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    SiCollier

    Aktiv seit: 21. September 2012
    "Hilfreich"-Bewertungen: 14
    48 Rezensionen
    Der Turm der Welt Der Turm der Welt (Buch)
    26.08.2016

    Nichts ist, wie es scheint - aber alles, wie es soll?

    So wenige Dinge sind sicher im Leben. (S. 125)
    Nichts war, wie es schien; überall verbarg sich ein Hintergedanke, eine Täuschung. (Seite 490)


    Meine Meinung

    Mit der Prophezeiung der Erda „Alles was ist endet“ aus Wagners „Rheingold“ begann ich meine Rezension zur „Welt in Flammen“. Aber was ist wohl schlimmer: wenn etwas endet - oder wenn es nicht endet, sondern in immerwährendem Wandel ist, wenn ein altes Gleichgewicht erschüttert und ein neues nicht in Sicht ist, ja, wenn man nicht mal weiß, wie ein neues aussehen sollte?

    Der Zeitraum, den die Handlung dieses Buches umfaßt, ist kurz - gerade mal knappe sechzig Stunden. Und doch sind es sechzig Stunden, die die (Buch-)Welt verändern, und die vielleicht auch manchen Leser verändern könnten. "Denn es ist nicht vorbei. Es fängt gerade erst an."

    Es ist bewundernswert, wie es dem Autor wiederum gelingt, über einige hundert Seiten hinweg ein Szenario zu entwerfen, in dem scheinbar alles parallel läuft und doch irgendwie miteinander verwoben ist, was über weite Strecken weder die Figuren und schon gar nicht die Leser erkennen können. Wobei letztere den Vorteil haben zu ahnen, daß das irgendwie zusammengehören muß, weshalb sonst hätte der Autor das in sein Buch aufgenommen?

    Wie schon in der „Welt in Flammen“ vermischt der Autor Fakt und Fiktion auf geradezu beängstigend reale Weise, so daß ich nicht immer sicher war, wo denn die Grenze zwischen beidem verläuft und, es sei zugegeben, Namen gegoogelt habe, zu denen die Suchmaschine kein Ergebnis liefern konnte, weil es sie schlicht nicht gab. Hier zeigt sich eines der wenigen Mankos des Buches, nämlich das fehlende Personenverzeichnis. Erst im Nachwort erfährt man, daß nur zwei auftauchende Personen historische Vorbilder haben.

    Verteilt über die ganze Stadt ereignen sich Geschehnisse, treffen Menschen aufeinander, die für sich betrachtet eher unauffällig sind, im Gesamtbild jedoch anscheinend einem Plan gehorchen, der ein bestimmtes Ziel verfolgt. Dieses ist jedoch sowohl den Figuren wie dem Leser nicht ersichtlich; mit jedem anscheinend gelösten Geheimnis tun sich zwei neue auf, so daß ich es irgendwann völlig aufgegeben habe zu vermuten, wohin denn alles führen und wie das enden sollte.

    „Der Turm der Welt“ ist seit Jahren das erste Buch, das ich wirklich linear von vorne bis hinten gelesen habe, ohne - wie ich das sonst zu tun pflege - zuerst das Ende zu lesen. Ich hatte das Gefühl, und das hat mich nicht getäuscht, daß es keinen Sinn machen würde, das Ende ohne die vorherigen Entwicklungen zu kennen. Denn daß am Ende eine eher komplizierte denn einfache Auflösung oder gar ein „und sie lebten glücklich bis an ihr Ende“ stehen würde, war von Anfang an klar.

    Ein besonderes Bonmot für seine Stammleser - wenn man bei zwei Büchern schon von solchen sprechen kann - ist das Auftauchen eines guten alten Bekannten aus der „Welt in Flammen“, der natürlich hier in seinen jungen Jahren ist und, da er auf jeden Fall überleben mußte, eine gewisse Sicherheit ins Buch brachte.

    Der Roman ist eine Mischung verschiedener Genres, der sich in keine Schublade legen läßt. Abenteuer, Agenten, etwas Gefühl, Historie, Fiktion - all das geht eine vollkommene Symbiose ein, so daß ich mich immer wieder daran erinnern mußte, daß das eben genau das ist: ein Roman und kein historisches Sachbuch. Sätze, die ich zur „Welt in Flammen“ geschrieben haben und die auch hier unbedingte Gültigkeit beanspruchen. Dabei ist es dem Autor gelungen, die Stimmung der Zeit dermaßen gut einzufangen, so daß ich beim Lesen in der Tat das Gefühl hatte, mich eher im Jahre 1889 denn 2016 zu befinden. Genau so, wie es beschrieben wurde, haben die Menschen seinerzeit vermutlich gedacht und gehandelt, konnten auf Grund der sie umgebenden Zwänge gar nicht anders, wie im Buch zu lesen ist. Daß, wie ebenfalls im Nachwort erläutert wird, die eine oder andere technische Erfindung erst ein paar Jahre später erfolgte, tut dem keinen Abbruch. Schließlich - ich erwähnte es - ist das ein Roman, kein Sachbuch.

    Wie sich das für einen guten Roman gehört, waren die Figuren so weit ausgeführt, daß ich von allen ein recht gutes Bild vor Augen hatte; nicht nur vom Äußeren, auch von deren Innerem. Was nicht bedeutet, daß nicht die eine oder andere von Ihnen mehr oder weniger große Geheimnisse hatte, die uns Leser nichts angehen und für das Verständnis nicht unbedingt gelöst werden müssen. Die Weltausstellung wurde in meinem Kopf lebendig, daß ich es durchaus bedaure, diese nicht persönlich besucht haben zu können. Aber neben der glitzernden Welt der „oberen Zehntausend“ scheint auch die Kehrseite, das andere Paris mit all seinen häßlichen und erschreckenden Seiten durch. Wo viel Licht, ist auch viel Schatten. Und es gab, wie wohl zu jeder Zeit, viel Licht.

    Was das Buch für mich noch zu etwas Besonderem machte war, daß mir nie so deutlich wie hier der Begriff einer komplexen Welt vor Augen geführt wurde. Man hört oder liest zu heutigen Problemen immer wieder, alles sei komplex, aber niemand macht sich die Mühe, diese Komplexität näher zu erläutern. Das ist jedoch etwas, was der Autor hier quasi nebenbei vermittelt, denn so unterschiedlich die einzelnen Handlungsstränge und Figuren sein mögen, immer mehr wird auf teil erschreckende Weise deutlich, wie sehr sie miteinander verwoben sind, wie eines vom anderen abhängt und es bedingt - wie komplex das zugrundeliegende Muster ist, auch wenn es weder die Beteiligten noch die Leser immer gleich verstehen können.

    Nach rund siebenhundert viel zu wenigen Seiten klingt das Buch dann langsam aus. Und genau das, dieses langsame Ausklingen, möchte ich ausdrücklich und sehr positiv erwähnen. Oft ist es heute so, daß die Auflösung kommt und schwupps, ist das Buch aus. Nicht so hier. Als Leser hat man ausreichend Seiten Zeit, das Ende und die Auflösung zu verdauen und sich von den Figuren zu verabschieden - prima, so sollte das eigentlich immer sein. Bei der Gelegenheit auch ein dickes Lob an den Verlag, denn die herstellerische Verarbeitung des Buches ist mustergültig. Das Buch liegt gut in der Hand, ließ sich vom Satzspiegel her gut lesen und ist nach dem Ende überhaupt nicht schief - so sollte eine gebundene Ausgabe sein!

    Schließlich habe ich das Buch aber nicht ganz so ruhig geschlossen, wie ich dachte; auf der vorletzten Seite erwartet den Leser das, was ich eine Schlüsselszene bezeichnen würde. Zwar nicht das, aber doch die letzten Worte hat der Général Auberlon. Und die sind damals so wahr wie heute und in der Zukunft vermutlich ebenso. Ich würde mir wünschen, daß möglichst viele eben jene Ansprache lesen - und im Kopf behalten würden: "Denn dies ist nicht das Ende. (...) Es fängt gerade erst an."


    Mein Fazit

    Ein grandioses Buch über eine grandiose Ausstellung und das, was hätte passieren können. Und vielleicht irgendwann passiert ist.
    Meine Produktempfehlungen
    • Welt in Flammen Welt in Flammen (Buch)
    Lewis, B: Niemals werd ich dich vergessen Lewis, B: Niemals werd ich dich vergessen (Buch)
    17.08.2016

    Wer suchet, der findet - nur was ist nicht immer klar

    Wenn alles grau und trübselig aussieht, betrachte es als eine Chance. Jeder kann im Licht des Tages glauben, aber nur wenige harren unter dem drückenden Mantel der Dunkelheit aus. Vergiss nie: Der Glaube ist ein Licht, das man am besten in der Dunkelheit sehen kann. (Seite 60)

    Meine Meinung

    Wenn ich den Autorennamen Beverly Lewis höre, denke ich automatisch an Amish-Romane. Um so verwunderter war ich, als ich die Inhaltsangabe zu diesem ihrem neuen Buch las. Da war von Amish gar keine Rede, sondern von einem Buch in der „ganz normalen Welt“. Sollte die Autorin ihr Genre gewechselt haben? Neugierig habe ich es denn auch gleich gelesen.

    Ganz konnte sie von ihrem Stammthema aber doch nicht lassen, denn Laura, das Kindermädchen, ist eine Amish. Erstaunt hat mich jedoch, daß die harten Seiten der Amish-Kultur thematisiert werden. Laura wurde wegen einer Sünde gebannt und lebt nun bei einem entfernten Verwandten, der einer recht moderaten Amish-Gemeinde angehört, weswegen sie auch Auto wie Handy besitzt. Einige Stellen im Buch könnte man durchaus als Kritik an den Amish verstehen. Über Laura hätte ich am Ende auch gerne noch etwas mehr erfahren, aber da sie nur eine Nebenfigur ist, war wohl nicht mehr Platz für sie vorhanden.

    Im Buch gibt es zwei Handlungsstränge, die immer mehr zusammenlaufen. Da ist zum Einen die Geschichte um Kelly Maines und ihr entführtes Baby, das sie seit rund acht Jahren, auch mit mehr oder weniger zweifelhaften, Methoden sucht. Diese Suche bestimmt ihr ganzes Denken und Leben und zieht sie immer weiter hinunter.

    Zum Anderen gibt es Jack und seine Adoptivtochter Nattie mit dem Kindermädchen Laura. Jack wird von seiner Schwester San gedrängt, endlich eine Frau bzw. Mutter für Nattie zu finden und macht erste zaghafte Versuche in diese Richtung.

    Die Figuren konnte ich mir gut vorstellen, ich fand sie mehr als ausreichend gezeichnet. Über Laura hätte ich, wie erwähnt, gerne noch etwas mehr erfahren, während San, Jacks Schwester, mir das ganze Buch hindurch etwas fremd blieb. Das liegt aber nicht an einer etwa unzureichenden Beschreibung, sondern an ihrer (zu) direkten, manchmal auch rücksichtslosen, Art. Nattie ist ein sehr aufgewecktes Kind, von der ich bisweilen das Gefühl hatte, daß sie entwicklungsmäßig älter ist als neun Jahre. Kelly macht im Verlauf des Buches eine recht große Entwicklung durch, die ich allerdings glaubwürdig und nachvollziehbar empfand. Bei den Erfahrungen, die sie macht, bleibt eine solche Entwicklung nicht aus.

    Knapp die Hälfte des Buches laufen beide Geschichten parallel, bis endlich die auf dem Buchrückentext erwähnte Entwicklung einsetzt. Diesen „Vorspann“ fand ich etwas (zu) lang, auch wenn so die Figuren sehr ausführlich eingeführt werden konnten. Recht bald wird dem Leser klar, daß es im Weiteren nicht ohne Probleme vonstatten gehen wird, denn als Kelly auf Jack trifft, läuft es völlig anders, als sie es geplant hatte.

    Es entwickelt sich eine Beziehung, von der man sich als Leser wohl wünscht, daß sie zum Erfolg führen möge. Das Verhalten der beiden fand ich nachvollziehbar und in sich schlüssig, auch wenn man als Leser natürlich sieht, auf welche Bahn das gerät und sich fragt, wie die Autorin das immer größer werdende Knäuel am Ende auflösen will. Hierin liegt dann meiner Meinung nach auch eine der Stärken des Buches, das mehr ist als nur ein bloßer Unterhaltungsroman. Je weiter die Handlung voran schreitet, um so deutlicher wird, daß manche Dinge nicht mit Gewalt zu zwingen sind. Inneren Frieden kann man nicht kaufen; über Jahre Groll verinnerlichen und pflegen macht das leben auch nicht gerade leichter. Die Vergangenheit loslassen können, Ballast abwerfen, Menschen verzeihen führen zu einer klareren Sicht, innerer Ruhe und Frieden und eröffnen schließlich die Möglichkeit zu einem besseren, wenn nicht gar neuen Leben.

