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    Svanvithe

    Aktiv seit: 11. März 2019
    "Hilfreich"-Bewertungen: 12
    99 Rezensionen
    Die Tochter der Kelten Heidrun Hurst
    Die Tochter der Kelten (Buch)
    05.03.2025

    Die Tochter der Kelten

    Wir schreiben das Jahr 550 vor Christi Geburt und begegnen Menschen, deren Leben stark mit dem Glauben an die Götter verbunden und darauf ausgerichtet ist, deren Gebote und Hinweise zu befolgen.

    So verwundert es nicht, dass Rig Cedrych vom Volk der Elurer nach einer unheilverkündenden Prophezeiung seines Druiden sein ungeborenes Kind unmittelbar nach der Geburt töten will. Triquetos, der den Zorn der Götter fürchtet, gelingt es allerdings, das neugeborene Mädchen zu retten und in die Abgeschiedenheit des Waldes zu bringen, wo es von der alten Moja versteckt vor den Menschen und ihrer Familie aufgezogen und in der Heilkunst ausgebildet wird. Alenja ahnt selbst nichts von dem Leben, das sich fernab des halb verfallenen Gehöfts vollzieht.

    Aber zehn Jahre später wird das Geheimnis des Druiden entdeckt. Er und Moja bezahlen dies mit ihrem Leben, und Alenja wird nach Pyrene, dem Fürstensitz ihres Vaters gebracht. Dessen Einstellung hat sich inzwischen gewandelt, da seine Frau ihm außer dem Mädchen keine weiteren Nachkommen schenken konnte. Rig Cedrych hat Pläne mit seiner Tochter: Er will sie mit dem ältesten Sohn des Rigs von Opia verheiraten und seine Machtposition stärken.

    Alenja ist auf dem Fürstensitz Pyrene im Grunde wieder allein. Zu ihrer Mutter Lita vermag sie keine wirkliche Beziehung aufzubauen, lediglich ihr Hund Arto und die Sklavin Sulis, mit der sie vertrauensvoll reden kann und die zu einer Freundin wird, sind in ihrer Nähe und begleiten sie nach Opia, wo nach einer Prüfung des Mädchens die Hochzeit mit Airell stattfinden soll.

    In ihrer neuen Heimat angekommen, begreift sie sehr schnell, dass ihr Zukünftiger brutal und erbarmungslos ist, wohingegen sein Bruder ihr mit Wohlwollen begegnet. So ist es nicht verwunderlich, dass Alenja sich in Faol verliebt und ihre Gefühle von diesem erwidert werden.

    Doch hat diese Liebe überhaupt eine Chance?

    „Die Tochter der Kelten“ punktet mit einem umfangreich recherchierten Gerüst der historischen Hintergründe, welches die von Heidrun Hurst ersonnene Geschichte hervorragend stützt.

    Insbesondere die intensiven und eingehenden Schilderungen von Sitten, Gebräuchen und Ritualen lassen die Möglichkeit zu, das Leben der Kelten in einer nur wenig erforschten Epoche zu verstehen, ihre Reaktionen und Handlungen zu begreifen und nachzuvollziehen.

    Dazu trägt einerseits der einfache und überwiegend gefällige, andererseits bilddeutliche Sprachstil bei. Dies zeigt sich bereits im Prolog, in dem die Autorin das Wagnis eingeht, unmittelbar zu Beginn blutige Grausamkeiten darzustellen. Denn hier beschreibt sie die Entdeckung der Bewohner der Hütte im Wald, bevor sie dann in der Vergangenheit zurückkehrt und erläutert, wie es zu den Ereignissen gekommen ist.

    Zwar beruhigt sich die Lage im Verlauf der Ereignisse zunächst, um dann jedoch erneut mit dramatischen Wendungen aufzuwarten, ohne dass die Geschichte ihre Glaubwürdigkeit verliert.

    Tatsächlich verlangt die Autorin ihrer klugen und entschlossenen Heldin einiges ab, so dass sich im Verlauf des Geschehens eine emotionale Verbundenheit mit Alenja laufend erhöht, mit ihr gelitten und gehofft wird, dass sich bessere Aussichten für ihre Situation offenbaren, ohne zu übersehen, dass die junge Frau nicht fehlerfrei ist.

    Die Figuren sind mit vielfältig gestalteten Eigenschaften versehen, wenngleich dadurch bisweilen eine eindeutige Zuordnung zu Gut und Böse vorgenommen wird. Andererseits verändert die Autorin aber auch die diesbezügliche Position. Beispielhaft sei Lita, die Rigani, erwähnt, die sich im Machtgefüge der Männer zu behaupten weiß und deren Entwicklung ich neben der ihrer Tochter Alenja mit Achtung gefolgt bin.

    Am Ende von „Die Tochter der Keltin“ hat Alenja ihrem Schicksal eine neue Richtung gegeben. Ich bin neugierig, ob es ihr weiter gewogen bleibt.
    Die Schlottermoos-Gespensterschule - Zimbis Prüfung L. T. Hoffmann
    Die Schlottermoos-Gespensterschule - Zimbis Prüfung (Buch)
    27.02.2025

    Auf der Schlottermoos-Gespensterschule

    Zimbi ist ein schlaues Gespenst und hat so viel Wissen angehäuft, dass die baldige Abschlussprüfung an der renommiertesten Schule der Gespensterwelt, der Schlottermoos-Gespensterschule, eine Kleinigkeit für sie sein dürfte und sie damit ihrem Ziel, alle Prüfungen im jungen Alter von 137 mit absoluten Höchstpunkten zu bestehen und das beste Gespenst aller Zeiten zu werden, einem Stück nähergekommen ist.

    Eigentlich. Es gibt nämlich ein Problem: Zimbi weiß zwar alles über das Gespenstern und beherrscht in der Theorie sämtliche Grundlagen, die für ein erfolgreiches Leben als Angst verbreitendes, schauriges Gespenst benötigt werden. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Da läuft bei Zimbi trotz ihrer Versuche überhaupt nichts.

    Nun allerdings wurde die Prüfungsordnung geändert, und Zimbi soll plötzlich all jene Fähigkeiten anwenden und vorführen, die sie lediglich in ihrem Kopf abgespeichert hat. Wenn sie nicht Gespenstern kann, wird sie zur Prüfung nicht zugelassen.

    Da ist guter Rat teuer. Unerwartete Hilfe erhält Zimbi von Mitgespenst Dunggel, bei dem es an den Grundlagen für das Gespenstern mangeln. Im Austausch gegen Tipps, was er falsch macht, will er Zimbi zeigen, wie Gespenstern funktioniert. Und auch Rentner Pawel aus der Menschenwelt wird zum unverzichtbaren Ratgeber ...

    Langsam und stetig festigt sich die Kameradschaft zwischen den ungleichen Partnern, und das Gespenstern gerät immer mehr zur Nebensache. Es liegt an Zimbi, sich zu entscheiden, ob sie ihren Traum verwirklichen will oder ist ihr die Freundschaft wichtiger ist und sie das ungespenstigte Gespenst bleibt, das je existiert hat …

    „Die Schlottermoos Gespensterschule. Zimbis Prüfung“ von L. T. Hoffmann ist wunderbar geeignet, nicht nur interessierte Achtjährige auf verständliche Art zu unterhalten, sondern ebenso die ältere Generation.

    Denn die Autorin erzählt die Geschichte über ein Gespenst, das glaubt, nicht Gespenstern zu können, unkompliziert und mit zugewandter und humorvoller Stimme. Die Handlung inmitten von Zauberei, Spuk und wundersamen Überraschungen zeigt sich an vielen Stellen als angemessen aufregend und durchaus auch gruselig – schließlich agieren hier ja Gespenster –, aber nie beängstigend.

    L. T. Hoffmann thematisiert vertrauensvolles Miteinander und Offenheit, Wahrheitsliebe und Ehrlichkeit und vor allem, wie bedeutsam Freundschaft ist und das Zusammenstehen, wenn es darauf ankommt.

