4 von 5
Musaion
Top 100 Rezensent
10. August 2021
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
4,0 von 5
Konkurrenzfähig
Nachdem letztes Jahr die Einspielung von Rattle erschienen ist, lohnt sich ein Vergleich mit dieser vorliegenden unter Kobers Dirigat.
Die Siegmund-Partie wird hier von Michael Weinius gesungen und er macht seine Sache recht gut: schlanker, jugendlicher und tenoraler im Klang als Skelton, der kraftvoller und mit satterem, baritonalerem Timbre singt. Weinius ist aber wesentlich textverständlicher und phrasiert sinnvoller.
Die Sieglindes von Westbroek und Ferede sind ähnlich: jugendlich, frisch und überzeugend. Es fehlt etwas der Schmelz im 1. Aufzug.
James Rutherford singt in beiden Versionen den Wotan und beide Male recht gut: kraftvoll und herrisch zu Beginn, glaubhaft betroffen am Ende.
Linda Watsons Brünnhilde ist die große, positive Überraschung: obwohl schon 59 Jahre alt ist ihre Darstellung frischer und jugendlicher als die Theorins bei Rattle. Herrlich jubelnd der Beginn des 2. Aufzugs - das Idealbild der übermütigen, kampfeslustigen Schildmaid. Da hat sie sich selbst ein Denkmal unter den sehr guten Rollenvertreterinnen gesetzt!
Koniecznys Hunding ist etwas harmlos und zuwenig sinister, singt aber textverständlicher und natürlicher als Halfvarson, der zwar dunkler und mächtiger singt, aber oft durch Überbetonungen und unidiomatische Phrasierung merkwürdig klingt und seine Partie eher mühsam buchstabiert als überzeugend darstellt.
Kober dirigiert klar, durchsichtig - aber auch eher brav und solide. Da ist Rattle etwas akzentuierter und noch differenzierter.
Bei beiden ist aber (wie in den letzten Dekaden überhaupt in der Wagner-Discographie) die Tendenz zu bemerken, zugunsten einer fast kammermusikalischen Durchhörbarkeit die packende Dramatik zu opfern. Dies mag plattenästhetischen/akustischen Interessen folgen, führt aber dazu, dass der Zuhörer zwar die einzelnen Orchesterstimmen besser heraushört, andererseits aber nicht mehr so vom Musikdrama gefesslt wird. Irgendwie schade, meiner Empfindung nach.
Insgesamt also hat hier die Deutsche Oper am Rhein eine bemerkenswerte Einspielung realisiert, die der großen Star-Einspielung vom letzten Jahr ebenbürtig ist: im Sängerischen sogar überlegen, im Orchestralen leicht unterlegen.
Sie zählt somit zu den erfreulichsten Aufnahmen des Werkes in den letzten 60 Jahren, ohne die alten Aufnahmen in sängerischer oder dramatischer Hinsicht erreichen zu können.