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    Univozitätswunder

    Aktiv seit: 30. Juli 2019
    "Hilfreich"-Bewertungen: 5
    8 Rezensionen
    Outline Rachel Cusk
    Outline (Buch)
    04.08.2020
    Ein großartiges Buch...
    Das Setting ist einfach: Die Ich-Erzählerin, eine Schriftstellerin, die eine anscheinend traumatisierende Trennung hinter sich hat, hält sich in Athen auf, um dort Schreib-Seminare zu geben. Dort trifft sie Menschen, FreundInnen, Zufallsbekanntschaften, SchülerInnen, die ihr erzählen, von ihrem Leben, ihren Lieben, ihren Sehnsüchten, ihrem Scheitern. Nur selten erfährt man etwas von der Ich-Erzählerin, die sehr viel schweigsamer ist, nur manchmal reagiert. Die Erzählerin ist damit nicht im Vordergrund. Es wäre falsch zu sagen, es ginge nicht um ihre Geschichte. Aber diese ist eben nicht ausschließlich um das Wort "ich" gruppiert, sondern schließt die Begegnungen mit andern ein.
    Das, was erzählt wird, mutet zunächst einmal sehr normal an: Beziehungen, Kinder, Lebensentwürfe, wie sie üblich sind. Aber dennoch befremden und verstören sie, weil man als LeserIn manchmal stutzt: Die erzählenden Figuren demaskieren sich in ihrer Unzulänglichkeit, in ihrer Blindheit und ihrem Egoismus auf manchmal atemberaubende Weise selber, merken es nicht, gehen darüber hinweg und wirken in ihrer Sichtweise, in ihrer eigenen Erzählung gefangen.
    Dass diese Konstruktion nicht zu einer billigen Denunziation der Figuren und zu einem Gesuhle in Klischees gerät, Gefahren, die sehr nahe liegen, verhindert die Autorin gekonnt dadurch, dass die wichtigeren Personen individuell gestaltet und mehrschichtig sind, mehr noch, dass man als Leser (ich gebrauche mit Absicht die männliche Form) sich mehr als einmal ertappt fühlt, weil man doch bekannte männliche Verhaltensweisen wieder erkennt, und vor allem durch ein Stilmittel, das zunächst völlig antiintuitiv wirkt: Die Gespräche werden meist in indirekter Rede referriert, wörtliche Rede kommt praktisch nie vor. Das schafft eine Distanz, die kognitive Dissonanzen besser wahrnehmbar macht. Außerdem gibt die Ich-Erzählerin ihre eigenen Gesprächsbeiträge genauso in indirekter Rede wieder, weswegen sie nicht beanspruchen, die "richtige Sicht" zu vermitteln, sondern "auf Augenhöhe" mit den Erzählungen der anderen Figuren sind. Ein/e Ich-Erzähler/in, der/die mir nicht seine/ihre Sicht als das tatsächliche Geschehen aufdrängt - das schätze ich sehr.
    Alles in allem klug, feministisch im besten Sinne, niemals selbstgerecht, und dazu flüssig zu lesen.
    Den zweiten Teil, In Transit - es handelt sich um eine Trilogie - habe ich auch schon angefangen; genauso gut wie der erste bisher...
    Meine Produktempfehlungen
    • In Transit Rachel Cusk
      In Transit (Buch)
    Die Himmelsscheibe von Nebra Die Himmelsscheibe von Nebra (Buch)
    01.03.2020

    Ein Sensationsstory?

    Das Thema ist wahrhaft spannend: 1999 wurde in Sachsen-Anhalt die sogenannte Himmelsscheibe nahe der Ortschaft Nebra entdeckt, ein völlig einzigartiger Fund aus der Bronzezeit. Das Autorenteam versucht, die Bedeutung der Scheibe und ihren historischen Kontext sowie ihre Geschichte zu rekonstruieren. Ein interessantes Anliegen.
    Leider hat man sehr schnell den Eindruck, die Autoren vertrauen der Faszination der Scheibe allein nicht, sondern versuchen mit allen Mitteln, die Story aufzuhübschen und spannender zu machen. Das erinnert an die reißerische Art mancher Geschichtsdokus. Daher wird das Garn sehr schnell dünn: Ein assoziativer Gedankengang, der oft auf schwachen Analogien und reinen Plausibilitätserwägungen beruht, ersetzt die Argumentation mit konkreten archäologischen Funden bzw. Fundkomplexen. Das Fehlen echter archäologischer Belege wird in einem Nebensatz beklagt - und damit haben die Autoren eigentlich selber das Todesurteil über ihre sensationsheischende Story gesprochen.
    Wieso dann noch zwei Sterne?
    Erstens: Das Buch hat mein Interesse am Thema wirklich wecken können.
    Zweitens: Dort, wo konkrete Funde beschrieben werden, ist das Buch plausibel und informativ. Der Abschnitt über die Entstehung und Veränderung der Himmelsscheibe ist z.B. lesenswert.
    Frankissstein Frankissstein (Buch)
    05.02.2020

