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    2. Alle Rezensionen von Michael Kothe, Autor bei jpc.de

    Michael Kothe, Autor

    Aktiv seit: 19. März 2022
    "Hilfreich"-Bewertungen: 0
    28 Rezensionen
    Ylva Nathalie C. Kutscher
    Ylva (Buch)
    29.09.2024

    Gelungener Genremix aus Lesbian Romance und Fantasy

    Für Eilige:

    Gespannt war ich auf den Genremix aus Lesbian Romance und Fantasy. Wie von Nathalie C. Kutscher gewohnt, erwartete mich auch in „Ylva – die verlorene Königin“ eine einfühlsam und liebevoll geschilderte Beziehung, bei der sich die Erotik dezent im Hintergrund hält. Die abenteuerliche Fantasy zeigt sich lebendig und recht gewaltarm.



    Inhalt:

    Während Ylva als Kind zu ihrem Schutz vor dem Weltenwolf Yadaei vom Königshof ihres Vaters einem abgelegen lebenden Clan anvertraut wird, wächst Nara zur Kriegerin heran, Yadaei soll den Eroberungsdrang ihres Volkes unterstützen und das Königreich Aluja von Ylvas Vater unterwerfen. Als Kinder begegnen sie sich in ihren Träumen, bei ihrem ersten Zusammentreffen sind sie in den Zwanzigern. Bis dahin haben sich ihre unterschiedlichen Verhältnisse zu Yadaei gefestigt. Doch ist ihre Rolle als Wolfshüterin anders, als sie sich vorgestellt haben.



    Schreibstil:

    Nathalie C. Kutscher legt den Schwerpunkt auf die Entwicklung ihrer beiden Protagonistinnen. Entsprechend einfühlsam ist der Roman geschrieben: Personen, Landschaften und Handlungen zeigen sich von ihrer besten Seite, lassen den Leser teilhaben am Schicksal zweier Hüterinnen und ihn eintauchen in eine Welt, die sich aufteilt in das wohlhabende Reich Aluja und die eher karge und unwirtliche Heimat der übrigen Völker, Stämme und Clans. Kutschers Sprache lebt von den Zweifeln und Ängsten der beiden Frauen und von ihrem Gefühl, dass ihre Schicksale untrennbar miteinander verwoben sind. Wie auch immer sie ihren Sinn für Frieden und Gerechtigkeit finden – inhaltlich und sprachlich ist das Buch ein dezenter Appell an Toleranz und Friedfertigkeit. Dementsprechend wird auch die handlungsbestimmende Gewalt nicht in blutrünstigen Szenen ausgebreitet, sondern zurückhaltend aus Ylvas Sicht gezeigt.



    Fazit:



    Nathalie C. Kutscher zeigt durch ihr Cross-Over von Fantasy und Lesbian Romance, dass sie nicht mit dem Altmeister der Fantasy in einen Wettstreit getreten ist. Doch muss sich wohl jeder Fantasyroman an Tolkiens „Herrn der Ringe“ messen lassen, regelmäßig ist das Niveau jenes bildgewaltigen Epos‘ schwer zu erreichen. „Ylva – die verlorene Königin“ holt den Abstand gehörig auf. Das große Plus ist die Ruhe, denn anders als in vielen Werken jonglieren keine Götter mit Welten, und keine blutrünstigen Königssöhne hetzen unendliche Heere aufeinander. Vielmehr eröffnet sich dem Leser eine Gefühlswelt, die von unterschiedlichen Traditionen geprägt ist. Zwischen Mythos und Mystik um den Weltenwolf tritt der Kampf um Aluja sehr in den Hintergrund, für mich ein Grund, dem Roman auf der üblichen Skala von fünf Punkten nur vier zu geben. Jedem, der beim Genre Fantasy nicht auf das Erleben „männlicher“ Zerstörungswut aus ist, sondern sich eine sanfte und gefühlsbetonte Erzählung mit mystischen Elementen wünscht, kann ich Kutschers Roman empfehlen und vermute, dass solche Leser sich auch an den liebevoll gezeichneten Städteansichten im Anhang erfreuen werden.
    Wie Spuren am See - Das Juwel Sibylle Baillon
    Wie Spuren am See - Das Juwel (Buch)
    29.09.2024

    Wechselbad der Gefühle

    Erster Eindruck

    Dass der Roman Wie Spuren am See – Das Juwel von Sibylle Baillon gleich mit zwei Paukenschlägen beginnt, überrascht nicht nur die Hauptfiguren Bella und Chris, sondern auch denjenigen Leser, der Band 1 und 2 genossen hat. Obwohl jeder Band voneinander unabhängig lesbar und keine Fortsetzung des vorherigen ist, stellt dieser Roman Bezüge zu bereits bekannten Figuren und Begebenheiten her. Dem, der dieses Buch als erstes liest, entgeht dadurch nichts, die Leser der Reihe finden aber durch ihre Erinnerung umso leichter ins Setting.



    Inhalt

    Während Isabella und Chris unbeschwert ihr Leben in der von Ada geerbten Villa am Bodensee genießen, meldet sich Isas alte Freundin Rita zu Besuch an – mit Bernd, Isabellas früherem Lebensgefährten, den sie wegen dieser Erbschaft und wegen Chris verlassen hatte. Überraschend harmonisch verläuft das Zusammensein – dem gemeinsamen Interesse der beiden Männer an einem geheimen Besuch Napoleons in Lindau geschuldet. Und einem dort wohl verloren gegangenem Kleinod: dem Juwel, das dem Buch seinen Namen gab. Fast zeitgleich bringt ein Besucher Isabella aus dem seelischen Gleichgewicht, indem er Anspruch auf die Villa anmeldet. Trotz aller Sehnsucht zum Haus und zu Adas Vergangenheit will sie ihm ein rechtmäßiges Erbe nicht streitig machen. Doch ihre Zweifel werden durch zwei Todesfälle genährt …



    Schreibstil

    Gewohnt bildhaft zeigt Sibylle Baillon in der Ich-Erzählung das Auf und Ab von Isabellas Gefühlen, die reichlich Grund zur Wallung erfahren. Treffend formuliert sind die Befürchtung, Bernd würde während seines Besuchs Rachegelüste für ihre Trennung ausleben, und das befreiende Aufatmen, als Isa sein herzlich-kumpelhaftes Verhalten Chris gegenüber erlebt. Genauso lebendig zieht die Autorin dem Leser die Zerrissenheit vor Augen, den eigenen Anspruch aufs Erbe mit gut erklärter moralischer Begründung zurückzustellen, wie auch die Zweifel an der Identität ihres Kontrahenten. Mir persönlich nahm die Leichtigkeit dieses Zurücksteckens zu viel Raum ein, es unterstützt aber die Handlung, die mit passenden und authentisch klingenden Formulierungen Romantik, Historie, Dramatik und Elemente der Kriminalliteratur miteinander verknüpft. Der Dichte von Handlung und Gefühlen wird die Autorin jederzeit gerecht, indem sie spannende Szenen der Jetztzeit mit dramatischen Rückblenden und teils längeren Passagen von Isabellas Innenschau abwechselt. Gerade bei Letzterer ist es kein Monolog, sondern aufgelockertes Gespräch mit den übrigen Figuren. Besonders vermeintliche Nebensächlichkeiten machen die Dialoge authentisch, sei es das schwäbische „Griaß Godd“ oder die Anrede, die ja nach Sprecher „Isa“ oder „Bella“ lautet. Häufige Vergleiche abseits aller Klischees lassen das Setting leben, erlauben sogar dem Bodensee ein Eigenleben und ziehen den Leser in ihren Bann. Alles in allem so voller Gefühl, dass sich niemand den Befürchtungen, den Zweifeln, aber auch dem Mitleiden und der Erleichterung Isabellas und der Neugier von Chris und Bernd entziehen kann.



    Fazit

    Auch wenn der Roman leichtfüßig verfasst ist, leiden weder Spannung noch Dramatik. Ein „blaues Buch“, das durch sein Setting mit blauem Himmel und blauem See Urlaubsstimmung verbreitet, findet seine Liebhaber unter all jenen, die einen unterhaltsamen Mix aus Gefühl und Krimi-Spannung suchen – gepaart mit einem detailverliebten Schreibstil und einer angenehmen Portion Selbstironie. Auch Band 3 der Bodenseesaga Wie Spuren am See – Das Juwel empfehle ich reinen Gewissens allen Romantikern, die neben Gefühlen auch Abenteuer und vor allem Überraschungen lieben.

    Wie Spuren am See - Die Rückkehr Sibylle Baillon
    Wie Spuren am See - Die Rückkehr (Buch)
    29.09.2024

    Wechselbad von Idylle und Dramatik

    rster Eindruck



    Etwas neidisch las ich dieses Buch, nachdem ich schon beim ersten Kapitel erkannte, dass ich mir als Autor von Krimis und Fantasyromanen Baillons Vielfalt an bildhaften Vergleichen und die Dichte ihrer Gefühlsbeschreibungen in meinen Genres nicht erlauben darf. „Die Rückkehr“ ist das zweite Buch aus der Bodensee-Reihe, das ich – mit zeitlichem Abstand zum ersten – genossen habe. Wieder beeindruckten mich der einfühlsame Schreibstil, der mich ins Setting hineinzog, und die Dramatik, die hier schon anfangs zutage tritt und die sich später verdichtet. Es ist eine andere Spannung als in Kriminalromanen – in diesem Werk zwingen Mitgefühl und Neugier zum Weiterlesen, außerdem einfach die Freude am Ausdruck und an der Detailverliebtheit, mit denen uns die Autorin begegnet.



    Inhalt

    Wir kennen Isabella und Chris vom Bodenseeband „Die Erbin“. Isabella hat ihren nüchternen, kleinbürgerlichen Mann verlassen und lebt zusammen mit ihrem Geliebten, dem lebensfrohen und lebhaften Chris, in der von ihrer Großtante Ada geerbten Villa, als eines Morgens die betagte Gudrun um Hilfe bittet. Vor ihrem gewalttätigen, alkoholsüchtigen Mann geflohen sucht sie nun Beistand bei ihrer alten Freundin Ada, ohne von deren Tod erfahren zu haben. Ihr Auftauchen und Isabellas Wunsch zu helfen werfen nicht nur organisatorische Probleme auf, sondern übertragen Gudruns Ängste auf Isabella und stellen die Liebe zwischen ihr und Chris vor eine ernsthafte Zerreißprobe. Die Konflikte verschärfen sich, als weitere Personen ins Bild treten, die eine enge Beziehung zu Adas Vergangenheit haben …



    Schreibstil

    Sanft, mit viel Gefühl und mit treffenden Stimmungsbildern stellt uns Sibylle Baillon auch in diesem Werk nicht nur Figuren vor, die sich wegen der unterschiedlichen Handlungsebenen mannigfachen Herausforderungen stellen müssen, sondern beschreibt in Einzelheiten die Handlungsorte, Tätigkeiten und Hintergrundgeschichten auf eine Art und Weise, die auch nüchterne Leser in ihren Bann zieht. So mutiert etwa Gudruns profaner Kauf einer Bahnfahrkarte in einem der ersten Kapitel zu einem Abenteuer, das ihr gesamtes Elend, ihr Leiden unter ihrem Mann und die Schwere ihrer Entscheidung zur Flucht offenlegt. Häufige Dialoge spiegeln Gefühlswelten und Konflikte treffend wider und überraschen nicht nur den Leser, sondern manchmal die Figuren selbst – etwa durch fremde Ansichten in Unkenntnis der Hintergründe. In manchen Kapiteln überwiegt das Aufdecken von Gemütszuständen wie Verzweiflung, Zweifel, Hilfsbereitschaft, Hoffnung und Zuneigung und lässt den eigentlichen Handlungsstrang in den Hintergrund treten. Diese Abwechslung ist ein Anreiz mehr, sich von diesem Buch vereinnahmen zu lassen.



    Fazit

    Obwohl der Roman außerhalb der Kernkompetenz meines eigenen Schreibens liegt, zolle ich Sibylle Baillon für „Wie Spuren am See – die Rückkehr“ Respekt und ein großes Lob. Wieder ist es ihr gelungen, durch stimmungsvolle Bilder, durch unaufdringliche Charakterbeschreibungen und durch die gefühlsbetonte und doch spannende Haupthandlung ihre Leser gefangen zu nehmen. Das Buch empfehle ich jedem, der fernab literarischer Hektik Ruhe sucht, indem er sich zurücklehnen und beim Wechselbad von Idylle und Dramatik entspannen möchte.
    Wie Spuren am See - Die Erbin Sibylle Baillon
    Wie Spuren am See - Die Erbin (Buch)
    29.09.2024

    Bestnote für Plot und Stil. Fesselnd!

    Erster Eindruck

    Obwohl ich Kriminalromane lieber lese und schreibe als Liebesromane, hat mich Sibylle Baillons „Wie Spuren am See – Die Erbin“ vom ersten Kapitel an magisch angezogen. Ein sympathisch blumiger Schreibstil offenbart die Gefühle der Protagonistin Isabella, in der sich Leserin und Leser sofort wiederfinden können. So beflügeln ihre Gedanken und die Dialoge die Fantasie, die unweigerlich der Handlung vorauseilt. Gelegentliche Widersprüche zwischen einer aus Gewohnheit vorbestimmten Absicht und der spontan entgegengesetzt getroffenen Entscheidung verführen durch sanfte Ironie zum Schmunzeln.



