erzählte Geschichte

    Im Mittelpunkt von Valentine Gobys neuem Roman "Über allen Bergen" steht der 12-jährige Vadim aus Paris, der seit seiner Geburt an schwerem Asthma leidet. Klebstoffe und Lösungsmittel, die sein Vater in seinem Beruf als Schuhmacher verwendet, haben seine Krankheit so verschlimmert, dass seine Mutter entscheidet, ihren Sohn im Januar 1943 in die französischen Alpen zu schicken. Dort wird er endlich frei atmen können und vor den Schikanen, denen die jüdische Bevölkerung im besetzten Paris zunehmend ausgesetzt ist, in Sicherheit sein. Nach einer langen Zugfahrt, auf der Vadim von einer Ordensschwester begleitet wird, gelangt er nach einer anstrengenden Wanderung an sein Ziel. Von nun an wird er fern von seiner jüdisch-russischen Familie unter dem Namen Vincent Dorselles bei einer Bergbauernfamilie leben. 

    In poetischer und wunderschöner Sprache schildert die Autorin Vincents Aufenthalt bei der Bauernfamilie, die aus Blanche und ihrem Ehemann Albert, dessen Zwillingsbruder Eloi und dem Großvater Louis besteht. Anfangs noch zurückhaltend und schüchtern, lebt der Junge sich bald in seiner neuen Umgebung ein. Er ist von der Bergwelt, dem Schnee und der wilden, rauen Natur verzaubert, ist fasziniert vom Wechsel der Jahreszeiten. In der 10-jährigen Moinette findet er eine Freundin, die ihm das Leben in den Bergen erklärt. 

    Ich habe die ruhig erzählte Geschichte mit viel Freude gelesen und Vincent gern auf seinen Wegen begleitet. Ich mochte den wissbegierigen Jungen, und ich mochte auch seine kleine Gefährtin Moinette sowie die Bauernfamilie, die ihn mit großer Herzlichkeit aufgenommen hat. Die bildhaften Landschaftsbeschreibungen haben mich fasziniert, ebenso die Beschreibung des harten Lebens der Bergbewohner, für die Entbehrungen und Kinderarbeit zum normalen Leben gehören und die in den wenigen Sommermonaten fast rund um die Uhr arbeiten, um für die langen und eisigen Wintermonate genügend Vorräte für Mensch und Tier anzulegen.  

    Das Buch, in dem es nicht nur um die Schönheit der Natur, sondern auch um Menschlichkeit und Nächstenliebe geht, hat mir sehr gut gefallen. Es hat mich von Anfang an bis zum stimmigen Ende gefesselt und tief berührt.

    Absolute Leseempfehlung für alle, die ruhig erzählte Geschichten mit atmosphärischen Naturbeschreibungen lieben!
    Zwei in einem Leben David Nicholls
    Zwei in einem Leben (Buch)
    26.11.2024

    Warmherzige und humorvolle Geschichte

    In seinem aktuellen Roman "Zwei in einem Leben" erzählt der britische Autor David Nicholls die Geschichte von Marnie und Michael, die sich durch Vermittlung einer gemeinsamen Freundin auf einer Wanderung kennenlernen.

    Marnie ist 38, seit längerem geschieden und arbeitet als freiberufliche Lektorin und Korrektorin im Homeoffice. Sie liebt ihren Beruf, obwohl ihre Arbeit schlecht bezahlt wird. Marnie fühlt sich einsam, nachdem ihre Freunde nach und nach weniger wurden. Sie heirateten, wurden Eltern oder zogen fort, während Marnie in London blieb. Sie hat keine Langeweile, weiß sich zu beschäftigen, aber die sozialen Kontakte fehlen ihr.
    Der 42-jährige Michael ist leidenschaftlicher und engagierter Erdkundelehrer. Nachdem seine Ehefrau Natasha ihn verlassen hat, wohnt er allein im Reihenhaus und macht während seiner Freizeit lange Wandertouren, um sich von seinen Problemen abzulenken und zur Ruhe zu kommen.

    Cleo, eine gemeinsame Freundin von Marnie und Michael, lädt die beiden zu einer mehrtägigen Wanderung ein. Widerstrebend nehmen beide die Einladung an. Neben Cleo, Marnie und Michael werden Cleos 13-jähriger Sohn Anthony sowie Conrad, ein befreundeter Apotheker, dabei sein. Die Wanderung kann beginnen, die Hotels für die Übernachtungen sind gebucht, doch starker Regen sorgt dafür, dass Conrad, Cleo und ihr Sohn die Tour bereits am zweiten Tag abbrechen und abreisen. Nur Michael und Marnie, die anfangs dem Wandern sehr skeptisch gegenüberstand, trotzen dem schlechten Wetter und bewältigen ihre Etappen, die Marnie viel abverlangen und sie immer wieder an ihre Grenzen stoßen lassen.

    Das Buch ist in schöner Sprache mit viel britischem Humor geschrieben und liest sich sehr flüssig. Es hat mir viel Freude bereitet, Marnie und Michael auf ihrer langen Wanderung zu begleiten. Die beiden erzählen einander von ihrem Leben, ihren Ehen, ihrer Kindheit und ihren Eltern. Michael, der eigentlich lieber allein wandert, findet zunehmend Gefallen an den Unterhaltungen mit Marnie und vertraut ihr sogar ein traumatisches Ereignis an, das ihn immer noch belastet. 

    Mir hat die ruhig erzählte Geschichte von Beginn an bis zu ihrem stimmigen Ende sehr gut gefallen. Sie ist klug, warmherzig und melancholisch, dabei vollkommen kitschfrei und ohne Rührseligkeiten. Die authentischen Charaktere sind sehr liebevoll gezeichnet, und wir erhalten einen intensiven Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten. Ich mochte Marnie und Michael, die von ihren Träumen und Enttäuschungen erzählen und sich durch tiefgründige Gespräche ganz behutsam einander annähern. 
    Die einzelnen Etappen der Wanderung werden durch Karten anschaulich dargestellt, die schönen und poetischen Landschaftsbeschreibungen sind faszinierend und mitreißend. Ich kann mir vorstellen, dass die Beschreibung der Wanderroute von der West- bis zur Ostküste Englands mit ihren zahlreichen Herausforderungen manchen Leser zum Wandern animieren wird. 

