3 von 5
musideas
Top 100 Rezensent
29. Mai 2016
Eine neue alte Band
Bemerkenswert und hörbar spannend, welche Wandlung Deep Purple zwischen dem Album ‚Live in Paris 1975‘ und ‚Live In Long Beach 1976‘ vollzogen haben. Ritchie Blackmore hatte am 7. April 1975 auf ‚Live In Paris‘ seinen letzten (fulminanten) Live-Auftritt mit der Band. Nur 10 Monate später, am 27. Februar 1976, steht der US-amerikanische Gitarrist Tommy Bolin mit derselben Band-Besetzung auf der Bühne; und Deep Purple strotzen nur so vor Spielfreude und Energie. Weniger eine Band, welche Hit an Hit produziert, sondern eine top eingespielte Session-Band mit viel Witz und Improvisationspotenzial. Spätestens bei ‚Getting Tighter‘ wird deutlich – der Titel des Songs sagt es schon – welches Gemisch aus genialen Musikern hier zusammenfließt. Es ist nicht mehr derselbe Sound wie früher, weniger Hard Rock, dafür mehr Funk, Jazz, Blues, aber das war ja auch auf dem Studioalbum ‚Come Taste The Band‘ bereits zu hören. Außerdem fällt auf, dass Glenn Hughes hier gesanglich mehr Raum bekommt – oder sich eben mehr nimmt. Man muss es mögen, schließlich ist eigentlich David Coverdale der Lead-Sänger, und Hughes‘ hohe Töne klingen häufig überambitioniert, was etwas nerven kann. Gleichzeitig scheint aber auch Coverdale stimmlich hier nicht ganz auf der Höhe zu sein. Die Stimme kratzt, fällt zu früh ab oder klingt angestrengt. Auch soundtechnisch ist ‚Live In Long Beach‘ nicht immer ganz ausgereift, die Gitarre häufig zu laut im Zusammenspiel mit Jon Lords Hammond, Hughes‘ Stimme lauter, als die von Coverdale. Andererseits Coverdale: Bei ‚Stormbringer‘ stellt er unverkennbar seine Einflüsse von (bzw. seine Verehrung für) Led Zeppelin-Sänger Robert Plant unter Beweis.
Die drei Bonus-Songs bringen leider keine wirklich neuen Erkenntnisse, außer schlechtem Sound und technisch bedingten Ausfällen gleich zu Beginn bei Tommy Bolin in ‚Smoke On The Water‘.
Dennoch stellt ‚Live In Long Beach‘ ein ungemein wichtiges Zeitzeugnis dar, zumindest in der Geschichte von Deep Purple.
Drei LPs im Gatefold, inklusive ausführlichen Liner-Notes zur Entstehungsgeschichte von Deep Purple’s Mark IV-Besetzung. Für Purple-Fans ein Muss. Die Scheiben sind leider nur in einfachen Paper-Innenhüllen untergebracht.