    Inhalt ohne Spoiler

    Als Isabella von einer überraschenden Erbschaft erfährt, denkt sie zuerst an einen Scherz. Ada, die ihr eine Villa bei Lindau vermacht hat, ist ihr gänzlich unbekannt. Ihr Mann Bernd drängt sie, das Anwesen ungesehen zu verkaufen, da es seiner Ansicht nach eine Belastung darstellt. Obwohl Isabella zustimmt, fasst sie spontan den gegenteiligen Entschluss, bricht unvermittelt auf und findet sich 400 km weiter in einem Setting wieder, das an die 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Sofort beginnt sie mit der Suche nach Anhaltspunkten, die Adas Schicksal beleuchten. Nach kurzer Zeit nimmt die Suche detektivische Züge an und führt zu einem so nicht erwarteten dramatischen Höhepunkt. Besondere Hilfe verspricht sie sich von ihrem Nachbarn Chris, dessen burschikose Art so gänzlich anders ist als Bernds nüchterner, manchmal pedantischer Charakter …



    Schreibstil

    Dass in dem Roman drei Künstler aufeinander treffen, spürt der Leser, sobald die Figuren auftreten: Isabella, Hauptfigur und Fotografin, der Schriftsteller Chris, und – in Rückblenden – Ada, zu Lebzeiten eine begnadete Schauspielerin und Malerin. Lebendig, gewürzt mit vielen Dialogen, die häufig vor Ironie sprühen oder philosophische Aspekte ausbreiten … Gedanken, Fantasien und Gewissensbisse der Protagonistin reihen sich aneinander und werden zu einem literarischen Feuerwerk aus farbenfrohen Bildern. Bunt, aber nie grell, eher pastellfarben und gegen Ende mit dramatisch dunklen Grautönen. Baillon versteht es, die Gefühlswelt Isabellas vor den Lesern so auszubreiten, dass denen die eigenen unterdrückten Träume, die Selbstzweifel und deren Überwindung ins Bewusstsein drängen. Unweigerlich identifiziert man sich mit Isabella. Was mir auffiel, ist das stetige Vorwärtsstreben in der Handlung. Auch ruhige Passagen sind auf eine Art und Weise geschrieben, die – zum Gemütszustand Isabellas passend – nur wenig Entspannung erlauben. Handlung und Schreibstil lassen den Leser nie verharren, auch bei einer im Grunde ruhigen Beschreibung von Adas Villa und ihren Gemälden richtet sich der Blick nach vorn und sucht nach den Auflösungen der Rätsel um Adas Schicksal und um Isabellas Bestimmung. Der Gebrauch unvollständiger Sätze, der Wechsel zwischen Normal- und Kursivschrift untermalen bestens die zur Sucht werdende Neugierde und die innere Zerrissenheit der Hauptfigur. Dazu kommt eine sich langsam aufbauende Dramatik. Und wie könnte man das treffender zum Ausdruck bringen als durch eine Erzählung aus der Ich-Perspektive?



    Fazit



    Für Liebhaber des Genres und auch für mich, der ich durch mein eigenes Scheiben nicht anders kann als analytisch zu lesen, ist manches vorhersehbar, was im Buch erst später offengelegt wird. Der Lesefreude tut dies indes keinen Abbruch, vielmehr fiebert man gerade deshalb mit den Figuren mit. Einerseits, weil sie einem ans Herz gewachsen sind, andererseits, um die eigenen Prognosen bestätigt zu wissen. Auf diese Weise fesselt „Wie Spuren am See“ sowohl Fantasie als auch Neugier – vom Mitfühlen mit den Sympathieträgern ganz zu schweigen. Sibylle Baillons Buch empfehle ich nicht nur Genrefans, sondern allen, die sich durch das Eintauchen in literarisch wiedergegebene fröhliche Bilder in Pastelltönen entspannen und die erleben wollen, wie sich die Dramatik letztendlich zum Guten wendet. Der Liebesroman hat die Bestnote redlich verdient.
    Das Reich der Macht Tom Clancy
    Das Reich der Macht (Buch)
    29.09.2024

    Spannung ohne Tiefgang

    Erster Eindruck

    Thriller leben von Hektik, da ist Die Welt der Macht keine Ausnahme. Wie setze ich eine Handlung um Menschenhandel, Prostitution und politische Ränkespiele um? Mit der Beschreibung von Gewalt und einer passenden derben Sprache.



    Inhalt ohne Spoiler

    Während ein chinesischer Minister mit seinen Vertrauten Intrigen zum Wohle Chinas und zu seinem eigenen spinnt, setzt Amerikas Präsident Jack Ryan senior alles daran, seine Geheimdienste möglichst im Vorfeld jedes Vorgehen gegen die Vereinigten Staaten aufdecken zu lassen. Zur selben Zeit bekämpft Jack Ryan junior in den USA einen chinesischen Mädchenhändlerring. Irgendwann laufen die Handlungsfäden zusammen.



    Schreibstil

    Thriller leben von Hektik, ihnen ist immanent, dass der Leser nicht zum Atemholen kommen, sondern das Buch in einem Rutsch durchlesen soll. Auch Marc Cameron als Nachfolgeautor des 2013 verstorbenen Tom Clancy hält sich strikt an diese Regel. Egal, wer in der komplexen Handlung im jeweiligen Kapitel das Heft in der Hand hält, er trägt dazu bei, dass sich die Ereignisse überschlagen. Die Sprache, deren sich die Figuren befleißigen, passt zum Setting, in dem sie sich bewegen. Jack Ryan jr. und seine Kameraden vom Campus, einer privaten Geheimorganisation zum Wohle Amerikas, befleißigen sich eines derben Jargons mit nicht nur gelegentlichem Griff zur Fäkalsprache. Wen wundert’s, sind doch ihre bösen Gegenspieler recht gewalttätig, und da helfen keine frommen Sprüche. Gesitteter geht es in den Teppichetagen sowohl in Peking wie auch in Washington zu. Während der intrigante chinesische Minister auch Tötungsbefehle in wohlgesittete Worte zu kleiden weiß, bedient sich Jack Ryan sr. als Präsident nicht nur seinem persönlichen Bodyguard gegenüber eines sehr jovialen Tons. Neben diesen sprachlichen Feinheiten beeindruckt auch die Menge an statistischer Information über Menschenhandel, Wirtschaftsdaten und andere, was eine gründliche Recherche vermuten lässt – überprüft habe ich die Angaben nicht.



    Fazit

    Wegen der massenhaften Klischees kann ich mich der Erwartung nicht erwehren, die ich auch mit den Büchern von Dan Brown über die Abenteuer Professor Dr. Robert Langdons verbinde: Hat man eines gelesen, kennt man alle. Dennoch hält einen die Spannung im Griff. Gelungen ist die Beschreibung der unterschiedlichen Settings, hier entsteht Kopfkino. Einen weiteren Pluspunkt heimst der Thriller ein für die eingestreute Statistikinformation. Abstriche mache ich jedoch wegen der Klischees und der fehlenden Tiefe bei der Darstellung der Figuren. Zudem ist die Handlung mit reichlich vielen Beteiligten auf so viele Ebenen verteilt, dass ich recht schnell nicht mehr einzelne Figuren verfolgt habe, sondern nur noch die handelnden Institutionen. Wer Thriller mag und vor der ausgeprägten Darstellung von Gewalt und vor derber Ausdrucksweise nicht zurückschreckt, ist mit Die Macht der Welt gut bedient. Zarteren oder anspruchsvolleren Gemütern kann ich das Buch nicht empfehlen.
    Tanz der Bärenkönigin Sabine Reifenstahl
    Tanz der Bärenkönigin (Buch)
    29.09.2024

    Fantasy mit Forderung nach Toleranz

    Erster Eindruck

    Wer in den Werken von Sabine Reifenstahl schmökert, stößt unweigerlich auf queere Elemente. Obwohl queere Literatur weder zu meinen Kernkompetenzen als Leser noch als Autor gehört, war ich gespannt, wie die Autorin in ihrem Fantasyroman „Die Bärenkönigin“ mit dem Genre umgeht. Meine anfangs kritische Erwartung war unangebracht, so feinfühlig und sacht schleicht sich die Liebe zwischen Männern in dieses Buch. Ein schriftstellerisches Kunstwerk, wenn man bedenkt, dass die Ablehnung solcher Zuneigung den gesamten Handlungsverlauf überhaupt erst ermöglicht! Doch gefesselt haben mich allein schon Setting, Handlung und die gefühlvolle Vorstellung der Hauptfiguren.



    Inhalt

    Als Achtjährige wird Prinzessin Annrai von Ewan, dem König vom Volk der „Bärenhäuter“ in Hochfels, zu seiner künftigen Gemahlin auserwählt, und er gewährt ihr dazu die Gabe der Verwandlung in eine Bärin. Entsprechend verläuft ihre Ausbildung, die mehr eine Kriegerin als die Königin von Weitmark zum Ziel hat. Dennoch stellt sich Annrai nach dem Tod ihres Vaters der Führung des Reiches, das sie auch in vorderster Linie gegen die seelenlosen Horden der finsteren Zauberin Idis verteidigt. Dabei kreuzt sie die Klinge mit Loris, einem hünenhaften Kämpfer, den sie später aus der Gefangenschaft ihres verräterischen Verbündeten befreit. Doch kann ihre aufflammende Liebe der Trennung standhalten, die ihr durch Ewans Eheversprechen und ihre daraus entstehende Verpflichtung an seinem Hofe aufgezwungen wird?



    Schreibstil

    Gewohnt vielschichtig bereitet Sabine Reifenstahl ihren Roman auf. Aus der Sicht Annrais zeigt das Buch nicht nur ihre eigene Geschichte, die durch dramatische Elemente wie Verhöhnung, Opfer, Kampf, Pflicht und gegen sie gerichtete Intrigen alles andere als einfach verläuft. Neben ihrer Zerrissenheit zwischen ihrer Zuneigung zu Ewan und ihrer Liebe zu Loris muss sie sich dafür einsetzen, dass die verpönte gleichgeschlechtliche Liebe in ihrem Reich der Toleranz weichen soll, um endlich einen allumfassenden Frieden zu ermöglichen. Auch das erleichtert es dem Leser, sich mit Annrai oder anderen Figuren zu identifizieren. Facettenreich, immer feinfühlig und bildreich gestaltet Reifenstahl die Fantasywelt, ihre Bewohner und deren Leben zwischen Entbehrung, Furcht und Hoffnung. Zahlreiche Figuren ziehen so ins Blickfeld des Lesers, wobei zwei schriftstellerische Dogmen stärker als in vielen Romanen zur Geltung kommen: „Show, don’t tell!“ und „Kill your Darlings!“ Bildhaft, spannend und authentisch bleibt die Sprache allemal, und wenn eine vom Leser liebgewonnene Figur fällt, bleibt ein Stückchen Leere, das sich jedoch sofort mit fesselnden Momenten füllt. Symbolisch für die Verluste, aber auch für bevorstehende Siege mag das Schachspiel stehen, dass Annrai in mehreren Kapiteln mit einigen ihrer Vertrauten spielt. Erst allmählich lüftet die Autorin die Geheimnisse um den Fluch der Bärenhäuter und offenbart nur in kleinsten Schritten die Beziehungen der Figuren zueinander und ihre miteinander verknüpften Schicksale. So bleibt der Roman fesselnd und lesenswert bis zur letzten Seite.



    Fazit



    Mich als Fantasyfan luden das mittelalterlich anmutende Ambiente und die mystisch-magisch bestimmte Handlung ohnehin zum Träumen und zum Mitfiebern und Mitleiden ein. In der Aufmachung nicht so spektakulär, aber amerikanischer Bestseller-Fantasy zumindest ebenbürtig finde ich „Die Bärenkönigin“ von Sabine Reifenstahl. Ein verständliches und nicht überladenes Setting ermöglicht ein entspanntes Lesen, das träumerische Eintauchen in die Welt von Weitmark und Hochfels und das Mitfühlen nicht nur mit den Hauptfiguren. Als weiteren Pluspunkt bewerte ich das zarte, weil unterschwellige Werben um Toleranz gegenüber Menschen, die wir nicht gänzlich unseren üblichen Normen unterwerfen wollen. Alles in Allem beste Fantasy, zu deren erwarteten Elementen sich die Forderung nach Aufgeschlossenheit gesellt.
    Wolff, S: Sturmprinzessin Wolff, S: Sturmprinzessin (Buch)
    29.09.2024

    Trügerische Südseeidylle

    Erster Überblick

    Südseeidylle. Der Einfall fremder Segelschiffe auf das karibisch anmutende Inselreich lässt Bilder aus dem Werk »Meuterei auf der Bounty« vor das innere Auge des Betrachters ziehen. Natürlich gänzlich anders als meine Krimis, aber auch anders als mein eigener Fantasyroman zieht Susanne Wolffs »Sturmprinzessin« den Leser nicht durch eine auf Abenteuer ausgerichtete Spannung in ihren Bann, sondern durch ein exotisches Setting, einfühlsam beschriebene, in sich widerstreitende Charaktere und – durch Gefühle. Liebe, Loyalität und Tradition schließen sich oftmals gegenseitig aus, und auf diesem Konflikt beruht die Handlung, die bildreich und einfühlsam vor uns ausgebreitet wird.



