4 von 5
Bonehard
02. Oktober 2014
Tief empfundene Bilder und Stimmungen
Den ersten Bestandteil der Wortschöpfung Mellowtonin von Johannes Enders darf man dem Wörterbuch entsprechend getrost als mild, sanft, voll und weich verstehen, denn alle diese Begriffe treffen unbedingt auf die Musik dieser CD und auf Ton und Spiel des Tenorsaxophonisten zu. Und ausgereift, einer anderen Wortbedeutung entsprechend, ist es auch. Mit großer Meisterschaft und gleichzeitig zurückhaltend zaubert Enders mit seinem wunderbaren Quartett tief empfundene Stimmungen. Dabei ergeben seine 9 Kompositionen ein geschlossenes und doch vielfältiges Ganzes. Das gilt auch für das kongeniale Zusammenspiel mit Jean-Paul Bodbeck (Piano), Milan Nikolic (Bass) und Billy Hart (Schlagzeug), die auch solistisch ausgiebig zum Zug kommen. Die ungeheuer präsente Kommunikation ist immer hellwach und trotz aller Entspanntheit durchaus spannungsgeladen. Und sie ist sehr präsent und klar aufgenommen. Die Titel verweisen auf die Bilder und Stimmungen, die hier musikalisch umgesetzt werden: der intensiv treibende „Expressionist“ zum Auftakt, die flatternden und schematisch rufenden „Circle Birds“, eine etwas wehmütige Erinnerung an das tschechische „Chomutov“, die Geburtstadt von Enders' Vater, das „sonnige“ „Son of the Sun“, die hymnisch-zarte „Anima“ und natürlich das Titelstück: Wie auch immer die Anspielung auf Melatonin zu verstehen ist, einschläfernd ist hier nichts. Ein erhöhter Mellowtonin-Spiegel führt auch garantiert nicht zu Winterdepressionen. Ganz im Gegenteil! Im Oktober ist dieses wunderbare Quartett übrigens noch auf Tournee.