    Die Figuren sind individuell mit Unterschieden im Aussehen und Charakter gestaltet. Zimbi zum Beispiel ist ein Gespenst mit Beinen und wirkt auf den ersten Blick neunmalklug und etwas schnippisch, sobald sie ihr Wissen doziert. Dabei verdeckt sie hierdurch nur ihre eigenen Unzulänglichkeiten, vor allem in Bezug auf ihr Unvermögen, Gespenstern zu können. Letztlich bestätigt sich aus diesem Grund auch die Schwierigkeit für sie, Freundschaften zu schließen.

    Doch angesichts der Abschlussprüfung kommt Zimbi nicht umhin, ihre fehlende Begabung einzugestehen und zu begreifen, dass ein jeder Stärken und Schwächen hat, sich entwickeln und lernen kann, damit umzugehen, dass Aufgeben mit Freunden und einer Portion Mut und Zuversicht in eigene Fähigkeiten keine Option ist.

    Ergänzt wird die Geschichte mit Illustrationen, die von Sameena Jehanzeb erschaffen wurden und den Inhalt und das Geschehen in der Ausdruckskraft hervorragend unterstützen.

    „Die Schlottermoos Gespensterschule. Zimbis Prüfung“ erweist sich als lehrreiches und rätselhaftes Abenteuer mit ein paar überraschenden Wendungen, das dank seiner Figuren der Leserschar in weiten Teilen Gelegenheiten zur Identifikation ermöglicht und darum mit Freude gelesen oder vorgelesen werden kann.
    Herzkrank Anna Hensel
    Herzkrank (Buch)
    24.02.2025

    Herzkrank

    Mila Volkmann ist nach dem an der Berliner Charité abgeschlossenen Medizinstudium ihrem Traummann David nach Hannover gefolgt und tritt eine neue Stelle als Assistenzärztin in der Anästhesie am Oststadt-Klinikum an. Ihr Leben ist voller schöner und erfüllender Dinge: Da sind David und ihre Arbeit in der Klinik, ihre Familie in Thüringen, zu der sie regelmäßig Kontakt hat und zu Besuch fährt, ihre beste Freundin Helen, die ebenfalls die Koffer gepackt und in Hannover eine neue Heimat gefunden hat.

    Zum vollendeten Glücklichsein fehlt der jungen Frau bloß noch ein Baby. Allerding will es damit partout nicht klappen, und Mila gelangt immer mehr zu der Erkenntnis, dass sie diesen Wunsch alleine hegt, David noch kein Kind möchte und er die Familienplanung nur noch mit Schmerz und Stress verbindet.

    Und wäre das nicht schon irritierend genug, entwickelt Mila Gefühle für ihren zwar bei erster Betrachtung unnahbar wirkenden, gleichwohl attraktiven Oberarzt Sayan Allahyari, ohne sich diese einzugestehen.

    „Unter dem Blick seiner dunklen Augen fühle ich mich so verstanden, so wahrgenommen wie nie zuvor in meinem Leben.“ (Seite 114)

    Einmal davon abgesehen, dass sie sich in seiner Gegenwart in ein tollpatschiges Kind verwandelt, was denkbar ungünstig für ihr berufliches Dasein ist, läuft der Job in der Klinik nicht rund, und auch David zieht sich zurück.

    Als sie schließlich lebensbedrohlich erkrankt und auf Hilfe angewiesen ist, scheint sie allein, und es ist Sayan, der sie auffängt, bei sich aufnimmt und sie pflegt. Er hüllt sie ein in einen Kokon aus Fürsorge und Zuneigung.

    „Kleines Glühwürmchen. Ich habe Angst um dich, weißt du das?“ (Seite 192)

    Nun steht Mila vor einem Dilemma und damit alles auf den Prüfstand, wovon sie bislang geträumt hat.

    „Die Macht, die mich zu Sayan hinzieht, gleicht einer Naturgewalt und stellt alles in den Schatten, was ich jemals für David empfunden habe.“ (Seite 195)

    Wer wird am Ende des holprigen Weges inmitten dieses Gefühlschaos auf sie warten?


    „Herzkrank“, eine sogenannte „Hospital Romance“, ist Anna Hensels Debüt. In dem Liebesroman, der (unter anderem) in einem Krankenhaus angesiedelt ist, rückt die Autorin mit Mila Volkmann eine junge Ärztin in den Mittelpunkt und erzählt ihre Liebesgeschichte.

    Anna Hensel weiß, wovon sie schreibt, das offenbart ein Blick auf ihren eigenen beruflichen Werdegang. Schließlich ist sie selbst Medizinerin und hat als Assistenzärztin in verschiedenen Kliniken gearbeitet und einerseits den herausfordernden Alltag mit Patienten und die Auseinandersetzung mit den Widrigkeiten des Gesundheitswesens sowie die kräftezehrende Härte dieser Tätigkeit erfahren, andererseits ebenso die erfüllenden Momente.

    Deshalb hat mir ihre authentische, realitätsnahe und unverfälschte Darstellung vom Krankenhausalltag gefallen, und ich hätte mir gewünscht, dass die Autorin der Handlung ein paar mehr Szenen in der Klinik gegönnt hätte. Denn leider spielt dies nach der Erkrankung von Mila lediglich nebensächlich und kaum eine Rolle.

    Auch wenn die Handlung und ihre Figuren ihrer Fantasie entspringen, hat Anna Hensel sich von vielen eigenen Erlebnissen inspirieren lassen, so dass wir unmittelbar und in einer gewissen Tiefe in die in die gedankliche und emotionale Welt einer angehenden Fachärztin einbezogen werden, wenn diese sich besonders zu Beginn ihrer Ausbildung in der Anästhesie einigen beruflichen Herausforderungen ihrer Laufbahn gegenüber sieht und dann plötzlich selbst zur Patientin wird, weil sie – wie in manchen Berufsständen üblich – in eigener gesundheitlicher Angelegenheit etwas zu sorglos gewesen ist.

    „Herzkrank“ beweist, dass Ärzte wie alle anderen nur allzu menschlichen Regungen unterliegen und dass es völlig einerlei ist, welcher Berufsgruppe jemand angehört:

    Wenn die Gefühle überhandnehmen, kann auch bei einer jungen Ärztin Chaos herrschen, sobald sie sich plötzlich zwischen zwei Männern wiederfindet und das Seelenleben völlig durcheinandergerät.

    Dies beschreibt Anna Hensel auf eine ausgeglichene und wohltuend unaufgeregte Art und Weise, sensibel und gelegentlich mit einem sentimentalen, zu zuckrigem Hauch, aber auf jeden Fall mit einer Erzählstimme, die bis zu uns als Leser durchdringt. Sie lässt dabei ihre Protagonistin Mila selbst berichten, so dass hauptsächlich die Emotionslage im Wechsel zwischen Euphorie und Enttäuschung beim Triangel Mila, David und Sayan deutlich zu Tage tritt und gut nachvollziehbar ist, wobei ich mir ab und an mehr Festigkeit in den Empfindungen von Mila gewünscht hätte.

    Hervorzuheben ist zudem, dass bei Anna Hensel die Herkunft keine Rolle spielt. Es wird nur kurz erwähnt, dass die Wurzeln von einem Teil von Sayans Familie offensichtlich nicht in Deutschland liegen, jedoch im Verlauf der Handlung nicht weiter thematisiert. Was zählt sind die Werte und Emotionen eines Mannes, die von der Autorin überzeugend ausgeführt werden.

    Insgesamt verfügt die Geschichte über eine Leichtigkeit, die auch im Verbund mit den geschilderten Konflikten anschaulich und unterhaltend ist.
    Kohle, Stahl und Mord: Das 13. Opfer Martin Conrath
    Kohle, Stahl und Mord: Das 13. Opfer (Buch)
    10.02.2025

    Das 13. Opfer

    Seit vor vierunddreißig Jahren im Schacht Ludwig des Essener Kohlebergwerk Wilhelmshöhe bei einem Grubenunglück zwölf Kumpel verschüttet wurden, ist Werner Flemming nie das Gefühl losgeworden, in eine Unterwelt voller Gefahren und Unwägbarkeiten abzutauchen. Damals – im Oktober 1988 – war er zu jenem Zeitpunkt auch unter Tage, wurde aber gerettet und ist aus dem Berg zurückgekehrt. Von dem verschütteten Dutzend hingegen fehlt jede Spur. Das hat den Bergmann geprägt.

