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Anonym
02. Oktober 2013
Ron Spielman: Swimming In The Dark.
Vielleicht hätte diese Platte „Ocean“ heißen müssen, denn die Lieder führen uns nach Süd Afrika, in die U.S.A., nach Irland und weiter mit dem Schiff nach Buenos Aires. Auch zeitlich geht der Zuhörer auf die Reise und wird zurückversetzt in vier verschiedene Jahrhunderte. Aber diese CD heißt weder „Ocean“ noch „Time Journey“ sondern „Swimming In The Dark“ und ist für mich Ron Spielmans interessanteste Scheibe - bis jetzt.
Zeugen Jehovas und Salafisten werden diese CD nicht mögen, denn hier wird das Paradies zu einer riesigen Diskothek. Das Titelstück stellt unbequeme Fragen. Wie sind die Kangaroos und Pandas zu Noahs Arche gekommen? Problematisch für Anhänger von Abraham wäre auch das Lied „Bronze Age“ ein unmissverständliches Statement gegen das Patriarchat. Das Stück beschreibt die Leiden einer jungen Frau in einem Zeitalter, das in manchen Teilen unseres Planeten noch immer nicht zu Ende ist „When will this Bronze Age ever end?“, klagt sie. Überraschend hier das gelungene Zusammentreffen von poppiger Musik, eingängiger Melodie und ironisch tragischem Text. Wie können ein dominanter Greis und ein schwangeres Mädchen als Paar jemals glücklich werden?
Einige Songs weiter taucht eine ähnliche Frage auf: Hier „verliebt“ sich ein unattraktiver, einsamer Versager-Typ in eine sehr erfolgreiche, selbstbewußte Frau. Er ist fest davon ¸überzeugt, dass Kate Moss ihn brauchen würde, obwohl er Sie nicht kennt! Wunderschön, witzig und rührend zu gleich; dieses Stück ist typisch für (fast) alle Songs der CD. Das ist Musik, die unter die Haut geht: herrliche Melodien; bittersüße Texte und inspirierte Arrangements, unterstützt von einer elegant und sehr effizient spielenden Rhythmusgruppe.
Die oft historischen Themen liefern Momentaufnahmen aus dem Leben von Legenden wie Shaka, dem Zulu König (1787-1828) und Wild Bill Hickok (1837-1876), wie auch aus dem Leben fast vergessener Menschen. Da sind auch die zweitausend irischen Immigranten, die sich in 1889 wegen leerer Versprechen auf die Reise nach Argentinien begeben haben. Erzählt wird auch von den zwei „einfachen“ Leuten, denen es gelang in1958, ein kontroverses Gesetz aus dem amerikanischen Gesetzbuch streichen zu lassen. Endlich ein „Happy end“.
Swimming In The Dark ist ein sehr schlichtes und sparsames Lied und klingt sehr englisch, irgendwie im Stil der 80er Jahre. Es hat eine merkwürdig ruhige Stimmung und wirkt fast hypnotisch, was auch durch Spielmans Stimme bestärkt wird. Dieses Stück ist tatsächlich etwas Besonderes ...aber warum?
Tragisch ist die Geschichte der deutschen Malerin Elfriede Lohse Wächtler (1899-1940). Ihr Lied ist ein ergreifendes, fragiles Stück Musik, das irgendwann auseinander bricht und so Elfriedes Zerfall spiegelt, nachdem sie von den Nazis zwangssterilisiert wurde. Am Schluss des Stückes wird es wieder harmonisch und es klingt, als ob Sie doch Ihre Ruhe findet nach dem Tod...vielleicht „In Paradise“?
In dem Stück „In Paradies“ ist das Leben schön und es wird getanzt wie auf der Erde. So klingt es auch, lustig und tanzbar.Hitverdächtig. Schade nur dass es kein Hammond Orgel gibt!
Tanzbar ist auch das Lied „Begging Bowl“. Ein funkiges, fetziges Liebeslied, mit einem gelungenen Jazz-Solo am Schluss.
Auch außergewöhnliche Themen werden mit einer erstaunlichen musikalischen und textlichen Leichtigkeit dargebracht: Ein poetisches Lied ¸über irgendeinen Tag im Oktober (Just Another Autumn), verdichtet sich zu einer wahren Geschichte um das Massaker der Kosaken an den Juden von Lublin. Man schreibt das Jahr 1655. Spielman liefert das passende Gitarren- Solo dazu; ein Solo von höchster Sensitivität und Virtuosität...einfach atemberaubend! Ein paar Songs weiter zeigt uns Barry seine Virtuosität, wenn es um die Texte geht: In „Hickok’s Darkest Secret“ liefert der Engländer ein ungeahntes Wortspiel, endend in einem zielsicheren Reim- Volltreffer. Da haben sich zwei gefunden!
Trotzdem ist und bleibt mein Lieblingsstück „Ocean“. Hier verzichtet Spielman voll und ganz auf seine schöne und angenehme Stimme, hier ist gar keine Gesangsmelodie zu finden und auch kein Songtext. Hier zeigt er uns seine wahre Seele und lässt seine Gitarre sprechen. Was dabei heraus kommt, ist ein Instrumentalstück, das zwar an Hendrix erinnert jedoch alle Spielman Stärken zeigt: Gefühl, Melancholie, Witz, Spielfreude und hervorragendes handwerkliches Können.
Vielleicht hätte die Platte doch „Ocean“ heißen müssen!