    Absolute Leseempfehlung für diesen schönen und bewegenden Roman mit Tiefgang!
    Blue Sisters Coco Mellors
    Blue Sisters (Buch)
    21.11.2024

    Berührende und fesselnde Geschichte

    Im Mittelpunkt von "Blue Sisters", dem neuen Roman von Coco Mellors, stehen drei sehr unterschiedliche Schwestern, die sich ein Jahr nach dem Tod der vierten Schwester im Elternhaus in New York treffen, um dessen Verkauf zu verhindern.

    Die Älteste der Schwestern ist Avery. Die 33-Jährige hat ein photographisches Gedächtnis und war lange heroinsüchtig. Inzwischen arbeitet sie als Rechtsanwältin, ihre Frau Chiti ist 7 Jahre älter und Psychotherapeutin.
    Bonnie ist 2 Jahre jünger als Avery. Bereits mit 15 Jahren fing sie mit dem Boxen an und wurde Profiboxerin. Nach einer sportlichen Niederlage arbeitet sie in einer Bar als Türsteherin.
    Die Jüngste ist Lucky. Sie ist 26, lebt in Paris, ist äußerst attraktiv und arbeitet als international erfolgreiches Model, seit sie 14 Jahre alt ist. Alkohol und Drogen sind ihre ständigen Begleiter.
    Jede Schwester trauert auf ihre eigene Weise um die sensible Nicky, die an Endometriose litt und mit 27 Jahren tot aufgefunden wurde.

    Die Geschichte ist in schöner Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Die interessanten Charaktere sind sehr bildhaft gezeichnet, die Kapitel werden abwechselnd aus der Perspektive von Avery, Bonnie und Lucky erzählt. Das ermöglicht dem Leser einen intensiven Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Frauen. Die Lebensgeschichten der Schwestern sind sehr berührend, ich habe mit ihnen gefühlt und gelitten. Ich konnte nicht verstehen, dass die Mutter der Mädchen sich so intensiv um ihren alkoholkranken Mann kümmert, dass sie ihre Töchter darüber vernachlässigt. Avery wird dadurch bereits als Kind in die Mutterrolle gedrängt und fühlt sich für ihre Schwestern verantwortlich, während sie selbst mütterliche Liebe schmerzlich vermisst. Meine Lieblingsfigur war die mutige Bonnie, die ihre Erfüllung im Sport findet und für Lucky da ist, als diese sich in einer Notlage befindet.

    Ich habe das Buch über Familie, Schwesternschaft und Liebe, Verlust und Trauer sehr gern gelesen, es hat mich gefesselt, erschüttert und tief berührt. Die Themen Drogen- und Alkoholmissbrauch nehmen meiner Meinung nach etwas zu viel Raum ein, während das Verhältnis der Schwestern zu den Eltern durchaus etwas ausführlicher hätte beschrieben werden können. Auch über Nicky hätte ich gern mehr gelesen. Das Ende des Buches hat mich enttäuscht, es driftete leider ins Kitschige und Unrealistische ab.

    Trotz meiner Kritikpunkte vergebe ich gern 4 Sterne.
    Retter der Drachen - Sei schnell wie der Wind! (Retter der Drachen 1) Annett Stütze
    Retter der Drachen - Sei schnell wie der Wind! (Retter der Drachen 1) (Buch)
    19.11.2024

    Spannendes Drachenabenteuer

    In "Retter der Drachen - Sei schnell wie der Wind!" erzählt das Autorinnen-Duo Annett Stütze und Britta Vorbach die Geschichte des kleinen Drachen Avindur. Das Buch bildet den Auftakt zu einer neuen Kinderbuchreihe des Verlages arsEdition.

    Lea ist gerade mit ihren Eltern nach Drachenfels gezogen und radelt zum Bäcker, um Brötchen zu kaufen. Als sie den Heimweg antreten will, tritt ihr aus einem Licht eine Frau entgegen, die so schön wie eine Elfe ist. Sie heißt Francesca Nebula und bittet Lea, ein leuchtendes Drachenei zu hüten. Wenn der Drache geschlüpft ist, soll sie ihm dabei helfen, sich in der Welt zurechtzufinden. Der Kleine kann nicht bei seinen Dracheneltern bleiben, weil ihm im Drachenreich große Gefahr droht. Der böse 13. Drache will die Macht über alle Drachen haben und würde den Kleinen sofort töten. Lea schwört, dem Drachen eine gute Freundin zu sein und nimmt das Drachenei mit nach Hause. Schon am Abend ist es soweit - der kleine Drache Avindur schlüpft aus dem Ei, und Lea muss nun herausfinden, was er frisst und ob er es gern warm hat. Nicht nur für Lea beginnt nun eine abenteuerliche Zeit.

    Das Buch mit dem auffallend schönen und liebevoll gestalteten Cover richtet sich an Kinder ab etwa 7 Jahren und ist in altersgerechter Sprache erzählt. Die Schrift ist groß, die Sätze sind kurz, was kleine Leseanfänger dazu animieren wird, die Geschichte selbst zu lesen. Sie eignet sich aber auch hervorragend zum Vorlesen für Vorschulkinder. Die Texte sind ergänzt durch zauberhafte bunte Illustrationen von Stefanie Klaßen.

    Es ist sehr spannend, Lea, ihre Freunde Julie und Nick und den munteren Drachen Avindur zu begleiten, der nur von seinen Freunden gesehen werden kann. Das Buch, in dem es nicht nur um lustige und spannende Abenteuer geht, sondern auch um Freundschaft und Hilfsbereitschaft, Mut, Magie und Selbstvertrauen, wird alle kleinen Drachenfans begeistern.

