Endlich!
Liszts Christus ist ein einzigartiges Werk und passt in keine Schublade: kein traditionsbewusstes Werk in romantischem Tonfall wie Brahms' Requiem, kein schwärmerisch-spiritueller Geistesblitz wie Schumanns Paradies und die Peri und keine streng liturgische Musik in moderner Sprache wie Bruckners f-Moll-Messe. Das Christus-Oratorium ist ein zutiefst religiöses Werk, das quasi eine eigene neue Liturgie erfindet und ganz unbekümmert verschiedene Stile kombiniert: schlichte a capella Chöre, komplexe Chromatik und pittoreske Programmmusik - alles in allem ein romantischer Geniestreich!
Es gab bisher einige Aufnahmen (ZB Rilling oder Conlon) die natürlich professionell gespielt und gesungen sind, aber m.E. das Besondere an dem Werk nicht transportieren konnten. Die Stücke schienen lang, oft schwerfällig und beliebig aneinander gereiht.
In dieser Neueinspielung unter Michael Schönheit bleibt es von Anfang bis Ende spannend und berührend. Alles ist transparent, mit wundervollen Orchesterfarben, großartigem Spannungsaufbau und ausdrucksvollen Stimmen. Nirgends wird es zu dick oder pathetisch.
Einzige kleine Einschränkung: die Solostimmen sind im Vergleich zum Chor und Orchester zu laut abgemischt sodass an manchen Stellen ein etwas unnatürlicher Klang entsteht.
Fazit: in dieser Aufnahme spürt man den romantischen, den religiösen und den revolutionären Eifer Franz Liszts. Spannend! Entdeckungsfreudigen Hörern wärmstens empfohlen!