    Nun soll der alte Schacht zu einem Besucher-Bergwerk ausgebaut werden, und Werner begleitet einen jungen Elektrotechniker zur Überprüfung der Stromkabel. Doch der Berg ruht nicht. Werner droht ein Déjà-vu, nachdem es zu einem Wassereinbruch kommt und die Skelette der vermissten Bergarbeiter freigelegt werden. Außerdem hält Werner plötzlich einen weiteren Schädel in den Händen, und dieser offenbart ein Einschussloch. Opfer Nummer 13 wurde ermordet.

    Damit beginnen die Ermittlungen der Essener Mordkommission. An der Spitze der Soko steht Kriminalhauptkommissarin Elin Akay, die unter anderem von Kriminaloberkommissar Holger Sieburg und der forensischen Psychiaterin Dr. Jana Fäller unterstützt wird.

    Die beiden Frauen sind seit Kindertagen beste Freundinnen, ihre Väter waren ebenfalls Bergmänner, was die Kommunikation mit den Kumpel wesentlich erleichtert dürfte. Denn vermutlich ist einer von ihnen ein Mörder. Oder gibt es vielleicht die Chance, dass der Täter außerhalb dieser eingeschworenen Gemeinschaft zu finden ist?

    Eventuell ist die Tat in Zusammenhang mit den unsauberen Finanzgeschäften des Opfers, der viele Bergleute um ihre Ersparnisse gebracht hat, zu sehen?

    Werner Flemming, der vielleicht wesentliche Hinweise geben könnte, ist nach dem Fund erneut traumatisiert. Schon bei dem so lange zurückliegenden verheerenden Grubenunglück hatte es keinerlei psychologische Hilfe für die gerettetem Männer gegeben.

    Nach und nach offenbaren sich die Geheimnisse, die nicht nur tief im Inneren des Berges verborgen sind …


    Martin Conrath arbeitet in „Kohle, Stahl und Mord. Das 13. Opfer“ mit Wechseln zwischen den Zeitebenen, die sich anfänglich (noch) nicht erschließen. Das belebt aber ungemein die Lektüre und bietet auf diese Art umfangreiche Hintergrundinformationen, die wir zunächst abspeichern und im Verlauf der Handlung zur Auflösung verdichten können.

    Mit einem überzeugenden Erzählton, der zu fesseln vermag, bleibt er nahe an der Wirklichkeit, reichert den Verlauf der Geschichte mit überraschenden Wendungen an. Hier erweist sich insbesondere die Beschreibungen von den Örtlichkeiten und Arbeitsmethoden sowohl über als auch unter Tage als detailreich und ebenso für Unkundige nachvollziehbar. Außerdem bindet der Autor in das Geschehen verschiedene gesellschaftliche und soziale Aspekte ein.

    Die Figurenriege ist umfangreich und erhält immer wieder Zuwachs. Gleichwohl ist es möglich, den Überblick zu behalten. Die Darstellung gelingt, auf menschliche Stärken und Schwächen des Einzelnen wird vom Autorin in passender Weise eingegangen.

    Die Sympathie, die Martin Conrath für seine im Mittelunkt gerückten Protagonistinnen Elin und Jana empfindet, die beide in ihrem Beruf gefordert werden, dies allerdings gern tun, ist spürbar und überträgt sich auch auf den Leser. Er nimmt sich Zeit für sie und Darstellung der Beziehungen zu ihrem Umfeld.

    Die forensische Psychiatrie ist ein interessantes Gebiet der Medizin, und ich habe Jana als eine Person schätzen gelernt, die ihre Tätigkeit sehr engagiert und fokussiert ausübt. Nach den Schilderungen des Autors kann ich mir vorstellen, mit welch beeindruckender Präsenz und Selbstkontrolle sie vor Gericht auftritt. Sie ihrer Mutter nach dem Tod des Vaters noch näher gerückt.

    Daneben ist auch mein Bild von Elin positiv. Mir gefallen ihre Ansätze und Ansichten im der Zusammenarbeit und das Verständnis im Umgang mit den Kollegen im Team, das bis auf eine Ausnahme funktioniert.

    Martin Conrath ist beachtlicher Reihenstart gelungen, „Kohle, Stahl und Mord. Das 13. Opfer“ präsentiert sich als Lektüre mit hohem Unterhaltungswert.

    4,5 Sterne
    Die Schatten von Prag Martin Becker
    Die Schatten von Prag (Buch)
    05.02.2025

    Die Schatten von Prag

    „Die Burg thronte über der Stadt. Der Mond blendete die Moldau, damit sie nicht auch noch einschliefe … Am endlos gewölbten Himmel leuchteten die Sterne stumm um die Wette. Die kälteste Nacht des Jahres 1910 war hell und frostig.“

    Trotzdem droht der „Goldenen Stadt“ Prag düsteres Ungemach.

    Alle blicken zum Himmel hinauf, wo nach 75 Jahre wieder der Halleysche Komet an der Erde vorbeiziehen wird. Das öffnet skrupellosen Geschäftemachern und dem organisierten Verbrechen sowie zudem Verschwörern Türen und Tore. So wird die multikulturelle Prager Bevölkerung wegen des vermeintlich giftigen Schweifes des Himmelskörpers und dem prophezeiten Weltuntergang in größte Aufregung versetzt.

    In dieser aufgeheizten Stimmung sorgen seltsame Todesfälle für weitere Beunruhigung, wobei wegen der bei den Leichen befindlichen Glasfläschchen alles auf Selbstmorde hindeutet. Das mag besonders ein Mann nicht recht glauben: Egon Erwin Kisch arbeitet bei der deutschsprachigen Prager Zeitung Bohemia und stößt als Polizeireporter auf das Geschehen.

    Während er sich in die Ermittlungen stürzt, muss er sich zeitgleich mit Veränderungen bei seinem Arbeitgeber auseinandersetzen. Den Posten des Chefredakteurs übernimmt nämlich Gruber, ein Mann, der augenscheinlich über einflussreiche Beziehungen, nicht aber über Kenntnisse in der Zeitungsbranche verfügt. Mehrfach wird Kisch von ihm ausgebremst.

    Hilfreich hingegen ist die Unterstützung von Lenka Weißbach, einer jungen Frau, die ihr Medizinstudium in Berlin aufgegeben hat und wieder in Prag lebt, weil sie ihre Mutter betreuen muss. Auch die Beziehungen von Kisch zur Halb- und Unterwelt sorgen dafür, dass er den einen oder anderen Hinweis erhält.

    Als eine Verschwörung enormen Ausmaßes immer eindeutiger wird, ist die Suche nach den Urhebern nicht nur dringend, sondern auch lebensbedrohend.


    Der von Tabea Soergel und Martin Becker in Gemeinschaft geschriebene Roman „Die Schatten von Prag“ liest sich wie ein Kaleidoskop der Ereignisse des Jahres 1910. Dank einer intensiven Darstellung der Örtlichkeiten werden wir mitten hineingeworfen in die lebhafte Atmosphäre der historische Metropole an der Moldau, in der sich die Vergangenheit mit der Zukunft, das Traumhafte mit der Wirklichkeit, Schönheit mit Bizzarem verbindet.

    Das Autoren-Duo jongliert mit den Fakten und findet die Balance zur Fiktion, erzeugt Spannung und entwirft ein zeitlich und inhaltlich stimmiges Porträt der Stadt, in der durch das Nebeneinander vieler Nationalitäten in unterschiedlichen Klassengesellschaften und damit verbundenen Hierarchien Konfliktpotential herrscht, Licht und Schatten dicht nebeneinander liegen.

    Als geglückt erweist sich die Idee, den realen Egon Erwin Kisch in den Fokus von kriminellen Ermittlung zu stellen. Ja, der später in Deutschland als „rasender Reporter“ Gerühmte, der mit einem instinktmäßigem Gespür für Situationen punktet, couragiert agiert, zur Übertreibung neigt und einen Hauch Melancholie versprüht, fügt sich hier tadellos ins Geschehen ein, zumal ihm die Autoren die fiktive Lenka Weißbach mit einem scharfen, logisch analysierenden Verstand an die Seite gegeben haben. Die junge Frau, die Medizin nur in Erinnerung an ihren verstorbenen Vater studiert, ist aus der schillernden Großstadt Berlin, dessen wilde Nächte und die erste große Liebe sie schmerzlich vermisst, zurück nach Prag gekommen, weil ihre Mutter sie braucht. Adieu Selbstverwirklichung! Adieu Claire!

