Herzlose Magie: eine mephistophelische Laus
Zuckersüße romantische Klänge ohne jeden guten Sinn.
Gute Musik, sie macht was aus, wenn sie einer erfolgreichen Logik folgt. Das ist hier nicht der Fall. Die Musik ähnelt - besonders in Verbindung mit dem Text - dem Schema einer unverdaulichen schmackhaften Torte, einem leckeren Köder, dem ohne Zeit für Genuß sofort ein Haken folgt.
Die Story total unappetitlich: Ulenspiegel der Freiheitskämpfer erklärt sich zu Beginn zu einer Art Laus im Fell der Bürger, hat ein Stelldichein mit der Bürgermeisterfrau während der heiligen Messe, stalkt sexuell junge Mädchen in Damme, verursacht rebellisch unverantwortlich den Tod seines Vaters, seine Freundin stirbt für seinen Einsatz, und überhaupt charakterisiert Braunfels als einen seiner Vögel im ersten Bild, wobei noch die Alberichscene aus Rheingold Bild 1 zitiert wird.
Es geht in diesem schrägen Machwerk um die "Reformation". Den Aufstand von Loosern. Wie Braunfels sie sah. Sie war demnach albern, sexistisch, düster und ein Heidenspaß. Braunfels hatte zeitlebens Sinn für sexistische Stoffe, in Don Juan, Gott minnende Seele, Prinzessin Brambilla, Galathea etc.. Und er war durchtrieben. Natürlich muß man annhemen, dass Braunfels, der militante Extremist, sich über die Reformation lustig machte, denn fast zur gleichen Zeit hielt er den Krieg für "Gottes Wille und Auftrag für die Deutschen" und er wetterte gegen den appelierenden Rolland, als eine belgische Stadt im ersten Weltkireg mit Kriegsverbrechen durch deutsche Truppen sinnlos vernichtet wurde.
Verdrehung total
Braunfels sah sich schon von früh an als mephistophelischen Verführer, und so dürften wohl auch sein Ulenspiegel als Geniestreich in diesem Sinne zu deuten sein, wie er den Stoff von de Coster ins Gegeteil verdreht - de Coster hätte sich vielleicht im Grabe rumgedreht.
Leider zieht sich dieses Vorgehen von Braunfels wie ein roter Faden durch sein Ouevre. Er verdreht regelmäßig total. Herzog Alba, der den Ablaßhandel einführen will, reitet mit Gustav Mahlerischen Klängen ein, gerade Mahler, der dafür bekannt ist, Dinge des Lebens in seiner Musik grundsolide sozial vernünftig ohne Scheinheiligkeit zu konstruieren. Mephistophelische Verführung findet man dann überall, und wenn Ulenspiegel sich als "Laus" bezeichnet, denkt man an Braunfels` Floh-Ballett op. 25 Phantastische Erscheinungeen, worin ein Floh die Gesellschaft zu picken beginnt, zweifellos ein Selbstbildnis, oder Pantalone und der Herzog "Scharlatan" asu Brambilla, die mit diversen Drogen die Ehepaare und die Welt durcheinanderbringen, oder Wiedehopf und die Nachtigall, die mit Ratefreund die Welt in einen Krieg stürzen, oder der diabolische Don Juan, oder das kleine Männlein, das in dem "Glaäsernen Berg" auf seine Erlösung zum großen König durch ein Jungfrau hofft, oder die Bedrängung der naiven "Gott minnenden Seele" usw..
Edelste Musik steht dabei im Zusammenhang mit profansten Unsinn.
Was dabei herauskam ist ungenießbar, seine schöne Musik dient nicht der Verherrlichung der Reformation, sondern es ist wie Sahne auf einem Komposthaufen. Ganz ehrlich: brauche ich nicht. Geht auch gar nicht.
Ganz ehrlich: Busoni könnte ein harmloser Magie-Schüler vom jüngeren Braunfels gewesen sein!
So kommt mir das vor. Denn eigentlich ganz selten habe ich noch nie deutsche Herzromantik in Verbindung mit totaler Dämonisierung erlebt wie hier. An der Musik ist in ihren kausalen Folgeabläufen nichts dran außer Illusion.
Vogeltod
Braunfels, er war schon der große Floh im Olymp, der das Weltgetriebe durcheinanderbringen wollte. Interessant finde ich folgende Feststellung: in den japanischen Gesängen beklagt eine Königin, dass ihr Nacht mit dem König durch den Hahn gestört wurde. Dieser macht sich auf, um ihn zu schlachten. Die Liebesscene daraus entstammt dem Flohballet op. 25. Schon klar: dieser Floh wollte den Vogel töten.
Angesichts der Gewichtigkeit dieses Werks ist die Aufführung unterbesetzt, es hatte sich aber bisher auch niergendwo ein großes Orchester für dieses "Werk" eingefunden.
Das Orchester hier wurde extrem reduziert, mit knapp über 30 Köpfen hört sich das aber dennoch merkwürdig befriedigend voll an.
Die Aufführung ist nicht traditionell. eher ulkig schräg. Dass man den Eindruck einer Müllhalde bekommt ist nicht von ungefähr, da das Bühnenbild einem Schrottplatz nachempfunden wurde.
Man lernt ein nicht unerhebliches Werk in einer Sparverion kennen, und das könnte doch ehrlich für Wissenschaftler ausreichen.