Walter Kempowski: Das Echolot - Barbarossa '41 - Ein kollektives Tagebuch - (1. Teil des Echolot-Projekts)
Das Echolot - Barbarossa '41 - Ein kollektives Tagebuch - (1. Teil des Echolot-Projekts)
Buch
- Barbarossa '41. Ein kollektives Tagebuch
- Knaus, 03/2002
- Einband: Gebunden, Lesebändchen
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783813502053
- Bestellnummer: 2671219
- Umfang: 736 Seiten
- Sonstiges: Mit Fotos u. Ktn.-Skizz.
- Copyright-Jahr: 2002
- Gewicht: 1067 g
- Maße: 227 x 156 mm
- Stärke: 48 mm
- Erscheinungstermin: 6.3.2002
- Serie: Das Echolot-Projekt - Band 1
Klappentext
TODESFUGE AUS ALLTAG UND APOKALYPSE. Das kollektive Tagebuch vom Einmarsch der deutschen Truppen in Russland. Als Hitler am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, entfesselte er einen Vernichtungskrieg von ungeahnter Grausamkeit.Walter Kempowski hat die Stimmen von russischen und deutschen Tätern, Opfern und Augenzeugen aus jenen Tagen zu einem tausendstimmigen Chor über das große Menschheitsverbrechen des Krieges verwoben.
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Auszüge aus dem Buch
(659 Tage Sonnabend, 21. Juni 1941 1417 Tage)Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brünstig im Geiste. Schicket euch in die Zeit.
herrnhut römer 12, 10.11
André Gide 1869-1951 (Südfrankreich)
Die kürzeste Nacht des Jahres. Diese letzten vier Tage waren schöner, als man sagen kann: schöner, als ich es ertragen konnte. Eine Art Aufruf zum Glück, bei dem die ganze Natur sich zu einer wunderbaren Verzückung verschwor und einen Gipfel der Liebe und Freude erreichte, wo dem Menschenwesen nur noch der Tod zu wünschen bleibt. In einer solchen Nacht möchte man die Blumen küssen, die Rinde der Bäume streicheln; irgendeinen jungen glühenden Körper umarmen oder bis zur Morgendämmerung auf der Suche nach ihm umherstreifen. Allein schlafenzugehen, wozu ich mich gleichwohl entschließen muß, erscheint gottlos.
Paul Valéry 1871-1945 Paris
Die Physiker lassen, was man gestern wußte, nicht in Ruhe und fügen hinzu oder verbinden damit, was sie heute morgen gesehen haben. Die Historiker machen nicht so viel Umstände - und während jene damit ringen, Prinzipien, Definitionen, Geometrie und ? Verstehen umzuformen, scheren sich diese darum wenig. Sie liefern die Erzählung, und eine Erzählung absorbiert alles - es ist die Form des Formlosen - und die Verfälschung der Beobachtungen, die sie mit sich bringt oder erzwingt, ist unmerklich. Sie können sich nicht vorstellen, daß die Neuheit (die nicht nur Neuheit der Ereignisse ist - sondern ebensosehr Neuheit der Modi ihrer Aufzeichnung) einen anderen "historischen" Geist verlangen könnte, andere Ausdrücke - andere Vorsichtsmaßnahmen.
Grete Dölker-Rehder 1892-1946 Stuttgart
Sonnenwende. Aber wir sind so verstrickt in Menschendinge und aus dem Zusammenhang mit der Natur geraten, daß man der Sonnenwende kaum gedenkt.
Gestern hab ich ein Gedicht gemacht, "An den Vermißten". Ich bin über mich selbst erschrocken. Wie kann man darüber ein Gedicht machen? Ich weiß es auch nicht, es floß aus mir, wie die Tränen fließen.
Helmuth James von Moltke 1907-1945 Berlin
An seine Frau
Ich komme mir vor, als sei heute der 31. Dezember; es ist so, als begänne morgen ein neues Jahr. Morgen wird alles anders aussehen und viele Dinge werden uns bestürmen, gegen die wir uns wappnen müssen.
Jochen Klepper 1903-1942 Stauceni / Rumänien
Sturm in der Morgendämmerung, Gewölk, dann wunderbarer, mattgoldener Sonnenaufgang. 8 Uhr Aufbruch der Autos. Die Fahrt durch die hügeligen Wälder sehr schön. 12 Uhr Ankunft in Stauceni. Ödes Dorf, aber an einem - wenn auch verschilften und sumpfigen - See und Graben, in denen man zur Not baden kann. Es wird ein schöner, schöner Tag. Sonne und Wind. Wir kampieren im Autobus. Zwei Briefe von Hanni.
Der Assistenzarzt Dr. Hermann Türk 1909-1976 am Bug
Die Spannung wächst auf den Höhepunkt. Im Radio immer noch nichts. Diese Nacht soll es losgehen! Das Wetter ist prima. Hitlerwetter, sagen wir. Morgens kommt Oblt. Knütel. Er liegt mit seiner Komp. ganz in unserer Nähe.
Der Wald hier wimmelt von Panzern, Artillerie und Pferden. Unserem Korps ist nämlich auch die 1. K. D. unterstellt.
Abends kommt der 1 B der Division. Um 3.15 Uhr soll der erste Schuß fallen. Brest-Litowsk soll mit Brandöl, mit 330000 kg beschossen werden. Da können unsere Nebelwerfer ihren ersten Einsatz zeigen.
Ein leichter Zug unserer Kompanie wird vorgezogen. Er soll an der anderen Seite des Bug einen Hauptverbandsplatz vorbereiten. Stolz zieht Unterarzt Doringer mit seinem Zuge los. - Ich platze bald, daß ich auch diesmal wieder stille sein muß. Aber der Chef beruhigt mich und sagt mir, daß der Zug höchstwahrscheinlich nicht zum Einsatz kommen würde.
Der Leutnant Heinz Döll, geb. 1919 am Bug
Am 21. Juni, frühmorgens, erhielt ich den Auftrag, eine Stellung oberhalb des Bug-Ufers zu erkunden, um die Ziele auf
Biografie
Walter Kempowski, geb. 1929 in Rostock geboren, wurde 1948 aus politischen Gründen von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach acht Jahren im Zuchthaus Bautzen wurde er entlassen. Seit Mitte der sechziger Jahre arbeitete Kempowski planmäßig an der auf neun Bände angelegten "Deutschen Chronik", die er 1971 mit dem Roman "Tadellöser &Wolf" eröffnete und 1984 mit "Herzlich Willkommen" beschloss. Die "Deutsche Chronik" ist ein in der Literatur beispielloses Werk, dem der Autor das korrespondierende zehnbändige "Echolot", für das er höchste Anerkennung erntete, folgen ließ. Walter Kempowski verstarb am 5. Oktober 2007. Er gehört zu den bedeutendsten deutschen Autoren der Nachkriegszeit. 2002 wurde er mit dem Nicolas-Born-Preis des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. 2005 erhielt er den Thomas-Mann-Preis.Anmerkungen:
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