    Nicht nur die Figuren, auch dem Leser blühen im Verlauf der 428 Seiten einige Überraschungen. Am Ende sind dann alle Geheimnisse gelüftet und die offenen Fäden verknüpft, so daß ich das Buch zufrieden zugeklappt habe; an die Figuren und wie es ihnen wohl weiter ergehen wird jedoch sicherlich noch eine ganze Zeitlang denken werde.


    Mein Fazit

    Eine gut geschriebene und lesenswerte Geschichte, in der die Amish nur am Rande auftauchen und Themen wie Vergebung, Loslassen, Neu beginnen eine Rolle spielen.
    Meine Produktempfehlungen
    • Die Erlösung der Sarah Cain Die Erlösung der Sarah Cain (Buch)
    Mangalwadi, V: Die offene Wunde des Islam Mangalwadi, V: Die offene Wunde des Islam (Buch)
    19.07.2016

    „Woran krankt der Islam?“ Antworten auf die Frage nach der Gewalt

    Die traurige Wirklichkeit ist, dass die Europäer Angst haben, weil sie weder wissen, was den Westen groß gemacht hat, noch, warum ihre Kultur anders ist als die nichtwestlichen Kulturen. Politische Korrektheit und Multikulturalismus verbieten es ihnen zu sagen, dass und inwiefern ihre Kultur in irgendeiner Weise besser sei als andere. (Seite 130)

    Meine Meinung

    „In unserer postmodernen Zeit hält man es für unhöflich, politisch inkorrekt, ja gefährlich, in der Öffentlichkeit über Überzeugungen zu sprechen.“ (S. 96) Wird darum, gleichsam aus „Überkorrektheit“, der Blick auf den Islam getrübt, weil es dort (auch) um Überzeugungen geht, „wir“ solche aber tunlichst nicht (mehr) haben? Zumindest in der Öffentlichkeit? Und schon gar nicht dann, wenn sie „nicht korrekt“ sind? Vor allem auch diese „Überzeugungslosigkeit“ ist es, die der Autor seziert und an den Pranger stellt, wenn er nach „Antworten auf Hass und Zerstörung“ (Untertitel) sucht.

    Mangalwadi wurde von „Christianity Today“ als der „führende christliche Intellektuelle Indiens“ bezeichnet. Das merkt man dem Buch an, wobei er das Talent besitzt, auch schwierige Sachverhalte verständlich darzustellen. Es heißt immer wieder, „den Islam“ gib es nicht. Hier, in den ersten Kapiteln des Buches habe ich das zum ersten Mal ausführlich und nachvollziehbar beschrieben gefunden. Ausgehend von einen fiktiven Gespräch zwischen Saddam Hussein und George Bush, das - hätte es denn so stattgefunden wie beschrieben - möglicherweise den Golfkrieg und die darauf folgenden militärischen Konflikte überflüssig gemacht hätte, erklärt Mangalwadi die Gemengelage im Nahen Osten. Was es mit Sunniten und Schiiten auf sich hat, woher die Muslimbruderschaft kommt und welche Folgen sie im Laufe der Jahre gezeitigt hat. Vor allem aber erklärt er die verheerenden Folgen des Sykes-Picot-Abkommens aus dem Jahre 1916, in dem Großbritannien und Frankreich das Osmanische Reich unter sich aufteilten. Als Folge davon ist die ganze Region heute ein Pulverfaß.

    Es waren die Beschreibungen Mangalwadis, die mir bewußt machten, daß die Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten vermutlich eine vergebliche ist. Und daß sowohl die USA wie auch Großbritannien einen gehörigen Teil Mitschuld an der schier unlösbar scheinenden Situation tragen. Interessant für mich war die Sicht eines Inders auf die europäische und amerikanische Politik und Gesellschaft.

    „Woran krankt der Islam?“ ist die Frage, die auf dem Buchrücken gestellt wird. Nach der Schilderung der eher historischen und politischen Aspekte geht Mangalwadi auf die geistig-religiöse Dimension der Thematik ein und arbeitet die Unterschiede zum Christentum deutlich heraus. Verkürzt gesagt, ist das Kennzeichen des Islam das Schwert, das des Christentums das Kreuz, was zwei völlig verschiedene Sichtweisen auf Gott und die Welt zur Folge hat. Er zeigt auf, daß es im Islam kein Grundrecht des Einzelnen auf Leben, Freiheit, Familie und Eigentum, auch nicht die Gedanken einer angeborenen Gleichberechtigung und Würde von Mann und Frau gibt (vgl. S. 100f). Ferner wurden die Grundlagen des Kalifats nie aufgegeben, als da sind: „Der Islam ist allen anderen Religionen überlegen und wird sie besiegen. Muslime können allen, die sich nicht bekehren, das Gesetz der Scharia auferlegen und ihnen hohe Steuern abverlangen oder sie töten. Von den Grundlagen her schließt somit ein Kalifat die Möglichkeit eins friedlichen und dennoch echten Islam aus.“ (S. 109) Auch wenn es der herrschenden political correctness widerspricht: es gibt einen Kampf der Kulturen. Aber nur, weil es derselben widerspricht, bedeutet das nicht, daß es weniger wahr ist.

    Um die Unterschiede zwischen Christentum uns Islam deutlich zu machen, geht er natürlich auch auf die christliche Sicht der Dinge ein. Ein Augenmerk liegt dabei auf der immer stärkeren Säkularisierung und der Aufgabe von Grundwerten, wie man es in westlichen Gesellschaften feststellen kann. „Die meisten Europäer vertreten nicht mehr die Weltanschauung der Bibel, obwohl sie sich danach sehnen, dass ihre Kultur ihre christlichen Werte behält.“ (S. 139) Das sieht er mit als einen Grund, daß die derzeitige Flüchtlingswelle solche Ängste vor Überfremdung auslöst.

    Vishal Mangalwadi hat ein Buch vorgelegt, in dem er mit profunder Sachkenntnis auf drängende Fragen zum Islam und den Unterschieden zum Christentum Antwort gibt. Dabei scheut er sich nicht, Dinge beim Namen zu nennen. Sein Blick „von außen“ und seine Fähigkeit, auch komplizierte Sachverhalte verständlich zu erklären, haben mich das Buch um so lesenswerter empfinden lassen.


    Mein Fazit

    Ein lesenswertes Buch über den Islam, seine Geschichte und Überzeugungen sowie die wesentlichen Unterschiede zum Christentum.
    Die Geschichte des Sitting Bull Erik Lorenz
    Die Geschichte des Sitting Bull (Buch)
    06.07.2016

    Eine Biographie über den „am meisten missverstandenen Indianer“

    Wir leben seit Jahrhunderten ohne die amerikanische Regierung und werden das auch weiter tun. Am Ende mögen sie mich kriegen, aber bis dahin werde ich eine gute Zeit in Freiheit verleben und mich nicht mit ihnen verbrüdern. (Seite 113)

    Meine Meinung

    Es ist so eine Sache mit Namen und Orten. Zu jedem Thema gibt es ein paar solcher Begriffe, die mehr oder weniger zu Schlagwörtern werden. Für den Western sind etwa Fort Laramie, Black Hills, Sand Creek, Red Cloud, Buffalo Bill oder Sitting Bull deren solche. Aber was verbindet man mehr mit diesen Begriffen als eben ein, zwei Schlagworte? Eigentlich schade, denn hinter diesen Begriffen finden sich Menschen und Geschichten, Freude und Leid, Liebe und Tod - eben die ganze Spannweite des Lebens.

    In der „Geschichte des Sitting Bull“ wird ein solches Schlagwort zum Leben erweckt, wird die dahinterstehende Geschichte erzählt. In der Rahmenhandlung beginnt ein Großvater seinem Enkel von der Vergangenheit und dem berühmtesten aller Häuptlinge, Tatanka Iyotake - auf Englisch Sitting Bull -, zu berichten. Anhand überlieferter Bilder erzählt er dessen Leben von seiner Kindheit bis kurz vor seinem Tod.

    In drei großen Abschnitten (Die Welt der Lakota / Eine Welt im Wandel / Eine neue Welt) ersteht so das Leben eines der berühmtesten Häuptlinge und seiner Zeit, die eine der großen Veränderungen war. Denn in seiner Kindheit gab es noch das freie Leben in der Prärie, bei seinem Tod war das Geschichte und den Indianern blieb nur noch das trostlose Leben in Reservaten. Dazwischen spannt sich ein Leben mit Höhen und Tiefen, auf dem vor allem in seinen letzten Jahren die Melancholie einer untergehenden Welt lag.

    Der Opa der Rahmenhandlung geht, um die Geschichte zu erzählen, mit seinem Enkel in ein Tipi. Ich nehme an, der Autor wollte eine Stimmung schaffen, daß man als Leser - passend zur Geschichte - das Gefühl hat, es würde an einem Lagerfeuer erzählt. Dieses Gefühl hat sich bei mir jedoch nicht eingestellt. Das ging mir vor Kurzem schon mit den beiden Romanen von Michael Blake so. Wie dieser erzählt Erik Lorenz in eher kürzeren Sätzen sehr sachlich und handlungsbezogen. Es fängt zwar bald das berühmte Kopfkino an zu laufen, ich konnte mir alles gut vorstellen und hatte recht klare Bilder im Kopf. Jedoch ließ mich die Erzählung emotional außen vor, eine „Bindung“ an die Figuren konnte ich nicht entwickeln. Das mag, bedenkt man die Tragik der Ereignisse, nicht unbedingt von Nachteil sein, schuf andererseits bei mir eine erhebliche Distanz zu Handlung wie Figuren.

    Der Band wurde durchgehend von Claudia Lieb illustriert. Die Bilder passen in ihrem Stil sehr gut zur Erzählweise; der Roman müßte, wie vom Verlag angegeben, nicht zuletzt durch die vielen Bilder auch gut für Jugendliche geeignet sein. Besonders lobend sei hier die wirklich außergewöhnliche herstellerische Qualität des Buches hervorgehoben. Fadenheftung, Lesebändchen, wertiges Papier. Der Buchrücken war nach dem Lesen nicht schief, was heutzutage relativ selten vor kommt. Beim Verlag beherrscht man ganz offensichtlich noch die Kunst, gute Bücher zu machen. Das Beispiel sollte Schule machen.

    Alles in allem hat Erik Lorenz eine gut lesbare, interessante Biographie über einen der berühmtesten Indianerhäuptlinge der Sioux geschrieben.


    Mein Fazit

    Eine gut lesbare, handlungsbezogen geschriebene Biographie über den Häuptling, der die Lakota in die Schlacht am Little Big Horn führte.
    Meine Produktempfehlungen
    • Groeper, K: Der scharlachrote Pfad Groeper, K: Der scharlachrote Pfad (Buch)
    Keine Angst vor dem Islam Keine Angst vor dem Islam (Buch)
    22.06.2016

    Eine erste Einführung

    Es vergeht kaum ein Tag, da man nicht irgendwo etwas über den Islam liest oder hört, meist in Verbindung mit geplanten oder durchgeführten Terroranschlägen.

    Da der Autor vergleichende Religionswissenschaft studiert hat, hatte ich einige Erwartungen an das Buch in Bezug auf Sachinformation, die jedoch nicht vollständig erfüllt worden sind. Erst im Verlauf des Buches wird erwähnt, daß Nachtigall etliche Jahre als Missionar tätig war, und das taucht dann als Tendenz auch an einigen Stellen im Buch auf. Konkret und vor allem geht es um das Kapitel 4 „Die Herausforderung, Muslime zu erreichen“, in dem es ihm um Möglichkeiten der Mission geht. Das mag für manche ein interessantes Thema sein; in einem Buch, welches vor allem informieren und die „Angst nehmen“ will, ist so ein Abschnitt für meine Begriffe eher unpassend - oder wäre höchstens am Ende als eine Art Epilog denkbar, nicht jedoch an zentraler Stelle des Buches.

    Ob es dem Autor gelungen ist, Angst vor dem Islam zu nehmen oder zu mindern, wird wohl jeder für sich selbst entscheiden müssen. Er gibt einen Überblick über die historische Entwicklung einschließlich der Beschreibung der größten islamischen Richtungen. Schon dadurch wird deutlich, daß es „den Islam“ bzw. „die islamische Welt“ nicht gibt, sind doch manche Richtungen miteinander dermaßen verfeindet, daß eine Versöhnung weit außerhalb des Denkbaren erscheint.

    „Jesus befahl seinen Jüngern, das Schwert beiseitezulegen und endete am Kreuz. Mohammed führte Krieg und gewann.“ (S. 99) „Wie das Christentum ist auch der Islam ein absolutistischer Glaube: ‘Es gibt nur einen Weg.’ Doch die Botschaft kam aus einem Land mit bewaffneten Männern, nicht von zwölf staubigen Jüngern.“ (S. 101) In seinen ersten Jahrhunderten erlebte der Islam eine rasche und weite Verbreitung - vor allem durch Krieg, Eroberung und Unterwerfung. Im Gegensatz dazu litten die Christen in den ersten Jahrhunderten unter ständiger Verfolgung. Diese Grunderfahrungen prägen das Wesen beider Religionen bis heute und sind, wie der Autor schreibt, quasi in deren DNA übergegangen. Während der Gründer des Christentums gemartert und getötet wurde und dennoch zum Frieden aufrief, führte derjenige des Islam aktiv Kriege.