    Dem Medizinstudium widmet sie sich in Prag nicht mehr. Stattdessen übernimmt sie einen Job als Schreibmaschinenfräulein bei der „Bohemia“, jener Zeitung, die Kisch ebenfalls beschäftigt. Plötzlich bietet auch das in ihren Augen eher provinziell anmutende Prag mehr Reize als angenommen und die Chance, sich gegen das herrschende Frauenbild zu wehren.

    Anspruchsvoll sind nicht allein die vielen Figuren, deren Zuordnung das eine oder andere Mal neu überdacht werden muss, sondern die Fülle an Informationen, die die Autoren in den Handlungsablauf einfügen. Dadurch erhält das gesamte Werk eine Komplexität, die es gelegentlich erschwert, dem Verlauf der Ereignisse konsequent zu folgen, die Beteiligten konkret zuzuordnen und dadurch zum Treibenlassen bei der Lektüre animiert. Kompliziert sind auch einzelne Beziehungsverflechtungen, so dass es bisweilen an der Nachvollziehbarkeit von Empfindungen mangelt. Dies wird jedoch hier und da durch das Aufblitzen von Ironie und Witz gelockert.

    Schlussendlich bietet „Die Schatten von Prag“ gelungene Unterhaltung im Gewand eines historischen Kriminalromans, die gern eine Fortsetzung erfahren darf. Und tatsächlich erscheint der zweite Fall im Herbst diesen Jahres.
    'Mir fällt gerade ein...' Manfred Krug
    'Mir fällt gerade ein...' (Buch)
    05.02.2025

    Mir fällt gerade ein

    Meine erste bewusste Erinnerung an Manfred Krug – neben den Erzählungen meiner Eltern – war die eines Märchenkönigs. Drosselbart entsprach so gar nicht dem klassischen Bild und sang dazu noch. Damit füllte er seine Rolle des Königs, der als Spielmann das Herz der stolzen Prinzessin erweichen kann, allerdings sehr gut aus.

    Singen konnte er also und schauspielern auch. In der DDR war der Stahlarbeiter, der mit seinen Auftritten als Schauspieler und Sänger bleibende Eindrücke hinterließ, beliebt und eine „kleine“ Berühmtheit, und als er 1977 ausreisen musste, ist sicher nicht nur ihm der Abschied schwergefallen.

    Manfred Krug knüpfte in der Bundesrepublik an seinen Erfolg an und mit „Auf Achse“, „Liebling Kreuzberg“ und dem „Tatort“ schrieb er Fernsehgeschichte. Selbst seine Karriere als Sänger blieb nicht auf der Strecke.

    Und nicht nur das. Manfred Krug war zudem ein passionierter Flohmarktbesucher und beharrlicher Sammler von Antiquitäten und Kuriositäten. Daneben ein sorgfältiger Zeitungsleser, Fernsehgucker, großartiger Tagebuchschreiber und Notierer von vielen Beobachtungen und Anmerkungen, Erkenntnissen und Weisheiten, Anekdoten und schrägen Momente, Geistesblitzen und Assoziationen.


    An diesen zum Teil verblüffenden Einsichten dürfen wir teilhaben, wenn wir das Büchlein „Mir fällt gerade ein …“ zur Hand nehmen. Bemerkenswert an diesem von Lektorin Krista Maria Schädlich zusammengestellten wundersamen Sammelsurium ist die Vielfalt des Interesses von Manfred Krug.

    Mit einer Neugier und Leidenschaft auf die (Um)Welt betrachtet er Menschen und Tiere, Zeitungen und Nachrichten, Fernsehsendungen, Filme und Dreharbeiten, speichert erstaunt und begeistert Wissenswertes, führt haargenaue Auflistungen von Flohmarktfunden, äußert seine unverblümten Auffassungen und Meinungen zu Politikern, Künstlern und Handwerkern und vermittelt mit diesen im Kern eventuell unwichtigen, im Inhalt indes unentbehrlichen Dingen manch verblüffende Sichten hinter die Fassade eines selbstbewussten Mannes und Menschen.

    "Im Dresdener Zoo gibt es eine Riesenschildkröte 'Arnoldi', die eines der 18 letzten Exemplare ist. Das Tier, ein Männchen, stammt von den Galapagos-Inseln und ist 140 Jahre alt. Es hat damit die Hälfte seiner Lebenserwartung hinter sich und soll jetzt auf die Inseln zurückkehren, die Art retten helfen."


    Seine Ergänzung findet das Büchlein durch die Radierungen des Malers und Grafikers Moritz Götze, der bereits den Krugschen Lyrikband „66 Gedichte – Was soll das?“ illustriert hat.

    Das Sammelsurium, dieses amüsante und liebenswürdige Durcheinander, ermöglicht es, dem Menschen Krug nahe zu kommen und seine Begeisterung für Absurditäten und das Ausgefallene sowie seinen speziellen nachdenklichen Blick auf das Leben in zwei deutschen Staaten und die Welt kennenzulernen, auch wenn vielleicht der Hintergrund der ein oder anderen Anmerkung verborgen bleiben wird.

    4,5 Sterne
    Hof Thomas Korsgaard
    Hof (Buch)
    05.02.2025

    Hof

    Tue lebt mit seiner Familie auf einem Hof tief im Landesinneren von Dänemark, weit hinter der Stadt, eingequetscht zwischen unzähligen, anderen unbedeutenden Dörfern. Aus seiner Sicht ist es ein Vorort der Finsternis, wo sich niemand längere Zeit aufhalten sollte.

    Was wird aus einem, wenn er es muss?

    Tue ist der älteste von drei Geschwistern. Sein Vater Lars betreibt Landwirtschaft im Nebenerwerb und versucht sich an einer Hundezucht. Trotzdem ist der Hof hoch verschuldet, das Geld fehlt an allen Ecken und ohne die finanzielle Unterstützung vom Onkel Chresten wäre die Lage noch miserabler. Auch die Arbeit von Mutter Lonny in der Fensterfabrik trägt nur mittelmäßig zur Verbesserung der familiären Situation bei. Alles in allem ist es zum Leben zu wenig, aber zum Sterben zu viel.

    Als Tues Mutter das vierte Kind tot zur Welt bringt, kann sie den Verlust der kleinen Stine nicht verwinden und versinkt in Schwermut. Sie schläft viel, und sobald sie wach ist, sitzt sie vor dem Computer und spielt Online-Poker.

    Die Depression der Mutter belastet die gesamte Familie. Die Geschwister sind sich selbst überlassen, Erziehung findet im Grunde nicht statt. Und die Familie driftet immer mehr in das wirtschaftliche Chaos und soziale Abseits ab.

    „Es war, als wäre der Tod ein Teil von mir, obwohl ich noch nicht besonders alt war. Irgendwie war er immer da ...“

    Tue fühlt Hoffnungslosigkeit und träumt zwischen acht Hunden im Haus, Tierkadavern und dem Klauen von Kupferkabeln von einer neuen Familie, Die, zu der er gehört, ist anders, und er schämt sich dafür.

    Doch nicht allein auf dem Hof verspürt er Unwohlsein, sondern auch in der Schule, wo er den harmlosen Klassenclown spielt, gemobbt wird und keine richtigen Freunde hat.

    Im Laufe der Zeit wächst seine Sehnsucht nach mehr, er entdeckt sein Interesse am eigenen Geschlecht, knüpft freundschaftliche Bande und hat sogar die Chance, das Gymnasium zu besuchen ...


    Thomas Korsgaard, Jahrgang 1995, schrieb seinen ersten Roman „Hof“ mit gerade mal 21 Jahren, und erzählt darin mit Empathie die von der eigenen Vergangenheit inspirierte Geschichte der problematischen Kindheit und Jugend seines Protagonisten. Tue, dem wir über einen Zeitraum von mehreren Jahren, beginnend im Alter von zwölf, folgen, berichtet aus der Ich-Position in Episoden über die Ereignisse, ohne dass es einen konkreten Handlungsablauf gibt.