    Im Februar 2025 erscheint mit "Retter der Drachen - Erwecke das Feuer!" der zweite Band der abenteuerlichen Reihe um den Drachen Avindur.
    Absolute Lese- und Vorleseempfehlung! 
    Die vorletzte Frau Katja Oskamp
    Die vorletzte Frau (Buch)
    15.11.2024

    Eine außergewöhnliche Liebe

    In ihrem neuen autobiographischen Roman "Die vorletzte Frau" erzählt Katja Oskamp die Geschichte ihrer Liebe zu einem berühmten Schweizer Schriftsteller.

    Die Ich-Erzählerin Katja ist 30 Jahre alt und nicht mehr glücklich mit ihrem Ehemann, einem holländischen Generalmusikdirektor, mit dem sie eine kleine Tochter, Paula, hat. An einem Leipziger Institut, an dem sie Theaterwissenschaften studiert, begegnet sie in einem Dramatik-Seminar dem 49-jährigen Schweizer Schriftsteller Tosch. Die beiden sind fasziniert voneinander und beginnen eine stürmische Liebesbeziehung voller Leidenschaft. Da sie einen unterschiedlichen Lebensrhythmus haben, treffen sie sich meistens nur an den Wochenenden. Die Beziehung verändert sich und wird zum Ausnahmezustand, als Tosch schwer erkrankt und Katja immer mehr zu seiner Pflegerin wird ....

    Mit sehr viel Offenheit und stellenweise auch viel Humor beschreibt die Autorin ihre außergewöhnliche Beziehung zu Tosch, der bereits bei ihrem Kennenlernen ein gefeierter Star in der Literaturszene ist. Er hilft ihr beim Schreiben, korrigiert ihre Entwürfe und überarbeitet ihre Texte. Katja Oskamp gewährt dem Leser Einblicke in ihren Alltag mit Tosch und verschweigt auch nicht die persönlichen Eigenarten ihres stark ich-bezogenen Partners. Die beiden verbringen viele intensive Jahre, am Ende entfernen sie sich - bedingt durch Toschs Krankheit - langsam voneinander. 
     
    Die Autorin erzählt viel Persönliches und Intimes aus der gemeisamen Zeit und geht dabei auch sehr detailliert auf Toschs zahlreiche gesundheitliche Probleme ein. Damit überschreitet sie meiner Meinung nach bisweilen die Grenzen des guten Geschmacks. Laut Wikipedia erklärte sich der Schriftsteller, der im Buch "Tosch" heißt, "mit der Publikation dieses Schlüsselromans über ein Paar mit einem Altersunterschied von 19 Jahren ungefragt explizit einverstanden".

    Das fesselnde Buch ist in beeindruckender Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Die Protagonisten sind hervorragend gezeichnet. Ich habe die Geschichte über eine große und schmerzliche Liebe, Leidenschaft, Alter, Krankheit und Literatur sehr gern gelesen und mit der Autorin mitgefühlt und mitgelitten, als sie immer mehr zur Pflegerin ihres Lebensmenschen wurde und sich dadurch ihre Beziehung zunehmend veränderte und letztlich scheiterte.

    Leseempfehlung für diesen großartigen und berührenden Roman! 
    Aufbruch ins Freie Francie Vogel
    Aufbruch ins Freie (Buch)
    13.11.2024

    Packende Abenteuer einer mutigen Grenzgängerin

    Der österreichische Tyrolia Verlag hat "Aufbruch ins Freie - Meine wilden Bergabenteuer zu Fuß, mit Rad, Ski - und Hund" der Autorin Francie Vogel veröffentlicht. Das Taschenbuch ist sehr liebevoll und hochwertig gestaltet und enthält zahlreiche Farbfotos, die Francies Reisen anschaulich dokumentieren.

    Als Francie mit ihrem Kommilitonen Markus ins Tierheim geht, um einen Hund auszuführen, ahnt sie noch nicht, dass dieser Besuch ihr Leben verändern wird. Diesmal führt sie den drei Jahre alten Belgischen Schäferhund-Mischling Mexx aus, einen Hund mit Maulkorb, der von seinem Vorbesitzer geschlagen wurde. Nach Wochen des intensiven Kennenlernens nimmt Francie ihren neuen Freund, in dem sie einen Seelenverwandten sieht, mit auf die ersten Trekkingtour. Maxx büxt am Nachmittag aus, um später freiwillig zu ihr ins Zelt zurückzukehren.

    Die Kindheit der Autorin ist schwierig, ihre Eltern trennen sich früh. Sie fängt mit dem Boxen an, als sie 13 Jahre alt ist, das gibt ihr Bestätigung. Mit 15 macht sie auf Skiern ihre erste Tour im Erzgebirge. Sie ist schlecht ausgestattet, Ziel ist ein 15 km entfernter Bauwagen. Doch dieser ist verschlossen, und sie muss bei minus 25 Grad die Nacht frierend auf einem Hochstand verbringen. Diesem ersten Abenteuer sollen noch viele weitere folgen, von nun an flüchtet sie häufig in die Natur.

    Nach dem Abitur, mit 18 Jahren, erfüllt Francie sich ihren Traum, mit dem Rad nach Marokko zu fahren. Damals ist sie noch hundelos, ihr Begleiter wird Eric, ein junger Student. Auch für ihn ist es die erste große Fahrradreise. Eigentlich will er nur nach Venedig, und sie einigen sich darauf, dass sie über Venedig nach Marokko reisen. Ein dreimonatiges Abenteuer beginnt ....

    Es hat mir sehr viel Freude gemacht, Francie und ihren treuen Begleiter Mexx auf zahlreichen Touren zu begleiten. Sie erleben viele Abenteuer, teilweise bei extremen Wetterlagen, und sie geraten häufig in gefährliche Situationen. Francie stößt dabei immer wieder an ihre physischen und psychischen Grenzen. Mexx ist ihr auf ihren Extremtouren nicht nur Gesellschaft, er gibt ihr auch Sicherheit und oftmals Trost. Auf ihren Reisen begegnet sie neben Einheimischen immer wieder interessanten Menschen, die wie sie das Abenteuer und neue Herausforderungen suchen.

