5 von 5
griba
02. März 2019
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Herausragende oratorische Passion mit einem Interpretationsproblem
Die hier erstmals dargebotene oratorische Passion „Der blutige und sterbende Jesus“ Reinhard Keisers von 1705 in der umgearbeiteten Fassung von 1729 dürfte eine der wichtigsten Neuerscheinungen an Passionsmusiken der letzten Jahre sein.
Dargeboten wird die Aufnahme von den Solisten, den Instrumentalisten und dem Chor auf einem heute zu erwartenden sehr hohen Niveau und lässt bezüglich der Beherrschung technischer Mittel, sängerischer Qualität und der Intonation keine Wünsche offen. Aufnahmetechnische ist das Werk hervorragend, die Sprachverständlichkeit (auch im Chor) ist sehr hoch, wenn auch die Streicher manchmal ein wenig zurückgesetzt wirken und es etwas zu wenig Raumklang gibt, hier moniere ich allerdings auf sehr hohem Niveau.
Die freie Nachdichtung des Passionsgeschehen durch den Barockdichter Hunold (Menantes) ist in ihrer sprachlichen Schönheit für den heutigen Hörer sehr angenehm zu hören, vor allem auch weil er schöne Sprachbilder liefert und nahe am Evangeliumstext ist ohne in eine (heute oft schwer zu vermittelnde) barocke Schwülstigkeit zu verfallen.
Reinhard Keisers Komposition ist in ihrer Farbigkeit und Abwechslung wundervoll und er verzichtet auch nicht auf entsprechende dramatische Stellen. Diese sind jedoch durch Klapprotts interpretatorischen Ansatz leider nur wenig bis gar nicht zu hören. Ein wenig besser wird es im letzten Drittel der Passion, hier speziell beim „Eli lama“ und bei der Erdbeben-/Vorhangsszene, hier hat sich vielleicht die Geigensolistin durchgesetzt.
Dynamisch wird die ganze Passion in einem Bereich vom Mezzopiano bis Mezzoforte dargebracht, dramatische Ausbrüche nach oben gibt es so gut wie nicht, eher geht es dynamisch noch zurück. Einerseits scheint Klapproth das opernhafte, wofür Reinhard Keiser berühmt berüchtigt ist, zu vermeiden, anderseits wird wie in einer Art „Andachtsmusik“ musiziert, sehr verhalten. Die Dramatik der Passion, der Folterung und Ermordung Jesu, bleibt auf der Strecke. Alles wird in einem Art „sotto voce“ durchgespielte. Daher kann es für dies Aufnahme (allein aufgrund Bernhard Klapprotts Interpretationsansatzes) leider bei der künstlerischen Qualität keine volle Punktzahl geben.
Trotzdem ist diese Aufnahme aufgrund der Erweiterung des Reporterries, der wundervollen Musik Reinhard Keiser mit den herausragenden Instrumentalisierungen und den Klangdispositionen, des herausragenden Textes Hunolds und auch wegen dem sehr guten Einführungstextes von Christine Blanke absolut empfehlenswert.
Dieser oratorischen Passion kann man nur wünschen, dass sie in vielen Chören und Kantoreien aufnahme findet, da sie für diese, obwohl anspruchsvoll, gut aufführbar sein dürfte und so den Kosmos um die bachschen Passionsoratorien wundervoll erweitert.
Vielleicht findet sich ja in absehbarer Zeit ein Dirigent mit dem Mut zu mehr Emotionalität und Dramatik. Die oratorische Passion Keisers wurde hier nochmals gewinnen.