    Inhalt ohne Spoiler

    Wie friedlich könnten die Bewohner des Inselreichs Bajbangho leben, hätte nicht eine Flutwelle große Verwüstung angerichtet und würde nicht Lord Verion, der Herrscher von Daramon, seine Hilfeleistung an die Unterwerfung knüpfen! Liann, Erste Schülerin der ungekrönten Inselkönigin Katesha, verliebt sich gegen ihren Willen in den daramonischen Heerführer Marcian, der zusammen mit seinem Freund Arnemon, dem Sohn und künftigen Nachfolger Verions, die Anordnungen des Lords abzumildern sucht. Sturheit, Missverständnisse und falsch verstandenes Ehrgefühl lassen einen Krieg unvermeidlich scheinen. Besonders Marcian steht im Widerstreit zwischen seiner Loyalität zum Reich Daramon und seinem Herrscher einerseits und der Treue zu seiner Geliebten Liann andererseits. Daramons Kanonen steht die Magie der Banjhee, der Piesterinnen Bajbanghos, gegenüber. Marcian und Liann sehen sich in diesem Konflikt mit ungleichen Mitteln auf unterschiedlichen Seiten …



    Schreibstil

    Wäre »Sturmprinzessin“ kein Roman, sondern ein Heim, wäre bei dessen Einrichtung die weibliche Hand nicht zu übersehen. Selbst Autor, behaupte ich, kein Mann vermag so gefühlvoll und behutsam zu schreiben, wie es Wolff hier getan hat. Idyllischer Südseezauber steht der Zerstörung der Hauptstadt Daramons diametral gegenüber. Auch in der kriegerischen Auseinandersetzung gelingt es der Autorin hervorragend, die Gefühle und den inneren Konflikt der Anführer – Katesha und Liann auf Seiten des Inselreichs und Marcian und Arnemon auf Seiten Daramons – ebenso feinfühlig und dramatisch darzustellen wie die Liebesbeziehung. Lebendige Dialoge, Selbstgespräche und selbstkritische Gedanken runden die Figurenbeschreibung ab und richten sich nach der jeweiligen Situation – mal entspannt, mal bis aufs Äußerste angespannt. Ein bildreiches, durchgängig ausgeführtes „Show, don’t tell“ reißt den Leser mit.



    Fazit



    Wer behauptet, die beste Fantasy käme aus Übersee, den belehrt die »Sturmprinzessin« eines Besseren. Mit einem gut durchdachten und konsequent umgesetzten Plot, mit einer der traditionsbestimmten Logik folgend sich unweigerlich zuspitzenden Dramatik, mit der Betonung der inneren Heldenreise der Hauptfiguren und mit einer bildgewaltigen, einfühlsamen Sprache präsentiert uns Susanne Wolff ein im buchstäblichen Sinn zauberhaftes Werk. Einen echten Pageturner mit Bestwertung.
    Sommer, Sonne, Schmetterlinge Sommer, Sonne, Schmetterlinge (Buch)
    29.09.2024

    Von Mitgefühl bis Gänsehaut

    Erster Eindruck:

    Nein, Love-Stories gehören gewiss nicht zu meinem Lieblingsgenre! Als aber einer der Autoren mir die kleine Sammlung vermachte, las ich gleich seine kurze Liebesgeschichte – und war begeistert. Die übrigen Erzählungen sind in einem anderen Stil geschrieben und regen andere Saiten des Lesers an. Jedoch gibt es keine einzige Geschichte, die mir nicht gefallen hätte.



    Inhalt:

    Sechzehn Liebesgeschichten umfasst das Büchlein, alle mit einer gefühlten Lesezeit zwischen fünf und zehn Minuten. Verschmähte Lieben, die wiedergefunden werden wollen, Enttäuschungen wegen eines verpassten oder vermeintlich unmöglichen Wiedersehens … oder auch die Geschichte »Wineglass Bay« eben jenes Autors, die so unschuldig beginnt und mit ihrem Ende bei mir eine Schockstarre auslöste. Mit diesem (hervorragenden!) Schluss hatte ich nicht gerechnet. Die meisten Enden sind jedoch – dem Genre ist’s geschuldet! – vorhersehbar. Das tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Alle sind für die eine oder andere Träne der Rührung gut, wie man es erwartet. Das Päckchen Tempo muss aber nicht in Griffnähe bereitliegen.



    Schreibstil:

    Eine Geschichtensammlung zu analysieren, fällt sogar mir als Autor schwer, der liest, um schriftstellerisches Handwerk zu werten und daraus auch für sich „Honig zu saugen“. Britta Bendixen hat jedoch eine Anthologie zusammengestellt, die diesen Namen verdient. Jede im Buch vertretene Autorin, jeder Autor stellt ein schriftstellerisches Können unter Beweis, mit dem sie oder er sich nicht scheuen müsste, ein größeres Werk zu schreiben. Alle Geschichten fangen treffend die gelöste Stimmung einer Urlaubsidylle ein oder die Niedergeschlagenheit einer „Sitzengelassenen“ und lassen den Leser eintauchen in das geschilderte Bild etwa vom Traumstrand, vom spanischen oder italienischen Ristorante. Spritzige Dialoge wechseln mit malerischen Beschreibungen ab, Sprache und Gedanken passen zum Setting, die Figuren sind plastisch und greifbar vorgestellt. Trotz der vorhersehbaren unvermeidlichen happy Ends mag man als Leser das Buch einfach nicht zur Seite legen, so sympathisch und einfühlsam wird hier geschrieben. Deutlich wird hierbei der Unterschied in Handlung und Stil zwischen Autorinnen und Autoren. Bei der Anzahl der Geschichten hat Venus gegenüber Mars die Nase vorn.



    Fazit:



    Britta Bendixen, in der ich sonst eher eine Krimnalschriftstellerin sehe, legt als Herausgeberin mit »Sommer, Sonne, Schmetterlinge« ihren Leserinnen und Lesern eine Sammlung sympathischer, eindringlich und auch stilistisch gut geschriebener Love-Stories vor, die zum Mitfühlen und zum Träumen einladen. Oftmals Gänsehaut-Geschichten. Ach ja – noch eins! Was in Anthologien selten zu finden ist, findet hier meine Hochachtung: Der Verzicht auf jegliche Rechtschreib- und Grammatikfehler. Stattdessen stößt der Leser trotz der unterschiedlichen Schreibstile der versammelten elf Autor*Innen stets auf ein gehobenes Sprachniveau. Chapeau!
    Schattenelfen - Die Blutkönigin Bernhard Hennen
    Schattenelfen - Die Blutkönigin (Buch)
    29.09.2024

    Thriller im Gewand von Fantasy

    Erster Eindruck:

    Was bringt mir der neue Bestseller des deutschen Fantasyautors Bernhard Hennen? Als Verfasser eines eigenen Fantasyromans und einiger Kurzgeschichten auch in diesem Genre interessierten mich Schreibstil und Aufbau beinah mehr als die Handlung. Ich gestehe, dass ich anfangs so wenig angetan war, dass ich überlegte, das Buch aus der Hand zu legen. Doch mein Durchhalten hat sich gelohnt: Romantisches wie auch Gewalt und Brutalität machen diese Fantasy zum Thriller. Von amerikanischen Autorinnen und Autoren bin ich eine solche Mischung auf dem hohen Niveau der „Schattenelfen“ nicht gewohnt.



    Inhalt ohne Spoiler:

    Elfen sind niedliche geflügelte Geschöpfe, die über Blüten schweben und magischen Staub streuen, um die Natur in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen? Mitnichten! Langollion ist eine Idylle der Freiheit und des Wohlstands im Reich Albenmark und daher das Ziel aller ‚Albenkinder‘, Zentauren, Kobolde, Trolle und anderer Bewohner. Alles wird jedoch nur aufrecht erhalten durch die Intrigen der jahrhundertealten Elfenfürstin Alathaia und ihrer Kinder, die für sie spionieren und meucheln. Ihre Gegnerin ist die Elfenkönigin Emerelle, die die übrigen Länder mit eiserner Hand regiert, und beide sind Meisterinnen in Verrat und Hinterlist. Doch in diesem Schachspiel um die Vorherrschaft in der Albenmark und mit reichlich vielen Bauernopfern verfolgt noch ein anderes Wesen seine perfiden Pläne. Und so werden die Elfen Laurelin und Adelayne zum Spielball der Mächtigen, bestimmen aber letztendlich auch das Schicksal des ganzen Landes.



    Schreibstil:

    Hennen überzeugt durch einen lebendigen, handlungsgetriebenen Schreibstil. Dialoge, Gedanken und Handlung wechseln einander ausgewogen ab. Seine abwechslungsreiche Sprache harmoniert mit dem Setting, passt sich ständig der jeweiligen Umgebung an und gibt die hervorstechenden Charakterzüge der gerade im Mittelpunkt stehenden Figur treffend wieder. Thrillermäßig geschrieben, lässt der Roman den Leser nach einer dramatischen, jedoch wegen des Wechsels zwischen Elfen, Trolle und Tieren chaotisch wirkenden Eingangssequenz nicht Atem holen. Gefühlte hundert kurze Kapitel aus der jeweiligen Sicht der zahlreichen, aber nicht nur der wesentlichen Figuren offenbaren dem Leser aus ebenso vielen Blickwinkeln das Leben bei Hofe oder in der Wildnis. Nach einem Zehntel des Romans führt der Autor die Handlungsstränge so weit zusammen, dass die Geschichte dahinter verständlich wird. Dennoch spart er wichtige Details auf, um sie später häppchenweise preiszugeben. Orte und Handlungen präsentieren sich so plastisch, dass man sich hineinversetzt glaubt. Die interessant gestalteten Figuren sind dreidimensional, der Leser sieht sie vor sich, fühlt, hofft und bangt mit ihnen. Was verwundert, ist, dass Hennen zahlreiche Figuren, die ganze Handlungsstränge beherrschen und denen er oft genug mehrere Kapitel widmet, sterben lässt, nachdem der Leser lange mit ihnen gelebt hat. So erhalten die Intrigen eine weitere Betonung.



    Fazit:

    Durchhalten ist angesagt! Die ersten 80 der beinahe 800 Seiten füllt Hennen mit der Vorstellung einiger Figuren und der Albenmark. Obwohl hier schon reichlich Handlung einfließt, erschließen sich dem Leser die Handlungsstränge erst danach, wenn sie sich einander annähern. Dann geht es rasant vorwärts. Jedes Kapitel eröffnet einen neuen Blickwinkel und fesselt. Als Leser fiebert man nicht nur dem Fortschreiten der Handlung entgegen, sondern fragt sich auch, wann man endlich die Figuren wiedertrifft, die einen ein paar Kapitel vorher fasziniert haben. Hennen präsentiert einen hervorragend geschriebenen Thriller im Gewand bester, packender epischer Fantasy!
    Night Rebel 1 - Kuss der Dunkelheit Jeaniene Frost
    Night Rebel 1 - Kuss der Dunkelheit (Buch)
    29.09.2024

    Selbstironie zwischen Düsternis und Erotik

    Lesenswerte Selbstironie zwischen Düsternis und Erotik



    Überblick:

    Als Autor mit gelegentlichen Abstechern in die Sub-Genres Urban Fantasy und Dark Fantasy reizte mich nach einem Blick in die Leseprobe die Frage, ob mich Jeaniene Frost mit dem Spagat zwischen dem düsteren Genre einer Vampirgeschichte und ihrem locker-frivolen Schreibstil überzeugen könnte. Kurze Antwort: Sie konnte – wenn auch anders, als ich erwartet hatte.



    Inhalt ohne Spoiler:

    Highlander – Es kann nur einen geben! Das war der Gedanke, der mir nach etwa dreißig Seiten kam. Zwei Kontrahenten verbünden sich notgedrungen gegen einen Dritten, und sobald sie jenen zur Strecke gebracht haben, wenden sie sich gegeneinander. So die gleich lautende Absicht der attraktiven vampirischen Gesetzeshüterin Veritas und dem sexuell ausschweifenden und nichtsdestoweniger burschikos-sympathischen Vampir Ian. Der hatte mit dem Dämonen Dagon, eigentlich einem Erzfeind der Vampire, einen Pakt geschlossen, den er annullieren möchte, Veritas hat mit Dagon auch ein Hühnchen zu rupfen und nutzt Ian als Köder. Unsterblich sind alle drei. Und sie setzen magische Kräfte ein, von denen weder der jeweils andere Protagonist noch wir uns hätten träumen lassen.



