Anspruchsvolles Ausnahmewerk, das durch Vielfalt und Tiefgründigkeit überzeugt. Klare Kaufempfehlung
Der „neue“ Duval: Eine künstlerische Liebeserklärung ans Leben, eine Suche nach den Farben dieser Welt und insofern ein fantastisches Ausnahmewerk für Musik- und anspruchsvolle Kurzfilmliebhaber, die tiefgründige wie überraschende Akkorde, Visuals und Lyrics schätzen. Dass Frank Duval in Zusammenarbeit mit seiner Frau, der Malerin und Texterin Kalina Maloyer, 20 Jahre nach Veröffentlichung seines letzten Konzeptalbums noch einmal eine solch opulente, musikalisch vielfältige künstlerische Arbeit vorlegt, ist für mich eine echte Sensation. Prädikat: Äußerst wertvoll! Beim Hören der neuen CD-Kompositionen und Eintauchen in die Filme auf der beiliegenden DVD kann man nicht anders als ad hoc völlig innezuhalten und die Zeit für mehr als einen Moment stillstehen zu lassen.
Ob der programmatische Titelsong „Lonesome Fighter“ mit seinen rhythmisch treibenden harten Beats, die alle Außenseiter und Seelenverwandten dieser Welt in eine lange Reihe einsammeln und mit ihnen im Gleichschritt eine friedliche Armee gegen Hass, Ängste und Gewalt gründen, die jeweils tief in die innere Stille hineinlauschenden meditativen Sounds in „Mysterious Call“ und „Don´t close your eyes“, in denen sich weite Horizonte zwischen Himmel und Erde öffnen, oder die fast wie aus der Antike hineinschwebende, zerbrechliche Hymne auf das Leben, die Liebe und den Tod in „Ich bin“: Duval macht völlig auf und lässt ein intensives Kaleidoskop an offenkundig sehr persönlichen Momentaufnahmen und Lebenserfahrungen entstehen, das zwischen Zweifel, Hoffnung und Sehnsucht nahezu jeden Song eindeutig ins Hier und Jetzt, nirgendwo sonsthin, münden lässt – eindeutig fernab jeder Esoterik. Denn: Duval kommt musikalisch, textlich und emotional voll auf den Punkt. Dass Weltmusik aus seiner neuen Wahlheimat Marokko in Form der afrikanischen Oud-Gitarre anklingt und sich kongenial verbindet mit dem in alle Songs leitmotivisch integrierten Passatwind-Rauschen aus seiner langen Wirkungsstätte, der Kanareninsel La Palma, führt zu einem Sog, in den man sofort hineingezogen wird, hört man 2x, 3x, 4x und noch öfters hin. Album wie Kurzfilme spielen nämlich, beinahe cineastisch. mit einem roten Faden: Aufbruch, Zweifel, Erkundung von Weisheit und hoffnungsvolles Durchdringen der Gegenwart, interessanterweise nicht nur auf Englisch und Deutsch gesungen, sondern zudem in geheimnisvollen Sprachfetzen, die spannende Rätsel wie von alten Kulturen aufgeben. Man muss diese in Höhen und Tiefen charismatisch gesungene Sprache nicht verstehen, aber man wird Duvals Rezitationen bestenfalls sofort erfühlen. In genau diesem Sinne schwebt der Adler, der als offenkundiges Symbol von Freiheit und Grenzenlosigkeit besungen und bebildert wird, auch durch Songs wie „Wherever you are“, jene bewegende Ballade, die sich nicht allein als klassisches Duett für einen Liebespartner aufdrängt, sondern generell als kraftvolle Huldigung aller möglichen Lebewesen (oder gar der Natur?), die einem irgendwie nahestehen für alle Ewigkeit – oder durch die elektrisierenden Nummern „Om Mani Padme Hum“ und „Indiana Love“, welche den einsamen Weg des Adlers beleuchten wie ein Gebet, das zunächst aus der dunklen Stille kommt und durch die Wiederholung von Worten spätestens im Finale echte Harmonie auslöst. Die überwiegend instrumentalen Nummern „Lost Piano“ und „Tango Perdito“ sind, auch das ist legitim, als liebenswert empfundene Reminiszenzen an „Derrick“-Fans, die allerdings weit über den Krimisound hinausgehen: Sie blenden, so scheint es, den Krimikult in Intervallen und Akkorden langsam aus und spielen klanglich mit nicht viel weniger als mit jener Ewigkeit, an die wir uns in einer Welt zahlreicher Widersprüche nur Schritt für Schritt herantasten können. A propos Widerspruch: Dass sich Duval auf dem Cover des Albums mit Gewehr im Arm auf der scheinbaren Suche nach Beute oder im Kampf inszeniert, stellt sich als gelungene künstlerische Provokation heraus, wenn er im Innenleben seines musikalischen Kosmos selbstredend dazu aufruft, die Waffen und Pistolen wegzuwerfen und vielmehr der inneren Stimme zu lauschen. Die Widersprüche dieser Welt aufzuspüren („Stranger in this World“, der fast wie ein ironisch-augenzwinkernder Popsong anmutet angesichts der Verblendung in eben jener besungenen Welt) und sie gleichzeitig zu hinterfragen, um sie, ohne Antworten zu finden, ins Licht am Ende des Tunnels stets suchend aufzulösen: Das vermag dieses Album vielleicht so konsequent wie bisher keines von Frank Duval. Die verletzbare, wenngleich hoffnungsvolle Seele derart zu öffnen, ist ein großes, wie ich finde: nicht selbstverständliches, Geschenk an alle Außenseiter, die diese Musik, Visuals und Stimmungen fernab von dem, was das angeblich normale Leben ist, mit ins eigene verletzbare hoffnungsvolle hoffentlich nicht normale Leben nehmen. So entsteht idealerweise Spirit für eine Veränderung des angeblich „normalen“ Lebens.
Kurzum: Ein zeitgenössisches kleines Gesamtkunstwerk, das einen geschätzten individuellen Sound aus den 80ern/90ern mit interessanten neuen Strömungen konsequent in die Gegenwart fließen lässt und nach vielfältiger Rezeption und Reflexion förmlich ruft. Unheimlich modern, wachrüttelnd, konstruktiv irritierend und trotzdem harmonisch gegen jeden Zeitgeist. Und insofern – als engagierte Eigenproduktion ohne Unterstützung eines Major-Labels in Nordafrika umgesetzt – jeden einzelnen Cent wert! Wer dieses Album in der Hand hält, ist auch all denen dankbar, die mit viel Idealismus zur Realisierung beigetragen haben und wünscht sich, dass die Reise ins gewiss nicht traurige, vielmehr farbige Universum von Duval und Maloyer noch weitergeht. Künstler, die soviel Kraft, Weisheit, Sehnsucht, Zweifel und Schönheit verbreiten, machen, so ist zu hoffen, vielleicht noch mehr und immer mehr weiter. Wenn am Ende nichts mehr zählt, spricht Duval mit ziemlich klarer Stimme in einem Song, in dem zuvor pulsierende Trommeln verstummen, wird die (universelle) Liebe immer Bestand haben. Solche Musik garantiert auch;-) Klare Kaufempfehlung!
Peter Oppermann / Berlin