Ein Dokument höchster Musikalität, klanglicher Raffinesse und historischer Tiefenschärfe.
Rezension zur CD Passion – Zuzana Ferjenčíková (Aeolus)
Es gibt Orgelaufnahmen im Überfluss. Tausende CDs sind in den vergangenen Jahrzehnten erschienen – und doch sticht die neue Einspielung Passion von Zuzana Ferjenčíková im Aeolus-Verlag als echte Ausnahme hervor. Sie ist mehr als nur eine weitere Veröffentlichung: Sie ist ein Dokument höchster Musikalität, klanglicher Raffinesse und historischer Tiefenschärfe.
Dass dieses Urteil auch von meiner eigenen Biografie geprägt ist, will ich nicht verschweigen. Als gelernter Orgelbauer empfinde ich es als ein großes Geschenk, heute als Pfarrer an St. Peter und Paul in Ratingen wirken zu dürfen – jener Kirche, deren außergewöhnliches Instrument hier zum Klingen gebracht wird. Die große Seifert-Orgel wurde im September 1953 eingeweiht. In den folgenden Jahrzehnten erfuhr sie immer wieder sehr behutsame und zugleich bereichernde Erweiterungen, die den ursprünglichen Charakter nicht verfälschten, sondern das klangliche Potential stetig ausweiteten. Ein besonderes Merkmal ist der im Juni 2012 neu eingeweihte vollelektronische Spieltisch, der es ermöglicht, das Instrument nicht nur von der Empore, sondern auch vom Chor- oder Altarraum aus zu spielen. Dass diese Orgel nicht wie so viele ihrer Generation der Vernichtung anheimfiel, ist wesentlich dem jahrzehntelangen Engagement von Kantor Ansgar Wallenhorst zu verdanken, der mit großem Sachverstand und musikalischem Einfühlungsvermögen die Orgel zu ihrer heutigen klanglichen Schönheit führte.
Gerade aufgrund dieser kontinuierlichen Weiterentwicklung hat sich die Orgel von St. Peter und Paul in den vergangenen Jahren zu einem Magneten für nationale wie internationale Kapazitäten der Orgelkunst entwickelt. In zahlreichen Konzerten wurde sie von den unterschiedlichsten, weltweit bekannten Interpreten gespielt und durchweg als Ausnahmeinstrument gelobt. Ihre klanglichen Qualitäten machen sie heute zu einem Referenzpunkt weit über die Grenzen Ratingens hinaus.
Eine wirklich große Orgelaufnahme lebt in meinen Augen von drei Faktoren:
1. Ein spannendes Instrument mit eigener Geschichte.
Die Seifert-Orgel in Ratingen erfüllt dies in idealer Weise: Ihr reicher Farbenkanon reicht vom feinsten Pianissimo bis zum überwältigenden Fortissimo. Zugleich besitzt sie eine geradezu erstaunliche Verschmelzungsfähigkeit der unterschiedlichen Stimmen. So entsteht ein Klangbild, das nicht nur durch Vielfalt, sondern auch durch innere Homogenität fasziniert. Die Klangfarben schmeicheln dem Ohr und eröffnen dem Hörer ein großartiges Erlebnis, das von zarten Schattierungen bis zu monumentaler Wucht reicht. Das 2015 ergänzte Fernwerk trägt mit seinen weiteren solistischen Stimmen und seiner einzigartigen Fernwirkung eine besondere Dimension bei.
2. Eine Interpretin, die nicht nur Technik, sondern Musikalität höchsten Ranges besitzt.
Genau das ist bei Zuzana Ferjenčíková der Fall. Ihr Spiel berührt nicht nur den Verstand des Musikliebhabers, sondern ergreift das Herz des mit Sehnsucht suchenden Menschen nach dem, was erfüllt und beglückt. Man spürt, dass sie nicht nur die Orgel spielt, sondern dass sie mit der Musik eine tief geistige Botschaft vermittelt, die weit über den Augenblick hinausweist. Dazu kommt, dass sie gerade nicht auf altbekanntes Repertoire zurückgreift, sondern eigene Transkriptionen vorstellt – mutige, feinfühlige Bearbeitungen, die das Instrument zum Strahlen bringen. So eröffnet die CD mit Beethovens Sonate Pathétique fulminant, führt über Mozarts fast schwermütig anmutendes Adagio h-Moll und drei Stücke aus den Kinderszenen von Schumann bis hin zu Liszt – und erreicht damit einen Höhepunkt der Orgeltranskriptionskunst.
3. Eine Aufnahmetechnik, die den Klangraum vollkommen erfasst.
Hier leistet Christoph Martin Frommen Außergewöhnliches: Die Aufnahme ist kristallklar, von räumlicher Tiefe und Balance, wie man sie sich besser kaum vorstellen kann. Jede Nuance der Orgel wird eingefangen – vom hauchzarten Pianissimo bis zum monumentalen Fortissimo – und vermittelt dem Hörer nicht nur die Klangschönheit des Instruments, sondern auch die akustische Atmosphäre der herrlichen gotischen Hallenkirche von St. Peter und Paul in Ratingen.
Das Booklet, gewohnt sorgfältig von Aeolus gestaltet, rundet das Hörerlebnis ab: Fundierte Informationen zur Orgelgeschichte mit zum Beispiel historischen Bildern vom Aufbau der Orgel im Jahr 1953, zur Künstlerin und zu den Werken laden dazu ein, beim Hören in die Hintergründe einzutauchen.
Für mich ist die CD mit dem passenden Titel Passion ein Ereignis: eine leidenschaftliche Einspielung, die Maßstäbe setzt und die ich zu den besten Orgel-CDs der letzten Jahre zähle. Sie ist ein Hörgenuss, ein klingendes Dokument der Lebendigkeit einer einzigartigen Orgel – und somit ein heißer Tipp zum Verschenken. Dies gilt für alle Gelegenheiten, da man lieben Freunden besinnliche, ergreifende und trostvolle 75 Minuten Musik schenken und damit eine echte Freude bereiten möchte.
Pfarrer Daniel Schilling
Ratingen