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Anonym
17. Dezember 2014
Zeit zu gehen
Das neue und angeblich letzte Album von Unheilig bietet alles, was die Band so beliebt und erfolgreich macht: seichten, konsensfähigen, theatralischen Popschlager mit unterschwelliger Pseudohärte, der darauf zielt, Fans von Rammstein genauso ansprechen soll wie die Anhänger Helene Fischers. Die Texte sind wieder einmal auf Poesiealbumniveau und ungefähr so romantisch wie eine Schrankwand in Eiche rustikal. Doch was bei Rammstein ironisch und provokativ ist, gerinnt beim Grafen zur Harmlosigkeit. Vollgepackt mit erbaulichen Durchhalteparolen und Floskeln, die sich auch prächtig als salbungsvolle Kalendersprüche machen würden und als "Die Weisheiten des Lebens" verkauft werden (so ein passend unpassender Songtitel). Lieschen Müller mag dies tiefgründig finden, meiner Meinung nach ist es banal und platt. Insgesamt 16 Lieder lang trieft schwülstige Küchenpsychologie aus den Lautsprechern, in denen der Graf in erster Linie eines ist, nämlich ergriffen von sich selbst. Schwermütige Dankbarkeit, vermischt mit allerlei alpinen Metaphern ist das zentrale Thema des Albums. Wenn die CD mit dem Signalhorn und dem Stampfen einer Dampflokomotive auf "Der Berg (Intro)" zu sphärischen Synthesizer-Klängen eingeleitet wird, ist dies unfreiwillig komisch. Ein Song wie "Goldrausch" ist aber einfach nur entsetzlich bieder. Musikalisch hat wieder keine Entwicklung stattgefunden, sondern es wird schablonenartig der supermarkttaugliche Einheitsbrei der letzen beiden Alben wiederholt. Wenigstens sind die Streicher diesmal echt. Und so kann man beim abschließenden "Der Gipfel (Outro)" nur erleichtert aufatmen, sofern man nicht vorher schon vor lauter Langeweile abgeschaltet hat. Das Positivste, das ich über dieses Album sagen kann, ist, dass man sich nicht wirklich gestört fühlt, wenn die Musik als Hintergrundgedudel läuft.
Der Schrecken hat also ein Ende, aber ein Ende mit Schrecken. Auch wenn es den Fans nicht gefällt: Es ist für Unheilig tatsächlich "Zeit zu gehen", wie die erste Singleauskopplung in einem Akt der Selbsterkenntnis beteuert, nur leider eben nicht, wenn es am schönsten ist.