    Identität und Verwirrung

    Der Roman von Winterson macht es mir nicht leicht: Er hat große Qualitäten - und kann doch nicht völlig überzeugen.
    Worum geht's? Der Titel verrät es, Winterson hat den Klassiker Frankenstein adaptiert. Das Buch spielt auf mehreren Ebenen. Die erste ist in der Vergangenheit angesiedelt und erzählt die Geschichte von Mary Shelley und wie sie ihren Roman über den künstlichen Menschen schrieb. Die zweite spielt heute in Großbritannien und den USA. Protagonist/In ist Ry Shelley, ein Arzt, der ein Trans-Mensch ist, von Geburt eine Frau, aber sich ambivalent sowohl als Frau als auch als Mann sieht und der zunächst wie ein Mann aussieht und aussehen will. "Er" trifft Victor Stein, einen Gelehrten, der den Tod dadurch überwinden will, dass er das menschliche Bewusstsein auf einem Computer hochlädt. Die beiden verlieben sich, werden ein Paar, und... Ja, und? Das ist das Problem, eine wirklich geschlossene Handlung hat das Buch nicht. Ein Experiment am Ende mit ungewissem Ausgang, sodass die Leser entscheiden müssen, was sie für wahr halten. Aber dazwischen viel Dialog, der sich aller verwandten Themen annimmt: KI, Bots, Sexbots, Einfrieren von Toten, Sexualität und Identität, die Zumutung, sterblich zu sein. Das wirkt teilweise zu belehrend, als Selbstzweck, auch sind die Themen zu umfangreich und vielschichtig, als dass sie mehr als nur angeschnitten werden können. Das tut dem Buch und seiner Konstruktion nicht gut: Es gibt keine zwingende Handlung, keine echte Geschichte, der man folgt, vieles wirkt um des Themas willen arrangiert.
    Auf der anderen Seite sind Motive und Geschehnisse geistreich miteinander verwoben. Das Spiel mit der Frage nach der Identität von Personen taucht in verschiedenen Variationen immer wieder auf und fasziniert, gerade weil sie nicht diskutiert, sondern erzählt wird. Ein Beispiel (Spoileralarm): Ry bestätigt zunächst alle Leseerwartungen an eine männliche Figur - und handelt dann Victor gegenüber wie eine Frau. Die kognitive Dissonanz in meinem Leseprozess, die das erzeugt hat, war interessant und hat mir viel eben darüber klar gemacht, wie stark diese Rollenbilder doch uns oder zumindest mich beeinflussen.
    Fazit: Eine eher schwache Handlung, starke einzelne Szenen und ein sehr geistreiches Spiel mit den Fragen nach Identität und Fiktionalität. Nicht das beste Buch, das ich dieses Jahr gelesen habe, bereut habe ich die Lektüre aber nicht. Das nächste Buch von Winterson liegt bereit, wieder eine Adaption, diesmal von Shakespeares Wintermärchen. Nach diesem Roman verspreche ich mir davon eine intelligente Unterhaltung, mindestens.
    Zazie in der Metro Zazie in der Metro (Buch)
    05.02.2020

    Böse und geistreich

    Ein Klassiker, über den man nicht mehr viel sagen muss. Ein Mädchen kommt aus der Provinz für einen Tag nach Paris zu ihrem Onkel und mischt alles auf.
    Das Buch ist voll aberwitziger Einfälle, absurden Situationen und Wendungen, sprachverliebt und sprachverspielt, eine Symphonie aus Geist und Gequassel, obszön und witzig ohne Ende.
    Also: Nehmen, lesen, lachen, und zwar laut.
    Der große Augenblick Der große Augenblick (Buch)
    27.12.2019

    Ein Ungeheuer von einem Buch

    Lange schon habe ich kein Buch mehr gelesen, was mich derart berührt, aufgewühlt und unruhig gemacht hat, wie, frei nach Kafka, eine Axt für das gefrorene Meer in uns. Das Buch ist darin, was und wie erzählt wird, untröstlich und völlig jenseits jeder Möglichkeit eines Trostes, und das ganz ohne große Handlung und Dramatik. Dazu ein fortwährendes, hochintelligentes Spiel mit der Fiktionalität sowie Reflektionen über das Erzählen, das hier, sorry, es klingt pathetisch, aber es stimmt, zur existenziellen Not wird. Ein ungeheures und ungeheuerliches Buch von nur knapp 120 Seiten. Ich mach erstmal Erholungspause, aber das nächste Buch von Lispector liegt schon bereit.
    Miroloi Miroloi (Buch)
    01.10.2019