    Das Buch hat mich gefesselt und fasziniert, es ist in schöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Francie schildert ihre Erlebnisse so spannend und lebendig, dass ich oft das Gefühl hatte, dabei zu sein. Ich habe beim Lesen aber auch häufig die Luft angehalten und mich gefragt, ob alles gut ausgehen wird. Es hat mir gut gefallen, dass Francie uns in ihrem Buch auch Einblicke in ihr Privatleben und ihre Gedanken- und Gefühlswelt gewährt.

    Leseempfehlung für alle, die gern Bücher über mutige Grenzgänger lesen oder sogar selbst planen, auf Abenteuerreisen zu gehen!
    Gefährliche Betrachtungen Tilo Eckardt
    Gefährliche Betrachtungen (Buch)
    12.11.2024

    Der Dichter und der Übersetzer

    Anlässlich des 150. Geburtstages von Thomas Mann hat der deutsch-schweizerische Autor Tilo Eckardt diesem ein besonderes Denkmal gesetzt. In seinem historischen Kriminalroman "Gefährliche Betrachtungen" lässt er den Literatur-Nobelpreisträger auf eine ganz neue Art lebendig werden. 

    Wir schreiben das Jahr 1930: Im ostpreußischen Fischerdorf Nidden, einem Kurort auf der Kurischen Nehrung, hat sich der Ich-Erzähler Žydrūnas Miuleris in einer kleinen Pension eingemietet. Der 20-jährige Student und Übersetzer aus Litauen hofft, in Nidden Thomas Mann kennenzulernen, da es  sein großer Wunsch ist, dessen Welterfolg "Buddenbrooks" ins Litauische übersetzen zu dürfen. Der Zufall will es, dass der junge Mann sich gerade in der Nähe des Strandkorbs von Thomas Mann befindet, als diesem durch einen Windstoß mehrere Blätter einer politischen Rede, an der er gerade schreibt, davonwehen. Žydrūnas gelingt es, drei Seiten des Manuskripts zu retten und sie dem Eigentümer zurückzubringen. Da er über ein photographisches Gedächtnis verfügt, kann er sich binnen Sekunden den Inhalt der Seiten einprägen. Später fertigt er davon eine Abschrift an.

    Der Schriftsteller und der junge Übersetzer, den Thomas Mann nach dem Vorstellen nur noch Müller nennt, weil das die deutsche Version seines litauischen Nachnamens ist, treffen sich am nächsten Tag zu einem Spaziergang wieder, und Žydrūnas muss beichten, dass ihm die Seiten mit dem brisanten Inhalt am Vorabend im Wirtshaus abhanden gekommen sind. Thomas Mann ist verärgert und sorgt sich, dass die Seiten in falsche Hände geraten könnten. Der Dichter und Müller begeben sich auf die Suche ....

    Die Geschichte ist in der Sprache der damaligen Zeit und mit viel feinem Humor geschrieben, sie liest sich sehr flüssig. Es hat mir Freude bereitet, die beiden "Ermittler" zu begleiten, deren Suche sich nicht gerade einfach gestaltet. Sie folgen falschen Fährten, und schon bald ergeben sich neue Fragen und Probleme, als eine Person verschwindet und ein Unbefugter sich anscheinend Zutritt zu Thomas Manns Arbeitszimmer verschafft hat. 

    Die Region ist ganz wunderbar und atmosphärisch beschrieben, ich konnte mir Nidden und seine Umgebung sehr gut vorstellen. Seine Protagonisten hat der Autor sehr treffend skizziert: Thomas Mann mit seinen vielen Eigenarten, den jungen und naiven Žydrūnas, der sich als eher ungeschickter Ermittler entpuppt, aber auch die Pensionswirtin mit ihrer etwas aufdringlichen, dabei aber mütterlichen Art. Ich fand es spannend, einen Einblick in den Ferienalltag der Familie Mann zu erhalten, und mir gefielen die Passagen, in denen der Autor den inzwischen 100-jährigen Žydrūnas zu Wort kommen lässt.

    Auch wenn ich die eigentliche Krimihandlung nur mäßig spannend fand, so hat mir das Buch doch sehr gut gefallen. Ich konnte eintauchen in die damalige Zeit, habe die schönen Naturbeschreibungen genossen und mich bestens unterhalten gefühlt!
    Endlich das ganze Leben Roberta Recchia
    Endlich das ganze Leben (Buch)
    09.11.2024

    Der Roman konnte mich leider nicht überzeugen

    Der Debütroman "Endlich das ganze Leben" der italienischen Autorin Roberta Recchia wird als "Der große Familienroman und Bestseller aus Italien" beworben. Diese Aussage und der Klappentext machten mich neugierig auf das Buch. Ich freute mich auf die Lektüre, doch ich bin mit dem Roman leider nicht glücklich geworden.

    Rom, fünfziger Jahre: Marisa Balestrieri arbeitet im Feinkostgeschäft ihres Vaters, als sie dort den jungen Stelvio Ansaldo kennenlernt, der sehr schnell tiefe, aber heimliche Gefühle für die junge Frau entwickelt. Denn Marisa ist mit Francesco verlobt, der seit zwei Jahren in der Schweiz als Kellner arbeitet. Als Marisa schwanger wird, verlässt Francesco sie. Nun bemüht sich Stelvio um die junge Frau, die beiden heiraten und führen eine glückliche Ehe. Sie bekommen zwei Kinder, Ettore und Elisabetta, die von allen Betta genannt wird. Als Betta 6 Jahre alt ist, erkrankt sie an Asthma, und die Familie kauft ein Haus am Meer, in dem sie von nun an die Ferien verbringt.

    1980, als Betta 16 Jahre alt ist, geschieht am Strand ein furchtbares Verbrechen, von dem außer Betta auch ihre gleichaltrige Cousine Miriam, die Tochter von Marisas Schwester Emma, betroffen ist. Von einem Tag auf den anderen ist für die Familie nichts mehr, wie es einmal war ...