    Schreibstil:

    Sofort fällt auf, wodurch dieses Buch sich von anderen abhebt: Es ist ein Roman aus der Ich-Perspektive von Veritas. Schon nach den ersten Kapiteln merkt der Leser, dass er nicht gerade vom Thrill lebt. Die Aufgabe, der sich die Protagonisten annehmen, bleibt nach ihrer Vorstellung am Beginn des Buchs lange im Hintergrund, die Spannungsbögen sind jeweils recht kurz. Doch hat die Handlung bemerkenswerte Konkurrenz: Neben einem Einblick in die Welt der Vampire, in ihre Organisation, ihre Fähigkeiten und Schwächen gewährt Jeaniene Frost die intensive Teilnahme an den Gefühlen der beiden Helden – und bedient sich eines leichtfüßigen und humorvollen Schreibstils. Die Gefühle sind tief; regelmäßig zielen sie unter die Gürtellinie, Augen und Hände ebenso. Das zeigt sich in der Sprache nicht nur bei den bissig-frivolen Dialogen, die erfrischend zahlreich die Geschichte auflockern. So ist die Ausdrucksweise eindeutig erotisch, aber jugendfrei und sympathisch. Vor allem durch die Selbstironie der Ich-Erzählerin wirkt sie erheiternd. Und wenn die Protagonisten sich seufzend der Probleme aus ihrer Vergangenheit widmen, kann sich der Leser dieser Stimmung nicht entziehen. Überhaupt sind die Charaktere von Veritas und Ian so greifbar detailliert, dass ich mich sofort in beide hineinversetzen konnte, wobei es leichter fiel, mich mit der Erzählerin zu identifizieren.



    Fazit:

    Einen Weltbestseller hat Jeaniene Frost nicht gerade geliefert. Dafür ist schon das Sub-Genre Vampirroman in einer zu engen Nische der Literatur. Zudem bin ich mir nach dem Lesen immer noch nicht ganz klar, ob es sich um ernst gemeinte Dark Fantasy handeln soll oder eher um erotische Literatur. Beidem ist es nicht zu 100% verbunden. Wer zum Lachen in den Keller geht, sollte von diesem Buch die Finger lassen. Für Genre-Liebhaber, erst recht für Hardcore-Fans ist es kein Must-have. Es ist eine höchst sympathische Unterhaltung für alle, die sich gern hineinziehen lassen in eine geheimnisvolle Atmosphäre, die sich aber nicht finster präsentiert. Der ausgezeichnete Sprachwitz und die liebevolle Gestaltung der heldischen Kontrahenten machen »Night Rebel – Kuss der Dunkelheit« trotz der beinahe im Hintergrund ablaufenden Handlung zu einem lesenswerten Buch. Jeaniene Frost hat den Drahtseilakt zwischen düsterer Atmosphäre und flottem Schreibstil gemeistert. Dabei verdankt sie meine Punktwertung „vier wohlverdiente von fünf Sternen“ mehr der Kür der unterhaltsamen, ironisch-erotischen Ausdrucksweise als der Pflichtübung eines angekündigten spektakulären Abenteuers.
    Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte T. J. Klune
    Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte (Buch)
    29.09.2024

    Bezaubernde queere Fantasy

    Bestnote für ein bezauberndes Buch



    Erster Eindruck

    Als Fantasy-Fan und Verfasser fantastischer Geschichten und Romane wollte ich wissen, was T.J. Klune bei diesem Titel an Inhalt und Schreibstil bietet. Magisch begabte Minderjährige? Statt Hogwarts mal eben Waisenhäuser? Harry Potter lässt grüßen? Weit gefehlt! Vor dem Leser erhebt sich eine Welt fantastischer und bunter als die von Anne K. Rowling. Mit dem Fokus auf einen gewissenhaften und kleingeistigen Beamten schildert Klune Ereignisse, die nur der ängstliche Protagonist so abenteuerlich erlebt. Zwar auch für den Leser paranormal, werden die magischen Fähigkeiten der besuchten Kinder für Linus Baker zur größten Herausforderung seines Lebens, übersteigen sie doch alles, was er in seiner 17jährigen Dienstzeit erlebt hat. Die Beobachtung seiner Reaktionen, Gedanken und widerstreitenden Gefühle lassen den Leser schmunzeln und mit dem sympathischen Mann, der stets auf das Wohl der Kinder bedacht ist, mitfühlen. Auch die Ironie, die Klunes Schreibstil durchgängig innewohnt, trägt dazu bei, das Buch und seine Figuren ins Herz zu schließen.



    Inhalt ohne Spoiler

    Mr. Linus Baker, Beamter der Behörde für die Betreuung magischer Minderjähriger (BBMM), wird aus der Bahn geworfen, als er vom Allerhöchsten Management einen brisanten Auftrag erhält: die Überprüfung eines abgelegenen Waisenhauses unter der Leitung von Arthur Parnassus. Hat der seine Schützlinge im Griff? Schon die Fahrt ist für Linus ein unwillkommenes Abenteuer. Seine Unruhe nährt sich von der Frage, was ihn nach einer düsteren Andeutung des Managements erwartet. Natürlich reift er charakterlich mit dem Fortschritt, den er bei der Erfüllung seiner Aufgabe erzielt. Aber wird er sich nicht doch übernehmen, denn er fühlt sich nicht willkommen geheißen?



    Schreibstil

    Mit Linus Baker hat Klune eine Figur geschaffen, die zu begleiten sich lohnt. Die Blicke anderer auf ihn wie auch die detaillierte Beobachtung jedes seiner Handgriffe zeichnen einen anfangs überängstlichen Protagonisten. Selten hat sich mir in einem Buch ein Charakter so dreidimensional, so plastisch vorgestellt! So wirkt trotz aller Paranormalität die innere Heldenreise Bakers authentisch. Dazu trägt auch die Sprache bei. Zwar gespickt mit Adjektiven zeigt sie einen Fächer von Stimmungslagen von Urangst bis Lebensfreude, die der Welt der Magie genauso angemessen sind wie die düsteren Vorahnungen des Helden wider Willen. Die Dialoge sind herrlich, zeichnen sie doch nicht nur, was seine Mitgeschöpfe von ihm halten, sondern in ihren härter werdenden Konturen seine charakterliche Reifung. Dazu häufige Selbstgespräche, sein der Absicht entgegengesetztes Handeln und die verbalen Steigerungen! Alles sitzt, jeder Ausdruck passt. Nicht vergessen darf der Leser, dass sich Figuren in seiner Erinnerung an ein Buch stärker festsetzen als Handlungen. Hier hat der Autor alle Register gezogen, um sowohl Linus Baker wie auch seinen vermeintlichen Widersacher Mr. Parnassus und seine Zöglinge einprägsam zu gestalten. Auch den Gefühlen bei der Schilderung zweier Liebesbeziehungen gibt ein die Seele des Lesers streichelnder Schreibstil eine angemessene Bedeutung.



    Fazit

    Ein kurzweiliges Buch über einen wirklichen Sympathieträger. Der Leser fragt sich von der ersten Seite an, welche Herausforderung auf Linus Baker wartet und wie er sich ihr stellen mag. Schließlich ist er als Mensch hin- und hergerissen zwischen seiner repressiven Beamtenpflicht und der Überzeugung, zum Wohle der begutachteten Kinder zu handeln. Von letzterer lässt er sich ebenso überraschen wie treiben. Nicht nur, wer »Die Insel der besonderen Kinder« von Ransom Riggs gelesen oder als Tim Burtons Verfilmung gesehen hat, wird dieses Buch lieben. Die reizvolle Schilderung auch von Petitessen lädt zum Träumen ein und macht es zu einem Kleinod aktueller Fantasy. Dazu kommt ein unterschwelliger Appell an unsere Toleranz. Für dieses Lesevergnügen hat T.J. Klune die Bestnote verdient. Vom ersten Wort bis zum Epilog ein im wahrsten Sinne bezauberndes Buch!
    Fjara Fabienne Zwicker
    Fjara (Buch)
    29.09.2024

    Hexenjagd mit vielen Emotionen

    Erster Eindruck

    Mittelalterliche Hexenjagd. Mit einer solchen Szene beginnt Fabienne Zwicker ihren Fantasyroman „Mond in der Dunkelheit“. Alle Anstrengung der Hexenjäger konzentriert sich auf die Gefangennahme der Hexe Fjara, mit der wir uns bei der Lektüre bestens und sehr leicht identifizieren können. Sie ist einfach sympathisch, was man dummerweise auch von manchem ihrer Widersacher sagen kann. Und so zeigt uns die Autorin keinen geschichtlichen Abriss, sondern führt uns ein in die innere Zerrissenheit der Figuren in beiden Lagern. Beim Lesen nimmt man gar nicht wahr, dass über lange Strecken hinweg der Kampf zwischen magisch Begabten und deren Jägern sich gar nicht in Handlung manifestiert, so mitreißend beschrieben ist die Gefühlswelt der Personen, denen die einzelnen Kapitel gewidmet sind.



    Inhalt

    Welchem Zweck die Gefangennahme Fjaras durch den obersten Hexenjäger Arved wirklich dienen soll, bleibt lange ein gut gehütetes Geheimnis der Autorin. Erst gegen Ende des Romans überrascht sie uns mit der Auflösung – und präsentiert uns damit einen neuen Konflikt. Nämlich Zweifel und Selbstzweifel der Hauptfiguren, die sie ihre Lage überdenken lassen, und nicht wenige ändern ihre grundlegende Einstellung. So sind wir uns nicht klar darüber, ob am Ende Fjara mit ihren Gefährten, von denen sie vor Monaten in eine vorher nicht gekannte familiäre Beziehung aufgenommen wurde, wirklich obsiegen sollte. Denn auch auf Seiten der Hexenjäger gibt es Figuren, die moralisch integer und an einer friedlichen Lösung interessiert sind. Andererseits haben auch Fjara und ihre Mitstreiter beinahe allesamt mindestens einen dunklen Punkt in ihrer Vergangenheit, um nicht zu sagen, Dreck am Stecken. Und Götter und Dämonen kommen auch nicht zu kurz …



    Schreibstil

    Die personale Erzählperspektive zieht sich konsequent durch den ganzen Roman. In tiefgründiger und regelmäßig quälender Selbstreflexion lässt Fabienne Zwicker ihre Figuren moralisch leiden. Dazu kommt körperlicher Schmerz, wenn es Geplänkel oder Scharmützel gab. Alles bekommen wir als Leser durch Dialoge, Selbstgespräche und Gesten so hautnah vermittelt, dass wir mitfühlen, mitleiden oder uns mitfreuen. Fjara ist uns in den ihr gewidmeten Kapiteln besonders nah, denn die werden in der Ich-Form erzählt. Handlung und Innenschau des Hexenjägers Esa und des als Sklave gebannten Hexers Ragin erleben wir in der dritten Person. Behutsam führt uns die Autorin an Schauplätzen in Schweden in ein Mittelalter, das uns so nicht geläufig ist. Christentum und nordische Gottheiten stehen sich nicht diametral gegenüber, bestimmen aber beide das Geschehen in Arveds Burg, in dem lebendigen Städtchen Linköping und auf dem Bauernhof, auf dem Fajra Heimat und Anschluss gefunden hat. Nur ganz langsam lässt uns die Autorin verstehen, in welcher Beziehung die Figuren früher einmal zueinander standen, aus der heute Sehnsucht und Liebe oder auch Hass erwachsen sind. Wunderbare Bilder und Vergleiche, die die Autorin detailverliebt und abseits jeden literarischen Klischees präsentiert, machen das Buch ebenfalls zu einem Lesegenuss. Etwa, wenn Esa frustriert feststellt, dass es erst Mittag ist, „wie sein kurzer Schatten zeigt“, oder Fjara sich auf einen der Steinbrocken setzt, „die neben dem Weg lagen, als hätten die Bauherren sie dort vergessen, nachdem sie diese Kirche erbaut hatten.“



    Fazit

    Fabienne Zwickers „Mond in der Dunkelheit“ ist ein Buch, das man nicht aus der Hand legen möchte, bevor man es in einem Rutsch durchgelesen hat. So stark fühlt man mit den Hauptfiguren, möchte ihnen helfen, ihre Zweifel und ihre schmerzhaften Erinnerungen zu überwinden, und wünscht ihnen viel Glück für den Ausgang der Hexenjagd. Dumm nur, dass wir Leser unsere positiven Gefühle und Hoffnungen auf Figuren beider Konfliktparteien projizieren. So springt die Spannung aus dem Buch auf uns über! Ich empfehle das Buch jedem, der auch nur entfernt etwas für das Genre Fantasy übrig hat.
    Miez Marple und die Kralle des Bösen Fabian Navarro
    Miez Marple und die Kralle des Bösen (Buch)
    29.09.2024

    Beste tierische Unterhaltung

    Für Eilige:

    Einen Katzenkrimi in der Hand zu halten, verspricht Spannung. Nicht nur des Genres wegen, sondern auch in Bezug auf die Realitätsnähe „tierischen“ Verhaltens. Fabian Navarro hat mich nicht enttäuscht. Dazu kommt ein sympathisch erfrischender Schreibstil.