    Feministischer Kitsch

    Literaturkritik und Literaturpreise. Sind so eine Sache. Mich interessieren sie nur am Rande, ich wusste von daher weder, dass der Roman auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand, noch, dass er von der Mehrheit der Rezensionen verrissen worden ist. Nach nur 30 Seiten habe ich dann doch nach Rezensionen gesucht und die haben meinen Eindruck bestätigt: Eines der schlechtesten Bücher, das ich in letzter Zeit gelesen habe. Vor dem Urteil: Feminismus ist heute immer noch notwendig, Frauen sind immer noch nicht gleichberechtigt. Die Literatur kann sich dieses Themas annehmen. Aber bitte nicht so. Die Geschichte: Die Ich-Erzählerin berichtet von ihren Leben auf einer abgelegenen Insel, auf der sie Außenseiterin ist und das Patriarchat brutal herrscht. Die Ältesten bestimmen das Leben und verhängen drakonische Strafen, Frauen müssen arbeiten, dürfen nicht lesen lernen. Das Setting gemahnt an griechische Inseln, ist aber verfremdet: Von zentraler Bedeutung ist eine Religion, die deutlich aus Motiven real existierender Weltreligionen zusammengesetzt ist, und die sich als im Sinne des Patriarchat verfälscht erweist. Das Urteil: Dieser Roman verkitscht das Anliegen des Feminismus inhaltlich wie sprachlich, bewegt sich auf erbärmlichem intellektuellen Niveau, reproduziert kulturelle Vorurteile. Die Begründung: Personencharakteristik: Im Wesentlichen schwarzweiß, Männer z.B.sind entweder brutale, grobe Monster, die Frauen und Kinder schlagen, oder fein, weich und dann "gut" oder selber Außenseiter. Das sind mit dir differenziertesten Charaktere des Buches. 2 oder 3 gibt es. Der Rest, Zitat: "Die Tausendaugen". Sprache: archaisierend ohne echte Funktion, Anschaulichkeit mit Pleonasmen und Aufzählungen verwechselnd, nach dem 10. Trikolon auf 2 Seiten möchte man nicht mehr, klischeebeladen. Eine Kostprobe: Die Ich-Erzählerin beschreibt ihren Geliebten: "Yael mit den langwimprigen Augen. Die sind zum Ertrinken da." Spätestens hier sind wir auf Twilight-Niveau angekommen. Der Plot und das Setting: missraten. Das Dorf wirkt in der Verfremdung wie eine Parabel, eine Reagensglassituation. Der Bezug zur Moderne wird immer wieder hergestellt. Hier soll es also anscheinend gleichnishaft um unsere Welt gehen, um unsere Probleme. Und die kommen auch vor: Kindesmissbrauch, sexualisierte Gewalt, Unterdrückung der Frauen, insbesondere ihrer Sexualität usw. Aber dieses Konzept funktioniert nicht. Die gezeigte Welt ist zu archaisch, sie hat zu wenig Ähnlichkeit mit unserer, die Probleme werden zu schwarzweiß dargestellt. Die Benachteiligung von Frauen ist bei uns wesentlich subtiler. Wie Köhler diese Fragen angeht, zeigt nichts Neues, sondern gibt nur Klischees wieder. Die Dynamik der Gewalt, die immer wieder im Buch vorgestellt wird, kennen wir schon tausendfach aus allen möglichen Medien: Die Ausgrenzung von Außenseiterinnen, ihnen die Schuld an Unglücksfällen und Katastrophen zuzuschreiben, das "böse" Dorf mit seiner unbarmherzigen Sozialkontrolle, alles schon unendlich oft (und besser) gesehen und gelesen. Auch wenn es tatsächlich noch solche Auswüchse gibt (Es gibt sie bestimmt), ändert das wenig: Es geht um Literatur, nicht um Reportage. Und in der Literatur wirken Klischees tödlich. Damit schadet Köhler den berechtigten Anliegen des Feminismus. Am Ende bleibt der fade Geschmack, dass hier kulturelles Bashing gegen traditionelle Gesellschaften vorliegt: Das Dorf wirkt zu sehr wie ein Abziehbild traditioneller mediterraner Kulturen, Assoziationen mit Hexenverfolgungen werden evoziert . Seht her, so scheint das Buch zu rufen, wie patriarchalisch-brutal es da zugeht. Und die Religion macht mit dabei. Der Liebhaber der Ich-Erzählerin wird gesteinigt - das Verhältnis war illegal. Eine Anspielung auf radikalislamische Praktiken? Wozu? Welche Leserinnen würden sie gutheißen? Was gibt's da zu hinterfragen? Oder wird da, unausgesprochen und wahrscheinlich unbewusst islamophob nur wieder das billige Einverständnis gesucht: Hab ich immer schon gesagt... ? Aber Literatur, die Vorurteile bestätigt, die gegenüber Ideologien, "guten" wie "schlechten", affirmativ ist, ist eben keine Literatur, sondern Geschreibsel. Aber es geht noch weiter: Die URSPRÜNGLICHE, gute Religion, die lehrt ja die Gleichheit der Geschlechter. Kern dieser "guten" Religion: Alles ist mit allem verbunden. Die Götter sind in allen. Instant-Buddhismus mit pantheistischer Erbauungssauce. Platter geht es kaum. Und ja, alle Religionen haben misogyne Traditionen, aber differenzierter kann man schon drüber schreiben. Nochmal: Es geht hier um einen Roman, nicht um eine Reportage über die Unterdrückung von Frauen in anderen Kulturen. Was also soll dieses Buch? Zu unseren gesellschaftlichen Verhältnissen hat es nichts Neues, schon gar nichts Relevantes zu sagen. Über andere Kulturen will es vermutlich nichts sagen, dazu versucht es, zu gleichnishaft zu sein. Und wenn doch, wiederholt es nur wieder Altbekanntes auf oberflächliche Weise. Übrig bleibt Kitsch.
    Ja, Ich bin ein alter, weißer Mann. Aber die Genese eines Urteils sagt nichts über ihren Wahrheitswert. Oder verständlicher: Wer jetzt mit dem Argument kommt, nur ein Mann könne so über ein feministischen Buch urteilen, hat eben nur ad hominem argumentiert. Oder er stellt Verbote auf: Ein Buch, das solcherart Missstände anprangert, darf nicht kritisiert werden. Oder ist männerfeindlich: Männer können das nicht verstehen, weil sie eben nur Männer sind. Oder? Ich beharre aber darauf, etwas von Literatur zu verstehen. Und hier handelt es sich um schlechte.
    Eine Impfung zum Schutz gegen das geisttötende Leben, wie es an der Westküste Schottlands praktiziert wird Eine Impfung zum Schutz gegen das geisttötende Leben, wie es an der Westküste Schottlands praktiziert wird (Buch)
    01.10.2019

