So fing damals alles an
Natürlich interessiert man sich für Braunfels.
Braunfels wurde von uns damals wie ein Heiliger verehrt! Ein deutsches Komponist, der mitten im Dritten Reich eine Aussätzigen-Oper "Verkündigung" schreibt nach dem Text eines lebenden französischen Autors (Paul Claudel) als kritisches Gleichnis auf die gerade entstehenden Nazi-KZs - das musste es sein, das wäre nun der "konservative Antifaschismus", ein Wert-Konservativer, der gegen die Nazis eingestellt ist und "zu Gott" gehört. Gleichzeitig schrieb er die Streichquartette in Anlehnung an diese "Verkündigungs-Oper", Quartette die ich darum geliebt habe und auf genau dieser CPO-CD vielleicht hundertmal gehört habe. Ich war der Meinung: es kann keinen Irrtum geben, und alles was er geschrieben hat, müsste eine Offenbarung für die Verfolgten sein, und wer ihn kritisierte - und davon gab es damals viele, und nicht nur Nazis - muss sich geirrt haben oder ein Egoist sein usw..
Gleichzeitig fragte man sich, warum diese Folge nicht fortgesetzt wurde und Jahre gingen ins Land. Allmählich aber entdeckte ich durch Freunde und Nachforschungen Braunfels` übrige Operntexte, CD-Veröffentlichungen kamen nach und nach dazu und allmählich bot sich ein enttäuschendes Bild.
Keineswegs war Braunfels der Anwalt der Unterdrückten, ganz im Gegenteil, nach 1929 und 1931 machte er sich vor dem Dritten Reich in Opern wie Galatea und der Mephisto-Oper Prinzessin Brambilla grausam kritisch über sie lustig, Der Ulenspiegel ist eine vulgäre Parodie auf den edlen Geist von de Costers Reformator-Figurl, Verkündigung ist eine eigenwillige männliche Variante, die von dem Original-Autor Paul Claudel aus Frankreich abgelehnt wurde, ständig schrieb Braunfels sexistische Stücke er war ein Franzosenhasser, der eine radikale deutsche Kultur als ihr Oberhaupt sah (siehe seinen offenen Brief gegen Romain Rolland!), er wurde deswegen von Hitler hofiert, und trotz Braunfels` Ablehnung von dessen plumpen Verwendungsversuch, könnte Hitler es ihm vermutungsweise damit alles gnädigerweise gedankt haben können, indem er diesem abstrus nützlichen Deutschnationalen möglicherweise am Bodensee sein Leben ließ. Man beachte: jüdische Komponisten wie Viktor Ullmann, Hans Krasa und Pavel Haas, Schulhoff oder auch der Attentäter Elser starben gewaltsam, Elser wurde noch extra "vorsorglich" kurz vor dem Ende getötet, damit er nicht überlebt. Auch gegen den deutschen Autor Rudolf Borchardt wurde zum Schluss vorsorglich der Tötungsbefehl erlassen, den er nur wegen der Weigerung eines deutschen Offiziers überlebte.
Es hatte sich historisch nicht sehr fair entwickelt, dass die Braunfels-Reihe damals mit diesen Streichquartetten und der damals eingekürzten Verkündigung begann, ohne dass die Öffentlichkeit die anderen Sachen zuvor kennenlernen konnte; Werke, von denen man den Eindruck gewinnt, dass sie im Grunde in der Nähe zum feudalen Pfaffentum gestanden hätten und man das lieben müsse. Er war halt eben kein Heiliger, sondern durchaus ein "spaßiger Kauz", der neben "heiligen" Sachen wie Messe op. 37 und Orgelkonzert op. 38 durchaus einen Don Juan op. 35 wahr macht.
Dem Auryn-Quartett ist zu danken, dass eine sehr gute Einspielung vorliegt, und die Quartette enthalten sowieso Themen, die man träumerisch nach seinen eigenen Vorstellungen anders weiter denken und wünschen kann. Braunfels hat mit seiner Musik stilistische Kopien betrieben und eigentlich, wie man sagt, "Paraphrasen" gemacht. Warum nicht mal auf Braunfels Musik "Paraphrasen" schreiben, sie so komponieren, wie sie sein sollte?!
Eine Musik also, die durchaus interessiert, aber von der man sich nach meiner Ansicht nicht zu viel versprechen sollte.
Sehr bedauerlich, dass zugunsten von Braunfels andere jüdische Komponisten zu kurz kommen, denn eigentlich könnte man Neuaufnahmen der Opern von Ullmann, Haas, Krasa und Goldschmidt (Beatrice Cenci!!!) herausbringen, Opern, die nun wirklich nennenswert die Realität vertreten und den Verfolgten ein Denkmal setzen.