    Die Geschichte ist in eher nüchterner Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Wir begleiten die Familie über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren und erleben ein "Davor" und "Danach". Neben Marisas und Stelvios Unfähigkeit, gemeinsam zu trauern, erleben wir auch Miriams Schmerz und die Auswirkungen, die die schreckliche Tragödie auf die junge Frau hat.

    Mir hat die erste Hälfte des Buches sehr gut gefallen, sie hat mich gefesselt und berührt. Mit Miriams Begegnung mit dem Drogendealer Leo und dessen Schwester, der Transfrau Carollina, wurde die Geschichte bis zum vorhersehbaren Ende leider zunehmend kitschig und unrealistisch. Sie wurde immer mehr überladen mit schweren Themen. Es ging nicht mehr nur um Trauer und Verlust, sondern auch um Vergewaltigung und Mord, Suizid, Drogensucht, Alkoholismus, Krebs und Demenz. Das alles wurde mir schnell zu viel, aufgrund des Klappentextes hatte ich einen Roman mit Tiefgang erwartet - und hier leider nicht gefunden.

    Da mir die erste Hälfte des Romans sehr gut gefallen hat, runde ich meine 2,5 Sterne auf 3 Sterne auf.
    Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen Anna Brüggemann
    Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen (Buch)
    31.10.2024

    Regina und ihre Töchter

    Im Mittelpunkt von "Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen", dem neuen Roman von Anna Brüggemann, stehen die 51-jährige Regina und ihre beiden Töchter Antonia und Wanda. Wir schreiben das Jahr 1998, Regina ist Psychologin, ihr Mann Edgar arbeitet in einer Baubehörde. Antonia ist 19, sie hat gerade ihr Abitur gemacht und plant, Pharmazie zu studieren. Ihre anderthalb Jahre jüngere Schwester Wanda ist nicht nur sportlich sehr aktiv, sondern auch eine begabte und zielstrebige Schülerin. Antonia ist nicht so ehrgeizig wie ihre Schwester, sie hat kein rechtes Glück in der Liebe und beneidet ihre Schwester, die einen festen Freund hat. Die Mutter hat keine innige Beziehung zu ihren Töchtern, und auch das Verhältnis der beiden zueinander ist eher schwierig.

    Regina ist kurz nach Kriegsende geboren und hat gegen den Wunsch der Eltern ihr Elternhaus früh verlassen, um Psychologie zu studieren. Noch heute nimmt sie es den Eltern übel, dass sie nicht genügend gefördert wurde. Das will sie bei ihren Töchtern anders machen. Während Wanda stets bereit ist, die Ratschläge ihrer Mutter umzusetzen, zieht Antonia sich immer mehr zurück und geht ihren eigenen Weg. Ohne Wissen der Eltern ändert sie ihre Zukunftspläne und schlägt eine ganz andere Laufbahn ein, als Regina es sich vorgestellt hat. 

    Die Handlung spielt über einen Zeitraum von 21 Jahren, wir erleben die Höhen und Tiefen der Familienmitglieder, ihre Sehnsüchte, Sorgen und Tragödien. Der Erzählstil und die schöne Sprache der Autorin gefallen mir sehr gut, das Buch liest sich flüssig. Anna Brüggemann beschreibt die Charaktere authentisch und bildhaft, die Entwicklung der Protagonistinnen über die Jahre ist überzeugend dargestellt. Die Unzufriedenheit der Mutter und ihre Lieblosigkeit gegenüber Edgar und ihren Töchtern kommen sehr gut zum Ausdruck, ebenso die Sehnsucht der beiden nach Anerkennung. Bei Wanda ist diese Sehnsucht so ausgeprägt, dass sie eine Essstörung entwickelt. Regina ist extrem ichbezogen, wenig empathisch, neigt zur Selbstüberschätzung, ist aufbrausend und autoritär. Ihrem Mann Edgar fühlt sie sich überlegen und findet ihn langweilig. Antonia empfindet sie als unsichtbar und kritisiert sie übertrieben streng, Wanda wird von ihr bevorzugt und akzeptiert, weil sie sich nach Reginas Wünschen entwickelt.

    Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es hat mich gefesselt und berührt. Ich hatte wenig Sympathie für Regina, die die Bedürfnisse ihrer Töchter nicht erkennt, sich dennoch für eine gute Mutter hält. Meine Lieblingsfigur war Antonia, die den Mut hat, entgegen Reginas Vorstellungen ihren eigenen Weg zu gehen.

    Absolute Leseempfehlung für dieses mitreißende Buch über schwierige Mutter-Töchter-Beziehungen!
    Die Nacht der Bärin Kira Mohn
    Die Nacht der Bärin (Buch)
    27.10.2024

    Aufwühlender Familienroman über ein wichtiges Thema

    Der Roman von Kira Mohn spielt auf zwei Erzählebenen. Im Hier und Jetzt flüchtet die 26-jährige Ich-Erzählerin Jule zu ihren Eltern. Es gab einen Streit mit ihrem Freund Jasper, in dessen Verlauf dieser gewalttätig geworden ist. Jule erhofft sich, bei den Eltern zur Ruhe zu kommen und Klarheit über ihre Situation zu gewinnen. Gleich zu Beginn ihres Aufenthaltes erfährt die Familie, dass die Großmutter verstorben ist. Die Mutter hatte keinen Kontakt zu ihr, und Jule hat sie nie kennengelernt. Jules Mutter will das Haus der Großmutter entrümpeln lassen, bevor es verkauft wird, doch Jule möchte sich vorher gern das Haus und den Nachlass ansehen. Ihre Mutter beschließt, sie zu begleiten.

    Auf einer zweiten Erzählebene, die in der Vergangenheit liegt, lernen wir die 8-jährige Maja und ihre 12-jährige Schwester Anna kennen. Die beiden leben mit ihren Eltern in einem Haus, dessen großes Waldgrundstück an einen See grenzt. Der Vater ist gewalttätig, regelmäßig werden die Mutter und Anna terrorisiert und schwer misshandelt. Die Mädchen, die in ständiger Angst leben, flüchten vor den häuslichen Missständen oft in den Wald, in eine Fantasiewelt mit Waldfeen und Bären.