    „Das Chaos, das die Vereinigten Staaten im Nahen Osten anrichten, betrifft Europa viel direkter als die USA - zum Beispiel in Form der Flüchtlingskrise“. (S. 143) Der Autor macht deutlich, daß ausgerechnet die USA, die am Wenigsten betroffen sind, am Härtesten und Militantesten reagieren. Während die USA ihre Mittel zunehmend ins Militärische stecken, investieren die europäischen Staaten vor allem in Sicherheit, wie Polizei. Und erreichen damit deutlich mehr mit deutlich weniger finanziellem Einsatz.

    Einen vollständigen Überblick kann so ein relativ kurzes Buch naturgemäß nicht vermitteln, sondern nur Eckpfeiler. So wird der Koran kurz vorgestellt, auf „Der Koran und die Gewalt“ sowie das Recht der „Scharia“ eingegangen oder die „5 Säulen des Islam“ angerissen. Mit am Interessantesten fand ich das letzte Kapitel „Die Zukunft der islamischen Welt“, in dem er nach Ländern bzw. Weltregion gegliedert eine kurze Istbeschreibung sowie einen Ausblick, wie es sich dort möglicherweise entwickeln könnte, gibt.

    Insgesamt vermag das Buch zu einem ersten Überblick zum Thema zu verhelfen, wer sich näher für die Thematik interessiert, wird jedoch nicht umhin kommen, sich weitere Literatur zu Gemüte zu führen.
    Couvée, P: Affäre Schiwago Couvée, P: Affäre Schiwago (Buch)
    29.03.2016

    Doktor Schiwago - seine Veröffentlichung gleicht einem Thriller

    Man mag seine Überzeugungen ablehnen oder annehmen, doch solange russische Dichtung in dieser Welt eine Bedeutung hat, solange wird Boris Leonidowitsch Pasternak zu den großen dieser Gattung gehören. (Seite 267)

    Meine Meinung

    „Einen solchen Roman nicht zu veröffentlichen, wäre ein Verbrechen an der Kultur.“ (S. 100), so das Urteil des Slawisten Pietro Zvetermich, als er von Giangiacomo Feltrinelli das Originalmanuskript zur Prüfung zugesandt bekam. Dieses Verbrechen hätte die Mächtigen der UdSSR am liebsten begangen, doch zum Glück für die Welt wurde es verhindert. Nachdem eine Veröffentlichung in der Sowjetunion nicht möglich war, gelangte das Manuskript an den italienischen Verleger Giangiacomo Feltrinelli, zu der Zeit noch Mitglied der italienischen KP. Gegen alle Widerstände veröffentlichte er eine italienische Ausgabe von „Doktor Schiwago“ - und legte damit den Grundstein für einen Welterfolg.

    Der Untertitel ist insofern etwas unglücklich, als die Autoren viel weiter ausholen, als der vermuten läßt, und zunächst von Pasternaks Leben und Werk erzählen. Im November 1945 erwähnt Pasternak erstmals, daß er an einem (seinem einzigen) Roman arbeite, den er erst 1955 beenden sollte: Doktor Schiwago. Chruschtschow schreibt zwar in seinen Memoiren, daß man den Roman hätte veröffentlichen sollen, aber da war es längst zu spät. Wer weiß, wie die Geschichte gegangen wäre, hätte er das Buch während seiner Amtszeit (und nicht erst danach) gelesen?!

    Besonders interessant fand ich es zu lesen, wie viel Autobiographisches Pasternak in seinem berühmten Werk untergebracht hat. Von der Krankheit Schiwagos, die er selbst auch hatte, bis hin zur Geliebten Lara, als deren reales Vorbild oft Olga Iwinskaja, die Geliebte Pasternaks, angesehen wird, um nur diese beiden Dinge zu erwähnen.

    So nahm der Druck auf den Autor und seine Umgebung stetig zu, bis das Buch dennoch 1957 zuerst in Italien veröffentlicht wurde. Die Genossen tobten, Feltrinelli verlor ob deren Verhalten den Glauben an den Kommunismus und trat aus der KP aus - und die CIA wurde auf das Buch aufmerksam. Es war die Zeit des Kalten Krieges, die CIA ließ ihr passend anmutende Bücher auf Russisch drucken und in die UdSSR schmuggeln; "Doktor Schiwago" kam ihr da wie gerufen.

    Heutzutage, in einem Zeitalter des Terrors, der Drohnen und gezielten Tötung, erscheint der Glaube der CIA - und auch der Glaube der Sowjetunion - an die Kraft von Literatur, die Gesellschaft umzuformen, beinahe kurios. (S. 296) Damals jedoch schien auch das Wort geeignet, um im Kampf gegen das Böse eingesetzt zu werden.

    Minutiös haben die Autoren anhand von Zeugenaussagen und Unterlagen den Weg nachgezeichnet, den das Buch im Weiteren nahm, und wie die CIA es schaffte, russische Ausgaben in die Sowjetunion zu schmuggeln, auch wenn man damals alles tat, daß die Agentur oder die USA überhaupt nicht damit in Verbindung gebracht werden konnten.

    Aber auch der Hassfeldzug gegen Pasternak, der sogar nach seinem Tod anhielt und sich gegen seine Frau und auch seine Geliebte Olga Iwinskaja und deren Tochter richtete, ist Gegenstand des Buches. Dabei wird deutlich, daß Pasternak niemals von seinem Vorhaben, das Buch zu veröffentlichen, abgelassen hatte - unbeachtet der Folgen, die das für ihn und die Seinen haben würde. Für ihn galt immer das, was er bei der Übergabe des Manuskriptes an den Boten, der es zum italienischen Verlag bringen sollte, gesagt hatte:

    „Das ist ‘Doktor Schiwago’“, sagte Pasternak. „Möge der Text um die Welt gehen.“ (S. 18)


    Kurzfassung

    Die Veröffentlichung von „Doktor Schiwago“ gleicht einem Thriller und wurde zum Kampfmittel im Kalten Krieg - hier minutiös von den Autoren nachgezeichnet.
    Meine Produktempfehlungen
    • Doktor Shiwago Boris Pasternak
      Doktor Shiwago (Buch)
    Weil das Herz nicht schweigen kann Weil das Herz nicht schweigen kann (Buch)
    15.03.2016

    Pläne können falsch sein

    Aber wir können nicht zusammen sein. Wir können nicht beide bekommen, was wir wollen, wenn wir zusammen bleiben. (Seite 362)

    Meine Meinung

    Den Debutroman der Autorin „Julia. Die bestellte Braut“ habe ich recht gerne gelesen und mich insofern auf den zweiten Band der „Unexpectet Brides Trilogie“ gefreut. Stilistisch und vom Erzählerischen her hat die Autorin einen deutlichen Fortschritt gemacht. Das Buch ist flüssig lesbar geschrieben, der Spannungsbogen hält bis zum Ende durch, ein paar kleinere vorhandene Inkonsistenzen scheinen der Übersetzung geschuldet zu sein (so wird z. B. die Mutter Wills auf einer Seite mit zwei verschiedenen Namen bezeichnet).

    Das Buch fängt auch mit einer vielversprechenden Ausgangssituation an. Eliza kommt als Katalogbraut nach Kansas und wird schon im Zug ausgeraubt, so daß sie mittellos ist. Am Zielort angekommen, ist ihr Verlobter in spe Axel jedoch nicht da; niemand weiß so genau, wo er eigentlich ist. Will, dessen Geschäftspartner, empfängt sie und muß erst einmal die beim Überfall erlittene Verwundung versorgen. Denn eigentlich will er Arzt werden und nicht in einem Laden stehen, doch für ein Studium reicht sein Geld nicht. Zu allem Überfluß fühlen die beiden sich zueinander hingezogen und kämpfen mehr oder weniger stark gegen die Gefühle an.

    Im Verlauf des Buches müssen beide lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen (sie überhaupt erst mal wahrzunehmen) und sich darüber klar werden, was sie vom Leben eigentlich erwarten bzw. welches Leben sie führen wollen. Das kommt auch sehr gut und nachvollziehbar bei mir als Leser an. Partnerschaft bedeutet nunmal Kompromisse; so lange man dazu nicht bereit ist, ist jeder Versuch zum Scheitern verurteilt.

    Was mir nicht so zugesagt hat, war die Konsequenz, mit der beide Hauptfiguren sich gegen jegliche Einsicht in das Offensichtliche gesträubt, wie sie streckenweise mit Scheuklappen, wenn nicht gar verschlossenen Augen, gehandelt haben. An mehr als einer Stelle hätte ich sie schütteln mögen, damit sie endlich zur Besinnung kommen. Das ist mir dermaßen heftig und über weite Bereiche eines Buches bisher noch bei keinem Roman passiert.

    Und so bin ich denn zwiegespalten. Einerseits ist das eine Geschichte, wie ich sie eigentlich gerne mag und die mir vom Prinzip her gefallen hat, andererseits empfand ich das praktisch das ganze Buch dauernde Hin und Her zwischen den beiden als streckenweise recht entnervend, so daß ich ein paar Mal überlegt habe, nur das Ende zu lesen und den Weg dahin auszulassen. Daß ich das letztlich doch nicht getan habe, liegt - nicht nur - am gut lesbaren Stil der Autorin.


    Kurzfassung

    Will und Eliza scheinen füreinander bestimmt, stehen sich aber oft selbst im Weg, weshalb sie selbigen noch steiniger machen, als er ohnehin schon ist.
    Meine Produktempfehlungen
    • Julia - die bestellte Braut Julia - die bestellte Braut (Buch)
    Ein Geschenk für Katie Ein Geschenk für Katie (Buch)
    14.12.2015

    Wenn Wünsche wahr werden

    Jetzt verstehe ich, worum es Weihnachten geht. Es geht um Familie und Liebe und darum, dass Ella in Sicherheit ist. Es geht darum, glücklich über das zu sein, was du uns schon gegeben hast. Es geht darum, darüber nachzudenken, was andere Menschen wollen, statt darüber, was ich will. Es geht um dich, Gott. (Seite 110)

    Meine Meinung

    Lange hat es gedauert, bis ein deutscher Verlag endlich ein Buch dieser Autorin übersetzt hat. Sie hat schon etliche Trilogien, die meist in der Welt der Amisch angesiedelt sind, verfaßt und zu fast jeder gibt es ein Weihnachtsbuch als „Zugabe“. Auch „Ein Geschenk für Katie“ ist ein solches Weihnachtsbuch, was zur Folge hat, daß die Figuren, soweit sie in den früheren Büchern vorkamen, nicht mehr ausführlich vorgestellt und eingeführt werden. Dennoch läßt sich das Buch auch gut alleine lesen, weil die eigentliche Handlung eben außerhalb der Trilogie liegt und „nur“ die Figuren daraus auftauchen, wobei ich vermute, daß Jayne Donovan und Connor Fields bisher noch nicht oder höchstens als Randfiguren vorkamen.

    Auf so wenigen Seiten lassen sich die Anzahl an Figuren, die im Laufe der Erzählung auftreten, ohnehin nicht mehr als anreißen, was dieser weihnachtlichen Geschichte allerdings nicht zum Nachteil gereicht. Lediglich an manchen Stellen war ich mir nicht ganz sicher, wer nun wie mit wem verwandt ist; für das Verständnis der Handlung war das allerdings ohne Belang.

    Damit wären meine Kritikpunkte auch schon erschöpft, denn abgesehen davon hat mir der Kurzroman sehr gut gefallen. Es geht um kleine, ganz alltägliche Dinge, die sich für ein achtjähriges aufgewecktes Mädchen allerdings ziemlich groß darstellen. Der Diebstahl der Krippenfiguren beschäftigt sie sehr, denn sie möchte doch an Weihnachten eine vollständige Krippe sehen - auch wenn es in den Häusern der Amisch eigentlich keine Krippendarstellungen gibt.

    Daneben ist dann noch Miss Donovan, die Bibliothekarin, die immer so melancholisch scheint. Da Katies Brüder verheiratet und glücklich sind, schließt sie messerscharf, daß Miss Donovan einen Mann braucht, um wieder Lachen zu können. Trotz der Ermahungen der Mutter, sich nicht in anderer Leute Liebesleben einzumischen, tut sie das, was sie gelernt hat: sie betet für eine Krippe und einen Mann für Miss Donovan.