    Ein Nerd aus Schottland

    Der Roman ist keiner und doch einer. Schwierig. Was ist los? Der Autor schreibt über die Musikszene aus einer Kleinstadt in der Nähe Glasgow irgendwann vermutlich gegen Ende des letzten Jahrtausends. Und ist selbst Musiker aus, Sie wissen schon, dieser Region. Also irgendwie doch ein autobiographisches Buch? Wahrscheinlich. Ist eigentlich völlig wurscht, solange das Buch als fiktionaler Text funktioniert. Das aber tut er nur eingeschränkt. Dabei ist vieles stimmig und gelungen, mindestens interessant. Die Erzählkonstruktion z.B. Der Roman beruht auf einer Herausgeberfiktion: Ein Autor aus Airdrie, dem Ort bei Glasgow, sammelt Texte aller Art, Briefe, Interviews etc. zur Geschichte der fiktiven Band Memorial Device (selbstredend ein sprechender Name). Aber: Die Herausgeberfiktion wird nur am Anfang erwähnt. Sie führt zu nichts, die verschiedenen Texte werden aneinander gereiht, der Editor kommt nicht mehr zu Wort. Die verschiedenen Stimmen haben nicht alle, aber doch einige, eine eigene Sprache, die Frauen merkwürdiger Weise eher als die Männer. Einige der Geschichten, die sie erzählen, sind anrührend und interessant. Aber: Am Ende entsteht in meinem Kopf nichts. Das, was erzählt wird, ist einander so ähnlich, dass kaum eine Figur ein eigenes Profil bekommt. Wer was wie erzählt, scheint beliebig, die Namen und Geschichten verschwimmen. Es lohnt nicht recht, die verschiedenen Perspektiven auseinander zu halten, zu ähnlich sind Themen, Drive und Lebensgefühl der unterschiedlichen Stimmen. Auch die Band Memorial Device bleibt im Schatten, Was nun an dieser Band so besonders war, gleich in welcher Hinsicht, dass man ihre Geschichte aufschreiben muss und mit drei Anhängen, einem Personen-, einem Sachregister und einer fiktiven Diskographie (die Musik oder einzelnen Platten kommen im Roman kaum bis gar nicht vor), erschließt sich nicht. So bleibt nur ein etwas allgemeiner Eindruck von einer Stimmung, von orientierungslosen Menschen und ihren Fluchten ins Gebiet von Sex, Drugs and Rock'n'roll. Also im Norden nichts Neues.
    Soll man das Buch empfehlen? Wer sich in der Underground-Szene Großbritannien auskennt, könnte an dem Buch Vergnügen haben. Meines war, da ich nicht über genügend Wissen über diesen Bereich verfüge, nur eingeschränkt: Da kann jemand schreiben, verfügt über einen Sound und hat eine faszinierende Idee, aber nichts für mich Wesentliches zu sagen, sondern häkelt leicht nerdig selbstverliebt an den Details der Geschichte einer fiktiven Band. Nicht immer ein Pageturner.
    Lincoln im Bardo George Saunders
    Lincoln im Bardo (Buch)
    30.07.2019