    Das ist durchaus irritierend, weil hierdurch nicht klar wird, in welcher Zeit wir uns gerade bewegen, wenn wir die Entwicklung von Tue begleiten.

    „Hof“ braucht den Vergleich mit Romanen, in denen dysfunktionale Familienbeziehungen geschildert werden, nicht zu scheuen. Der junge Autor legt eine sprachlich zwar nicht in Gänze herausragende, aber gut lesbare Darstellung einer Familie im sozialen Abseits vor. Gleichwohl soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Schicksal der Familie – mit Geradlinigkeit und ohne Schnörkel in einer Mischung aus Ernst und Tragikkomik geschildert – empfindsamen Lesern zusetzen dürften, ist es jedoch oft sehr deprimierend und durchzogen mit abstoßenden Szenen.

    Außerdem komme ich nicht umhin zu erwähnen, dass das Debüt von Thomas Korsgaard auch auf mich im Grundton insgesamt traurig wirkt, zumal Tue das Dasein meist grau und aussichtslos erscheint.

    Vordergründig ist „Hof“ die Geschichte der Beziehung eines Jungen zu seinem Vater. Einem Mann, der weder die Krankheit seiner Frau erkennt, geschweige denn versteht. Einer, der unzuverlässig ist, lethargisch, gerade kein Vorbild, ohne Interesse für die Bedürfnisse der Familie.

    Es ist der Wechsel zwischen unvorhersehbaren Gewaltausbrüchen, besonders nach dem Konsum großer Mengen Alkohol, und den liebevoll aussehenden Gefühlsbekundungen, die Tue in einen Zwiespalt aus Hilfslosigkeit, Unsicherheit und Beschämung führen. Der Junge reagiert mit Streichen und Fehlverhalten, auf die Geschrei, Demütigungen, Herabwürdigungen und erneute Zurückweisungen folgen, ohne dass ermahnende Worte und ernst gemeinte Gespräche stattfinden.

    Es wundert nicht, dass Tue sich in seinen dunkelsten Momenten den Tod des Vaters vorstellt.

    Manchmal entsteht der Eindruck, dass Lars und Lonny versuchen, ihre drei Kinder zu lieben und zu erziehen, dazu aber nicht in der Lage sind, weil sie nicht über die emotionalen und finanziellen Mittel verfügen.

    Wie soll es dann Tue und seinen Geschwistern gelingen, eine eigene (Mit)Gefühlswelt zu entfalten?

    „Hof“ ist eine Lektüre, die mich in Teilen grundsätzlich berührt, allerdings auch abgeschreckt hat. Im ersten Teil der Tue-Trilogie lässt Thomas Korsgaard einen winzigen Hoffnungsschimmer zu, dass es für seinen Helden funktionieren könnte, einen Weg losgelöst von den Umständen in der Familie einzuschlagen. Es bleibt abzuwarten, wie es in „Stadt“ weitergeht.
    Die Leuchttürme der Stevensons Sabine Weiß
    Die Leuchttürme der Stevensons (Buch)
    10.01.2025

    Die Leuchttürme der Stevensons

    Robert Louis Stevenson ist als Schriftsteller berühmt. Kaum jemand weiß jedoch, dass die Männer in seiner Familie einer Dynastie von Ingenieuren angehörten, die entlang der schottischen Küste eine Vielzahl bedeutender Bauwerke konstruiert haben: Leuchttürme.

    Auch Louis soll der Tradition folgen, und so studiert er 1869 an der Universität in Edinburgh. Aber ohne Enthusiasmus, denn in seinen Augen fehlt ihm das Talent zum Ingenieur. Stattdessen möchte er seine Gedanken in Worte fassen, beflügelt von seiner Fantasie Geschichten schreiben, ein Dichter sein.

    Zugleich will er indes auch die Erwartungen seines strengen Vaters nicht enttäuschen und bemüht sich, diesen gerecht zu werden. Zumal der Vater für die „Launen“ seines Sohnes wenig Interesse zeigt, ja sie sogar ablehnt.

    Aus diesem Grund besteht er auch darauf, dass Louis ihn auf mehreren Inspektionsreisen begleitet oder sich allein an verschiedene Bauplätze begibt. Vor Ort soll er das Handwerk (er)lernen und das passende berufliche Rüstzeug erhalten.

    Bei diesen Gelegenheiten erfährt der angehende Ingenieur von den Bedingungen und Widrigkeiten, die mit der Errichtung eines Leuchtturms einhergehen, riskiert sogar das eigene Leben. Das erhöht seinen Respekt vor den in diesem Zusammenhang zu bewältigenden Aufgaben und Gefahren, glücklich macht es ihn allerdings nicht ...


    Sabine Weiß beeindruckt in ihrem neuen historischen Roman „Die Leuchttürme der Stevensons“ mit ihrer akribischen Recherchearbeit, so dass nicht nur ein authentisches Porträt des Schriftstellers Robert Louis Stevenson in seinen Jugendjahren entsteht, sondern gleichzeitig auch dem Wirken seiner Familie ein kleines Denkmal gesetzt wird.

    Der Autorin gelingt es von Anfang an, einen Teil wichtiger Lebensthemen und -zeiten von Stevenson anzusprechen und mit visueller Kraft darzustellen. Sie formuliert ausführlich und leidenschaftlich, fängt den damals herrschenden Zeitgeist in Anbetracht der religiösen und gesellschaftlichen Vorstellungen der Menschen ein und charakterisiert vor allem ihre Hauptfigur mit augenfälliger Gründlichkeit.

    Außerdem faszinieren ihre mit intensiver Ernsthaftigkeit ausgeführten Beschreibungen von Natur und Bauwerken, bei denen die epische Fabulierfreude der Autorin manchmal überschwänglich zum Ausdruck kommt. Wir lernen hautnah schottische Inseln, Wellenbrecher und Leuchttürme kennen und setzen uns mit der Gefährlichkeit der Errichtung solcher Projekte auseinander wie auch mit der Tatsache, was die Menschen dafür mit welchen Schwierigkeiten auf sich genommen haben. Dramatische Ereignisse werden mit wenigen Spannungsmomenten und in direkter Schlichtheit geschildert, hingegen wiederholen sich gelegentliche Überlegungen und Gedankenspiele jungen Mannes.

    Davon einmal abgesehen, hat Sabine Weiß die Fähigkeit, Stimmungen auf bemerkenswerte Art auszudrücken. So vermittelt sie mit Können und Nachvollziehbarkeit nicht nur den Konflikt zwischen Vater und Sohn, in dem es um das Erfüllen von Erwartungen und Familientraditionen geht. Sie thematisiert auch den inneren Zwiespalt, den Drang und den Wunsch von Robert Louis Stevenson, seinen Geist mit Dichtkunst zu entfalten und zu schreiben, was letzten Endes – wie wir wissen – erfolgreich sein wird.
    STARCK und der erste Tag Christian Jaschinski
    STARCK und der erste Tag (Buch)
    17.12.2024

    Starck und der erste Tag

    „Er hatte überlebt. Doch sein Leben war das Einzige, was ihm geblieben war. Alles andere hatten sie ihm genommen.“

    Andreas Starck steht vor den Scherben seines Glücks, als er aus der Haft entlassen wird. Fünf Jahre hat der ehemalige Oberstaatsanwalt als Wirtschaftsstraftäter unschuldig im Gefängnis gesessen. Alles ist ihm genommen worden. Seine Frau. Seine Tochter. Sein Ruf und seine Karriere. Ganz offiziell und vor Gericht.

    Jetzt kennt er als Erstes nur ein Ziel: Er möchte wieder mit seiner Tochter Greta, die er zuletzt als Zweijährige gesehen hat, zusammen eine Familie sein. Allerdings ist das gar nicht so einfach. Denn das Mädchen lebt nicht wie er bislang glaubte in einer Pflegefamilie, sondern ist adoptiert worden, ohne dass er als Vater seine Einwilligung gegeben hat. Starck wird klar, dass er rechtlich gesehen keine Möglichkeiten besitzt, sein Kind zu erreichen. Also muss er sich anderer Mittel bedienen.