    Wie sich dann alles - oder auch nicht ?! - bis zum Ende der Geschichte auflöst, lohnt sich selbst zu lesen, denn verraten werde ich es hier natürlich nicht. Jedenfalls kamen die Entwicklungen recht folgerichtig, so daß ich am Ende das Büchlein zufrieden und mit einem Lächeln auf den Lippen zugeklappt habe.


    Kurzfassung

    Eine richtig schöne, im besten Sinne herzerwärmende Geschichte zur Weihnachtszeit, in der so ganz nebenbei deutlich wird, was wirklich wichtig ist.
    Meine Produktempfehlungen
    • Unter dem Polarlicht Unter dem Polarlicht (Buch)
    Winkelmann, K: Aus heiterem Himmel Winkelmann, K: Aus heiterem Himmel (Buch)
    19.10.2015

    Ein Fluzgeugabsturz und seine Folgen

    Ich hab gedacht, Gott wird schon irgendwie auf mich aufpassen. Wenn er Pistolen im Griff hat, dürfte Wasser auch kein Problem für ihn sein, oder? (Seite 478)


    Meine Meinung

    Die Ausgangssituation ist sicherlich keine komfortable, und manche werden solche oder ähnliche aus ihrem (Berufs-) Leben kennen. Theresa ist über dreißig, Single und hat nicht unbedingt eine Modelfigur. Die Versuche, Bekanntschaften zu schließen, verlaufen nicht gerade erfolgreich. Und Max Tanner, für den sie als Sekretärin arbeitet, ist ein ungehobelter Grobian, der an Unfreundlichkeit eigentlich nur noch von seiner Mutter übertroffen wird. Als ihr Chef sie dann auch noch mitten in der Nacht anruft und ihr mitteilt, daß sie am folgenden Morgen auf Dienstreise nach Australien fliegen würden, scheint es nicht mehr viel schlimmer kommen zu können. Zumal Max Tanner ihr die Kündigung in Aussicht stellt, wenn sie nicht mit reist.

    Daß es sehr wohl schlimmer kommen kann, wird sich bald zeigen. Denn das Flugzeug stürzt ab und sie und ihr Chef sind unter den siebenundzwanzig Überlebenden, die sich auf eine einsame Insel irgendwo im Ozean retten können. Ohne Verbindung zur Außenwelt, ohne Nahrungsvorräte, fast ohne technische Hilfen heißt es zu überleben.

    In dieser Extremsituation kommt es schon bald zu Spannungen und Gruppenbildung. Coleman reißt die Führung an sich, in dem er sagt, er sei einer der Sky Marshalls an Bord gewesen. Außerdem hat er eine Pistole. Miriam wirft sich ihm sofort an den Hals und setzt alle verfügbaren Reize ein, um sich Vorteile zu verschaffen. Rücksichtslosigkeit ist noch das freundlichste Wort für ihr Verhalten.

    Max Tanner hält sich da heraus - als geborener Einzelgänger bleibt er in der Nähe des Strandes, wo er ein Feuer entzündet und hütet, damit die Suchmannschaften sie entdecken können.

    Theresa wird zur Pendlerin zwischen der Gruppe und Max. Einerseits ist sie der Meinung, man müsse zusammenhalten und sei nur als Gruppe überlebensfähig, andererseits hat Max sich seit dem Stranden deutlich verändert und seine Sichtweise auch einiges für sich. Zudem, ob beide es wollen oder nicht, und lange wehren sie sich dagegen, entwickelt sich eine Beziehung zwischen Theresa und Max.

    Die Autorin die einzelnen Handlungsstränge selbst über die Stellen hinweg, an denen nicht viel passiert, mit einer Folgerichtigkeit, daß es kaum möglich war, das Buch aus der Hand zu legen. Dabei legt sie geschickt falsche Spuren, so daß man oft nicht so recht weiß, was eigentlich wirklich Sache ist. Durch den flüssigen Stil sprang das Kopfkino sehr rasch an.

    Unüblich für einen Roman des Genres empfand ich, daß nur ein kleinerer Teil der Figuren mehr oder weniger religiös war. Auf der Insel eigentlich nur Theresa, zuhause eine ihrer beiden Freundinnen. Zu Beginn hatte ich das Gefühl, daß das Thema Religion relativ plötzlich aufgetaucht ist, das gab sich jedoch im weiteren Verlauf, zumal die Figuren sich in Denk- und Handlungsweise treu blieben und es insofern zu ihnen paßte.

    Die Figuren konnte ich mir gut vorstellen; sie haben für meine Begriffe glaubwürdig gedacht und gehandelt. Manche machten eine Entwicklung durch, andere nicht. So wie es in der Realität eben auch wäre; die eine oder andere Überraschung bleibt dabei nicht aus. Die Veränderung von Max erschien mir zwar recht abrupt zu geschehen, wenn man andererseits in Betracht zieht, daß er es gewohnt ist, rasch auf sich ändernde Situationen zu reagieren und sich darauf einzustellen, erscheint es doch glaubwürdig. Einzig Theresa hat mich in ihre gutgläubigen Naivität manches mal doch etwas genervt. Selbst als manche böse Absicht offenbar wurde, wollte sie diese nicht zur Kenntnis nehmen.

    Gut auch, daß das Buch über die Zeit der Insel hinaus geht und von den leider vermutlich nur zu realen Schwierigkeiten mit Behörden und Paragraphen berichtet, die sich nach der Rettung und zuhause auftun. Das wird dann nochmals richtig spannend und man weiß nicht so recht, wie es denn nun wirklich ausgehen wird. Dabei gibt es dann nochmals die eine oder andere Überraschung und vor allem für uns Leser witzige Szenen.

    Am Ende sind alle offenen Fragen geklärt und ich konnte das Buch zufrieden zuschlagen. Das war zwar mein erstes Buch der Autorin, aber mit Sicherheit nicht mein Letztes.


    Kurzfassung

    In der Extremsituation nach einem Flugzeugabsturz müssen sich die Figuren zusammenraufen und bewähren, um Überleben zu können. Ein gut lesbarer Roman, der sich als „Pageturner“ entpuppte, und auch Themen wie Religion, Gruppenzusammenhalt und Vertrauen beinhaltet. Klare Leseempfehlung.
    Meine Produktempfehlungen
    • Zwischen Treue und Verrat Zwischen Treue und Verrat (Buch)
    Unter dem Polarlicht Unter dem Polarlicht (Buch)
    25.09.2015

    Weihnachtsroman mit Tiefgang

    Anscheinend müssen wir gelegentlich Umwege machen, um das zu verstehen, was wir lernen müssen. Umso größer ist dann der Lerneffekt. (Seite 122)

    Meine Meinung

    Als in dem Dorf, in welchem ich seinerzeit wohnte, vor etlichen Jahren das erste Osterfeuer organisiert wurde, hielt der Pastor zu Beginn eine kurze Ansprache. Ich habe nie verstanden, wie er die sich förmlich aufdrängende Symbolik, welche sich daraus ergab, daß das Osterfeuer im Wesentlichen aus den alten Christbäumen des vergangenen Weihnachtsfestes bestand, ignorieren konnte und lediglich ein paar Nichtssagende Sätze sprach. Hier, in einem Buch das um die Weihnachtszeit und zudem im verschneiten Kanada angesiedelt ist, und in dem Ostern weder eine Rolle spielt noch überhaupt vorkommt, drängt sich diese Symbolik überhaupt nicht auf - und dennoch hat die Autorin diese auf eindrückliche Weise aufgegriffen und quasi nebenbei gezeigt, daß Weihnachten und Ostern zusammengehören; daß das eine ohne das andere nicht denkbar ist.

    Dabei deutet zu Beginn überhaupt nichts in diese Richtung. Chiara verliert ihren Job und nimmt übergangsweise die Stelle als „Tippse“ bei einem Bestsellerautor an, der sich an beiden Händen verletzt hat und einige Zeit nicht selbst schreiben kann. Statt in die Schweiz geht es dann in die Einsamkeit Kanadas - gut, daß Chiara einen gültigen Reisepaß greifbar hatte. Dort angekommen, trifft sie auf einen zwar gut aussehenden, aber sich sehr abweisend und brummbärig verhaltenden Mann, der so ziemlich alles tut was geht, um andere Menschen - einschließlich Chiara - von sich fern zu halten.

    Rasch ist klar, daß da mehr dahinterstecken muß, aber wie Chiara tappt man dabei über weite Strecken völlig im Dunkeln, was das denn sein könnte. Sehr schön gestaltet die Autorin aus dieser Ausgangssituation, in der beide Protagonisten ihre Probleme mit sich herumschleppen, die sich - das Genre legt es nahe und läßt es förmlich erwarten - langsam und behutsam entwickelnde Beziehung zwischen den beiden. Eine Rolle spielt dabei sicher auch die verschneite Winterlandschaft, die so eindrücklich beschrieben wird, daß man vermutlich selbst im Hochsommer ob der Schneemassen frieren würde.

    Besonders gefallen hat mir eben jene langsame, nachvollziehbare Annäherung zwischen den beiden. Da die Perspektive zwischendurch gewechselt wird, war man als Leser den Figuren öfters einen Schritt voraus und mehr als ein Mal hätte ich ihnen gerne zugerufen, sie sollen sich doch endlich zusammenraufen. Aber gerade diese Langsamkeit macht die Entwicklung so glaubhaft und mit der Zeit wird deutlich, daß beide etliches an Verletzungen mit sich herumschleppen und so geradezu prädestiniert sind, den anderen zu heilen. Es geht weniger um Schuld und Sühne, als um Schuld und (Selbst-)Vergebung. Gleichsam im Nebeneffekt ergibt sich dabei eine leise, oder auch nicht ganz so leise, Kritik an manchen heutigen allzu freien Verhältnissen und (fehlenden) Moralvorstellungen, ohne daß auch nur an einer Stelle die Moralkeule geschwungen oder ein Zeigefinger erhoben würde. Es kommt als das, was es sein soll: ein Denkanstoß.

    Positiv auffällig auch, daß sich hier nicht nur „Mustermenschen“ im Buch tummeln, sondern z. B. Chiara ihre ganz normalen und vermutlich weit verbreiteten Probleme mit ihrer nicht unbedingt „musterartigen“ Figur hat.

    Eingeflochten ins Buch ist die Legende um die hirtenstabartigen Zuckerstangen mit ihren roten Streifen, die das zur Vergebung der Sünden vergossene Blut Jesu symbolisieren können, womit sich die Verbindung zu Ostern ergibt. Denn Jesus kam an Weihnachten in die Welt, um an Ostern die Menschen zu retten; etwas, was oft vergessen wird, hier aber umso deutlicher zutage tritt.

    Alles in allem ist dieses erste Weihnachtsbuch der Autorin ein solches, was - im Gegensatz zu vielen anderen, die heute so genannt werden - diese Bezeichnung mehr als verdient und neben einer (wie nicht anders zu erwarten) wunderbar zu lesenden Geschichte auf das Wesentliche des Weihnachtsgeschehens hinweist. Dabei wirkt das überhaupt nicht aufgesetzt oder gar gewollt, sondern ist dermaßen gut in die Geschichte integriert, daß es einfach so sein muß und das Buch seine Botschaft - wenn man denn diesen Begriff verwenden will - auch gut und problemlos über den Tellerrand hinaus hinaus transportieren und verbreiten kann.

    Viel zu schnell war das Buch ausgelesen und ich kann nur hoffen, daß die Autorin auch im nächsten Jahr ein Weihnachtsbuch, also ein richtiges Weihnachtsbuch wie dieses, vorlegt. Bis dahin bleibt nur, es eben nochmals zu lesen.


    Kurzfassung

    Alles, was ein Weihnachtsbuch braucht: ein zunächst widerspenstiges Paar, viel Kälte und Schnee, einen Weihnachtsbaum und natürlich ein Weihnachtswunder im eigentlichen Sinne des Wortes. So gehört sich das für ein Weihnachtsbuch.
    Das Tribunal Das Tribunal (Buch)
    17.08.2015

    Wie im alten Rom oder so könnte es gewesen sein

    „Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben.“; mit diesen Worten beginnt das Lukas-Evangelium, und auch in der Apostelgeschichte wird jener Theophilus erwähnt, von dem man annimmt, daß er ein Heidenchrist war (vgl. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Anmerkung zu Lk 1.3; meine Ausgabe 2. Auflage, S. 1141). Um diesen Theophilus herum hat Randy Singer, der ansonsten eher Justiz-Thriller schreibt, seinen ersten historischen Roman aufgebaut.

    Nun ist von diesem Theophilus kaum etwas bekannt, aber gerade deshalb ist er die geeignete Figur, quasi durch das Geschehen zu führen. Die Handlung setzt im „Elften Jahr der Herrschaft des Tiberius Julius Caesar Augustus“ ein, das ist etwa 25 n. Chr. Theophilus ist vierzehn Jahre alt und Schüler in Senecas Rhetorikschule. Der erteilt auf teils recht drastische Weise seinen Schülern Anschauungsunterricht. Einigen dieser Schüler werden wir im weiteren Verlauf noch begegnen, so etwa einem gewissen Gaius Caesar Augustus Germanicus, besser bekannt unter seinem „Spitznamen“ Caligula. Der Konflikt zwischen Theophilus und Caligula gleich zu Beginn des Buches wird für ihr Verhältnis zueinander in späteren Jahren bestimmend sein und Folgen zeitigen.

