Johannes Brahms: Klavierwerke "Late Piano Works" auf CD

Geheimnisvolles Vermächtnis

Als in sich gekehrte Meditationen, als »Zyklen pianistischer Träumereien«, werden die späten Klavierwerke von Johannes Brahms oft bezeichnet. Tatsächlich sind sie so etwas wie die musikalische Lebensbilanz eines großen Komponisten, bei der sich warmherzige Poesie und Melancholie die Waage halten. Dass Piotr Anderszewski, weithin für die Tiefgründigkeit seiner Interpretationen gerühmt, irgendwann auch diskografisch auf dieses Repertoire zurückkommen würde, war eigentlich nur eine Frage der Zeit. Mit Brahms: Late Piano Works liegt nun endlich jenes Brahms-Album vor, auf das vermutlich viele Fans des Warner-Exklusivkünstlers gewartet haben.

In einer sorgfältig austarierten Reihenfolge präsentiert der polnische Meisterpianist die berühmten Zyklen aus den 1890er-Jahren, bestehend aus ausgewählten Werken aus den Sieben Fantasien op. 116, den Drei Intermezzi op. 117, den Sechs Klavierstücken op. 118 und den Vier Klavierstücken op. 119. Auf der Suche nach dem existenziellen Gehalt dieser Musik kann Piotr Anderszewski, der mit Brahms: Late Piano Works bereits sein 16. Album bei Warner vorlegt, auf eine jahrzehntelange Konzertsaal-Erfahrung zurückgreifen. In gereifter Form kommt diese Erfahrung auch auf der neuen Veröffentlichung zum Ausdruck. Die späten Klavierstücke von Johannes Brahms sieht Anderszewski als Vermächtnis, das durchaus Fragen aufwirft: »Was gewährt uns hier dieser verschlossene Mann? Oder vielmehr, was entzieht er uns noch?« Das »stille Begehren, es zu erahnen« sieht Anderszewski als mögliche Antwort auf die Frage, worin die außergewöhnliche Schönheit dieser Werke beruht.