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pälzer
Top 25 Rezensent
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Alter:
55 bis 65
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Geschlecht:
Männlich:
12. April 2011
Klassisch
Mit diesem Werk hat sich Lucinda Willilams in die erste Riege der Songwriter katapultiert (direkt neben Dylan, wage ich 'mal zu behaupten). Musikalisch bewegt sie sich in einem von Country, Country-Rock à la Gram Parsons, Blues und Stones-beeinflußtem Rock abgestecktem Gelände: Americana also, wenn man so will. Das Album beginnt mit Byrds-ähnlichem Gitarrenrock und gibt mit dem Text auch gleich die Gefühlslage vor: einsame, alleingelassene, verlassene Frauen - Miß Williams weiß genau, wovon sie singt. Jeder dieser Songs ist eine kleine, tief empfundene und meisterlich in Sprache gefaßte Geschichte vom Scheitern - seien dies Beziehungen oder Lebensträume, oder auch der zufällige Tod auf der Landstraße oder in einem Honky-Tonk. Nie wird das sentimental oder gleitet in Gefühls- oder Betroffenheitskitsch ab. Williams schreibt ehrlich und genau, manchmal leicht wehmütig. Wunderbar z. B. die Texte von "Lake Charles" oder "Greenville" (übrigens im Duett mit Emmylou Harris). Letzterer Song ist die wütende Absage an eine Beziehung, in der der Partner (Gitarrist in einer Band) immer weiter auf einem selbstzerstörerischen Weg forttaumelt - gesungen zu einer wunderbaren Country-Melodie. Zwischendurch taucht in den Texten auch immer wieder Willilams Vorliebe für Rockmusik auf, wenn sie z. B. Howlin' Wolf oder Z Z Top erwähnt. Dieser Vorliebe wird sie dann auch im letzten Teil des Albums gerecht: mit "Can't let go" (der einzigen Fremdkomposition) zollt sie dem Blues Respekt, "Still I long for your Kiss" ist reiner Rock und eine herrliche Power-Ballade und "Joy" ein Bluesrock-Kracher, der vor allem bei Live-Auftritten der Band Gelegenheit bietet, es so richtig krachen zu lassen! Die Musiker spielen auf sehr hohem Niveau, der Sound ist klar, nie matschig oder überladen - die Instrumente haben Luft, sich zu entfalten. Das Album ist eine - bis heute - wahre Sternstunde von Lucinda Williams: großartige Melodien und unter die Haut gehende Texte. Die zweite CD ist ein Live-Mitschnitt vom 11. Juli 1998. Kleinere Band, straff musiziert und Miß Williams in sehr guter Verfassung. Obwohl man hier natürlich keine sich von den Originalen wesentlich abweichenden Versionen erwarten darf, liegen die Unterschiede im Detail: etwa in intensiveren Gesang, in zupackenderen Gitarren - besonders bei "Hot Blood", "Change the Locks" oder beim grandiosen "Joy" zu hören. Auf der einen Seite also abgespeckte, aber dafür intensivere Performances. Lohnenswert.