    Als Theophilus Jahre später seine Karriere als Jurist beginnt, ist seine erste Anstellung die eines Assessors der Pontius Pilatus und Judäa. Hier treffen die in der Ausbildung gelernten hehren Ideale erstmals auf die rauhe Wirklichkeit und politische Ränkespiele, als einem gewissen Jesus von Nazareth der Prozeß gemacht wird. Singer öffnet dabei einen ganz anderen Blick, von der Seite Roms aus gesehen, auf das bekannte Geschehen. Der Pilatus des Buches hat mich dabei sehr an den aus dem Film „Das Ende der Götter“ erinnert.

    Das Interessante an diesem Teil des Buches ist, daß Theophilus - ganz heidnischer Römer - mit etlichen Personen ins Gespräch kommt und sich beispielsweise von Nikodemus erklären läßt, was die Fangfrage an Jesus, ob man dem Kaiser Steuern zahlen dürfe, und dessen Antwort darauf unter Berücksichtigung des Kontextes eigentlich wirklich bedeutet. Oder die Stelle, an der Jesus sagt, „wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“, wonach er sich setzt und in den Sand schreibt. Was, findet sich im Evangelium nicht. Singer gibt hier eine dermaßen verblüffend logische Erklärung, daß es eigentlich nur genau so gewesen sein kann.

    Nach seiner Dienstzeit kehrt Theophilus zurück nach Rom und wird als Anwalt tätig. Inwieweit die beschriebene Art der Prozeßführung und Argumentation eher den heutigen oder den damaligen Umständen entspricht, vermag ich nicht zu beurteilen. Manches schien mir relativ modern zu sein, andererseits hat sich möglicherweise bei Gerichtsverfahren prinzipiell im Laufe der Jahrhunderte bzw. Jahrtausende nicht allzuviel verändert. Auch bin ich über einige Begriffe gestolpert, wie etwa „Kilometer“ oder einem „Trainer den Marsch blasen“.

    Das Buch erstreckt sich über einen zeitlichem Rahmen von über vierzig Jahren; dem Autor gelingt es dabei, ein Gefühl für die verstrichenen Jahre entstehen zu lassen. Im Personenverzeichnis sind die historischen wie die fiktiven Menschen angegeben; ein diagonales Nachlesen über deren Daten zeigte mir, daß Singer sich relativ gut an die überlieferten Geschehnisse hält. Wobei es sich von selbst versteht, daß er vieles dazu ersinnen mußte. Denn über die Verhandlung gegen Paulus vor Nero gibt es sicherlich keine wörtlich mitgeschriebenen Protokolle. Zumindest keine überlieferten.

    Zwar merkt man durchaus, daß der Autor im Hauptberuf Jurist ist, jedoch hält sich das Fachliche in den für einen Roman, zumal einen historischen, notwendigen und sinnvollen Grenzen. Er entwirft ein Bild davon, wie es seinerzeit gewesen sein könnte und gibt auch eine Erklärung für die Entstehung sowohl des Lukas-Evangeliums wie auch der Apostelgeschichte. Wobei natürlich offen bleiben muß, inwieweit dies der Phantasie des Autors geschuldet oder ein historischer Kern darin enthalten ist.

    Je weiter das Buch voran schreitet, um so mehr zeichnet sich ab, worauf es hinauslaufen wird, und das war streckenweise hart zu lesen. In einem Epilog rund zweihundertfünfzig Jahre später klingt das Buch versöhnlich aus.

    Alles in allem hat mich das Buch in eine längst vergangene Welt, die vor meinem inneren Auge lebendig wurde, entführt, und eine Möglichkeit beschrieben, wie es gewesen sein könnte. Mit Figuren, die so lebensecht waren, daß mich das Gefühl überkommt, nun alte Freunde und Bekannte verlassen zu müssen. Ein Buch, das sich wirklich lohnt zu lesen und noch längere Zeit nachwirken wird.


    Kurzfassung

    Ein lesenswerter, dichter und spannungsgeladener Roman mit Handlungsorten in Judäa und Rom, der die ersten Jahrzehnte unserer Zeitrechnung zum Leben erweckt.
    Krieger, G: Richarda von Gression Krieger, G: Richarda von Gression (Buch)
    02.07.2015

    Ausbleibende Apokalypse

    „Schlaf, Richarda, schlaf, und sammle deine Kräfte. Denn die Welt - sie wartet schon lange auf dich.“ (Seite 61)

    Meine Meinung

    Was ist des Pudels Kern, der - falls vorhanden - historische Ursprung einer Legende? Sicherlich hat sich mancher diese Frage zu der einen oder anderen Sage gestellt. Im Raum zwischen Aachen, Köln, Düren und Jülich gibt es, auch wenn sie langsam in Vergessenheit gerät, die Sage um die untergegangene Stadt Gression. Günter Krieger hat diese zum Ausgangspunkt seiner Gression-Trilogie genommen.

    Dabei läuft der Handlungsstrang des fünften Jahrhunderts erzählerisch parallel zu dem Hauptstrang um die erste Jahrtausendwende. Die zwei Zeitebenen sind miteinander verwoben, taucht doch manches aus der Vergangenheit bei Richarda wieder auf, ohne daß die Menschen das so richtig einordnen können. Fünfhundert Jahre sind eine lange Zeit, da gerät vieles in Vergessenheit. Bis zum Ende war ich mir nicht sicher, ob ich es nicht besser gefunden hätte, wenn die beiden Geschichten nacheinander erzählt worden wären, andererseits werden die Verbindungen durch die Jahrhunderte hindurch vermutlich nur so deutlich.

    Gleich zu Beginn konfrontiert der Autor den Leser mit dem Unausweichlichen: das Gressiona des 5. Jahrhunderts geht im Hunnensturm unter. Im Nachwort geht Krieger kurz auf die Sage und die verschiedenen überlieferten Szenarien ein; seinem Roman hat er eine für meine Begriffe in sich schlüssige Ereignisabfolge zugrunde gelegt. Von diesem Hunnensturm entsinne ich mich, vor einer halben Ewigkeit im Geschichtsunterricht der Schule gehört zu haben.

    Die Haupthandlung jedoch spielt während der letzten beiden Jahre vor der ersten Jahrtausendwende. Sehr bald ist klar, daß Richarda eine Nachfahrin jener Ricarda aus der Sage ist, wodurch der Autor beide Erzählstränge auch personell geschickt miteinander verknüpft. Manchmal wiederholt sich die Geschichte eben doch, um sich am Ende - hoffentlich - anders zu entwickeln.

    Ein interessantes Detail am Rande war für mich, daß zwei (Wander-) Mönche aus der Abteil Hersfeld eine Rolle spielen. Nicht nur, weil die Ruine eben jener Abtei gerade mal fünf Gehminuten von meiner Wohnung entfernt ist, sondern auch weil zu ähnlicher Zeit der zweite Band von Gustav Freytags Romanzyklus „Die Ahnen“, nämlich „Das Nest der Zaunkönige“, zu einem guten Teil in eben jener Abtei angesiedelt ist. Allerdings spielen die hiesigen Mönche drei Jahre später in Hersfeld anscheinend keine Rolle mehr. ;-)

    Vom Leben damals bekam ich einen recht guten Eindruck, auch die Schattenseiten wurden nicht verschwiegen, und eine Sache, die ich recht bald vermutete, hat sich später im Buch bestätigt. Natürlicherweise spielt die Religion eine Rolle, denn die Menschen jener Tage waren unzweifelhaft religiös; die Erwartung des Weltuntergangs gründete sich auf die (offensichtlich unrichtige) Auslegung etlicher Bibelstellen. Immer wieder wird deutlich, wie sehr das tägliche Leben von der Religion bestimmt wurde. Die Endzeitstimmung jener Tage wurde gut eingefangen und hat mich bisweilen an meine Großmutter denken lassen, die immer sagte „einmal Tausend und nicht mehr Tausend“. Was werden wohl die Menschen zur nächsten Jahrtausendwende prophezeien - so es dann noch welche gibt?

    Insgesamt hat mir das Buch außerordentlich gut gefallen, ich hatte über weite Strecken den Eindruck, selbst dabei zu sein, und hätte der Autor im Nachwort nicht explizit erwähnt, daß sowohl Ricarda als auch Richarda fiktive Figuren sind, ich hätte die Geschehnisse um die beiden glatt als historische Wahrheit genommen. Besonders positiv sei noch erwähnt, daß im Anhang von den wesentlichen Handlungsorten Fotos, wie es dort heute aussieht, zu sehen sind.

    Die Jahrtausendwende - uns heutige wundert es nicht - ist also ohne Weltuntergang vorüber gegangen, aber was wurde aus denen, die seinerzeit absolut davon überzeugt waren, daß es keinen 1. Januar 1000 geben würde? Das erfährt man gewißlich im zweiten Teil der Trilogie, den ich mit Sicherheit bald lesen werde.


    Kurzfassung

    Sage und Historie vermischt zu einem Roman, der die Weltuntergangsängste um das Jahr 1000 greif- und nachvollziehbar macht. Ein überaus gelungener Auftakt der Trilogie.
    Meine Produktempfehlungen
    • Richarda von Gression - Die Königin Richarda von Gression - Die Königin (Buch)
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    Der den Sturm stillt Titus Müller
    Der den Sturm stillt (Buch)
    27.05.2015

    Evangelien als Kurzgeschichten

    Nachdem ich kürzlich Titus Müllers „Berlin Feuerland“ gelesen hatte, war ich sehr gespannt auf dieses so ganz andere Buch des Autors. Schon im erstgenannten war mir aufgefallen, daß er das Thema Religion nicht, wie heute ansonsten üblich, ausklammerte, sondern es an passender Stelle Erwähnung fand. Wie würde der Autor mit den Berichten des Neuen Testamentes umgehen?

    Um es vorwegzunehmen: die hohen Erwartungen, mit denen ich an dieses Buch heranging, wurden voll und ganz erfüllt. Titus Müller erzählt bekannte Stellen aus dem Neuen Testament in Form von Kurzgeschichten nach. Dabei schmückt er die teils knappen Texte des Neuen Testamentes mit lebensnahen Details aus, so daß man beim Lesen das Gefühl hat, direkt dabei zu sein.

    Es ist vielfach bekannt, daß die Apostel Frauen und Kinder hatten, hier treten sie in manchen Geschichten selbst auf und verleihen den Erzählungen eine persönliche Note. Manche Begebenheiten oder Jesuszitate wurden mir erst durch die hier versammelten Geschichten so richtig verständlich und nachvollziehbar, etwa der Ausspruch „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder...“.

    Am Beeindruckendsten fand ich die Geschichte „Der Himmelsfürst“. Fast möchte ich meinen, sie gibt der Passion und der Auferstehung erst die richtige Dimension bzw. stellt diese in den richtigen Zusammenhang.

    Zum Ausklang bringt Titus Müller einige Begebenheiten nach der Auferstehung bis hin zum Hinweis auf die entstehenden Evangelien. Man stelle sich vor, Markus wäre nicht so „feige“ gewesen und hätte „nur“ alles aufgeschrieben. Wer weiß, ob das Christentum ohne das geschriebene Wort durch die Jahrhunderte bzw. Jahrtausende überlebt hätte. So hat vermutlich gerade dieses „feige“ Verhalten mehr zur Ausbreitung des Christentums beigetragen als so manche heldenhafte Tat.


    Kurzfassung

    Ein überaus lesenswertes Buch, das manche Begebenheiten aus dem Neuen Testament in völlig neuem Licht erstrahlen läßt.
    Die neunte Stunde Die neunte Stunde (Buch)
    01.04.2015

    Als ob man dabei gewesen wäre

    Günter Krieger erzählt hier natürlich nicht einfach die Passion der Evangelien nach, sondern stellt die Geschehnisse in einen größeren Zusammenhang bzw. eine Rahmenhandlung. Diese beginnt etwa zwei Jahre vor jenen Ereignissen und interessanterweise spielt ein griechischer junger Mann, Stephaton, eine Rolle. Interessant deshalb, als daß er eben kein Jude ist und dem Ganzen etwas reserviert und skeptisch gegenübersteht. Wundererzählungen nimmt er nicht einfach als gegeben hin, sondern hinterfragt diese. Für ihn ist Jesus nichts weiter als einer von vielen Wanderpredigern jeder Zeit.

    Das erste Mal hört er von Jesus, weil seine jüdische Freundin ihn zu einer Predigt mitnimmt. Hier hat der Autor die Bergpredigt auf eine Weise verarbeitet und geschildert, daß sie für den Leser so beeindruckend werden kann, wie sie es für die damaligen Zuhörer vermutlich war. Es ist, als ob man selbst im Gras sitzt und Jesu Worten lauscht.

