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Anonym
19. November 2014
Jarrett Trio Hamburg ... endlich !
Wie kann man eine Rezension schreiben, bevor das Objekt der Besprechung (Begierde) auf dem Markt ist?
Es handelt sich um Auszüge des Soundtracks jener zweiteiligen TV-Produktion vom 14. Juni 1972, um Auszüge des 81. Jazz Workshop des NDR. Der eine oder die andere könnte also einen Mitschnitt im privaten Video-Archiv haben. Leider gehöre ich nicht zu den Glücklichen. So ist es höchst erfreulich, dass gut die Hälfte des Materials jetzt auf CD erscheint. Man darf annehmen, dass die Tonqualität erheblich besser ist als der Fernsehton. Schade, dass nicht der komplette Auftritt publiziert wird. Wahrscheinlich ist nicht alles so zu restaurieren gewesen, dass es dem Anspruch von ECM entsprechen konnte.
Am 12. Juni 1972, zwei Tage vor der NDR-Produktion spielte das Trio in München im ARRI-Kino. Dieses Konzert habe ich besucht und der Eindruck, den es auf mich gemacht hat, ist nie verblasst, und dass dieses Erlebnis für mich jetzt sinnlich greifbar wird mit dem "Schwesterkonzert" aus Hamburg, empfinde ich als ein unerwartetes Geschenk. Jarretts Musik war - in meinen Ohren - damals unglaublich aufregend, spannend, vogelwild - von einer Bandbreite, wie sie das Konzept des Standard-Trio nicht hat, wohl auch nicht haben soll. Denn neben den Lyrizismen seines damals schon bewundernswerten Balladenspiels, gibt es Free-Jazz-Ausflüge und einen Saxophonspieler namens Keith, der so herzhaft rauh auf dem Sopran-Sax spielt. Charlie Haden mit seinem warmen, erdigen Ton und der exzentrisch aufspielende Paul Motian sind die richtigen Individualisten für den Individualisten Jarrett, für ein Trio von traumwandlerischer Einheit und Geschlossenheit.
Eine der wichtigsten "Neu"-Erscheinungen der letzten Jahre! Übrigens hat Radio Bremen den ARRI-Auftritt mitgeschnitten. Hm, wäre da nicht ein weiterer Schatz zu heben?
(Sonator)