    Inhalt:

    Miez Marple, die stadtbekannte Katzendetektivin, hat sich aus allen Ermittlungen zurück­gezogen und erfreut sich des Lebens als normale Hauskatze, als ihr Kamerad und Assistent Watson unter falschem Verdacht verhaftet wird. Der Produzent berühmter Katzenvideos mit Florian Silberschweif wurde ermordet, und der prominente Kater ist verschwunden. Das ist erst der Anfang einer Kette verbrecherischer Untaten durch die Katzenmafia und ihrer geheimnisvollen Gegenspielerin, durch kriminelle Hähne und einen mörderischen Hummer. Bei der Aufklärung geraten sich Miez Marple und die Katzenpolizei gegenseitig ins Gehege.



    Schreibstil:

    Die Vermenschlichung von Katz' & Co glaubhaft darzustellen, ist eine Herausforderung, der sich Navarro auf humorvolle Weise erfolgreich gestellt hat. Seine Darstellung kätzischer Verhaltensmuster wie auch die gut durchdachten kriminellen Handlungen und Organisationen kann ich als Katzenhalter und Autor als authentisch – zumindest als plausibel – bestätigen. Der lebhafte Schreibstil wird ergänzt durch den sympathischen Widerspruch aus detektivischem Ehrgeiz und dem unvermittelten Folgen angeborener Instinkte. Das bezieht den Leser in die Szene ein – zumindest, wenn er wirklich Katzen kennt. Das Lecken der Pfoten und das Kratzen hinter den Ohren führen gelegentlich zu abrupten Abbrüchen krimineller oder aufklärender Handlungen. Die Vielfalt der Protagonisten von Mäusen über Tauben bis hin zu Menschen, die bis auf Miez Marples Frauchen Agathe Christiansen nur schemenhaft auftreten, beschert eine weitere Auflockerung von Geschehen und Klischees. Auch die spielerisch genutzte Lautmalerei bei der Namensähnlichkeit mit real existierender Prominenz macht als Stilmittel den Roman unterhaltsam.



    Fazit:



    Auf einer Fünf-Sterne-Skala gebe ich „Miez Marple und die Kralle des Bösen“ gute vier Sterne. Bestens unterhalten haben mich die Idee und die Beobachtung der tierischen Protagonisten. Die Verbrechen wie auch ihre Aufklärung könnten vergleichsweise auch in der Menschenwelt geschehen, ihre Schilderung ist lebhaft und mitreißend. Spannung ergibt sich aus der Handlung ebenso wie aus der Erwartung, ob tierisches Verhalten das Geschehen unterstützt oder ihm entgegensteht. Leider zerfällt das dritte Viertel des Buches in zu viele Handlungsfäden und trübt so zeitweise den Überblick und die Spannung. Außerdem betont Navarro an diesen Stellen die Hektik und verlässt das sonst so angenehm ruhige Fahrwasser tierischer Geruhsamkeit. Das Buch empfehle ich nicht nur Katzenliebhabern, sondern allen Krimifreunden, die Freude haben an einem lebendigen Schreibstil und einem etwas skurrilen Setting.
    Gefährliche Mittsommernacht Christoffer Holst
    Gefährliche Mittsommernacht (Buch)
    29.09.2024

    Erfrischende Selbstironie

    Erster Eindruck

    Krimi oder Romanze? Auch als Autor mit analysierendem Blick auf Inhalt und Stil wird mir erst zur Mitte des Romans klar, wo der Genre-Schwerpunkt dieses Cross-Over-Romans von Christoffer Holst liegt oder liegen soll. Dafür werden sofort wohltuende Assoziationen wach: Von Smørrebrød (dem Klang der Ortsnamen wegen, obwohl die Geschichte in Schweden spielt) hin zu Bestsellern aus dem Heyne-Verlag. Wegen der Ich-Perspektive und der Ironie, die einem aus jeder Zeile entgegenlacht, vergleiche ich die »gefährliche Mittsommernacht« unwillkürlich mit Karsten Dusses Reihe »Achtsam morden«.



    Inhalt ohne Spoiler

    Aus Frust über das Ende ihrer Beziehung entflieht die Journalistin Camilla Storm, genannt Cilla, der Großstadt Stockholm auf die winzige Insel Bullholmen, wo sie in ein Schrebergartenhäuschen einzieht. Gleich in der ersten, der Mittsommernacht beobachtet sie den heftigen Wortwechsel eines jungen Paares. Am nächsten Morgen wird die Leiche des Mädchens am Badestrand aus dem Wasser geborgen, und Cilla muss dem Polizisten Adam Rede und Antwort stehen. Das Knistern zwischen ihr und dem attraktiven Ermittler macht die Lösung des Falles nicht einfacher. Weder von der Suche nach Spuren und Motiv noch von der Achterbahn ihrer Gefühle her. Auch nicht nach einem zweiten Mord.



    Schreibstil

    Christoffer Holst wagt viel. Sein lockerer Schreibstil mit den vielen Dialogen und Gedanken, die zusammen gefühlt 80% des Buches füllen und oft wenig bis nichts mit den Morden zu tun haben, konkurriert mit der einem Krimi innewohnenden Spannung. Selbstzweifel und die Sehnsüchte Cillas nach einem geordneten Leben und ihre Gedankenschnipsel etwa über ihren Schrebergarten oder andere Nebensächlichkeiten lenken immer wieder von den Mordfällen ab. Das macht das Lesen unaufgeregt, denn das Entsetzen wird verdrängt, der lockere Plauderton scheint oft unangemessen. Holst nutzt unvollständige Sätze, häufige Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart oder verschiedene Schrifttypen, um Stimmungen zu transportieren. Die wirre Gefühlswelt einer 30jährigen wird durch ständige Gedankensprünge und plötzlich auf Petitessen gelenktes Augenmerk vorzüglich charakterisiert. Genau in der Mitte des Buches ändert sich das alles, Holst greift zu einem neuen Stilmittel: Furcht. Konzentriert beschrieben aus dem Blickwinkel Cillas. Zwar treten Lösung und Unhold gegen Ende ein wenig als Deus ex Machina in Erscheinung, aber wer besonders die Rückblenden aufmerksam las, wird nickend zustimmen. »Natürlich, da hätte ich auch drauf kommen können!«



    Fazit

    Krimiliebhaber müssen sich an den lockeren Schreibstil gewöhnen, und sie kommen erst in der zweiten Hälfte voll auf ihre Kosten. Vielleicht brauchen skandinavische Krimis die aufheiternde Stimmung eines Sommers, die sich im Stil widerspiegeln muss. Wer Romantik mag, ist mit der »gefährlichen Mittsommernacht« von Anfang an gut bedient. Keineswegs schnulzig, sondern mit der detaillierten Besinnung Cillas auf sich selbst, auf Adam und nicht zuletzt mit ihrer liebevollen Betrachtung der farbenfrohen Umgebung entführt der Roman seine Leser*Innen in eine Idylle, die alle zehn Jahre durch eine Bluttat gestört wird. Wenn ich dem sympathischen Buch dennoch nur vier wohlverdiente Sterne zuspreche, dann deshalb, weil Holst beim Spagat zwischen Schauer und Romanze zu lange unentschlossen bleibt, das erste halbe Buch in diesem Sinne zu ausschweifend ist und nicht auf den Punkt kommt. Ab der Mitte verdichten sich Inhalt und Sprache, haben mich gefesselt und für die streckenweise bezugs- und spannungslose Leichtfüßigkeit vorher entschädigt.
    Flammenkönigin Susanne Wolff
    Flammenkönigin (Buch)
    29.09.2024

    Alte Verbündete in neuen Kämpfen

    Erster Eindruck

    Auch wer den Romantasy-Roman Flammenkönigin von Susanne Wolff liest, ohne zuvor in ihrem Buch Sturmprinzessin geschmökert zu haben, findet sich schnell zurecht. Beide Romane sind unabhängig voneinander lesbar und verständlich, jedoch erfreut sich der Leser beider Bücher neben dem Lesevergnügen gleichfalls am Wiedersehen mit alten Bekannten. Doch die Abenteuer, Zwistigkeiten und Intrigen sind neu und kein Abklatsch aus dem vorherigen Band.



    Inhalt

    Suela, die jugendliche Regentin des Inselstaates Caldéran, trachtet nach einem verheerenden Vulkanausbruch danach, ihren Untertanen ein sorgenfreies Leben wiederzugeben. Notgedrungen stützt sie sich auf ihren Berater Canto, den Hohepriester der Feuergöttin Perén. Doch sind die von ihm initiierten Raubzüge zur See ein adäquates Mittel zum Überleben, oder rufen sie nur den Widerstand der anderen Reiche hervor, sich der Piraterie zu widersetzen? Was kann Suela dem entgegensetzen, und wie geht sie mit der Gefangennahme Arnemons um, des Herrschers von Daramon? Vertrauen und Liebe stehen abgrundtiefer Hass und Misstrauen gegenüber. Als das Inselreich Bajbangho samt seiner Sturmprinzessin Liann auf den Plan gerufen wird, rückt der Widerstreit der magischen Elemente Feuer und Wind immer näher …



    Schreibstil

    Gewohnt detailverliebt kommt der Roman Flammenkönigin daher. Lebendig geschrieben und gefühlsbetont, was der Dramatik der Geschehnisse keinen Abbruch tut. Befürchtungen, Ängste, Zweifel und Selbstzweifel nehmen großen Raum ein in den Bildern, die Susanne Wolff vor uns ausbreitet. Die Figuren wirken dreidimensional und authentisch, ihre Haltung ist geprägt von den Traditionen, in denen sie aufwuchsen und die sie heute noch umgeben. Damit häuft die Autorin reichlich Konfliktstoff auf, denn auch auf jeder Seite beider Kriegsparteien sind nicht alle Auffassungen gleich. So wirft Wolff ihre Leser in eine Zerrissenheit, wem sie ihre Sympathie zuwenden sollen, doch macht die Schwarz-Weiß-Malerei der Charaktere die Identifizierung mit bestimmten Figuren recht einfach. Dennoch lässt etwa eine unerwartete Läuterung gegen Ende des Romans den Leser eine Weile mit offen stehendem Mund zurück. Wolff spielt dem Leser mit Überraschungen manchen Streich und erhöht dadurch die Spannung, wobei die Twists plausibel bleiben– man muss nur genau hinschauen. Zu weiterem Lesespaß verführen liebevolle Formulierungen abseits jeglicher Klischees wie die folgenden Beispiele: „Am Rande ihrer Gedanken zupften schon wieder die Sorgen um Caldéran.“ und „Das ferne Wummern rann über sie hinweg wie Wasser über gefettetes Leder.“



    Fazit



    So bildreich, so detailverliebt kommt der Roman daher, dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte. Ein Roman über Krieg und Frieden, über Liebe, Treue, Hass und Versöhnung vor dem Hintergrund einer malerischen, aber von Naturereignissen zerstörten Kulisse, in der alle Parteien mit dem Wiederaufbau beschäftigt sind oder waren. Wer beim Begriff Fantasy nicht unbedingt an kriegerische Orks oder Drachenreiter denkt, sondern wem Menschen mit und ohne magische Begabung genügen, dem sei die Flammenkönigin ans Herz gelegt. Ebenso dem demjenigen, der Romantasy bislang als schnulzig empfindet, denn Susanne Wolff wird ihn eines Besseren belehren.
    Fataler Wahn Stefan Zeh
    Fataler Wahn (Buch)
    29.09.2024

    Albträume nicht ausgeschlossen

    Rezept

    Man nehme:

    1 Triebtäter,

    3 Opfer, jung, weiblich, Single,

    4 Ermittler, die unterschiedlicher kaum sein könnten.



    Nacheinander gönne man den Zutaten einzelne Kapitel, dem Triebtäter die seinen als Ich-Erzähler, die der Opfer und der blutjungen Kriminalbeamtin Julia Beck in der dritten Person und alle in der Vergangenheit. Das Gericht genießt man am besten ans Kopfende seines Bettes gelehnt, nur mit einer dünnen Decke, das kühle Schlafzimmer unzureichend durch die Nachttischlampe ausgeleuchtet, und schon ist eine schlaflose Nacht oder eine mit Albträumen garantiert.