    Stephaton ist Schauspieler, Mime nannte man das zu seiner Zeit, und während einer Aufführung kommt es zu einer Situation, die die Obrigkeit als beleidigend empfindet. Das war damals nun nicht so einfach zu übergehen wir heute, und nur den guten Beziehungen seines Vaters verdankt es Stephaton, daß er zu zwei Jahren Hilfsdiensten in einer Militäreinheit in Jerusalem „begnadigt“ wird. Was das für eine Einheit ist, wird er sehr bald lernen: es ist ein Hinrichtungskommando. Kaum dort eingetroffen, muß er auch gleich seinen ersten Dienst antreten. Als der Name Jehohanan fiel, wurde mir ganz anders. Denn wie der gekreuzigt wurde, ist mir nur zu gut bekannt; seine Gebeine sind der bis heute einzige archäologische Beweise für eine antike Kreuzigung sowie dafür, daß ein Kreuzigungsopfer bestattet werden konnte (bzw. durfte). Zum Glück geht der Autor nicht zu sehr ins Detail, und auch mit den weiteren Gelegenheiten, die sich Stephaton in der Hinsicht zwangsweise boten, verschont er uns dankenswerterweise.

    Kurz vor Ende seiner Dienstzeit soll ein jüdischer Rabbi namens Jesus verhaftet und hingerichtet werden. Im Folgenden gelingt dem Autor eine solch intensive Schilderung der Ereignisse, daß man das Gefühl hat, den Geschehnissen selbst hautnah beizuwohnen. Man hört Waffen klirren, Schritte in den nächtlichen Gassen widerhallen, die Anklagen und Verhandlungen vor Pilatus wie Herodes bis hin bis zum bitteren Ende auf Golgota.

    Der Autor hält sich bei seinen Schilderungen recht genau an die überlieferten Berichte und füllt Lücken dermaßen realistisch, daß es eigentlich nur so gewesen sein kann. Im Nachwort geht Günter Krieger dann noch auf die Unterschiede von „Fakt“ und „Fiktion“ ein. Er begründet auch, weshalb er die Handlung im Jahr 30 ansiedelt und was die Legende zu manchem der im Buch Auftretenden weiß.

    Eine gut lesbarer Roman aus der Zeit Jesu und einer der besten biblischen, die ich bisher gelesen habe.
    Prozess gegen Gott Prozess gegen Gott (Buch)
    19.03.2015

    Der Prozeß gegen Jesus in größerem Zusammenhang

    Die Passion Jesu ist ein Thema, mit dem ich mich von Zeit zu Zeit beschäftige, sei es, um Wissen aufzufrischen, sei es, um etwas (für mich) Neues zu erfahren. Die jetzige Fastenzeit war der Anlaß, dieses neu aufgelegte Buch zu lesen.

    Das Besondere an diesem Buch ist, daß es sich nicht auf den reinen Prozeß beschränkt, sondern die Geschehnisse in einen größeren Zusammenhang stellt, wozu der Autor das Leben Jesu quasi im Zeitraffer von der Geburt bis eben hin zu den Ereignissen der Passion beschreibt. Dabei geht er auf die damaligen politischen wie religiösen Verhältnisse ein und zeigt auf, wo Jesus - bewußt - gegen Vorschriften verstieß und mit seinem „Ich aber sage euch...“ einen völlig neuen Anspruch stellte. Das konnte nur auf eine Prozeß mit Hinrichtung hinauslaufen.

    Dieser, sowohl vor dem Synedrium als auch dem römischen Prokurator, wird dann beschrieben. Durch die Schilderung und die weiteren Hintergrundinformationen meint man, selbst dabei gewesen zu sein. Richter legt sich dabei auf einen bestimmten Ablauf fest und legt die Austreibung der Händler aus dem Tempel nach Johannes auf den Beginn des Wirkens Jesu. Die Synoptiker stellen die jedoch an den Anfang der Passion; auf solche Unterschiede geht Richter leider nicht ein.

    Was mir auch nicht so ganz zusagt, ist der, wie es mir scheinen will, stellenweise lockere Umgang mit den Quellen. So zitiert er auf S. 19 von einem antiken Schriftsteller und nennt in Klammern einfach den Namen Lactantius ohne weitere Angaben. Eine große Suchmaschine gab dann als Antwort (wie auch an einigen anderen Stellen im Buch), daß Richter richtig zitiert hatte, aber ich hätte mir genauere Angaben gewünscht. Und auch das Literaturverzeichnis am Ende des Buches hätte man etwas aktualisieren können.

    Interessanter und schlüssiger empfand ich den zweiten Teil des Buches, der sich mit dem Prozeß vor Pontius Pilatus befaßt. Ob das „Wir haben keinen König als den Kaiser!“ nun die absolute Bedeutung hatte, die der Autor in diesem Buch beschreibt, sei einmal dahingestellt. Nachvollziehbar ist es jedoch.

    „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.“ (S. 88f) Ich wußte zwar von der Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr., aber so deutlich wie in diesem Buch habe ich noch nie einen Zusammenhang zur Passion Jesu hergestellt gefunden. Zudem einen, der sehr überzeugend klingt.

    Alles in allem gibt der Autor eine anschauliche Schilderung des Prozesses und der Passion Jesu, die die Geschehnisse in einen größeren Zusammenhang stellt und aufzeigt, weshalb alles mehr oder weniger zwangsläufig den aus dem Evangelium bekannten Verlauf nahm bzw. nehmen mußte.


    Kurzfassung

    Im Buch werden der Prozeß und die Passion Jesu anschaulich geschildert und in einen größeren Zusammenhang gestellt.
    Meine Produktempfehlungen
    • Die neunte Stunde Die neunte Stunde (Buch)
    Büchle, E: Skarabäus und Schmetterling Büchle, E: Skarabäus und Schmetterling (Buch)
    05.03.2015

    Bestimmt die Vergangenheit die Gegenwart?

    Wie schon das Vorgängerbuch „Das Mädchen von Herrnhut“ spielt auch dieses Buch auf zwei Zeitebenen: der erste Teil beginnt 1922, der zweite im Jahre 2011. Beide Abschnitte sind, was Umfang und Handlung betrifft, vollwertige Romane. Die Autorin hat mich im ersten Teil so tief in die Geschichte hineingezogen, daß ich mich, als sie nach 265 Seiten am Ende angelangt war, nur schwer von den Figuren, die ich durch aufregende und gefährliche Zeiten hindurch begleitet hatte, verabschieden konnte.

    Bisher noch nie ist es mir bei einem Buch mit zwei Zeitebenen passiert, daß ich in der späteren dermaßen noch die frühere im Kopf hatte, dauernd daran denken mußte, daß Sarah und ihre Lieben längst verstorben und ihre Gräber möglicherweise schon lange eingeebnet sind. Nur Erinnerungen in Form von Überlieferung oder das, was sie in irgendeiner Form hinterlassen haben, zeugt noch von ihrer Existenz.

    Und doch beeinflußt die Vergangenheit, auch wenn wir sie nicht kennen, vielleicht nicht mal erahnen, die Gegenwart mehr, als uns bewußt, manchmal möglicherweise auch lieb ist. Das beginnt schon beim Prolog im Jahre 1327 v. Chr., der auf den ersten Blick seltsam erscheinen mag, aber Geschehnisse ins Rollen bringt, die noch dreitausend Jahre später die Geschicke von Menschen beeinflussen.

    Um die Entdeckung des Pharaonengrabes des Tutenchamun herum hat Elisabeth Büchle eine immer spannender und verworrender werdende Handlung entworfen, die Fakt (die Entdeckung und Freilegung des Grabes) und Fiktion so geschickt vermischt, daß man sich bisweilen unwillkürlich fragt, weshalb in den Annalen jener Zeit nicht eine Lady Alison und ihr Mündel Sarah auftauchen. Dabei hält die Autorin sich, wie sie an anderer Stelle schrieb, in Bezug auf die Ereignisse um das Pharaonengrab an die überlieferten Berichte, so daß man das Gefühl hat, direkt dabei gewesen zu sein.

    Zeit, Figuren, Ägypten wurden dermaßen lebendig und treffend beschrieben, daß ich, als dieser Teil langsam ausklang, das Gefühl hatte, tatsächlich bei jenen Ereignissen dabei gewesen zu sein und mich von guten Freunden verabschieden sollte.

    Dieses Gefühl des Abschieds hat mich den ganzen zweiten Teil hindurch begleitet, vor allem dann, wenn auf die Ereignisse des ersten Abschnitts Bezug genommen wurde. Erst nach und nach kommen die Verbindungen, für uns Leser eher als für die Figuren, zutage. Dabei ist es der Autorin gelungen, etliche Überraschungen unterzubringen. Die Handlung hat hier ein deutlich höheres Tempo, was auch der modernen Welt geschuldet ist.

    Das ganze Buch, vor allem aber den zweiten Teil hindurch, zieht sich ein Humor, der mich immer wieder zum laut Auflachen brachte, und so ein angenehmes Gegengewicht zu der bisweilen doch recht großen Spannung bietet. Frau Büchle hat einfach ein Händchen und Gespür für die richtigen Paarungen, seien es nur Liebes-, Freundes- oder Kollegenpaare. Bei ersteren hat mir, wie schon in ihren früheren Büchern, besonders gefallen, daß sich Beziehungen nicht hopplahopp, sondern langsam entwickelt haben.

    Es ist natürlich nicht unbedingt ein Nachteil (aber zum Verständnis keine Voraussetzung), wenn man Daniel und Emma, Rahel und Falk im Vorgängerband schon mal begegnet ist und sie dadurch besser einschätzen kann, in Bezug auf ihre Entwicklung - oder auch Nichtentwicklung. Falk etwa hat sich so sehr nicht verändert, ist vielleicht sogar noch eine Spur frecher und übermütiger geworden und sorgte bei mir alle paar Seiten für lautes Auflachen. Zumal er in Duke, der „Zufallsbekanntschaft“ von Rahel, einen weitgehend ebenbürtigen Gegenpart gefunden hat.

    Da die Vorliebe von Sarahs Familie für Ägypten bekannt ist, gerät sie in Verdacht, unbefugt Gegenstände aus dem Grab des Tutenchamun zu besitzen und zu verkaufen, was Europol auf den Plan ruft. In der Folge entwickelt sich ein Verwirrspiel, bei dem der Leser bald noch weniger durchblickt als die Figuren selbst. Fast jeder gerät im weiteren Verlauf in Verdacht, und bald weiß man nicht mehr, wem man eigentlich noch trauen kann.

    So, wie im ersten Teil die Welt des Ägypten der frühen zwanziger Jahre lebendig wurde, so wirklich wurde dann die Welt in und um London (sowie zunächst Berlin) des 21. Jahrhunderts. Fast so etwas wie Wehmut befiel mich, als es dann zum „direkten“ Vergleich Kairo früher und heute kam. Wie schon das „Mädchen aus Herrnhut“, geht auch dieses Buch mit einem filmreifen Showdown, der die aktuellen politischen Ereignisse des Jahres 2011 mit einbezieht (Stichwort arabischer Frühling) zu Ende.

    Was dieses Buch aber vom „Mädchen“ unterscheidet, ist der noch deutlichere Einfluß der Vergangenheit auf die Gegenwart, das Aufzeigen von Parallelen und Beeinflussungen, die vorhanden, selbst wenn sie den betroffenen Personen überhaupt nicht bewußt sind oder bewußt sein können. So fallen immer wieder Parallelen zwischen der Handlung in 1922 und derjenigen des Jahres 2011 ins Auge und wie die Menschen früher wie heute sich ähnlichen Problemen und Schwierigkeiten jeder für sich selbst aufs Neue stellen und diese bewältigen müssen.

    Daneben spielt das Thema der Vergebung eine Rolle; Sarah und später auch Rahel müssen jede für sich die Erfahrung machen und entscheiden, wie sie damit umgehen, wie weit sie gehen, womit sich für den Leser die Frage stellt, wie er (oder sie) es denn damit hält.

    Im Nachwort gibt es einen Hinweis der Autorin, daß möglicherweise noch ein Buch nach kommt. Nachdem Rahel ihre Geschichte hat, bleibt vom alten Quartett nur noch Falk übrig. Auf seine Geschichte bin ich besonders gespannt.