    Stimmen, Stimmen, Stimmen

    Ein ungewöhnliches Buch. Das gilt in fast jeder Beziehung, zum Beispiel fürs Personal. Neben Abraham Lincoln, POTUS in Zeiten des Bürgerkrieges, spielen vor allem - Tote mit, und zwar Tote, die von sich gar nicht wissen wollen, dass sie tot sind und aus den unterschiedlichsten Gründen verweigern, ihr Leben hinter sich zu lassen. Sie sind quasi zwischen Leben und Tod gefangen, in einer Art Zwischenzustand, der in tibetischen Buddhismus Bardo genannt wird - was den ungewöhnlichen Titel erklärt. Neben dem Buddhismus kommen auch andere Traditionen zu den letzten Dingen zum Tragen: Dantes Göttliche Komödie, das Totengericht mit altägyptischen Touch, Volkstümliches wie die Wilde Jagd, oft genussvoll ironisch zu der schrägen Welt der gespenstischen Gesellschaft amalgamiert, höchst vergnüglich zu lesen, auch wenn man nicht alle Anspielungen entdeckt hat oder versteht.
    Daraus resultieren die Orte, auch ungewöhnlich: Das weiße Haus und der Friedhof von Washington. Der Plot ist oberflächlich einfach. Das Präsidentenpaar muss aufgrund gesellschaftlicher Verpflichtungen einen Ball geben, während dem der Sohn Willie, schwer an Typhus erkrankt, stirbt. Die eigentliche Handlung umfasst die Nacht nach der Beerdigung, in der der Präsident seinen toten Sohn auf dem Friedhof besucht, dessen Leiche aus dem Sarg und untröstbar in die Arme nimmt. Was Lincoln nicht weiß: Der Geist seines Sohnes begegnet ihm dreimal. Die Trauer und Liebe zwischen Vater und Sohn wirbelt die Geistergesellschaft des Friedhofs völlig durcheinander. Gegen Morgen ist der Spuk dann in mehrerlei Hinsicht vorbei.
    Das Ungewöhnlichste: Saunders schreibt keinen normalen Roman mit einer Erzählerinstanz, das Erzählte ist vielmehr aufgebrochen in eine Vielzahl von Stimmen. Was die Lebenden betrifft, montiert Saunders z.T. auch widersprüchliche Zitate aus Biografien oder Berichten über Lincoln. Die Vorgänge auf dem Friedhof wird von den Stimmen der Toten berichtet. Diese Äußerungen und Zitate sind z.T. äußert kurz, sie umfassen meist wenige Zeilen, selten 2 oder 3 Seiten. Das hört sich abgedreht an und nach anstrengender Lektüre. Das Erstaunliche: Nach kurzer Eingewöhnung entsteht tatsächlich aus dem Gewirr und Staccato der Stimmen eine Handlung, die komisch ist, anrührend, widersprüchlich und erstaunlich gut nachzuvollziehen. Die Wirkung erinnert ans Theater, an die Chöre der griechischen Tragödie. Und man möchte wissen, wie es weitergeht mit diesen sehr menschlichen Untoten.
    Fazit: Kein durchschnittlicher Roman, nach kurzem Einlesen einfach genial, in jeder Beziehung. Wenn man erst einmal akzeptiert hat, dass hier eben nichts realistisch ist, passt auch dieser Erzählstil wunderbar. So ein Buch wird es so schnell nicht mehr geben können. Schade. Toll.
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