Überromantisierte Vergangenheitserinnerung gepaart mit rechtspopulistischer Rhetorik
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll bei der ganzen Ambivalenz und der rechtspopulistischen Argumentationsweise und Relativierung von COVID19, dem Klimawandel und vielem anderen.
Frau Meyer-Diessner Predigt regelrecht, wie modern und unbeeinflusst sie von Werten der katholischen Kirche aufgewachsen sei und reproduziert gleichzeitig traditionalistische und rechtspopulistische Werte wie veraltete Familienbilder, Vorstellungen von Sexualität und Geschlechtlichkeit. Darüber hinaus werden Scheinkausalitäten wie die Illusion der Sicherheit durch eine homogene Gesellschaft als Tatsachen dargestellt. Wodurch fehlende Sicherheit indirekt auf Zuwanderung geschoben wird. Frau Meyer-Diessner betont selbst wie sehr man von der Umgebung beeinflusst wird, behauptet jedoch gleichzeitig, dass sie gänzlich frei von Manipulation wortwörtlich von einer Gehirnwäsche aufgewachsen wäre, welcher heute alle unterzogen werden.
Klimawandel und COVID19 zielen angeblich auf Panikmache und auf der Kontrolle der Gesellschaft. Es fehlt nur noch, dass Illuminaten oder Freimaurer erwähnt werden, der Alu-Hut ist bereits hell erleuchtet. Es wird Angst vor einer neuen heterogenen Welt gemacht, früher was alles viel besser, als man nur eine Türkin (Zitat) in der Schule hatte. Auch wird nicht vor rassistische stereotype Bezeichnungen wie It**er für aus Italien stammenden Menschen zurückgeschreckt. Die Kultur aller Gastarbeiter aus den 80ern wird auf deren länderspezifischen Gerichte beschränkt.
Natürlich bleibt die sog. „political correctness“-Kritik von Frau Meyer-Diessner, als alte, weiße, heterosexuelle CIS Frau, auch nichts aus – und das auf einem Stammtisch-Niveau. Ein Paar Seiten, nachdem Frau Meyer-Diessner selbst den Genderstar * nutzt (S. 52) wird sich über das gleiche lustig gemacht. Sie betont mehrfach wie gleichberechtigt sie aufgewachsen zu sein scheint, mit der einzige Begründung nicht belästigt worden zu sein. Hier sollte dringend nochmals über den Unterschied von Gleichberechtigung und ausbleibender sexualisierter Gewalt nachgedacht werden. Obwohl sie selbst ein Ereignis schildert, in welchem sie diese Art von Gewalt erfahren hat, aber dies wird auch schnell wieder relativiert (früher was halt alles besser).
Ergänzt wird das ganze durch rechtspopulistische Phrasen wie "Kultureinebnungsagenda". Framing a la AFD. Ich hätte wirklich mehr erwartet. Es ist eine Schande, dass das Buch in Hanau herausgegeben wurde, in welchem Ort sich erst vor kurzem ein rechtsextremer Terroranschlag gejährt hat, anstatt dies jedoch zu thematisieren, wird die Migration als Mutter des bösen dargestellt und mehrfach vor Linksextremismus gewarnt.
Der Höhepunkt des Werks stellt dann der Vergleich von religiösen Mythen wie Himmel und Hölle mit wissenschaftlich belegten Fakten wie Corona und dem Klimawandel auf S. 80 dar. Die gesamte Bevölkerung, die sich nicht gegen die Corona Maßnahmen wehre, leide unter dem Stockholm Syndrom. Dies wird mit einem Friday for Future – drittes Reich Vergleich gekrönt. Mir fehlen wirklich die Worte.
Auch im Hinblick auf die Form des Buches, kann es nicht überzeugen: unübliche Schriftart, teilweise nicht professionell, hochaufgelöst gedruckt, es wirkt insgesamt laienhaft.
Fazit: dieses Buch könnte als Werbung für Werte von Rechtspopulisten durchgehen. Der Titel ist irreführend. Es handelt sich um eine anekdotische Einzelfallbeschreibung und nicht um stichhaltige, argumentative Kritik. Dazu werden auch noch Philosophen missbraucht und deren Zitate aus dem Kontext gerissen, um sie für die eigene Propaganda zu nutzen. Keine Kauf- und erst recht keine Leseempfehlung.
Hochachtungsvoll
D.K.