    Darüber hinaus treibt ihn an, seine Rehabilitation zu erreichen, die offensichtlichen Ungereimtheiten aufzuklären und diejenigen zu finden, die für seine Verurteilung verantwortlich sind. Er will die wahren Täter zur Strecke bringen und auch die Mörder seiner geliebten Frau Daniela der gerechten Strafe zuführen.

    Sein Freund Duncan, den er während der Haft kennengelernt hat, unterstützt ihn und stellt ihm Meisterdiebin Vanessa an die Seite.

    Kann Starck auch auf die Hilfe von Jan-Hendrik Steinbeck bauen? Der Kriminalhauptkommissar ist während seiner Dienstzeit als Staatsanwalt nicht unbedingt sein Freund gewesen, gehört aber zu den aufrichtigen Menschen, die einen guten Job machen und denen Starck vertrauen könnte ...


    Mit „Starck und der erste Tag“ startet Christian Jaschinski seine Reihe um den ehemaligen Staatsanwalt Andreas Starck, der – und das liegt deutlich auf der Hand – Opfer eines diffizilen Komplotts geworden ist und sich nach dem Absitzen seiner Strafe weiterhin einem Netz aus Falschaussagen und Lügen, Intrigen und Verschwörung, Drohung und Bestechung, Mord und dunklen Machenschaften gegenübersieht. Nicht zuletzt gilt es jede Menge Geheimnisse zu lösen, die bis in die eigene Familie reichen.

    Christian Jaschinski zieht einen beim Lesen sofort in den Bann. Zwar ist seine Erzählweise eher ruhig, jedoch kurze Kapitel, schnelle Schnitte und eine zunehmende Intensität treiben die durchdachte Handlung voran und bieten einen hohen Unterhaltswert.

    Bis auf wenige Wiederholungen in den Gedankengängen ist das Geschehen um Andreas Starck, auf dessen Seite die Leserschaft von Anfang an steht, facettenreich und mit einer stetigen anspruchsvollen Spannungsdramatik ausgestattet.

    Dass der Autor zumindest das geltende (Familien)Recht beugt, sei ihm verziehen, weil dies verständlicherweise für seinen Plot entscheidend ist. (Dies fällt insofern wahrscheinlich nur denjenigen mit entsprechender Kenntnis auf.)

    Vom Autor werden viele Spuren gelegt, die ein intensives Mitdenken (er)fordern und uns fesseln, so dass wir gemeinsam mit seinem Protagonisten Andreas Starck den Hinweisen folgen und bei den einzelnen Lösungsschritten einbezogen werden.

    Hervorzuheben ist zudem, dass Christian Jaschinski seine Figuren abwechslungsreich gestaltet hat.

    Neben seinem Helden, der in sich einen analytischen Verstand und Emotionalität gleichermaßen vereint, agieren Personen unterschiedlichen Charakters. Hier treten ein paar typengerecht nah an Wirklichkeit und Umfeld entworfene Individuen auf. Daneben gibt es jene integeren ehrlichen Menschen mit Zuwendung und Zuverlässigkeit sowie jene, die sich im Zwielicht befinden und (noch) nicht durchschaubar sind, insbesondere auf welcher Seite sie stehen.

    „Starck und der erste Tag“ ist der beachtenswerte Start einer Thriller-Trilogie, deren Fortsetzung ich mit großen Erwartungen entgegensehe.

    4,5 Sterne
    Ihr letzter Tanz Arne Dessaul
    Ihr letzter Tanz (Buch)
    08.12.2024

    Ihr letzter Tanz

    „Irgendetwas stimmt nicht mit Jakob.“

    Nach dieser Feststellung bittet Kerstin Dieckmann Privatdetektiv Mike Müller darum, ihren Ehemann zu beschatten.

    Das bringt diesen jedoch in arge Bedrängnis, ja in ein echtes Dilemma. Denn Jakob Dieckmann ist einer seiner besten Freunde.

    Außerdem arbeitet Mike momentan unter anderem an einem Altlastfall. Er soll eine undichte Stelle oder sollte man sagen Quelle im Bochumer Schauspielhaus finden, die freudig vor sich hinsprudelt und die Lokalpresse mit Interna der Spielstätte versorgt.

    Nun, Mike wäre nicht Mike, und so lässt sich der Ermittler überreden, bevor jemand Fremder den Job übernimmt. Prompt gerät er selbst in den Schlamassel, als er Jakob dabei beobachtet, wie dieser wie von der Tarantel gestochen aus einem Haus rennt, er selbst in das Gebäude geht und eine Tote in einem plüschrosapinken Kingsize-Bett entdeckt.

    Hiernach rekapituliert Mike: Einer seiner besten Freunde ist möglicherweise gerade zum Mörder geworden, und er hat ihn zum Tatort begleitet und ist deshalb ein wichtiger Zeuge. Die Schlussfolgerung wäre, die Polizei zu rufen, alles zuzugeben und Jakob ans Messer zu liefern. Oder aber nach einer Erklärung zu suchen für den Fall, dass Jakob unschuldig ist, zumindest was diese eine Sache betrifft.

    Eines lässt sich nämlich unschwer leugnen: Die junge Frau ist tot, und irgendwer hat sie umgebracht.


    Arne Dessaul bleibt auch in „Ihr letzter Tanz“ seinem gewohnten Aufbau seiner Bochum-Krimi-Reihe um Mike Müller treu.

    So erfahren wir wieder aus erster Hand von den Ereignissen, die den Privatdetektiv unmittelbar betreffen, wenn er sie persönlich berichtet. Daneben erleben wir Perspektivwechsel in den Handlungsbereich von Jakob, sowohl mit Sequenzen in die Vergangenheit und die Gegenwart.

    Der Autor widmet sich einem aktuellem Thema, den sogenannten „Venusfallen“, und gemeinsam mit Mike kommen wir dem Geschehen auf die Spur. Der gesamte Ablauf ist von Arne Dessaul äußerst geschickt, klug und mit Logik erdacht, so dass wir die losen Fäden erst nach und nach verknüpfen können, wie es sich für einen Krimi gehört. Zwar geht dies in der Hauptsache eher ruhig vonstatten, ist aber auch mit verschiedenen Spannungsszenen versehen, so dass keine Langeweile aufkommt.

    Die Erzählweise präsentiert sich in einem lockeren Aufbau, in dem maßvoll Humor eingesetzt wird, so dass dies zur angenehmen und kurzweiligen Lektüre beiträgt.

    „Ihr letzter Tanz“ verfügt über ein gut komponiertes Handlungsschema, dessen einzelne Kapitel wieder musikalisch eingeleitet werden (auch hier gibt es ein umfangreiches Playlist-Glossar), in dem die Stadt Bochum ihr gebührendes Augenmerk erhält.

    Mike Müller und seine Freunde, vor allem seine Lebensgefährtin Alice, habe ich ins Herz geschlossen. Sie werden mit Sympathie und ihren Eigenheiten sowie kleinen Macken charakterisiert und dürfen auch einmal unvorhergesehen reagieren. Beispielsweise panisch, wenn sie sich eine Leiche und dann ermittelnden Kriminalpolizisten – namentlich Henning Schmitt und Rojin Yildiray – gegenübersehen. Von deren Seite hätte ich mir allerdings etwas weniger klischeehaftes Verhalten gewünscht.

    Unabhängig davon bin gerne erneut nach Bochum gereist und freue mich schon auf ein neues Erlebnis im Ruhrgebiet.

    4,5 Sterne
    Arvil, der kleine Falke - Das große Rennen Thomas Forat
    Arvil, der kleine Falke - Das große Rennen (Buch)
    05.11.2024

    Das große Rennen

    Arvil ist zur Hälfte ein Falke und trägt mehrfarbige Federn, die ihm seine Mutter Isolda, ein Papagei, vererbt hat. Auch sonst ist die Familie bunt gemischt. Zu ihr gehören noch der Vater, Wanderfalke Aron, und die Spitzmaus Serge.