    Beendet wird das Buch durch einen Epilog, der den Kreis schließt und endgültig verdeutlicht, wie die Vergangenheit auf die Gegenwart Einfluß nimmt, was den einen oder anderen zum Nachdenken über die Einflüsse früherer Zeiten und Generationen auf das eigene Leben veranlassen kann. Unbedingte Leseempfehlung.
    Gottes Gnade trägt Gottes Gnade trägt (Buch)
    26.10.2014

    Es muß weiter gehen

    Wir hatten ja das ganze Leben noch vor uns.
    Doch da täuschte ich mich. (Seite 222)

    Meine Meinung

    Mit den Worten „Das war das (emotional) härteste Buch, das ich je gelesen habe.“, habe ich meine Rezi zum Buch „Think No Evil“ über den Amoklauf in der Amish-Schule in Nickel Mines begonnen. Diese Aussage trifft auf dieses Buch sicherlich nicht zu, auch wenn es um das gleiche Ereignis, jedoch aus anderer Perspektive, geht. Denn der Amoklauf wird zwar angesprochen, aber nur im Rahmen des hier für das Verständnis Notwendigen beschrieben.

    Über jenes schreckliche Ereignis habe ich schon einiges gelesen, daher war es für mich sehr interessant zu erfahren, wie das aus Sicht einer direkt Betroffenen aussieht. Denn wie geht man damit um, wenn der Mensch, den man zu kennen glaubt, der den Kindern ein liebevoller Vater ist, plötzlich und anscheinend ohne Vorwarnung fünf Kinder und sich selbst erschießt?

    Das Buch hat mich jetzt etwas zwiegespalten zurückgelassen. Einerseits denke ich, daß die Autorin alles so geschrieben hat, wie sie es erlebt hat. Das, was nicht nur ihr Privatleben betraf, kannte ich meist schon aus anderen Schilderungen, mit denen es übereinstimmte. Über weite Strecken hatte ich jedoch das Gefühl, als ob sie ihr Leben, ihre Entwicklung nach dem Amoklauf rückblickend durch eine (zu) rosarote, verklärende Brille sieht. Ich nehme an, sie hat es so erlebt bzw. empfunden, jedoch ist das für meine Begriffe nur sehr schwer in einem Buch darzustellen.

    Vielleicht hat es aber auch etwas damit zu tun, daß sie durch das Ereignis selbst so unter Schock stand, daß die Erinnerungen getrübt sind, denn je weiter sie sich zeitlich vom Amoklauf entfernt, um so glaubwürdiger und nachvollziehbarer empfand ich ihre Schilderungen. Da sie eine Mitautorin hat, könnte es auch sein, daß zu sehr „formuliert“ und „geglättet“ wurde. Gerade bei so einem Buch wäre vermutlich der „rohe“ Text der Autorin authentischer gewesen.

    Insgesamt jedoch bin ich froh, das Buch gelesen zu haben. Denn zum Einen vervollständigt es die Sicht auf die Geschehnisse, zum Anderen will die Autorin aufzeigen, daß man auch in solch schlimmen Situationen nicht von Gott verlassen, daß der Glaube zwar auf eine harte Probe gestellt wird, aber dennoch durchtragen kann. „Gott forderte mich nicht auf, die harte Wirklichkeit zu vergessen, sondern das Leben so anzunehmen, wie es war, und Freude daran zu haben!“ (S. 215) ist die Erfahrung, die die Autorin macht und vermitteln will.

    Immer wieder beeindruckend sind die Verhaltensweisen der Amish: selbst zum Begräbnis des Täters kommen sie und schützen seine Witwe und deren Kinder (S. 177). Oder S. 229: „Wir haben einander. Wir denken dann an Sie. Sie haben niemanden.“
    Man stelle sich das mal vor, man wäre selbst betroffen. Wie würden wir wohl reagieren??? Wie würde „unsere“ Gesellschaft im Vergleich zu „deren“ reagieren???

    Was bleibt, ist ein Stachel im Fleisch „unserer“ Gesellschaft. Einer, der überdeutlich darauf hinweist, daß unsere Art zu Leben und zu Denken nicht die einzig Mögliche, möglicherweise nicht die einzig Wahre und Richtige ist. Daß es sehr wohl einen Gegenentwurf gibt. Einen Gegenentwurf, der zur Bestimmung der eigenen Position zwingt, indem er diese radikal infrage stellt. Es ist an jedem einzelnen, auf diese Frage eine Antwort zu finden.

    "Doch die Entscheidung liegt bei uns, wie wir uns an etwas erinnern wollen, was wir nicht vergessen können." („Die Gnade der Amish“, Kraybill / Nolt / Weaver-Zercher, Seite 226)


    Kurzfassung

    Die Witwe des Amokläufers von Nickel Mines berichtet, wie sie und ihre Familie mit dem schrecklichen Ereignis umgingen bzw. danach weiterleben mußten bzw. konnten.
    Meine Produktempfehlungen
    • The Qur'an and Adab The Qur'an and Adab (Buch)
    Duett zu Dritt Duett zu Dritt (Buch)
    20.10.2014

    Komponisten und ihre Verhältnisse

    Wer hätte gedacht, daß der „Papa Haydn“ seine Geliebte sogar im Haushaltsplan untergebracht bzw. eingeplant hat! Woraus sich schließen läßt: er hatte eine. Das war für mich in diesem Buch sicherlich die größte Überraschung, wenngleich ich zugeben muß, daß ich vom Leben Haydns recht wenig Ahnung habe. Wie schreibt Reiber: „Es waren die Verhältnisse, die ihm das Verhältnis ermöglichten.“ (S. 95)

    Daß es nicht immer die „Verhältnisse“ waren, die zu einem Verhältnis führten, auch das wird im Buch deutlich. Allerdings gelingt es dem Autor hervorragend, die jeweiligen Lebensumstände zu beschreiben; dabei stützt er sich so weit als möglich auf Originalquellen, so daß man beim Lesen eine recht gute Vorstellung von den Verhältnissen bekommt.

    Mit einem Paukenschlag, was das Verhalten betrifft, beginnt das Buch im Kapitel über Leoš Janáček. Über sein Verhalten seiner Frau gegenüber habe ich mich dermaßen geärgert, daß mir die Lust auf seine Musik doch vergangen ist. Allerdings kenne ich ohnehin recht wenige Werke von ihm, so daß das fürderhin schlicht auf ein weiteres „Nichtkennen“ hinauslaufen wird.

    Besonders interessiert hat mich der Abschnitt über Beethoven, dessen Biographie mir in den Grundzügen vertraut ist. Viel wird über die unsterbliche Geliebte gerätselt, ob der Autor das Rätsel hier lösen kann, sei naturgemäß nicht verraten. In die Richtung, in welche seine Überlegungen gehen, hatte ich bisher allerdings nicht gedacht.

    Am meisten überrascht hat mich das Kapitel über Joseph Haydn. Die Verhältnisse waren es, die ein Verhältnis ermöglichten, oder haben sie geradezu provoziert? Jedenfalls gibt das Buch einen Einblick in die damaligen, nicht immer schmeichelhaften, Zustände an einem Fürstenhof.

    Erwähnen möchte ich noch den Abschnitt über Robert und Clara Schumann sowie Johannes Brahms. Über deren Leben weiß ich nicht allzuviel, mit ihrer Musik bin ich bisher auch nicht so recht warm geworden. Hier hat das Buch durchaus Sympathie und Interesse, vor allem für Schumann, wecken können, an dessen Musik ich jetzt mit einer ganz anderen Einstellung herangehen werde.

    Joachim Reiber schreibt sehr gut lesbar, mit großer Sachkenntnis und leichter Ironie, aber Sympathie für die Menschen. Dabei gelingt es ihm in jedem Abschnitt auch stimmungsmäßig die Zeit und ihre Umstände einzufangen, um die es geht, so daß ich immer das Gefühl hatte, als unsichtbarer Beobachter direkt die Ereignisse mitzuerleben. Etwas willkürlich schien mir lediglich die Reihenfolge der Musiker, die weder zeitlich noch alphabetisch geordnet ist. Allerdings bilden Eröffnung wie Ende des Buches einen stimmigen Rahmen. Schön wäre es gewesen, hätte man im Inhaltsverzeichnis noch die Geburts- und Sterbedaten der Komponisten mit erwähnt.

    Vor dem abschließenden Beitrag über Gustav Mahler, dessen 2. Sinfonie mit zu meinen absoluten Lieblingswerken zählt, und dem, was da wohl zutage treten würde, war mir denn doch etwas bange. Über seine Ehe liest man auf S. 248, Mahler an seine Zukünftige: „Es wird so sein, wie ein moderner Roman. (...) Mitten drin fängt er an, und im 2. Kapitel wird dann die Vorgeschichte erst herausgeholt.“
    Joachim Reiber kommentiert mit den Worten: „Er hatte keine Ahnung, wie modern der Roman werden sollte.“
    Wie aber aus solch einem „modernen Roman“ eine grandiose und zeitlose Musik erstehen konnte, wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben.


    Kurzfassung

    Ein anderer Blick auf bekannte Komponisten und ihre „Verhältnisse“. Interessant nicht nur für Musikfreunde.
    Der grüne Blitz Jules Verne
    Der grüne Blitz (Buch)
    08.10.2013

    Humorvoll und lesenswert

    Mit Jules Verne verbinde ich in erster Linie Abenteuer, Science Fiction, Reise - ob nun „20.000 Meilen unter den Meeren“ oder zu Land mit dem „Kurier des Zaren“. Aber er konnte auch das: einen leichtfüßigen, humorvollen, von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhaltenden Liebesroman schreiben.

    Zu Beginn möchte ich besonders die äußerst gediegene Ausstattung des Buches hervorheben: Leineneinbahd, Fadenheftung (!), Lesebändchen, stabiler Pappschuber - eine wahrhaft bibliophile Ausstattung, die das Herz eines jeden Bücherfreundes höher schlagen läßt. Dabei sollte man dann auf Seite 83 ein Lesezeichen einfügen - dort befindet sich nämlich die Landkarte zu den im Buch beschriebenen Reisen.

    Beim Lesen hatte ich stets das Gefühl, einen im Original deutschen Text zu lesen, der schon durch die Wortwahl und den Schreibstil in die Zeit der Handlung entführt. So bin ich auch relativ schnell „in der Geschichte angekommen“, die schon zu Beginn einen humorvollen Roman mit teilweise schrulligen Figuren verspricht. Die beiden Onkel Sam und Sib etwa ergänzen sich so gut, daß sie meist nur in Halbsätzen sprechen, die vom jeweils anderen ergänzt werden. Nicht zu vergessen die Schnupftabaksdose, die immer gut gefüllt sein sollte.

    Aber im Vergleich zu Aristobulus Ursiclos, dem von ihnen für ihre Nichte ausgesuchten Heiratskandidaten sind sie von geradezu ausnehmender Normalität! So herrlich überspitzt dieser staubtrockene, jeglicher Romantik abholde Wissenschaftler auftritt, ist dem geneigten Leser vermutlich bald klar, daß er eher nicht die Wahl der ihm zugedachten Braut wäre.

    Diese, Miss Helena Campbell, ist eine aufgeweckte junge Frau, die durchaus weiß, was sie will - und wie sie es erreichen kann. Vor allem bei ihren beiden Onkeln, die ihr keinen Wunsch abschlagen können. Und so willigt sie auch ein, zu heiraten - aber nicht bevor sie den „Grünen Blitz“ gesehen hat, dessen Sichtung nach einer alten Legende befähigen soll, sich in Gefühlsdingen nie mehr zu täuschen und nicht mehr getäuscht zu werden.

    Der weitere Roman besteht in der Reise zu einem zur Beobachtung geeigneten Meeresufer sowie den Versuchen, den grünen Blitz zu sehen. Es wäre kein Roman von Jules Verne, wären nicht eine Unzahl von - gut lesbaren! - Beschreibungen verschiedenster Naturphänomene (die sich im Nachwort als durchweg richtig herausgestellt haben) bis hin zu dramatischen Rettungsaktionen vorhanden. Wobei die erste auf See schon eine Ahnung für den Ausgang des Buches aufkommen läßt.

    Im Nachwort von James Hamilton-Paterson erfährt man einiges zur zeitlichen Einordnung und den historischen Hintergründen des Romans, dessen Handlung zwar frei erfunden ist, aber dessen grünen Blitz es tatsächlich gibt! Und dieses Nachwort bringt mich auch zu meinem einsamen Kritikpunkt: Das Einzige, was ich am Ende nicht gebraucht hätte, war die persönliche Bemerkung von James Hamilton-Paterson in seinem letzten Absatz. In ihrer Nüchternheit kommt die den Äußerungen und Erklärungen eines Aristobulus Ursiclos näher, als ich es mir zum Abschluß dieses ansonsten wundervollen Buches wünschen würde.

    Denn, das ergibt sich schon aus der Bezeichnung „Liebesroman“, am Ende gibt es ein erfreuliches Ereignis zu vermelden, das sowohl die beiden Onkel Sam und Sib, als auch Miss Campbell und ihren Bräutigam aufs Höchste zufriedenstellt. Wer aber denn nun dieser Bräutigam ist - nun, ich möchte niemanden des Vergnügens berauben, das in diesem wohlfeilen Buche selbst nachzulesen, und werde an dieser Stelle daher eisern schweigen.
    Gottes unfassbare Wege Nik Ripken
    Gottes unfassbare Wege (Buch)
    30.09.2013

    Ein aufrüttelnder Bericht

    „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ (Joh 18.36) Selten habe ich eine so eindrückliche Auslegung dieses Jesuszitats gefunden wie hier durch dieses Buch, das in zwei Teile zerfällt: in die Zeit des Autors in Afrika und die dann folgenden Reisen durch die ganze Welt.