    Die Autorin erzählt die Geschichte, in der es um das zentrale Thema Häusliche Gewalt geht, sehr realistisch und mitreißend. Sie deutet das Grauen nur an und verzichtet dabei auf schockierende und reißerische Detailbeschreibungen. Die Charaktere beschreibt sie sehr authentisch und lässt uns tief in Jules, Annas und Majas Gedanken- und Gefühlswelt blicken. Wir sind Zeugen eines Familienlebens, das für die Mutter und ihre Töchter die Hölle ist, und wir müssen erkennen, dass der Mutter Kraft und Entschlossenheit fehlen, diesen schrecklichen Zustand zu beenden. In der Gegenwart erleben wir den inneren Kampf, den Jule führt. Soll sie nach drei glücklichen Jahren Jasper wirklich verlassen? Es gab doch nur den einen Vorfall, der sicher eine einmalige Entgleisung war.

    Nach und nach blättert sich die Vergangenheit auf, ein gut gehütetes Familiengeheimnis wird offenbart, Gegenwart und Vergangenheit werden miteinander verwoben, alle Puzzlesteine fügen sich zu einem Ganzen. Auch die Bedeutung des Buchtitels wird klar. Das Ende ist hoffnungsvoll und lässt Raum für eigene Gedanken

    Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das mir so unter die Haut gegangen ist wie "Die Nacht der Bärin". Die Geschichte hat mich zutiefst berührt, schockiert und aufgewühlt. Sie hat mich auch wütend gemacht auf all die kriminellen Täter, die ihre Opfer hinter verschlossenen Türen erniedrigen und misshandeln. Erwähnenswert ist das Nachwort der Autorin, in dem sie den schleichenden Verlauf häuslicher Gewalt beschreibt.

    Absolute Leseempfehlung für dieses tiefgründige Buch über ein wichtiges Thema, das nachdenklich macht und über das leider viel zu oft geschwiegen wird!
    Lena Oberdorf Anna Dreher
    Lena Oberdorf (Buch)
    26.10.2024

    Packendes Fanbuch über eine Ikone des Frauenfußballs

    Jedem, der den deutschen Frauenfußball verfolgt, wird der Name Lena Oberdorf ein Begriff sein. Die ehrgeizige 22-Jährige, die für den FC Bayern München und die deutsche Nationalmannschaft spielt, gilt als eine der besten Fußballerinnen in Deutschland und Europa. Anna Dreher, Sportredakteurin für die Süddeutsche Zeitung, hat ein Buch geschrieben, das uns nicht nur die Ausnahmesportlerin, sondern auch den Menschen Lena Oberdorf nahebringt. Das hochwertige und sehr liebevoll gestaltete gebundene Buch ist im Verlag Die Werkstatt, der zum Delius Klasing Verlag gehört, erschienen. Es umfasst 64 Seiten und ist in 20 Kapitel gegliedert, zahlreiche Farbfotos ergänzen die Texte.

    Die Autorin beschreibt den Werdegang von Lena Oberdorf, die bereits als kleines Mädchen mit Leidenschaft Fußball spielt. Früh ist klar, dass sie in einen Fußballverein gehört. Ab ihrem vierten Lebensjahr ist sie bei den Minikickern aktiv, mit elf Jahren wechselt sie in die D-Jugend des TSG Sprockhövel. Dort ist sie das einzige Mädchen unter vielen Jungen. Ihr außergewöhnliches Talent bleibt dem Deutschen Fußballbund nicht lange verborgen, und so spielt sie ab ihrem 12. Lebensjahr erfolgreich in den Jugendnationalmannschaften.

    Den ersten Profivertrag unterschreibt die sympathische Sportlerin bereits mit 17 Jahren und spielt fortan beim SGS Essen. 2019 debütiert sie in der Nationalmannschaft. Ein kometenhafter Aufstieg beginnt ....

    Das Buch ist in schöner Sprache geschrieben, und ich fand es sehr spannend, nicht nur alles über die Stationen der Karriere von Lena Oberdorf, die Siege und Niederlagen sowie ihre fußballerischen Qualitäten zu erfahren, sondern auch die private Lena Oberdorf kennenzulernen, deren Hobby die Musik ist. Ihre Familie ist ihr Rückzugsort, dort fühlt sie sich geliebt und verstanden, dort kann sie auftanken. Es gibt in ihrer Fußballkarriere nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen, mit denen die junge Frau umgehen muss, wie z.B. die schwere Knieverletzung im Sommer 2024, die sie die Teilnahme am olympischen Fußballturnier kostet und nach der sie sich mühsam zurückkämpfen muss.

    Einen schönen Abschluss des Buches bildet das Interview, das die Autorin mit der Ausnahmesportlerin, die immer alles richtig machen will, geführt hat, und in dem diese über die Herausforderungen des Profifußballs spricht. Sie verrät außerdem, wie sie mit Erwartungen, Kritik und Rückschlägen umgeht.

    Absolute Leseempfehlung nicht nur für Fans von Lena Oberdorf, sondern für alle, die sich für Fußball interessieren!
    Die Gräfin Irma Nelles
    Die Gräfin (Buch)
    23.10.2024

    Roman über eine couragierte Frau

    Nachdem ich unlängst mit großer Begeisterung "Südfall" gelesen habe, den Roman von Florian Knöppler über einen englischen Piloten, der Ende August 1944 mit seinem Fallschirm vor der Hallig Südfall landet und dort Menschen begegnet, die ihm hilfreich zur Seite stehen, war ich sehr neugierig auf "Die Gräfin". Im Mittelpunkt des Debüts von Irma Nelles steht nicht der Pilot, sondern die Gräfin von Reventlow-Criminil, die ihn in ihr Haus aufnimmt. Ich war sehr neugierig auf die nun aus anderer Perspektive erzählte Geschichte und hatte hohe Erwartungen - doch glücklich bin ich mit dem Buch leider nicht geworden.