    Einen Papageien-Falken wie Arvil gibt es nur einmal. Er ist ein unbekümmerter Jungvogel, der innerhalb weniger Wochen seine ersten Flugübungen problemlos und voller Energie absolviert und das Fliegen mit tollkühner Begeisterung genießt. Lediglich das fehlende Interesse seines Vaters stimmt ihn oft sehr traurig und macht ihn dann wütend.

    Als Serge und Arvil eines Tages ein Waldflugrennen beobachten, ist der kleine Falke sicher: Er will an so einem Rennen teilnehmen und sein Können beweisen. Leider ist Aron so gar nicht davon zu überzeugen, sein Einverständnis zu geben. Deshalb muss Arvil heimlich trainieren, und sein Glück ist, dass ihm neben Bruder Serge und Eichhörnchen Malou mit Adler Adwanagor auch ein legendärer Helfer zur Seite steht.

    Wird es Arvil gelingen, beim Waldrennen erfolgreich zu starten und sich gegen die fiesen Tricks des mehrmaligen Champion – Rabe Salaniel – durchzusetzen?


    Thomas Forat hat die Geschichte eines Papageien-Falken ersonnen, der sich mit der Teilnahme an einem wichtigen Ereignis einen Traum erfüllen möchte. So darf „Arvil, der kleine Falke“ in „Das große Rennen“ voller Neugierde und unerschrocken sein erstes Abenteuer erleben, zwei weitere werden noch folgen.

    Der Start ist dem Autor gut gelungen. „Das große Rennen“ wird in 22 Kapiteln in einem zeitgemäß lockeren und kindgerechten Sprachfluss erzählt. Ab und an schießt der Autor allerdings über das Ziel hinaus, wenn seine Tiere allzu burschikos reagieren und vor allem menschliche Redewendungen benutzen. Aufgefallen sind mir ebenfalls einige Wiederholungen im Wortgefüge – mehrmals zeigen sich Figuren beispielsweise „benebelt“. Das dürfte Kinder als hauptsächlicher Zielgruppe jedoch nicht stören.

    Davon einmal abgesehen, wird die Handlung verständlich geschildert, und Langeweile gibt es während der Lektüre nicht. Mit Beginn des Waldflugrennens, das wegen Salaniel und seiner düsteren Truppe durchaus Gefahren bereithält, nimmt der Verlauf des Geschehens immer mehr an Tempo zu, so dass der jungen Leserschar aufregende Szenen mit hohem Spannungsfaktor bevorstehen. Ergänzend ist es dem Autor geglückt, besonders mit dem putzigen pupsenden Serge für etliche witzige Stimmungs- und Schmunzelmomente zu sorgen.

    Damit avanciert die Spitzmaus sicher zu einem Liebling der Geschichte. Aber auch die anderen Figuren hat Thomas Forat abwechslungsreich und mit sofort erkennbaren Charaktermerkmalen gestaltet. Neben Arvil, seiner Familie und seinen Freunden agieren der eingebildete Salaniel und seine gemeinen Helfer. Es ist damit von Anfang an klar, wie Sympathie und Antipathie verteilt werden.

    Was „Das große Rennen“ auszeichnet, ist zum einen die erkennbare Botschaft, die der Autor vermittelt. Nämlich niemals seine Träume aufzugeben und an sich zu glauben. Die Freundschaft hochzuhalten, und auch mal über seinen Schatten zu springen und um Hilfe zu bitten.

    Daneben punktet „Arvil, der kleine Falke“ mit den vom Autor selbst geschaffenen und zu den Ereignissen hervorragend passenden Illustrationen, die in ihrer Fertigung farbstark sind und die Geschichte ausdrucks- und eindrucksvoll in ihrer Vielfalt unterstützen.

    „Das große Rennen“ ist eine schwunghafte Abenteuergeschichte, die nicht nur den jugendlichen Lesern Freude bereitet.
    Die Porzellanmanufaktur - Zerbrechliche Träume Stefan Maiwald
    Die Porzellanmanufaktur - Zerbrechliche Träume (Buch)
    21.10.2024

    Zerbrechliche Träume

    1966 teilt die Mauer Deutschland mittlerweile seit fünf Jahren in zwei Staaten, und Autowerkstattbesitzer Gustav nutzt seine weitgehende Reisefreiheit und schmuggelt lebende Güter über die Grenze von der DDR in die Bundesrepublik. Ein gefährliches Unterfangen.

    Bei den Thalmeyers arbeiten in der Manufaktur gut vierzig Personen, wenngleich auch die Nachfrage nach Porzellan nachgelassen hat. Dem Wirtschaftswunder ist ein wenig die Luft ausgegangen. Doch Marie, verantwortlich für die Verwaltung der Manufaktur und Sophie, zuständig für den Außendienst, haben schon einige Schlachten geschlagen und private Verluste erlitten. Aber die Geschäfte führen sie klug, und sie wollen das Familienunternehmen in fünfter Generation erhalten. Müssen sie sich den veränderten Wünschen der Konsumenten anpassen, oder sollen sie wieder etwas wagen? Denn das ist bisher immer ihre Stärke gewesen. Es anders zu machen als die anderen und dadurch zwei Kriege und unzählige Krisen zu überstehen.

    Das Verhältnis von Marie zu ihrer Tochter Jana ist angespannt, innige Augenblicke sind eher selten. Jana wird flügge und verlässt die heimatlichen Gefilden Richtung München, um Jura zu studieren. Der „Backfisch“ ist froh, endlich der kleinbürgerlichen Enge der Provinz zu entgehen und wild entschlossen, all das nachzuholen, was sie bislang versäumt zu haben glaubt.

    Dank Onkel Joachim, der als Künstleragent viel unterwegs ist, bekommt sie in seiner Wohnung ein eigenes Zimmer mit Balkon. Die tolle Großstadt lockt mit neuen Möglichkeiten und Gefahren. Das ahnt Jana allerdings noch nicht. Jetzt erst einmal gibt sie sich Mühe, bei allem dabei zu sein.

    Joachim Thalmeyer, fungiert nach wie vor als stiller Teilhaber und überlässt es seinen Schwestern, sich um die Porzellanmanufaktur zu kümmern. Seine Welt sind die Musik und das Fernsehen, und seine Künstler machen alle ausnahmslos Karriere.

    Dauerfeind Karl Metsch ist gestorben und hat den Staffelstab der Feindschaft an seinen Sohn Abel weitergegeben, der bereits vor dem Tod des Vaters die Geschäfte an sich gerissen hat, tatkräftig unterstützt von seiner nimmermüden Mutter Alexandra.

    Nun versucht Abel Metsch als Verleger der regionalen Zeitung „Oberfränkische Stimme“ seine Macht auszuspielen und neue Intrigen zu ersinnen. Der erklärte Widersacher der Thalmeyers schafft es bis zum Bürgermeister. Wird es ihm letzten Endes gelingen, seine Erzfeinde zu bezwingen und die verfluchten Thalmeyers aus Selb zu jagen, ihre Porzellanmanufaktur in den Konkurs zu treiben oder gar selbst zu übernehmen?


    Wie schon in den Vorgängerbänden der Reihe „Die Porzellanmanufaktur“ legt Stefan Maiwald auch im dritten Band „Zerbrechliche Träume“ nicht nur den Fokus auf die Vorgänge in und um die Porzellanmanufaktur, sondern bindet das Zeitgeschehen und die herrschenden Gegebenheiten in der Bundesrepublik der Sechziger Jahre ein.

    Deshalb bin ich wieder begeistert von seiner hervorragenden Recherchearbeit. Insbesondere gefällt mir, wie er mit scheinbar leichter Hand geschichtliche und gesellschaftliche Momentaufnahmen in einer Fülle aufbereitet, die das Wissen erweitert, ohne die Wirkung eines Sachbuches zu versprühen. Nur wenn der Autor – wie aus meiner Sicht beim Thema Golf – zu sehr in die Tiefe geht, nimmt die Leseaufmerksamkeit etwas ab.

    In „Zerbrechliche Träume“ bleibt Stefan Maiwald von Anfang an seinem gewählten Erzählstil treu und schildert den Verlauf der Ereignisse stringent, dynamisch und in kurzen Kapiteln klar strukturiert. Er verzichtet dieses Mal – mit wenigen Ausnahmen – bei den Perspektivwechseln auf diejenigen in die Vergangenheit und beschränkt sich diesbezüglich in der Handlung auf gelegentliche Hinweise.

