3 von 5
JAW-Records
Top 50 Rezensent
12. Juni 2021
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Noch dieseits der Grenze der Sinnhaftigkeit
Die Fünfte ist vielleicht nicht diejenige Sinfonie Mahlers, die im Sinne des Konzepts der Orchesterreduktion (nach dem Vorbild von Schönbergs Konzept des "Verein für Privataufführungen") zur "Verkleinerung im Gewand" am besten geeignet ist. Bekanntlich hat Mahler ja selbst lange mit der Orchestrierung gerungen, weil ihm hier eine massive Besetzung (anfangs zu überladen geraten) doch wichtig war.
In der hier besprochenen Aufnahme mit dem Leiter und auch Arrangeur der Fünften Klaus Simon schlägt sich die Holst-Sinfonietta wacker. Auch technisch ist die Aufnahme gut gelungen. Die Aufmachung und das Booklet (sehr lesenswert) sind samt Gestaltung (Fotos) beeindruckend. Warum bin ich nun von der Aufnahme nicht begeistert?
Das mag an einer zeitweisen Überrepräsentation des Klaviers liegen, welche meine orchestrale Phantasie stört. Und an der doch insgesamt eher braven Ausführung bei der oft der Funke nicht auf mich überspringt. oder auch an dem eher trockenen Klangbild, dass aus dem Adagietto doch ein Klavierquintett macht ... Manches zerfällt doch stark - z.B. im zweiten Satz oder in den Teilen des Scherzos, in dem mir etwas der Zug fehlt. Sehr schön stimmig, ausgewogen und spielfreudig finde ich allerdings das heikle Finale gelungen.
Insgesamt gesehen ist M.E. die anders instrumentierte Fassung des Nathalia Ensembles (und auch die spannender-vitalere Aufnahme, die wegen der Spiellaune und Klangkultur Freude macht) stimmiger gelungen als das Arrangement von Simon. Das Orchestrale wird trotz der kleinen Besetzung noch gut transportiert ("orchestraler" gespielt als von der "Holst-Sinfonietta"), auch im ersten und besonders heiklen zweiten Satz. Natürlich fehlen z.B. im zweiten Satz dann doch stark manche Farben (fehlende Balance in der Tiefe!) und somit für das Ohr wichtige harmonische Stimmen - z.B. im Choral.
Offen gesagt sehe ich bei der Fünften die Sinnhaftigkeit der Bearbeitung per se schon als Geschmackssache an ...
Noch ein paar Tipps bezüglich Mahler-Arrangements:
Ich bin sehr von der Mahler 4ten in dem Reduktions-Arrangement von Klaus Simon in der Aufnahme mit Contratto angetan - auch als Alternative zu dem ebenfalls ausgezeichnetem alten Arrangement von Erwin Stein (1921). Stein kannte noch keinen Dennis Brain, sonst hätte er vielleicht die Besetzung mit Horn gewagt, aber auch diese noch schlichtere Variante ohne Fagott und Horn gibt dieser Sinfonie eine noch strukturellere Erscheinung und Zeichnung der thematischen Arbeit. Klaus Simons Version mit zusätzlichem Horn und Fagott lässt mehr die originale volle Orchesterfassung Mahlers erinnern. Beide Fassungen haben einen starken Reiz, beide Reduktionen sind eine klare Bereicherung des Repertoires.
Ebenso ist eine Reduktion des Lied von der Erde (Schönberg/Riehn) wegen der großenteils starken Intimität stimmig. Auch die Neunte (Simon - aber nur in der RCO Chamber Orchestra Aufnahmewegen der phantastischen Musiker!) und die Zehnte (Castelletti, nochmals bearbeitet von Sturgards in dessen Aufnahme) haben ihre starke Momente.
Die Sechste ist in der Klavierfassung von Zemlinsky durchaus hörendwert (habe bei YouTube die Simon-Fassung gehört), ebenso die Siebte in der Klavierfassung von Casella (im Gegensatz zur Stangel Taschenphilharmonie-Aufnahme, die einfach für meine Empfinden und Ohr zu mangelhaft ist). Extravagant aber im persönlichen Ton überzeugend ist die Solo-Klavier Fassung von Lühl...
In der ersten Sinfonie funktioniert diese Reduktion allerdings m.E. nicht so gut. Das liegt wohl hautsächlich an dem völlig anderen und viel stärker auf Raumwirkungen und Farben und Klanggröße ausgelegtem Konzept dieser phantastischen und jugendlich-himmelsstürmerischen Sinfonie.