    Inhalt

    Als die frischgebackene Kriminalkommissarin Julia ihren Dienst in der Stuttgarter Dienststelle antritt, wird sie sogleich zu einem Leichenfund gerufen. Eigentlich wäre das eine willkommene Möglichkeit, sich von ihrem sarkastischen und frauenfeindlichen Vorgesetzten zu lösen, doch kritisiert er sie weiterhin und lässt ihre Schlüsse zum Tod der jungen Irina Heff nicht gelten. Durch ihre Ermittlungen deckt Julia Parallelen zu einem früheren Mord auf und erkennt Anhaltspunkte für einen weiteren, unmittelbar bevorstehenden Mord …



    Schreibstil

    In seinem Roman »Fataler Wahn« spielt Stefan Zeh nicht nur mit den Wohlbefinden der Opfer, sondern auch mit dem seiner Leser und vor allem seiner Leserinnen. Die Kapitel, die sich mit der Ermittlung beschäftigen, sind zumeist aus der Sicht Julias geschrieben sind und kreisen neben der kriminalistischen Arbeit um ihre Probleme. Diese sind ihre wütende Absicht, sich ihrem zynischen, ständig nörgelnden Vorgesetzten zu beweisen, und die Bemühung, endlich ihre Trauer über den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten. Schriftstellerisch ist die konfliktreiche Zusammensetzung des Ermittlerteams äußerst gelungen: Julia, ohne Erfahrung und auf ihre Intelligenz und Eingebung angewiesen, Hauptkommissar Martin Keller, den sein langjähriger Dienst und der Tod eines Kollegen in den Zynismus getrieben haben, Kriminalkommissar Li – von in diesem Genre ungewohnter asiatischer Herkunft –, von Keller als »Wing-Wing« verspottet, und als Stereotyp des Beamten im höheren Dienst der steife, fordernde Kriminalrat Preiß. Diese Kapitel entbehren nicht der Emotionen, befassen sich aber im Grunde mit nüchternen Sachverhalten. Anders die Schilderungen aus der Sicht der Opfer, deren Angst, Unsicherheit und Hoffnung Zeh auf den Leser überträgt. Noch stärker wühlen die detailliert beschriebenen krankhaften Vorstellungen des Mörders auf durch den sich von Kapitel zu Kapitel steigernden Sadismus. Zehs Sprache wechselt, ist den Erzählperspektiven angemessen und so authentisch, dass der Leser sich leicht in die jeweilige Person hineinversetzen kann. Dazu kommen falsche Spuren, die allerding nicht verhindern, schon vor den letzten Kapiteln auf den wahren Täter zu schließen.



    Fazit

    Mit »Fataler Wahn« liegt mir ein Buch vor, das sich stark von meinen eigenen Kriminalromanen unterscheidet. Die von mir gepflegte Leichtigkeit fehlt gänzlich, und den von mir geliebten Humor begrenzt Zeh auf die bissige Ironie Kellers im Umgang mit Julia Beck, nur die Spannung ist gleich. Wobei es Zeh auf die Übertragung der Unruhe von Opfern und Ermittlern auf seine Leser ankommt. Das ist ihm gelungen, sein Roman löst sich durch die Perspektive des erzählenden Täters vom leichter verdaulichen Genre des Detektivkrimis und wird durch die dem Opfer bewusste Gefahr mehr zum Thriller. Ein guter Roman, den ich jedem Krimiliebhaber empfehle, der ein reichliches Maß an Aufregung verträgt.

    Fabrik der Schatten Matthias Wittekindt
    Fabrik der Schatten (Buch)
    29.09.2024

    Stimmige Milieuschilderung im Umfeld kaiserlicher Geheimdienstarbeit

    Für Eilige:

    Was uns der Geschichtsunterricht über die Kaiserzeit nie beibrachte, zeigt uns lebendig der Thriller „Fabrik der Schatten“: die Mentalität der Menschen im deutschen Kaiserreich und den östlichen Nachbarländern um 1900. Wer genau hinsieht, findet Parallelen zu heutigen Ressentiments und Vorlieben. Ermittlungen des deutschen Geheimdienstes offenbaren eine völkerrechtswidrige Verschwörung hinter einem Anschlag, der als Eisenbahnunfall beginnt. Der Roman ist packend geschrieben und reißt den Leser mit auf Grund seines ausgefeilten Schreibstils, der spannenden Handlung und dem tiefen Einblick in die Charaktere der beteiligten Personen.



    Inhalt:

    Major Alfred Craemer, Abteilungsleiter beim deutschen Geheimdienst erfährt, dass nach Zeugenaussagen das überlebende Opfer eines Eisenbahnunglücks bei Bingen von den französisch sprechenden Verfolgern durch Schüsse hingerichtet worden sei. So vermutet er mehr als einen Bandenkrieg. Zusammen mit seiner Sekretärin Lena Vogel, deren Identität und wahre Aufgabe sich dem Leser erst nach und offenbaren, reist er für seine Recherchen nach Bingen. Über einen anderen Handlungsstrang wird nach Craemers Rückreise nach Berlin der junge Fliegerleutnant Nante mit der Aufgabe betraut, Lena Vogel vor Ort zu unterstützen. Nach und nach erkennen sie die Schlüsselfiguren in einem Komplott, dessen Erfolg das kaiserliche Deutschland in völkerrechtliches Zwielicht rücken würde. Doch welche Rolle spielen die Franzosen, die immer wieder Lenas und Nantes Wege kreuzen?



    Schreibstil:

    Regelmäßig verzichten Autoren von Krimis und Thrillern auf einen wichtigen Aspekt, mit dem sie ihre Leser noch stärker fesseln könnten: die konfliktgeladene „innere Heldenreise“, also die Charakterentwicklung ihrer Hauptfiguren. Als Grund führen sie die kurze Dauer der Handlung an. Dem Autorenduo Wittekind und Wittkamp gelingt es hervorragend, ihre Leser diese Entwicklung miterleben zu lassen. Das Vehikel hierfür sind Rückblenden, die auf Grund der Ortsangaben als Kapitelüberschriften den Lesefluss nicht stören, sondern Orientierungshilfen einerseits und Cliffhanger andererseits ermöglichen. Die Sprache der Figuren ist authentisch, ihre politische Einstellung überzeugend. Mitreißende Handlungsbeschreibung wechselt sich ab mit Dialogen, die die Gesinnung der Sprecher deutlich zu Tage treten lässt. Durch tiefsinnige Vergleiche und bedingt durch Ortswechsel und Twists in der Handlung überzeugt der Schreibstil als lebendig, präzise und abwechslungsreich.



    Fazit:



    Wer sein kriminalistisches Gespür testen und schärfen und sich dafür in die Jahre kurz nach 1900 versetzen will, ist mit diesem spannenden und gleichsam leichtfüßig geschriebenen Roman bestens bedient. Bestechend fand ich vor allem die Einblicke in die Gesinnung der Zeitgenossen, was dem Werk Authentizität verleiht. Auch als Autor eigener Krimis habe ich trotz kritischen Lesens manche Wendung und vor allem die wahre Rolle einiger Protagonisten nicht vorhergesehen.
    Entfesselte Zukunft Martin Förster
    Entfesselte Zukunft (Buch)
    29.09.2024

    Anspruchsvoll, düster, authentisch

    Für Eilige:

    Das Berlin, das Martin Förster uns in seinem Roman »Entfesselte Zukunft« vorstellt, erinnerte mich an das London Oliver Twists, wie es uns Charles Dickens gezeigt hat, auch wenn die Namen von Straßen und Plätzen authentisch sind. So ist das Setting ein düsteres und passt als Crossover von Fantastik und Kriminalroman zum Genre Steampunk ebenso wie zur geheimnisumwobenen Handlung, den undurchsichtigen Hauptfiguren und den heruntergekommenen Nebencharakteren. Auch die Sprache klingt dumpf und bedrohlich. Der Prolog, der sich inhaltlich wie stilistisch vom Roman abhebt, erhält seinen Bezug zur Handlung erst gegen Ende des Buches.



    Inhalt:

    Berlin zur Kaiserzeit. Dieser Eindruck scheint sich ab dem ersten Kapitel zu bestätigen. Doch nein, um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wird ein Königreich Deutschland zerrissen zwischen den Anhängern einer neuen, technologisch ausgerichteten Zukunft und einigen Verbliebenen, die die Magie nicht sterben lassen wollen. Während die Sonderermittlerin Marie Nestling sich einem Befehl gehorchend mit dem abgehalfterten und trunksüchtigen ehemaligen Polizeihauptmann Wilhelm Lämmle abmüht, einen Ritualmord aufzuklären, decken weitere Morde ihr eigenes und Lämmles dunkles Geheimnis auf. Ist ihr gegenseitiges Misstrauen gerechtfertigt, welche Rolle spielen ihre Vorgesetzten, und welches Ziel verfolgen die politischen Ränkeschmiede vor dem Hintergrund eines drohenden Krieges?



    Schreibstil:

    Försters Schreibstil ist anspruchsvoll. Dem Leser präsentiert er etwas, das auch ich in meinen Büchern pflege: die Abkehr vom schulaufsatzmäßigen Satzbau. Subjekt, Prädikat, Objekt – diesen Standard hat der Autor gottlob überwunden. Nur sind seine Sätze oft länger und tiefer verschachtelt als meine. Dadurch bilden sie eine Parallele zur nur scheinbar geradlinig voranschreitenden Handlung, deren Logik oft genug erst durch Gedanken und Dialoge über die Vergangenheit deutlich wird. Klar zum Ausdruck bringt Förster das deutsche Weltbild zur Jahrhundertwende – den preußischen Gehorsam. Ihn zeigt er uns treffend in den Absichten und in den Bedenken der Hauptpersonen, die sie in Gesprächen wie auch im Selbstgespräch kundtun. In einem bildgewaltigen „Show, don’t tell“ bestimmen diese Rückbesinnungen, das ungemütliche Winterwetter, der unheilvolle Widerstreit zwischen Anhängern der modernen Technologie und den Verteidigern einer aussterbenden Magie sowie das morbide Stadtbild Berlins die dunkle Stimmung des Romans. Dazu tragen auch die Ecken und Kanten und die sehr gut charakterisierenden Zweifel und Selbstzweifel Nestlings und Lämmles bei – Personenbeschreibungen, die sich nicht an Äußerlichkeiten klammern.



    Fazit:

    Ein spannender Plot, plastische Figuren, mit denen sich der Leser bis zu ihrer Wandlung gern identifiziert und mit denen er mitfiebert, sowie ein düsteres Ambiente bestimmen diesen mitreißenden Roman. Das Bild des alten Berlins wirkt trotz der für Steampunk typischen und detailliert beschriebenen alternativen Technologie authentisch, auch die Handlung entwickelt sich entsprechend ihrer Historie logisch. Mit genau diesem Ursprung jedoch bin ich nicht recht glücklich. Zu mystisch und zu satanisch – oder doch eher zu göttlich? – scheint mit das Motiv, das die Schicksale Nestlings und Lämmles mal verwebt und dann wieder trennt, wobei sie selbst sich ihrer Manipulation nicht entschieden entgegenstellen. Für diese – vielleicht nur von mir nicht verstandene – Komplexität ziehe ich einen Punkt von der Bestnote ab. Ich empfehle »Entfesselte Zukunft« all jenen, die einen anspruchsvollen, düster-plastisch, authentisch und packend geschriebenen Roman über eine von uns nicht wahrgenommene Vergangenheit zu schätzen wissen. Das von Förster vorgestellte Weltbild finden wir in den Geschichtsbüchern jedoch exakt so aufgezeichnet.
    Unicorn Chronicles - Einhornherz und Drachenschmerz Isabella Benz
    Unicorn Chronicles - Einhornherz und Drachenschmerz (Buch)
    29.09.2024

    Fantasy im heutigen Frankreich

    Erster Eindruck:

    Wer wie ich diesen zweiten Band der Dilogie liest, ohne vorher „Einhornblut und Drachenglut“ gelesen zu haben, sollte sich im Internet eine Leseprobe jenes ersten Bandes gönnen. Der Abschnitt „Was bisher geschah“ konzentriert sich auf die Handlung, die Leseprobe führt ins Setting ein und vermittelt Leserinnen und Lesern die konfliktreiche Grundstimmung der Romane. Beides zusammen garantiert ein besseres Sich-Einfühlen und das Sich-Identifizieren mit einer der Hauptfiguren. Hier sticht Évelyne hervor, da Isabella Benz ihr als einziger die Kapitel als Ich-Erzählerin widmet. *****



    Inhalt ohne Spoiler:

    In der heutigen Zeit mit den Problemen Überbevölkerung, Umweltverschmutzung und Artensterben muss sich die Einhornbändigerin Èvelyne auf mehrere Reisen zwischen Südfrankreich und Paris begeben, um nach ihrem Vater zu forschen. Unterstützt wird sie von Freunden und Verwandten, doch bestürzt sie das Verhalten ihres engsten Freundes und Vertrauten Aiden, der sich verleugnen lässt, seit er sich auf die Seite der Durands geschlagen hat – ihrer Gegner. Ihre zweite Mission ist die Aufklärung einiger Anschläge, die bislang noch keine Menschenopfer gefordert haben. Die Hinweise auf ihren Vater wie auch auf die Verbrechen führen sie in einen Kampf mit Untoten, der vorerst in der Entführung von Évelyns Einhorn Jolie gipfelt. Mit dessen Rettung beginnen die stückweise Enthüllung von Évelynes Herkunft und das Aufdecken einer Intrige, die Milliarden Menschen den Tod bringen soll. Unerwartet erhält sie Hilfe aus dem Lager der Gegner … *****



    Schreibstil:

    Seine Bindung an Évelyne gewinnt der Leser in etwa der Hälfte der Kapitel durch die Ich-Perspektive, den übrigen Roman teilen sich die Sichten von Aiden und Olive in der dritten Person. Spannend gestaltet die Autorin den Roman auch durch das Verhalten, die Gedanken, Ängste und Hoffnungen Évelynes, die sich für eine 17jährige sehr authentisch anfühlen. Dieser kursiv geschriebene Text unterstützt die Lebendigkeit der häufigen Dialoge. Treffende Vergleiche fernab jeden Klischees sowie eine souveräne Wortwahl heben „Einhornherz und Drachenschmerz“ aus der Masse der Fantasyromane heraus. Die Sprache, deren sich Benz bedient, ist der jeweiligen Situation angemessen und reicht von romantisch und nachdenklich verfassten Passagen über eine lebendige Handlungsvermittlung im besten „Show, don’t tell“ bis zur hektischen Wiedergabe von Panik und Dramatik. Obwohl die Autorin bei der Namensgebung ihrer fast 20 Figuren die Unterscheidbarkeit gewahrt und keine ähnlich lautenden Namen vergeben hat, fiel mir die Zuordnung nicht immer leicht. Das bezog sich weniger darauf, wer nun Einhörnbändiger, Drachenreiter, Phoenixsänger oder Nixenflüsterer war, sondern auf die Familienverhältnisse, die sich teilweise erst zusammen mit Èvelynes wachsenden Erkenntnissen offenbaren. Auch hiervon lebt die Spannung, die sich so weit steigert, dass der Leser mit den Figuren körperlich leidet, hofft und bangt. *****



    Fazit:



    Mit Einhorn und Drachen hat Isabella Benz eine Dilogie geschaffen, die sich erfolgreich mit den zumeist amerikanischen Bestsellern messen kann. Wer unter Einhörnern keine liebreizenden Geschöpfe mit regenbogenfarbener Mähne und in einer Ponyhofidylle verstehen möchte, findet in diesem Fantasy-Zweiteiler ein Must-Read.
    Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt Erika Swyler
    Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt (Buch)
    29.09.2024

    Liebevoller Rückblick auf hausgemachte Naturkatastrophe

    Erster Eindruck.

