Ludwig van Beethoven: Klaviersonaten Nr.21 & 23 auf CD

Serkins Interpretation der »Waldstein«-Sonate in der Carnegie Hall im Jahr 1986 kommentierte der Musikkritiker Donal Henehan in der New York Times mit folgenden Worten: »Die glühende Begeisterung, die seinem Musizieren zugrunde liegt, bewegte ihn in früheren Zeiten häufig dazu, fast brutal mit dem Klavier umzugehen, als ob er es zwingen wollte, sich seinen Wünschen zu beugen. Trotz seines professoralen Erscheinungsbilds war und ist er eher ein visionärer Prophet als ein strenger Formalist. Heute bemüht er sich jedoch stärker als früher um schönen Klang und Farbschattierungen, soweit diese seinen Grundüberzeugungen nicht im Wege stehen. Diesmal ging er den Eröffnungssatz etwas bedächtiger an und sah sich nie genötigt, kräftig in die Tasten zu schlagen, um seine dramatischen Höhepunkte zu setzen. Neben zahlreichen weiteren wunderbaren Stellen beeindruckte besonders der zarte Übergang zwischen dem langsamen zweiten Satz und dem Rondo-Finalsatz. Im letzten Satz zeigte Serkin eine Beherrschung des Anschlags, um die ihn jeder junge Virtuose beneiden würde.«

Im Jahr 1989 war Serkin kein Heißsporn mehr, doch die Tontechniker der Deutschen Grammophon fingen seinen schwer aufzuzeichnenden spezifischen Klang realistischer und plastischer ein als zuvor. »[Serkin] hatte immer das Gefühl«, sagte Thomas Frost, »dass die einzige Schwäche von Musikaufnahmen daran bestand, dass sie große Steigerungen, die ganze dynamische Bandbreite von Pianissimo bis Fortissimo, nicht wiedergeben konnten.« Das änderte sich mit dem Aufkommen der Digitaltechnik, und selbst zu einer so späten Zeit seiner Karriere gelang es Serkin, jede dynamische Schattierung klar und überzeugend zu vermitteln, als spiele er nicht nur Klavier, sondern auch mit der Stimmung und Akustik des Raums. In einer von Ungewissheit und Unbeständigkeit geprägten Welt sind Serkins kompromisslose Haltung, sein Verzicht auf Schaueffekte und seine Verpflichtung auf künstlerische Wahrheit wichtiger und bedeutsamer denn je.