    Diana Henriette Adelaide Charlotte Gräfin von Reventlow-Criminil lebt seit 30 Jahren an der nordfriesischen Küste. Die Sommer verbringt sie regelmäßig auf der kleinen Hallig Südfall. Sie ist bereits über 80 Jahre alt und führt seit langem ein Leben in Abgeschiedenheit und fern des glanzvollen Hochadels. Die Hallig-Gräfin, wie sie von den Bewohnern der Nachbarinseln genannt wird, beschäftigt auf ihrem Anwesen seit 8 Jahren Haustochter Meta und Knut Maschmann, der seit über 20 Jahren für sie als Kutscher und Faktotum tätig ist. Als sie im Spätsommer 1944 auf einer Sandbank ein kleines Flugzeug entdeckt, das dem Anschein nach abgestürzt ist, rettet sie den Piloten aus dem Cockpit und versteckt ihn. Es handelt sich um einen Engländer, der in ihrem Haus seine Verletzungen auskurieren wird. Niemand außer ihr und den wenigen eingeweihten Personen darf wissen, dass die Gräfin den Feind versteckt. 

    Die Geschichte, die einen Zeitraum von nur 6 Tagen umfasst, ist in klarer Sprache - teils in plattdeutsch - erzählt, sie basiert auf wahren Begebenheiten. Die Autorin wuchs in der Nähe der Hallig Südfall auf, sie kannte viele Personen selbst und wusste um die Mythen, die sich um die Gräfin ranken. Das karge Leben auf der Hallig in Kriegszeiten und die Naturgewalten hat Irma Nelles sehr atmosphärisch und faszinierend beschrieben. Man spürt ihre Liebe zu der ihr vertrauten Region.

    Die zentrale Figur des Romans ist die charakterstarke und mutige Gräfin, die von der Autorin sehr authentisch dargestellt wird. Die Gräfin war für die damalige Zeit eine äußerst beherzte Frau, die sich schon früh gegen die Ehe entschied und ein selbstbestimmtes Leben führte. Ich hatte Hochachtung vor der eigenwilligen Adeligen, die früh von den nationalsozialistischen Plänen wusste und immer wieder ihr Leben riskierte, um Verfolgten zur Flucht zu verhelfen. Die interessanten Nebenfiguren, der Pilot John, Meta und Knut sowie das Ärzteehepaar Braak sind gut gezeichnet. Ich fand die Geschichte, die mir im Großen und Ganzen gefallen hat, nicht gerade spannend. Die ausführlichen Schilderungen aus der Vergangenheit der Gräfin empfand ich häufig als etwas zäh und eher langweilig. Im Gegensatz hierzu hätte ich mir gewünscht, mehr aus Johns Leben zu erfahren. Der Roman endet leider ziemlich abrupt, viele Fragen bleiben offen.

    Meine Erwartungen an das Buch sind leider nicht erfüllt worden. Am besten haben mir die schönen und faszinierenden Natur- und Landschaftsbeschreibungen gefallen, die Handlung hingegen hat mich - auch wegen der recht sachlichen Erzählweise und des Fehlens jeglicher Emotionen - nicht überzeugen können.
    Pokémon Handbuch: Pokémon: Timelines Pokémon Handbuch: Pokémon: Timelines (Buch)
    23.10.2024

    Schönes Pokémon-Buch für Groß und Klein

    Wer kennt sie nicht, die Pokémon-Sammelkarten, die 1996 in Japan entwickelt wurden und rasch ihren Siegeszug auf der ganzen Welt antraten? 1997 erschien die Zeichentrickserie, von der in bisher 25 Staffeln mehr als 1200 Folgen im Fernsehen ausgestrahlt wurden. 

    "Pokémon Timelines" von Katharine Andreou und Glenn Dakin zeigt auf 208 Seiten in 8 Kapiteln die abenteuerlichen Reisen des Pokemon-Helden Ash Ketchum von Kanto bis Galar und seinen Aufstieg vom Trainer zum Weltmeister auf. Hierbei wird Ash von seinem treuen Partner Pikachu begleitet. In der spannenden Pokémon-Welt gibt es viel zu entdecken, statt Seitenzahlen gibt es Zeitleisten, die gespickt sind mit unzähligen Informationen, Details und vielen Bildern. Kleine und große Fans können tief eintauchen in das Pokémon-Universum, lernen dabei all seine Bewohner kennen und erlangen umfangreiches Hintergrundwissen. Auf den letzten Seiten enthält das Handbuch ein praktisches Stichwortregister sowie ein Glossar.

    Das gebundene Buch, das in schönen Farben reich illustriert ist, richtet sich an Kinder zwischen 6 und 11 Jahren, es ist äußerst hochwertig und liebevoll gestaltet und eignet sich hervorragend als Geschenk. Ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur kleine, sondern auch alle großen Pokémon-Fans begeistern wird! 
    Ava liebt noch Vera Zischke
    Ava liebt noch (Buch)
    19.10.2024

    Gelungenes Debüt mit Tiefgang

    In ihrem Debütroman "Ava liebt noch" erzählt Vera Zischke die Geschichte der 43-jährigen Ava, die als Lektorin tätig war, ehe sie und ihr Ehemann Ralf sich dazu entschlossen, dass Ava ihren Beruf aufgibt und sich um die Erziehung der Kinder und den Haushalt kümmert, damit Ralf sich ganz seiner Tätigkeit in der eigenen Anwaltskanzlei widmen kann. Die Töchter Mia und Lana sind 12 und 10, Sohn Nico fünf Jahre alt. Die Familie bewohnt ein schönes Haus und lebt in gesicherten Verhältnissen, doch nach all den Jahren ist Ava nicht mehr glücklich mit ihrem Hausfrauendasein. Eines Tages sieht sie beim Großeinkauf im Supermarkt einen jungen Mann, der dort arbeitet. Sie ist fasziniert von seiner Attraktivität und fährt nun häufiger zum Einkaufen, nur um ihn zu sehen. Als sie erfährt, dass er Kieran heißt und Schwimmlehrer ist, meldet sie ihre älteste Tochter kurzerhand zu einem Schwimmkurs an. Aus ihrer anfänglichen Schwärmerei für den 19 Jahre Jüngeren entwickelt sich langsam eine leidenschaftliche Liebesbeziehung. Doch schon bald muss Ava eine schwierige Entscheidung treffen ...

