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Chrizzy
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Alter:
45 bis 54
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Geschlecht:
Männlich:
09. November 2012
Analoge Nostalgie im überragenden Klangbild
Schallplatten im 21. Jahrhundert? Den gesamten Beatles-Katalog gibt es auch im mp3-Format auf einem USB-Stick. Seit 22 Jahren habe ich keine schwarzen Scheiben mehr gekauft. Und doch gehören sie untrennbar zum Lebensgefühl meiner Generation dazu, wie der VW Käfer oder die Comic-Hefte als Jugendliteratur. Mit der Wiederveröffentlichung dieser LPs bekommt man die Beatles so, wie man sie früher zum ersten Mal kennen gelernt hat.
Nun halte ich fabrikneu „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ in den Händen. Die außergewöhnliche und mythische Ästhetik des Covers ist ungebrochen und wirkt im LP-Format ungleich besser als auf den knappen 12 x 12 cm einer CD. Als erste Band haben sie ihre Songtexte zum Mit- und Nachlesen auf der Rückseite veröffentlicht.
Schnurrbärte, Phantasieuniformen und Drogen – bei den Beatles ändert sich 1967 einiges. Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, die Alter-Ego Band der Fab Four, die statt sie selbst auf Tournee gehen sollte – als Schallplatte. Das war die Grundidee, die hinter dem ersten Konzeptalbum der Rockgeschichte stand.
Es war immer noch Rockmusik, ja, aber es kam noch etwas dazu. George Harrison verschmolz in „Within You Without You“ indische mit westlicher Musik. „A Day In Day Life“ mit seinen mehreren Teilen, die durch ein kakophonisches Orchester verbunden wurden. Für mich der genialste Song der Beatles. Die Vorab-Single Veröffentlichung Penny Lane / Strawberry Fields Forver. Und der im gleichen Jahr gedrehte Film „Magical Mystery Tour“ mit der dazugehörigen Doppel-EP (in England, in den USA als LP). Kurz: Die Beatles wurden psychedelisch.
Die Psychedelik der Beatles war irgendwie die nostalgische Sehnsucht nach der unbeschwerten Liverpooler Kindheit. „Lucy In The Sky With Diamonds“ ist eine verträumte Beschreibung einer Zeichnung von John Lennons Sohn Julian. Fassungslos muss der Urheber zuschauen, wie Kritiker „pfiffig“ LSD-Konsum hineininterpretieren. Das mag naiv erscheinen, besonders, als Paul McCartney kurz nach Veröffentlichung des Opus magnum in einem Fernsehinterview zugibt, LSD genommen zu haben.
So lege ich das Vinyl auf den Plattenteller, setzte die Nadel behutsam an und höre Publikumsgeräusche und ein sich einstimmendes Orchester bis krachend daraus der Titelsong erwächst. Der Klang ist faszinierend! Warm und bassreich, sehr druckvoll und in räumlicher Dimension. Die zugrunde liegenden 2009er Remaster begeistern auch im analogen Format.
Ich würde mir wünschen, wenn auch jüngere Leute den Zugang zu einer ganz anderen Erlebnisqualität von Musik fänden, als das beim stupiden Download von Titeln aus dem Internet der Fall ist.