THE Jazz Album
Irgendwo habe ich mal ein Zitat von Tony Williams gelesen, der sinngemäss übersetzt sagte: "Milestones ist das Jazz Album überhaupt". Und das kann man so unterschreiben. Wir haben hier ein Dream-Team mit Miles, Trane, Cannonball, Red Garland, Paul Chambers und Philly Joe. Alles excellente Musiker, die hier die dritte Phase (Hard-Bop) von Miles's Karriere glänzend abschliessen und die vierte einläuten (Modal). Red Garland ist noch am stärksten in der Tradition verhaftet, seine Begleit-Akkorde teilweise doch etwas eintönig, während die anderen Musiker den Hard-Bop soweit perfektioniert und auch ausgereizt haben, dass sie bereit waren, zu neuen Ufern aufbrechen (Kind of Blue), aber das folgte später. Auf Milestones hat Miles sein geniales Quintett um den Altsaxofonisten Cannonball Adderley erweitert. Und da schon ganze Generationen von Miles-Biografen und Musikjournalisten vor der Leistung von Miles und Coltrane auf diesem Album niedergekniet sind und sich - völlig zu Recht - vor Begeisterung über dieses Album wortgewandt geradezu überschlagen haben, möchte ich - weniger wortgewandt - wenigstens noch erwähnen, dass auch einige Adderley Soli klasse sind.
Das fängt an mit dem sehr schnellen Blues Dr. Jekyll, in dem - nach einem langen und kraftvollen Solo von Miles sich Cannonball und Trane über 12 Chorusse duellieren (jeweils 12 Takte Alt - und Tenorsax-Solo im 6maligen Wechsel). Bei Two Bass Hit soliert Miles gar nicht, stattdessen überlässt er das Feld ganz den beiden Saxofonisten, die hier beide einen genialen Moment haben, man muss gut zuhören, um nicht zu verpassen, wann Coltrane sein Solo beendet und Cannonball übernimmt. Danach folgt das Titelstück Milestones, das aber damals einfach nur "Miles" genannt wurde und erst auf späteren Live-Platten den längeren Namen erhielt (übrigens gab es in Davis's Zeit bei Charlie Parker schon mal ein Stück, das genauso hiess, aber ganz anders aufgebaut war, das erste hatte sehr viele Akkorde, das neue Milestones sehr wenige, es war die erste sogenannte modale Jazzkomposition). Hier hat Adderley das erste Solo, bläst sehr inspiriert und baut ein paar hübsche Zitate aus anderen Songs ein.
Ich habe hier ein Worte über den dritten Bläser Julian Adderly verloren, da über die Taten von Miles und Trane schon genug gesagt wurde. Aber wir haben noch gar nicht über die Rhythmusgruppe gesprochen...
Milestones ist so etwas wie ein Lehrbuch für jeden angehenden Jazzmusiker und darf in keiner Jazz-Sammlung fehlen, das wäre sonst so, als ob man in Heidelberg gewesen wäre und hätte das Schloß nicht gesehen.