5 von 5
LittleWalter
Top 25 Rezensent
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Alter:
55 bis 65
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Geschlecht:
Männlich:
19. Januar 2014
Lizz Wright`s Gospel-Album
Formal wird sie dem Jazz zugeordnet. Diese Einordnung widerspricht aber ihrer Flexibilität. LIZZ WRIGHT, geboren am 22. Januar 1980 in Hahira im Bundesstaat Georgia, im Süden der USA, ist eine Grenzgängerin zwischen den Stilen Jazz, Gospel, Rhythm & Blues, Pop, Country, Folk, Gospel und Soul. Auch die Wahl ihrer Cover-Versionen zeigt, dass sie keine Berührungsängste kennt. Sie wagt sich dabei in Bereiche vor, die von anderen Kolleginnen weitgehend gemieden werden. LIZZ WRIGHT wurde die Wirkung, die Musik auf Körper und Seele haben kann, schon von klein auf bewusst. Ihr Vater war Prediger und sie sang schon als Kind in seinem Kirchenchor und erhielt Klavierunterricht. Musik muss berühren, es muss ein Funke überspringen, der Hörer und Künstler verbindet. Darauf legt sie bei der Auswahl von Fremdmaterial und beim Komponieren ihrer Songs großen Wert. LIZZ WRIGHT wirkt sehr überlegt bei ihrem Vorgehen und tief verbunden mit dem, was sie tut. Sie lässt sich ausreichend Zeit, neue Aufnahmen fertig zu stellen und unterlegt sich keinem Diktat, zu einem bestimmten Turnus neues Material präsentieren zu müssen. Dazu passt auch, dass sie ausgleichende Interessen neben der Musik wahrnimmt. Sie ist passionierte ausgebildete Köchin und verbringt viel Zeit damit, ihren Garten zu gestalten.
FELLOWSHIP ist im Kern ein Gospelalbum. Die Inbrunst und Strenge dieses Stils steckt hier in allen Interpretationen. Diese musikalische Reise führt Lizz sowohl an ihre afrikanischen Wurzeln wie auch an zeitgenössisches Material von JIMI HENDRIX und ERIC CLAPTON bzw. BLIND FAITH. Es ist auch ein Album geworden, das von eigenständigen Frauen mit offenen musikalischen Horizonten geprägt und unterstützt wird. Dazu gehören die unangepasste Neo-R&B-Künstlerin ME`SHELL NDEGEOCELLO, die angesagte Indie-Folk-Chanteuse JOAN „As Policewoman“ WASSER und die afrikanische Soul-Folk-Ikone ANGELIQUE KIDJO. Um Toleranz im Umgang mit Religion geht es im einleitenden Song FELLOWSHIP, geschrieben von BOB MARLEY und mit neuem Text von ME`SHELL NDEGEOCELLO versehen. Das Arrangement umfasst nur eine Bass-Trommel, etwas Keyboards und Bass, im Hintergrund eine belebende E-Gitarre und Background-Gesang. Die Ausführung ist luftig und zwingend zugleich. (I`ve GOT TO USE MY) IMAGINATION war 1973 ein flotter Philli-Sound-Soul-Hit für GLADYS KNIGHT AND THE PIPS. Hier wird daraus eine freudig hüpfende Southern-Soul-Fassung mit fauchender Orgel, pulsierendem Bass und aufgeregt klappernder Percussion. I REMEMBER, I BELIEVE sowie GOD SPECIALIZES transportieren die Stimmung eines andächtigen Gottesdienstes.
Ein GOSPEL-MEDLEY und SWEEPING THROUGH THE CITY sorgen zusätzlich für verzückte Südstaaten-Kirchen-Atmosphäre. Am Ende des Albums steht dann noch ein inniges AMAZING GRACE, das den Gospel-Reigen feierlich abschließt. Mit ALL THE SEEDS und OYA schlägt Lizz mit der Unterstützung durch ANGELIQUE KIDJO den Bogen nach Afrika. Afro-Folk-Gospel-Soul könnte man diese Verbindung überschreiben. Die erwähnten Cover-Versionen werden nahtlos und unauffällig ins Gesamtkonzept eingebunden. PRESENCE OF THE LORD von BLIND FAITH ist nur am Text wiederzuerkennen und wird zur balladesken Soul-Pop-Nummer. Die Hendrix-Vorlage IN FROM THE STORM wird vollkommen von allem Drängenden, Nervösen und Aggressiven befreit. Sie bekommt aufmunternde Hand-Claps und eine treibende Akustik-Gitarren-Untermalung verpasst. Ausgerechnet FEEL THE LIGHT von JOAN AS POLICEWOMAN gerät zum schwächsten Song auf dem Album. Die Melodie ist recht einfallslos und der Gesang merkwürdig blass. FELLOWSHIP zeigt, dass LIZZ WRIGHT zum Glück nicht ausrechenbar ist. Zwar ist sie zu einem Star der Jazz-Szene aufgestiegen, aber aufgrund ihrer intakten familiären Beziehungen behält sie bisher die Bodenhaftung. Es wäre schön, mal wieder neues Material von ihr zu hören. Aber soll sie sich ruhig Zeit lassen, denn sie hat ja auch einen Ruf und einen Qualitätsstandard zu verteidigen. Sie macht eben keine Kompromisse und lässt sich nicht in eine vorgefertigte Perspektive drängen. Dass lässt auch für die Zukunft auf spannende und unberechenbare musikalische Ausrichtungen hoffen.