    Nach den Tagen der Marslandung durch einen Roboter der NASA gewinnt der futuristische Blick auf die Besiedlung neuer Planeten wieder an Bedeutung. In der US-amerikanischen Originalversion war der Roman „Light from other Stars“ auch dem Genre Science Fiction zugeordnet. Dazu kam ein Hauch Fantasy. Als Autor eines eigenen Fantasyromans und mancher SF-Kurzgeschichte interessierte mich brennend, was Erika Swyler als Autorin und Astrid Finke als Übersetzerin aus dieser Mischung gemacht hatten. Mein Eindruck vom Buch war ein ganz anderer, als ich ihn von der Leseprobe her erwartet hatte. Aber wie erwartet war er gut. *****



    Inhalt ohne Spoiler.

    Nedda Papas ist als Mitglied einer vierköpfigen Raumschiff-Crew unterwegs zu einem fernen Planeten. Ihre Aufgabe ist die Aufzucht von Pflanzen und Saatgut, um den nachfolgenden Siedlern brauchbare Lebensverhältnisse zu schaffen. Vergesst kleine grüne Männchen! In den zahlreichen wochenlangen Schlafphasen während der mehrjährigen Reise lässt Nedda uns an ihren Träumen teilhaben, in denen ihre Erinnerung sie zurückführt nach Florida. Nahe Cape Canaveral führte sie in den 1980er Jahren in ihrer Familie das klischeehafte Leben der Durchschnittsamerikaner auf dem Lande. Als Elfjährige sieht sie in einer Liveübertragung die Explosion der Apollo-Rakete, die ihre und die Gedanken ihrer Schulkameraden, ihrer Familie und anderer Zeitgenossen prägt. Dennoch stehen nach wie vor für ihre Mutter Betheen der hausfrauliche Erfolg einer neuen Kuchenkreation und für ihren Vater Theo, einen Ingenieur, seine Erfindung im Vordergrund. Ein paradoxes Naturphänomen bringt dieses Leben gehörig durcheinander. Anders als für den Leser erhellt sich für die Romanfiguren der Zusammenhang zwischen der Anomalie und Theos Erfindung erst nach und nach. *****



    Stil.

    Science Fiction: nüchterne Sprache, Fachausdrücke, actionreiche Ereignisse, Pannen, die dramatisch hochgespielt werden? Mit nichts davon quält uns Erika Swyler. „Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt“ ist trotz der raumfahrerischen Zukunftsvision und der buchstäblich umwälzenden Erfindung von Neddas Vater über das erste Drittel des Buches eine recht ruhige Milieustudie über die ländliche Mittelschicht Amerikas, als die Raumfahrt der NASA ihre beste Zeit hatte. Der Raumflug bildet die Rahmenhandlung und lockert durch kapitelweise eingestreute Szenen die seitenmäßig längere und handlungsmäßig wichtigere Rückblende auf. Doch auch in diesen kurzen Schilderungen vom Einsatz der erwachsenen Nedda als Crewmitglied spiegeln sich ihre kindliche Empfindsamkeit, eine gewisse Naivität und jugendlicher Forscherdrang in einer einfühlsamen Sprache wider. Die Dialoge sind eine Abwechslung zwischen Gefühlsausdrücken und Fachgesprächen. Hier gerät sogar die Auseinandersetzung mit einem lebensbedrohenden Defekt anfangs zur sprachlichen Trivialität. Der Schwerpunkt von Inhalt wie vom Stil liegt eindeutig auf Neddas Kindheitserinnerung. In einer lebhaften, authentischen Sprache, die ihrer kindlichen Entdeckerfreude entspricht. Mit sprachlichen Bildern und Vergleichen, die zugleich unerwartet und äußerst treffend sind, begleitet Swyler die Elfjährige durch ein Jahr, in dem die Natur verrückt spielt. Mein Blick auf ihre schriftstellerische Liebe zum Detail lässt mich neidisch werden. Mit der Dramatik hält sich die Autorin bis zum Ende des ersten Drittels zurück. So baut sich das Unheil langsam auf und hält die Neugierde des Lesers am Leben. Dann gewinnt die Geschichte rasant an Fahrt. *****



    Fazit.

    Der Originaltitel „Light from other Stars“ lenkt die Erwartungen des Lesers mehr als die deutsche Übersetzung auf den Kindheitstraum vom Raumflug, die Hindernisse und seine Erfüllung. Demgegenüber zielt „Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt“ mehr auf die Vater-Tochter-Beziehung ab. Wer aus dem Anhalten der Zeit Typisches für die Genres Science Fiction oder Fantasy ableitet, wird lange lesen müssen. Wer aber sich an nostalgischen Erinnerungen, an liebevollen Formulierungen, und an Beobachtungen auch winziger Details erfreuen kann, dem beschert der Roman von der ersten Seite an das Eintauchen in die farbenfrohe Welt eines Kindes, die diesmal nicht durch das Erwachsenwerden, sondern durch den Eingriff in die Naturgesetze zerbricht. Im ersten Drittel präsentiert sich Swylers Werk wie Johanna Spyris „Heidi“ für Erwachsene, aber auch Tom Sawyer und Huckleberry Finn lassen grüßen. Danach mausert sich der Roman zum Thriller über eine energetische Anomalie, deren Überwindungsversuch packend geschrieben ist. Swylers Detailverliebtheit macht das Buch sympathisch und einzigartig.
    Der Gärtner war's nicht! Tatjana Kruse
    Der Gärtner war's nicht! (Buch)
    29.09.2024

    Spannung trifft Humor

    Die Idee:
    »Der Gärtner war´s nicht!« ist ein Buch von Tatjana Kruse, das Lust macht auf mehr. Ich konnte es kaum aus der Hand legen, war über jede Unterbrechung ungehalten. Die Idee, eine unterbelegte Pension mit einer Horde sympathischer, unkonventioneller Musiker auszubuchen, entbehrt beabsichterweise ebensowenig eines angenehmen Humors wie die Charakterbeschreibung der Figuren, von denen die beiden älteren Pensionsbetreiberinnen und ihr »Gärtner« unaufdringlich im Vordergrund stehen. *****

    Die Handlung:
    Als ein Toter gefunden wird, überschlagen sich die Ereignisse. Jeder will jeden schützen, und so kommt es zu vergnüglichen Verwechslungen, in die die Polizei, angeführt durch eine starke Kommissarin, Ordnung bringen will. Kleine und große Gebrechen sorgen für manches Schmunzeln, jegliche Diskriminierung wird feinfühlig vermieden, sodass sich auf diese Weise weitere Sympathieträger in der Geschichte etablieren. Ein ebenso überraschendes wie amüsantes Ende rundet die Geschichte ab. *****

    Mein Fazit:
    Das Buch ließ mich als etwas traurigen Leser zurück: Traurig aus dem einzigen Grund, dass es ausgelesen war. Ich warte auf das nächste Buch von Tatjana Kruse, einer Autorin, in deren Werken der Humor nicht die Ernsthaftigkeit kriminellen Hintergrundes übertüncht, sondern auf erfrischende Weise ergänzt. Die K&K-Schwestern sind hierfür ein Paradebeispiel. Der angenehm flüssige und humorige Schreibstil mit vielen lebendigen Dialogen lässt das mir zu sperrige Inhalts-verzeichnis vergessen.

    Das Gotteshaus C. J. Tudor
    Das Gotteshaus (Buch)
    29.09.2024

    Besser als Dan Brown und Tom Clancy zusammen!

    Erster Eindruck

    Wenn ich an Dan Brown denke, machen Hetze und Metropolen als Schauplätze einen Thriller aus. Nicht aber bei „Das Gotteshaus“ von C.J. Tudor. Die Handlung entwickelt sich langsam und spielt am „Arsch der Welt“. Der Roman ist in erfrischender Umgangssprache geschrieben – einschließlich der Kraftausdrücke – und erzählt aus den Perspektiven dreier Figuren. Und er ist spannend vom ersten Satz an. -------



    Inhalt ohne Spoiler:

    Als Pfarrerin Jack Brooks mit ihrer 15jährigen Tochter Flo in das gottverlassene Nest Chapel Croft (was nichts mit dem gleichnamigen Waldstück südöstlich von London zu tun hat) einzieht, lässt jeder Moment in der verwahrlosten Kirche und im heruntergekommenen Pfarrhaus Unheil erwarten. Scheinbar will jeder in der zwei Dutzend Häuser großen, aber weitläufigen Gemeinde sein Geheimnis hüten, während Reverend Brooks unter ihrem eigenen leidet und gezwungenermaßen die Geheimnisse ihrer klein- bis spießbürgerlichen Schäfchen lüften muss. Das ist unumgänglich, um den vermeintlichen Spuk der „brennenden Mägdelein“ in ihrer Kirche sowie das Verschwinden zweier Mädchen aufzuklären. Nur so kann sie die befürchtete Gefahr von Flo abwenden. Doch dadurch begibt sie sich in einen Strudel aus Märtyrersage, Tradition, Glaube und Weltlichkeit, der letztendlich für sie und Flo lebensbedrohend wird … -------



    Schreibstil:

    Erfreulich dreidimensional zeigt Tudor ihre Protagonistinnen. Gefühle, Ängste und verborgene Erinnerungen dominieren über die Beschreibung körperlicher Merkmale. So ist Brooks‘ weißer Pfarrerskragen weniger Kleidungstück als Bollwerk gegen Aufdringlichkeit und Neugier, auch Flos düstere Erscheinung entspricht ihrem Charakter und ihrem Versuch der Selbstfindung. Tudor beschränkt sich auf eineinhalb Dutzend Figuren – die namenlosen Polizisten, Sanitäter und Spurensicherer einmal außen vor gelassen. Wie die dramaturgisch hervorragende, aber gewollt quälend langsame Aufklärung von Verbrechen aus Gegenwart und mehr- bis hundertjähriger Vergangenheit ist auch das anfängliche Missverständnis in Bezug auf den Namen Jack – abgeleitet von Jaqueline – ein Stilmittel, um den Leser unter Spannung zu halten. Überhaupt sind Spannung und Suspense die hervorstechenden Merkmale des Romans. Die Düsternis wird unterstützt durch drei Perspektiven: als Ich-Erzählung von Jack Brooks und in der dritten Person von Flo und … nein, keinen Spoiler! Dazu kommt eine unmittelbare Betroffenheit des Lesers durch die Gegenwartsform sowie durch die ihm ja geläufige Umgangssprache. Darüber hinaus entbehrt der Roman nicht eines von mir süffisant genossenen Sarkasmus und einer gehörigen Portion Selbstironie Jacks. Wenn ich mir dann noch ihre Ängste um Flo verdeutliche, bin ich froh, Vater zweier erwachsener Söhne zu sein und nicht Mutter einer pubertierenden Tochter. Meine eigenen Leser locke ich selbst gern auf falsche Fährten, Tudor überraschte aber auch mich mit einer Vielzahl von Wendungen, die meinen jeweiligen Verdacht gekonnt ad absurdum führten. -------



    Fazit:

    Wer nur von Dan Brown und Tom Clancy bzw. dessen Nachfolge-Autor aufregende Thriller erwartet, liegt falsch. Im Vergleich zum düsteren „Gotteshaus“ Tudors sind deren Romane allesamt farblos. Nicht zuletzt liegt das an der Hetze und daran, dass ihre Figuren keine charakterliche Tiefe haben. Diese Bestsellerautoren sollten sich an Tudor ein Beispiel nehmen.
    Ära der Dunkelheit Luna McMullen
    Ära der Dunkelheit (Buch)
    29.09.2024

    Rasante Fantasy - emotional und düster

    Erster Eindruck:

