Lisa Tatin - Berg / Darbellay / Mahler auf CD

Die Vorstellung, dass die Musik dort anfängt, wo die Sprache aufhört, geht auf die literarische Romantik zurück. 1835 war Joseph von Eichendorff dem „Gesang in allen Dingen“ auf der Spur. Nur eine Sprache, die selbst Musik wird, kann darüber sprechen, was sie sonst verschweigen muss. So das Credo der romantischen Poesie. Aber wenn die Sprache selbst zur Musik wird, was soll dann die Musik werden? In der musikalischen Gattung des Liedes, in der Wort und Musik verzwillingt sind, in der sich Sinn und Klang gegenseitig stützen, umgarnen und manchmal durchdringen, beantworten die Komponisten selbst diese Frage. Jedes Kunstlied ist im Grunde eine Meditation über das Verhältnis von Musik und Sprache. Dies gilt insbesondere für die drei Liederzyklen auf dieser CD. Die Liedvertonungen von Gustav Mahler, Alban Berg und Jean-Luc Darbellay kreisen alle um eine Abwesenheit, die sich durch die Sprache offenbart – und der die Musik eine akustische Präsenz verleiht. Über einen Zeitraum von acht Jahrzehnten nähern sich die drei Komponisten der schicksalhaften Verflechtung von Liebe, Verlust und Erinnerung. Die drei Liederzyklen, die das Ensemble Orion präsentiert, sind Bearbeitungen für Sopran und Streichquartett oder -trio. Dies ist die erste Einspielung dieser Werke in kammermusikalischer Besetzung. Zirkus, Schauspiel, modernes Ballett, Theater, Oper – all das gehört zu Lisa Tatins Karriere. Nach dem Studium an einer Zirkus- und Tanzschule setzte sie ihre Gesangsausbildung am Konservatorium Lyon und der Hochschule in Fribourg / Lausanne bei Christian Immler fort. Weitere Studien führten sie zu Prof. Lina Maria Åkerlund an die Zürcher Hochschule der Künste. Lisa Tatin sang verschiedene Rollen in Mozart-Opern. In den vergangenen Jahren hat sie zeitgenössische Werke aufgeführt, die alternative Gesangsformen mit choreografischen Elementen verbinden. Mit dem Arcola Theatre London trat sie als tanzende Sängerin in einer szenischen Version von Buxtehudes Jesu Membra Nostri auf. Im Frühjahr 2022 debütiert sie am Opernhaus Zürich in einem Werk von Stefan Wirth.