Vergnügliche Anekdoten aus dem Alltag eines reisenden Musikers
Gesammelte Musikeranekdoten in Buchform sind in den meisten Fällen eine vergnügliche Lektüre, da macht dieses Buch keine Ausnahme. Wurden die Anekdoten von fremder Hand und posthum zusammengestellt, kann sich das Opfer nicht mehr wehren, zumal wenn, wie etwa im Falle Bruckners, die Person selber Ziel des Spottes wird, und wenn die Histörchen nicht nur zur Darstellung menschlicher Schwächen, sondern zur Darstellung menschlicher Defekte benutzt werden.
Irvine Arditti, Primarius des Arditti Quartetts seit 1974, ist nicht nur dem feinen, sondern auch dem gröberen Humor, wie man mehrfach in diesem Buch erfährt, nicht abgeneigt. So wird er sich gedacht haben, es sei wohl am besten, dieses humorige Riesenrepertoire gleich selbst zu erzählen. Und weil Arditti gebürtiger Brite ist, begegnet man hier echtem Humor in allen Facetten, wie sie der Inselstaat zu bieten hat. Kurios, um nicht zu sagen, der größte Witz ist, dass ausgerechnet Michael Palin, Mitglied der legendären Komikertruppe Monty Python, mit die humorloseste Figur in dem ganzen Buch ist.
Von was handeln Musikeranekdoten, egal ob sie aus der Oper, Sinfonieorchestern oder einer Heavy Metalband stammen? Klar, in erster Linie von Musik, in zweiter Linie von der Unbill des ständigen Reisens. Und drittens? Wenig überraschend: Von den Freuden und Leiden der wenig geregelten, häufig improvisierten Nahrungsaufnahme an den unterschiedlichsten Orten der Welt. Dass sich das selten positiv auf die Gesundheit und den BMI auswirkt, lässt auch Arditti nicht unerwähnt.
Wer das Buch in die Hand nehmen möchte, sollte sich einigermaßen im Repertoire der Ardittis auskennen, sonst wird manches nicht verständlich – genauso bringt es wenig, die Memoiren und Anekdoten von Opernsängern zu lesen, wenn man noch nie in der Oper war. Mit dem entsprechenden Wissen macht das Buch jedenfalls doppelt Spaß: So erfährt man, dass auch die gestrengsten Götter des heiligen Grals der Neuen und Neuesten Musik auch Menschen sind mit ganz banalen und mehr oder weniger sympathischen Charakterzügen, fehlbar und verletzbar. In einigen wenigen (nachvollziehbaren) Fällen verschweigt Arditti, um wen es sich handelt, auch wenn die beschriebene Aktion – ein Komponist trat dem Violinisten in den Hintern – , immerhin einen prominenten Vertreter in der Musikgeschichte vorweisen kann: Wolfgang Amadeus Mozart.
Ardittis zum Teil beißende Ironie sollte man einordnen können und nicht als simple Kritik missverstehen, schnell entstünde ein schiefes Bild. Aber Liebe zur Sache ist ohne ironische Distanz nichts Ganzes.
Irvine Arditti erzählt das alles mit sprachlichem Witz und erzählerischem Fluss, dass man das Buch kaum aus der Hand legen will. Schön, wenn man selber etliche Konzerte der Ardittis besucht hat und nun von so manchem Konzert liest, an das man sich noch gut erinnern kann und nun Überraschendes aus anderer Perspektive erfährt.
Seltsam nur, dass Arditti seinem Buch kein Vorwort mitgegeben hat (eine Diskografie wäre auch nicht verkehrt gewesen), aber vor allem, dass man nicht erfährt, wer das Buch ins Deutsche übertragen hat. Insgesamt hinterlässt das Buch den Eindruck eines etwas überstürzten Produktionsprozesses, aber das mindert die Freude an der Lektüre nur wenig!