4 von 5
UK.A
-
Alter:
45 bis 54
-
Geschlecht:
Männlich:
16. Dezember 2011
ZAZ live noch besser als von CD
Wurde ZAZ im vergangenen Jahr vielfach noch als Geheimtipp gehandelt, so geschah der kometenhafte Anstieg ihres Bekanntheitsgrades nach dem Erscheinen des Debütalbums und zweier Single-Auskopplungen für Frontfrau Isabelle Geffroy mindestens ebenso überraschend wie für Medien und Musikindustrie. Viele Menschen fühlen sich von der scheinbar unbändigen Energie und der ausdrucksstarken, rauchigen Stimme der zierlichen Sängerin angezogen. Dabei wird oft übersehen, dass beides dem tragischen Umstand von ADHS entspringt: Der unstillbare Drang nach Aufmerksamkeit durch die Massen ließ Isabelle Geffroy schon früh ihre Stimme überbeanspruchen, was sich hörbar in einer dauerhaften Schädigung ihrer Stimmbänder niederschlug. Dass sie die Hyperaktivität aus der Kindheit mittlerweile zu kanalisieren und für spektakuläre Bühnenpräsenz zu nutzen weiß und dass sie das Mikrofon dem ungesunden "Unplugged Open-Air-Gesang" vorzieht, kann da kaum beruhigen. Man möchte ZAZ wünschen, dass sie sich öfter Pausen gönnt, damit der verbliebene Rest ihrer zauberhaften Stimme ihr noch lange verfügbar bleibt. Denn ihre Kunst spricht vor allem in der visualisierten Fassung auf DVD eines unmissverständlich aus: Musik ist ihr Leben; erzwungener Verzicht darauf könnte fatale Folgen haben.
Aus dem vorliegenden Paket der diesjährigen "ZAZ sans tsu tsou" Tour überzeugt vor allem die DVD, während ich die CD mehr als Zugabe betrachte. Es handelt sich um den Zusammenschnitt aus Konzerten an diversen Spielorten, hauptsächlich aus dem Théatre de Béthune und vom Musikfestival La Rochelle. Der Großteil des präsentierten Programms findet sich schon auf dem Studioalbum, darunter Chansons wie Édith Piafs "Dans ma rue" und drei eigens für ZAZ geschriebene Popsongs von Raphael Haroche. Es spricht für die Professionalität der Sängerin und ihres Begleitensembles, dass sie nicht bloß Studiomaterial herunter spulen sondern die Chance einer Live-Performance für variantenreiches Musizieren nutzen. So wird manche Popnummer mit Stilmitteln des Jazzgesangs angereichert, spielen sich Sängerin und Gitarristen improvisierend die Bälle zu, wird ein Song mit Pantomime unterlegt oder ein virtuoses Gypsyswing-Gitarrensolo eingebaut. Die Bühnenpräsenz von ZAZ reißt unwillkürlich mit, ob sie nun in der ihr eigenen Art zum Gesang tanzt, das Publikum interaktiv zum Einstimmen animiert oder sich mit dem fantastischen Gitarristen Benoit Simon halsbrecherische Duo-Improvisationen liefert; stets stellt sie sich in den Dienst an der Musik und nimmt ihre Persönlichkeit ganz uneitel und sympathisch aus dem Rampenlicht zurück.
Bild und Ton (DVD) sind von guter bis sehr guter Qualität und werden dem Anspruch der Musik jederzeit gerecht. Passend zu den stilistisch abwechslungsreichen Liedern geriet die Bildregie überzeugend, indem sie den Spielortwechsel häufig für interessante Schnitte und raffinierte Überblendungen nutzt, um Kontraste in der Konzertatmosphäre zwischen unterschiedlichen Spielorten zu kaschieren. Ausgerechnet beim Mega-Hit "Je veux" führen allerdings zu häufige Wechsel zu dessen Zerstückelung. Auch interpretatorisch ist diese Fassung von "Je veux" leider weniger überzeugend. Bisweilen eingestreute Clips im Zeitraffer mit launigen Kommentaren und Grimassen der Sängerin könnten bei wiederholtem Betrachten ermüden. Insgesamt jedoch stimmt das Verhältnis von energiegeladener Bühnenshow und moderner, trickreicher Bildregie. Eindeutig ja: ZAZ kommt live noch besser rüber als vom Studioalbum.
Die Bonus-Tracks auf der DVD bieten Schnipsel aus anscheinend zufällig aufgezeichneten Sessions während der Tour mit ZAZ‘ Coverversionen bekannter Chansons von Serge Gainsbourg oder Jacques Brel und einer Duettversion von Gershwins Summertime mit Angélique Kidjo.