    Obwohl Luna McMullens „Ära der Dunkelheit – Entfesselt“ der zweite Band ihrer Fantasy-Dilogie ist, können wir uns als Leser leicht und schnell ins Geschehen hineinversetzen. Die Figuren sind dreidimensional und authentisch, das Setting um das Reich Midlinn und den abtrünnigen, von den Schattenmagiern beherrschten Norden führt uns die Autorin so realistisch vor, dass wir beim Lesen die Kerkermauern, Häuserecken und die altertümlichen Hafenanlagen vor Augen haben. Wem das zum Verständnis nicht genügt, dem rate ich zu einem Blick in die Leseprobe von Band 1 auf der Verlagshomepage. -------



    Inhalt:

    Juna, Rekrutin an der „Akademie“, der wichtigsten Bildungsstätte Midlinns, wird von Lord Fescol, dem führenden Schattenmagier, in den Kerker von Gravik, der Hauptstadt des Nordens, entführt. Hier herrschen die Schattenmagier mit eiserner Hand. Sklaverei, Willkür und Folter sind an der Tagesordnung. Da Juna als eine der wenigen die mächtige Magie der Dunkelheit besitzt, stellt ihre Entführung nicht nur einen politischen Affront, sondern zugleich eine Bedrohung des Landes dar. Und so sind die Missionen, sie zu befreien, und der vom herrschsüchtigen Lord Fescol unternommene Eroberungsfeldzug gegen Midlinn nur eine unausbleibliche Folge. Schließlich kennt er Junas magische Kräfte besser als sie selbst … -------



    Schreibstil:

    Beim Lesen von Fantasy-Romanen sind mir zwei Aspekte wichtig: Ich möchte die Handlungsorte so bildhaft vorgestellt bekommen, dass ich mich dort hineinversetzen und mich umsehen kann. Bei den Hauptfiguren möchte ich ihre so genannte innere Heldenreise miterleben, also ihre Charakterentwicklung. Mit beidem hat Luna McMullen meine Lesefreude befriedigt. In Kerkerszenen rieche ich förmlich den Schimmel an den feucht-kalten Mauern, und bei Flucht und Verfolgung haste ich im Geiste mit. Je nachdem, aus wessen Sicht gerade erzählt wird. Hier greift die Autorin zu einem selten gebrauchten, aber äußerst wirksamen literarischen Kunstgriff: Schlüsselszenen erzählt sie in jeweils vollständigen Kapiteln mehrmals hintereinander, wobei sie nacheinander die Perspektive geschickt auf den Blickwinkel der beteiligten Figuren richtet und dabei Freund und Feind gleichermaßen zu Wort kommen lässt. Darüber hinaus bringt sie Gefühle wie Ängste, Verzweiflung und Resignation einerseits und Hoffnung, Zuversicht und Gewissheit in Dialogen oder Gedanken lebendig zum Ausdruck. Die Sprache ist der jeweiligen Figur angemessen und somit authentisch. Dabei entwickelt sich besonders die Gesinnung Junas, und in ihr erwachen ungeahnte Charakterzüge – die innere Heldenreise eben. Dennoch fühlte ich mich am stärksten mit einer anderen Figur verbunden, weil ich trotz deren eigennütziger Absicht ihre tatkräftige Hilfe besonders schätze, vielleicht mehr als im Roman Juna selbst und König Kjell. Positiv empfinde ich, dass die Autorin Szenen der Gewalt gegen Frauen auf eine Weise zeigt, die beim Leser keine voyeuristischen Empfindungen aufkommen lassen, sondern Mitgefühl. Und den Twist im Epilog sollte sich kein Leser entgehen lassen: Im allerletzten Satz setzt McMullen die Ironie des Schicksals perfekt in Szene. -------



    Fazit:



    „Ära der Dunkelheit – Entfesselt“ ist echte Fantasy mit rasanter Handlung und gegensätzlich veranlagten Figuren, woraus viel Konfliktpotenzial entsteht. Das nutzt Luna McMullen geschickt zum Spannungsaufbau. Der Leser kann sich der düsteren Atmosphäre nicht entziehen, so eindrucksvoll lockt die Autorin ihn ins altertümliche Setting. Das Buch empfehle ich all denen, die Fantasy mit düsterer und dicht beschriebener Stimmung lieben und die sich von gelegentlicher Gewaltdarstellung nicht abschrecken lassen.
    Gust, A: Schwebfliege Gust, A: Schwebfliege (Buch)
    29.09.2024

    Bissige Milieustudie im Krimigewnd

    Erster Eindruck

    Schon auf den ersten Seiten drängte sich mir – vom bestens genossenen lockeren Schreibstil inspiriert – der Vergleich mit Karsten Dusses Bestseller »Achtsam morden« auf und mit Tatjana Kruses K&K-Hobbydetektivinnen etwa aus »Der Gärtner war’s nicht!«. Als Mensch, der selbst Bücher samt Krimis schreibt, lese ich analysierend. Doch bei »Die Schwebfliege« warf ich bald jede diesbezügliche Absicht über Bord und gab mich ganz dem Lesevergnügen hin. Wer auf Grund von Cover und Klappentext glaubt, einen „normalen“ Krimi zu kaufen, wird von Anja Gust mit einem fesselnden, jedoch leicht lesbaren und unterhaltsamen Psychothriller bedacht.



    Inhalt

    Bizarr erscheint Hinnerk Thies seine Situation, als er einem aufdringlichen Passanten aus dem Weg gehen will und sich in ein fremdes Wohnhaus flüchtet. Das unerwartete Wiedersehen dort mit einer alten Bekannten wirft Probleme auf, und so sieht sich der auf Harmonie bedachte städtische Angestellte bald nicht nur in Gesellschaft jener Tatjana, sondern auch im Streit mit Hamburgs Kiezgrößen. Entspringt Tatjanas Geständnis, ihn zusammen mit ihrem ‚Macker‘ Berti erpressen zu wollen, wirklich ihrem Gewissen oder ist es Teil eines perfiden Plans, ihn in den Sumpf des Rotlichtmilieus zu ziehen und zu ihrem eigenen Vorteil untergehen zu lassen? Schließlich kennt er sie von früher als durchtriebenes Luder. Und so ist er hin- und hergerissen zwischen Zuneigung und dem Zweifel, aus der vom ihm recht früh erkannten Intrige nicht unbedingt als Sieger, zumindest aber lebend hervorzugehen. Doch Gust zieht die Kreise noch weiter ...



    Schreibstil

    Umgangssprache als Stilmittel? Dass das durchaus zu riesigem Lesevergnügen führt, beweist Gusts »Schwebfliege«. Vor allem, weil die zuweilen derbe und dennoch jugendfreie Sprache hervorragend zum Setting passt. Auch die Namen, die Anja Gust ihren Figuren gibt, spiegeln treffend das Milieu wider, in dem sie sich bewegen – Hamburgs Halbwelt. So passt alles zusammen: Handlung, Sprache, Namen und Setting. Dazu kommen die Überlegungen, die Befürchtungen und das Über-sich-Hinauswachsen des „kleinen“ Angestellten Thies, der wegen seines Faibles für Insekten mit dem Spitznamen „Schwebfliege“ belegt wird. Die so genannte „innere Heldenreise“, wie das Wachsen an der Aufgabe literarisch genannt wird, bringt Gust anders als viele Krimiautoren gekonnt auf den Punkt. Ein weiteres Plus ist der unterhaltsame Wechsel zwischen Thies‘ „Innenschau“ und den zumeist tiefgründigen, oft satirisch angehauchten, stets aber unterhaltsamen Dialogen, was auch dazu beiträgt, die Geschichte samt ihrer Dramatik als authentisch zu fühlen.



    Fazit



    Wer einfach einen Krimi erwartet, wird positiv überrascht sein. Beste Unterhaltung – getragen durch eine Portion Zynismus und eine leise Sozialkritik – paart sich mit Spannung, die ab der ersten Seite die sich steigernde Neugier des Lesers nährt. Das Buch empfehle ich jedem, der Krimis mit psychologischem Tiefgang mag und der nicht zum Lachen in den Keller geht.
    Achtsam morden Karsten Dusse
    Achtsam morden (Buch)
    29.09.2024

    Sympathisch respektlos

    Für Eilige:

    »Achtsamkeit kennt keine Gnade, Achtsamkeit kennt kein Pardon!« Die Verse aus dem Film mit Heinz Schenk und Hape Kerkeling möchte man in leichter Abwandlung anstimmen, wenn man das Buch »Achtsam morden« von Karsten Dusse (sprich: "Düss") zusammenfassen soll. Spätestens aber, wenn man sich entschließt, es zu rezensieren, weil es einem so gut gefallen hat. Kein Pardon kennt Dusse, sobald es um das Zwerchfell oder andere humorgesteuerte Körperteile des Lesers und der Leserin geht. Wobei ich es vorgezogen habe, genussvoll zu schmunzeln und den einen oder anderen Abschnitt mit einem breiten Grinsen noch einmal zu lesen. Als Strafverteidiger weiß der Autor, worüber er schreibt. Nur hoffe ich für ihn, »Achtsam morden« trage keine autobiografischen Züge, wenn der Protagonist zusammen mit seinem Stress sich auch der langfristig aufgebauten oder spontan definierten Widersacher entledigt. Mit Absicht oder mal eben so. -------



    Inhalt ohne Spoiler:

    Der Anwalt Björn Diemel betreut in einer gut gehenden, renommierten Kanzlei die Schmuddelkinder unter den Mandanten. Nicht nur die Einsicht, dass ihn das zum »Bäh«-Anwalt ohne berufliche Perspektive macht, sondern auch der Umgang der Kanzleiinhaber mit ihm verursachen Stress. Als seine Frau ihn zwingt, dem Burnout durch einen »Achtsamkeitskurs« vorzubeugen, tut sie ihm Gutes: Die Konzentration auf sein Ego und dessen Wohlergehen lässt Diemel aktiv gegen die Probleme vorgehen, gegen die daraus resultierenden Stress­situationen und gegen Personen, die die Probleme verursachen oder die sie selbst darstellen. Allerdings folgen aus der Lösung eines einzelnen Problems unweigerlich mehrere neue. Die Hydra lässt grüßen. Wird er diese Kettenreaktion beherrschen und mit Frau und Tochter zum entspannten, harmonischen Familienleben finden oder geht er in dem Strudel unter, den die Befolgung des Achtsamkeitsratgebers durch das Ziehen immer weiterer Kreise antreibt? -------



    Schreibstil:

    Political Correctness, Vermeidung von Klischees und von Diskriminierung. Das sind nur einige Tipps, die ich aus Schreibratgebern für meine eigenen Bücher mitgenommen habe. Zumindest so lange, wie ich mich als ernsthaften Schriftseller sehe. Davon hat Dusse wohl noch nie etwas gehört. Auf Klischees basiert die Handlung, Diskriminierung charakterisiert sämtliche Figuren außer dem Protagonisten und seiner Familie, und politisch korrekt kommt zu meinem Vergnügen gar nichts rüber. So stammen die Bösewichter aus osteuropäischen Ländern, beinahe zwangsläufig handeln sie aus niedrigen Motiven oder aus ihrer vom Protagonisten pauschal unterstellten Dummheit, und der unbeschwerte Umgang mit sexistischen, sozialen oder historischen Tabus poppt immer wieder hoch. Diese Respektlosigkeit, das ironische Zitieren des fiktiven (?) Achtsamkeitsratgebers und die von Diemel daraus gezogenen Schlussfolgerungen machen das Buch richtig sympathisch. Erfrischend lebendig präsentiert sich der ständige Wechsel seines Blickwinkels, mal fokussiert auf Tochter Emily (Vergessen Sie nie ihren Namen!), mal auf seine Widersacher (Vergessen Sie nie Emilys Namen!). Dusse bindet den Leser nicht nur ins Geschehen ein, auch an Diemels Gefühlen lässt er ihn teilhaben: Aufregung bei der Analyse der Probleme und Gleichmut, wenn er seine – oft gleichlautende – Lösung erdacht hat. Herrlich, wie die spritzig-freche Sprache sich anpasst! Unvollständige Sätze signalisieren Hektik, Schlangensätze weisen auf Logikketten hin, die der Leser besonders genießt, wenn er die zitierten Achtsamkeits­grundsätze aufmerksam studiert und verinnerlicht. Darin liegt Wahrheit, ihre Umsetzung beschert Kurzweil. -------



    Fazit:

    Spießer und Gutmenschen werden keinen Gefallen an »Achtsam morden« finden. Für Spießer zu frech geschrieben, Gutmenschen werden in ihrer hehren Gesinnung verunsichert. Für alle anderen und für jene, die sich einen Krimi mit Humor wünschen, ist das Buch ein Must-Read. Selten habe ich ein Buch in der Hand gehabt, das durchgängig so ironisch, so respektlos und dennoch so sympathisch überzeichnet. Karsten Dusse hat mir mit seinem Debütroman nicht nur unvergessliche Lesestunden beschert, sondern verlangt mit der zugrunde­liegenden Konsequenz, dass ich auch die beiden weiteren Bücher der Reihe lesen muss. Das tue ich gern!
    1 bis 25 von 28 Rezensionen
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