    Die Autorin erzählt die berührende Geschichte, die sich über einen Zeitraum von fast 20 Jahren erstreckt, aus den Perspektiven beider Protagonisten in der Ich-Form. Wir begleiten Ava in ihrem Alltag, die Bedürfnisse der Kinder und der wiederkehrende Kreislauf der Tätigkeiten im Haushalt bestimmen ihren Tagesablauf. Ihre eigenen Bedürfnisse kommen meistens zu kurz, oft fühlt sie sich erschöpft und überfordert, von Ralf mit der Verantwortung für die Kinder allein gelassen. Durch die Begegnung mit Kieran blüht sie förmlich auf, nimmt sich selbst wieder als Frau wahr und fiebert den heimlichen Treffen entgegen.

    Der Roman mit dem wunderbaren Cover ist in schöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig, die sympathischen Charaktere sind authentisch beschrieben. Avas innere Zerrissenheit und ihr Kampf zwischen Pflichterfüllung und Liebe sind sehr eindrucksvoll und mit viel Empathie dargestellt. Die wechselnden Perspektiven in der Ich-Form fand ich großartig, sie ermöglichen dem Leser einen tiefen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten. Ich mochte Ava und Kieran, ihre Entwicklung über die Jahre hat mir sehr gefallen, und ich mochte die unerwarteten Wendungen sowie die gesellschaftskritischen Aspekte des Buches vor dem Hintergrund der Mutterschaft und der Rolle der Frau.

    Ich habe das fesselnde Buch, in dem es neben Liebe und Sehnsucht auch um Krankheit und Alter geht, sehr gern gelesen und mich bestens unterhalten gefühlt. Leseempfehlung!
    Wohnverwandtschaften Isabel Bogdan
    Wohnverwandtschaften (Buch)
    15.10.2024

    Warmherzig und humorvoll

    Auf "Wohnverwandtschaften", den neuen Roman der Hamburger Autorin Isabel Bogdan, habe ich mich sehr gefreut. Ich kenne bereits ihr Buch "Laufen" über Trauer und Neubeginn, das mich sehr berührt hat, und mag ihre großartigen Übersetzungen der Werke von Jane Gardam.

    Die Zahnärztin Constanze zieht nach der Trennung von ihrem Freund Flo samt weißem Klavier in eine Wohngemeinschaft in Hamburg. Es soll nur für den Übergang sein, denn sie will sich bald eine eigene Wohnung suchen. Die Wohnung gehört Jörg, der nun sein Arbeitszimmer an Constanze vermietet hat, weitere Mitbewohner sind Anke und Murat. 

    Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven in der Ich-Form erzählt, dazwischen gibt es drehbuchartig dargestellte Dialoge. Nach und nach lernen wir neben Constanze, die sich sehr schnell in ihrer neuen Umgebung einlebt und bald gar nicht mehr an einen Auszug denkt, auch die anderen Protagonisten kennen. Anke ist in Finanznöten, als Schauspielerin hat sie mit ihren 53 Jahren große Probleme, eine akzeptable Rolle zu bekommen. Der Hobbyfußballer Murat, der aus Köln kommt, hat fast immer gute Laune und liebt es, neben seinem Beruf in Jörgs Garten Obst und Gemüse anzubauen. Er kocht leidenschaftlich gern und verwöhnt seine Mitbewohner mit kulinarischen Köstlichkeiten. Jörg ist mit seinen 68 Jahren der Älteste. Er vermisst seine verstorbene Ehefrau Brigitte und plant, mit seinem Bulli bald nach Georgien zu fahren.

    Im Sommer muss sich Jörg einer Blinddarmoperation unterziehen, nach der er geistig verwirrt ist. Sein Zustand bessert sich auch nach Monaten nicht, und bald ist für die Bewohner traurige Gewissheit, dass Jörg demenzkrank ist. Diese Diagnose stellt alle vor große Herausforderungen.

    Der Roman ist in schönem Erzählstil und wunderbarer Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Mit viel Herz und Humor beschreibt Isabel Bogdan den Alltag der WG-Bewohner über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren, während dessen sich zwischen den Protagonisten ein herzliches und vertrauensvolles Verhältnis entwickelt und sie immer mehr zu einer Familie zusammenwachsen, die sich um Jörg kümmert. Die sympathischen Charaktere skizziert die Autorin äußerst liebevoll und mit viel Empathie. Auch die Beschreibung von Jörgs fortschreitender Demenz ist sehr gut gelungen, ganz besonders in den Kapiteln, die aus seiner Sicht erzählt sind und in denen Leerstellen seine Gedächtnislücken aufzeigen. 

    Wie schon "Laufen", so hat mich auch "Wohnverwandtschaften" begeistert, ein Buch, das vollkommen kitschfrei ist, heiter und traurig. Es hat mich gefesselt und tief bewegt, ließ mich lachen und weinen. Sehr gut hat mir gefallen, dass die Kapitel aus sich abwechselnden Perspektiven in der Ich-Form erzählt werden, da mir das einen intensiven Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der WG-Bewohner ermöglichte. Ich habe die Freunde in mein Herz geschlossen, habe über ihre kleinen Eifersüchteleien geschmunzelt, mich über ihren Zusammenhalt und ihre Fürsorge gefreut und hätte sie gern noch länger begleitet. Und nun muss ich nur noch herausfinden, ob auch mich Rotkohl mit Kirschen begeistern kann.

    Absolute Leseempfehlung für diesen wunderbaren Roman über Menschlichkeit und Freundschaft!
    26 bis 50 von 300 Rezensionen
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