    Nik Ripken ist ein Pseudonym. Und wenn man das Buch liest, wird man sehr schnell verstehen, weshalb er - auch Jahre nach den berichteten Ereignissen - seine Identität verbergen muß. Denn für seine Gesprächspartner oder auch die Menschen, denen er geholfen hat, könnte es sonst gefährlich werden - lebensgefährlich, wie mehrfach im Buch nachzulesen ist.

    In ausreichend nüchterner Sprache, so daß das zu ertragen ist, erzählt der Autor von seinem eigenen Werdegang wie auch seiner Tätigkeit in Afrika, vor allem Somalia. Er berichtet von dem unsäglichen Leid und den Clankriegen, die es oft unmöglich machen, den betroffenen Menschen zu helfen.

    Nach der Rückkehr in die USA widmete sich Ripken einem anderen Projekt: er ist viele Jahre lang in Länder gereist, in denen Christen (oft systematisch) verfolgt wurden und werden,um mit den Betroffenen zu sprechen und zu lernen, wie sie unter solchen Bedingungen überlegt haben. Dabei kam er nach Rußland, in Länder des ehemaligen Warschauer Paktes, aber auch nach China oder islamische Länder.

    Die Betroffenen, mit denen er unter teilweise widrigen Umständen sprechen kann, erzählen von Verfolgungen, die mich an die Zeit der ersten Christen hat denken lassen. Jesus hat solches ja vorausgesagt, und es hat sich offensichtlich bis heute daran nichts geändert.

    Gleichzeitig machen diese Berichte deutlich, unter welch fast schon paradiesisch zu nennenden Umständen wir Christen hier in den westlichen Ländern leben. Sicher gibt es eine zunehmende Säkularisierung, die teilweise bis hin zur Christen- und/oder Glaubensfeindlichkeit geht. Aber mit Schwierigkeiten und Verfolgung, wie viele unserer Glaubensbrüder und -schwestern in anderen Ländern dieser Erde (Mitgliedsstaaten der UN!) zu tun haben, sind wir hier (noch?) verschont.

    „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Was dieser Satz bedeutet, welche Sprengkraft in ihm enthalten ist (vgl. Seite 272f), durchzieht dieses Buch wie ein Leitmotiv. Gerade für uns in „sicheren Ländern“ lesenswert. Denn wegen des Besitzes einer Bibel kommt hier niemand ins Gefängnis oder wird gar umgebracht. Ganz im Gegensatz etwa zu China oder Somalia.
    Tränenperle Tränenperle (Buch)
    26.06.2013

    Eine bewegende "Tränenperle"

    Wäre mir das Buch von einer Bekannten nicht sehr dringend empfohlen worden, hätte ich es wohl nie gelesen. Denn das Cover spricht mich gar nicht an. Obwohl es, wie auch der Titel, zum Buch paßt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Aber das wird erst verständlich, wenn man auf der letzten Seite angekommen ist. Bis dahin sind es derer 344, die Schönes, aber auch viel und teilweise unsägliches Leid beinhalten.

    Merle kommt aus schwierigen Verhältnissen. Die alleinerziehende Mutter hat sie nie gewollt, und an einem Weihnachtsabend denkt Merle an Selbstmord, als es an der Tür klingelt. Eine Frau hat einen Hund überfahren, fragt nach Hilfe und verschwindet. Merle bringt den schwer verletzten Hund zu einer Tierarztpraxis, wo er aber nur noch tot ankommt. Den Hund begraben geht nicht, da der Boden gefroren ist. Also steigt Merle kurz entschlossen zu Johannes, dem Tierarzthelfer, ins Auto und macht sich auf den Weg nach Süddeutschland, wo das Wetter noch warm ist.

    Was hier vielleicht etwas seltsam und unwahrscheinlich klingt, liest sich im Buch wie die selbstverständlichste und natürlichste Sache der Welt. Aber ob es für sie nicht vielleicht das Falsche ist, den „Hund zu begraben“ anstatt sich ihm zu stellen, ist eine Frage, die zu diesem Zeitpunkt in weiter Ferne liegt.

    Auf dem Bauernhof angekommen, ist Merle krank und hat hohes Fieber. Als sie wieder genesen ist, wird ihr angeboten, ein halbjährliches Praktikum zu absolvieren. Daraus wird schließlich ein Berufswunsch und sie beginnt bald eine offizielle Lehre. Während sich ihre äußeren Verhältnisse also drastisch verbessern, nicht zuletzt auch durch den Kontakt zur Familie des Nachbarhofes und deren ältestem Sohn Simi, dauert es nicht lange, bis sich die Dämonen des alten Lebens wieder melden. Minderwertigkeitsgefühle bis hin zu Selbsthaß und buchstäblicher Selbstzerstörung kämpfen mit den veränderten Umständen und gewinnen mehr und mehr die Überhand. Dabei erfahren wir langsam mehr aus Merles Lebensgeschichte und weshalb sie so wurde, wie sie ist.

    Mit einem unglaublichen Einfühlungsvermögen hat die Autorin diese Abwärtsspirale, ihre Gründe und Auswirkungen - innerlich wie äußerlich - so nachvollziehbar beschrieben, daß man als Leser gar nicht anders kann als mitleiden. Manchmal möchte man Merle ob ihrer destruktiven Gedanken und Handlungen schütteln und ihr zurufen „Mensch, Mädchen, was machst du denn da!“, dann wieder wundert man sich, weshalb in der direkten Umgebung so wenig von ihren Problemen wahrgenommen wird. All das ergibt eine Mischung, die der Realität extrem nahe kommen dürfte und einem vielleicht die Sinne schärft, ähnliche Entwicklungen im eigenen Umfeld zu erkennen.

    Das Buch ist in einem sehr gut lesbaren Stil geschrieben. Ich konnte mir alles sehr plastisch vorstellen. Die Figuren sind für mich zum Leben erwacht, und ein paar Mal habe ich mich dabei ertappt, langsamer zu lesen, damit ich nicht so schnell ans Ende komme. Auch in den - teilweise sehr schlimmen - Szenen ist es der Autorin zumindest für uns Leser gelungen, nie die Hoffnung auf ein gutes Ende zu verlieren, auch wenn Merle selbst das vermutlich jeweils ganz anders gesehen hat.

    Diese positive Grundeinstellung ist für mich mit das Beste am Buch, weil es so auch in düsteren Augenblicken Hoffnung zu vermitteln vermag. Das Thema Religion und Glaube ist für meine Begriffe dermaßen gut integriert und normal dargestellt (auch bzw. gerade für heutige Verhältnisse), daß es gar nicht groß auffiel, daß der Glaube im Buch eine Rolle spielt. So, wie es hier beschreiben wurde, ist es einfach ein Teil des normalen Alltags, und gerade darum sehr realitätsnah.

    Als ich das Buch beendet hatte, habe ich es trotz der teilweise sehr heftigen Szenen und Vorkommnisse, so beendet, wie ich das bei einem guten Buch schätze: innerlich gleichzeitig ruhig und doch bewegt im Bewußtsein, daß ich noch lange an Merle, Simi, Johannes und wie sie alle hießen, denken werde. Und mit absoluter Sicherheit, egal wie das Cover aussieht, das nächste Buch der Autorin (das hoffentlich nicht lange auf sich warten läßt) lesen werde.
    Ein Bräutigam fürs Leben Ein Bräutigam fürs Leben (Buch)
    02.04.2013

    Vom Warten auf das Leben

    Im Vorwort erzählt Natalia Ginzburg von ihrer Begeisterung für dieses Buch, die ich über weite Strecken nicht so ganz nachvollziehen konnte.

    Das Buch selbst hat mir gut gefallen. In einer klaren Sprache, die dennoch bildhaft genug ist, um ein lückenloses Kopfkino in Gang zu setzen, wird zunächst das Haus derer der Dellara beschrieben und die Familie vorgestellt. Wir sind mitten in der Geschichte einer freudlosen, tristen Jugend, eines ebensolchen und eintönigen Lebens, dem die Erzählerin Denza entfliehen möchte. Als einzige Möglichkeit sieht die die Heirat, und als man ihr nach einem Theaterbesuch sagt, daß ein gewisser Herr Mazzuchetti sie angesehen habe, beschließt sie, daß sie ihn ihn verliebt ist und erwartet demgemäß seinen Heiratsantrag.

    Davon, von diesem Warten, nun erzählt uns Denza. Es sind keine großen Dinge, die passieren, aber dennoch habe ich das Buch zu keiner Zeile langweilig oder eintönig empfunden, im Gegensatz zu dem Leben, das beschrieben wird. Über weite Strecken war ich mir nicht so richtig sicher, ob sich Denza alles nur einbildet bzw. interpretiert (z. B. die Blicke des Herrn Mazzuchetti) oder ob es sich um tatsächliche Geschehnisse handelt. Wir als Leser wissen naturgemäß auch nicht mehr als Denza selbst.

    Da ich nun aus dem Vorwort wußte, welcher Satz Frau Ginzburg so beeindruckt hatte, erwartete ich diesen natürlich mit Spannung. Auf mich hat der jedoch gar nicht so gewirkt. Ich habe mich immer noch gefragt, woher denn die Begeisterung für dieses Buch kommt und wie man das wieder und wieder lesen kann.

    Bis, ja bis ich dann auf der Seite 128 las: „Von da an hatte ich kaum noch Zeit, meinen einstigen Träumen nachzuhängen (...)“ Da ergab vieles Sinn und ich konnte die Begeisterung der Frau Ginzburg nachvollziehen. Und da wußte ich auch, daß auch ich das Buch noch etliche Male werde lesen müssen. Nicht nur - und das ist mir so bisher selten begegnet - daß wir es hier anscheinend mit einem sehr detaillierten Sittengemälde einer Kleinstadt im 19. Jahrhundert zu tun haben, es hat etwas mit dem Leben zu tun. Nicht nur damals, sondern heute. Nicht nur mit dem von fiktiven Figuren in einem Roman, sondern dem von Menschen aus Fleisch und Blut, solchen, die täglich versuchen, ihr Leben zu leben und damit klar zu kommen. Die Wünsche, Vorstellungen, Hoffnungen, Träume haben - und immer wieder erleben müssen, daß diese an der Realität scheitern. Damals wie heute. Das macht dieses kleine Büchlein zu einem zeitlosen Werk, das verdient, wieder und wieder gelesen zu werden.
    Die Hoffnung ihrer Tochter Die Hoffnung ihrer Tochter (Buch)
    21.09.2012

    Eine beeindruckende Familiengeschichte

    Das Buch hat es mir nicht leicht gemacht. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, wie ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe. Ein Buch, das einen - eigentlich deren mehrere - Blick in menschliche Abgründe eröffnet, um dann zu zeigen, daß es auch Glück, Liebe und Frieden gibt. Wenn ich es mit dem ersten Band ("Die Sehnsucht ihrer Mutter") zusammen betrachte, ein Jahrhundert voll menschlichem Leben. Höhen und Tiefen. Freud und Leid. Geburt und Tod. Die ganze Spannweite.

    Zwar geht es vordergründig um das Verhältnis von Müttern zu ihren Töchtern und umgekehrt. Blickt man jedoch tiefer, kommt automatisch ganz allgemein das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, zwischen Kindern und Eltern in den schwierigsten Facetten zum Vorschein. Und schlimmer noch: die Fehler, die eine Generation begeht, pflanzen sich fort und bringen ihre „Früchte“ auch in der oder genauer sogar den kommenden Generationen. Jahrzehnte, bevor dieses Buch endet, hat der Vater Martas eine Entwicklung in Gang gesetzt, einen Teufelskreis begonnen, der auch hundert Jahre später noch seine schlimmen Auswirkungen zeigt. Und seine Nachkommen mit Gott ringen und auch hadern läßt, denn auch das ist ein Motiv, das sich durch das ganze Buch hindurch zieht.

    Und genau darin liegt die große Stärke dieses Werkes: im Aufzeigen solcher Ursachen- und Wirkungszusammenhänge, wie ein gesagtes Wort eine Beziehung beeinflussen kann. Oder ein nicht gesagtes vielleicht noch viel mehr. Wie eine gut gemeinte Handlung ins Gegenteil, und schließlich eine Katastrophe umschlagen kann.

    Francine Rivers hat eine Geschichte über vier Generationen geschrieben, die in einem wahrlich beeindruckenden Finale endet. Ich wünsche ihr möglichst viele Leser.
    Meine Produktempfehlungen
    • Die Sehnsucht ihrer Mutter Die Sehnsucht ihrer Mutter (Buch)
    26 bis 48 von 48 Rezensionen
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