    Der Autor schafft in seiner mittlerweile gewohnten Handschrift ein authentisches und buntes Bild der damaligen Zeit und Umstände und paart sie mit stimmungs- und humorvoller Lockerheit.

    Seine bekannte Figurenriege, deren Charakterisierung er verfeinert und teilweise mit weiteren Konturen versehen hat, ergänzt er mit den Auftritten neuer fiktiver und daneben einiger realer Persönlichkeiten. Beispielsweise wird Koch Paul Bocuse in die Handlung eingebunden, und Mime Klaus Kinski darf in unverkennbarer Weise einen bezeichnenden Auftritt haben.

    Leider heißt es nunmehr Abschied nehmen von der Familie Thalmayer, von ihren Wegbegleitern, Freunden und Feinden. Ich habe ich gefreut, dass ich sie über einen großen Zeitraum ihrer Lebens begleiten durfte. Vielleicht gibt es ja irgendwann noch einmal ein „Wiedersehen“.

    4,5 Sterne
    Verwerfungen Su Turhan
    Verwerfungen (Buch)
    24.09.2024

    Verwerfungen

    Wieder einmal bin ich in eine Reihe „eingestiegen“, denn „Verwerfungen“ ist bereits der achte Fall, den der bayrisch-türkische Autor Su Turhan für seinen Kommissar Pascha alias Zeki Demirbilek ersonnen hat.

    Für die Figurenriege ist es ein Neubeginn. Das Schicksal von Zeki nach einer fast tödlich endenden Attacke hat auch das Schicksal seiner Mitarbeiter besiegelt. Das Sonderdezernat für Schwerverbrechen mit Migrationshintergrund, intern kurz „Migra“ genannt, existiert nicht mehr, und die ehemaligen Kollegen sind mit neuen Chefs und Versetzungen in andere Abteilungen beschäftigt. Oberkommissarin Isabel Vierkant beispielsweise kämpft um ihre Rolle und ihren Platz in der neu zusammengesetzten Mordkommission, Serkan Kutlar lehnt den neuen Chef Helmut Herkamer ab und geht in eine Soko nach Leipzig.

    Zeki Demirbilek selbst befindet sich auf Erholungsurlaub in Istanbul, hadert gleichwohl mit der Vergangenheit und hängt lethargisch zwischen den Seilen, vor allem weil ihn auch die Nähe zu Exfrau belastet. Schließlich hofft er immer noch darauf, dass er das Herz seiner großen Liebe zurückzugewinnen kann, obwohl Selma ihm deutlich zu verstehen gegeben hat, dass sie keine gemeinsame Zukunft sieht.

    Da kreuzt bei Zeki sein langjähriger Freund Robert Haueis, der Inhaber eines kleines Antiquitätengeschäfts in München, auf. Robert ist seiner kürzlich gestohlenen wertvollen Medusenstatue auf der Spur, die bei einer Istanbuler Auktion illegal zum Verkauf angeboten wird. Bei der Medusa handelt es sich um eine Replik einer Statue, die 1204 von Kreuzfahrern aus der Kleinen Hagia Sophia gestohlen, nach Venedig gebracht wurde und im Laufe der Jahrhunderte verschwand.

    Die Suche nach der Statue ist nicht allein für den erfahrenen Kommissar eine Herausforderungen. Denn es dauert nicht lange, bis seine ehemaligen Mitarbeiter in München und die türkischen Kriminalisten um Selim Kamaz ebenfalls in den Fall involviert werden. Nicht nur in der Türkei wird eine Leiche entdeckt, auch in München stoßen die Ermittler auf einen grausigen Fund. Die Ermittlungen laufen bald länderübergreifend bis hin nach Kopenhagen, wo Selma einen neuen Job antreten will ...


    Um es gleich vorweg zu nehmen, auch ohne Vorkenntnisse ist es möglich, dem Geschehen in „Verwerfungen“ zu folgen, weil Su Turhan nicht an eingestreuten Informationen spart und es damit Neueinsteigern erleichtert, sich in diesem achten Band der Reihe zurechtzufinden und das Beziehungsgeflecht zu verstehen. Lediglich hinsichtlich der Familie von Zeki Demirbilek bleibe ich an Ende mit einigen Wissenslücken zurück.

    Su Turhans Erzählstil ist in der Regel anschaulich und angenehm, und nur gelegentlich etwas umständlich. Kurze Kapitel und viele Ortswechsel mit authentischen Beschreibungen wirken unterstützend auf den Unterhaltswert einer eingängigen Handlung, die zunächst mit Bedacht beginnt, sich dann entwickelt und mit einigen kniffligen Überraschungen für einen ansteigenden Spannungsbogen sorgt.

    Der Autor macht es einem leicht, seinen Zeki zu mögen. Der Ermittler alter Schule ist ein sympathischer Zeitgenosse, manchmal etwas eigen in der Lösung seiner Probleme, aber geradlinig und empathisch, mit einem klugen Kopf auf den Schultern, den er ständig arbeiten lässt. Er „beißt“ sich fest, vor allem als der Fall größere Dimensionen annimmt als anfänglich erwartet.

    Auch die weiteren Figuren erfahren eine ausgewogene Charakterisierung und sind mit unterschiedlichen Facetten ausgestattet, in denen kulturelle Unterschiede humorvoll angesprochen werden. Zudem wird deutlich, dass der Autor Wert darauf legt, unkonventionelle Persönlichkeiten in die Geschichte einzubinden.


    „Verwerfungen“ von Su Turhan überzeugt mit reflektierbaren Ereignissen und Akteuren voller Lebendigkeit und gestattet einen vergnüglichen Blick auf Eigenarten einer Multikulti-Gesellschaft.
    Tankred: Krone und Kelch Michael Römling
    Tankred: Krone und Kelch (Buch)
    17.09.2024

    Krone und Kelch

    Mitte August 882. Der Tag beginnt mit strahlendem Sonnenschein, und dass Wetter passt zur Stimmung von Tankred, dem einst in die Klosterhaft verbannten Grafensohn. Schließlich sieht er einer vielversprechenden Zukunft entgegen, erneut ist er seinem Ziel, sein Erbe zurückzuerhalten, wieder ein Stück nähergekommen. Das Unrecht, das die vergangenen fünfzehn Jahre seines Lebens vergiftete, wird an diesem Tag rückgängig gemacht, die Gerechtigkeit wiederhergestellt, die Schande ausgelöscht, Wut und Groll besänftigt.

    Bischof Franco, mit dessen Urteilsspruch Tankreds Misere vor vielen Jahren begann, überreicht ihm das Pergament, mit dem die Annullierung der Ehe von Tankreds Eltern für null und nichtig und deren beiden Söhne als rechtmäßige Nachfolger erklärt werden.

    Tankred ist inzwischen ein bekannter Mann, seine Leistungen werden gewürdigt. Innerhalb von wenigen Monaten ist er von einem Mönch auf der Flucht zu einem Ratgeber des Kaisers geworden, dessen Anführer ihm Gehör schenken und seine Pläne so sehr schätzen, dass sie sie als ihre eigenen ausgeben.

    Zwar ist die Dänenplage vorerst vorbei – mit Kisten voller Gold und Silber sind die Invasoren nach jahrelang ertragenen Drangsalierungen der Menschen abgezogen, nachdem sie mehrere Wochen in ihrer Inselfestung Asselt belagert worden waren. Hingegen sitzen Uta und Gerold immer noch auf dem Familienanwesen und werden das Feld nicht freiwillig räumen.

    Tankred braucht mithin Unterstützer, die ihm Bewaffnete zur Verfügung stellen. Andererseits hatte es sich bereits in der Vergangenheit abgezeichnet, dass er noch nicht den versprochenen und erforderlichen Beistand in dem Maße erhält, wie er ihn gegen seinen Halbbruder Gerold benötigt.

    Vielmehr soll er zunächst einmal im Geheimen eine Gesandtschaft nach Rom führen, die für den Kaiser bei Papst Johannes um die Erfüllung eines delikaten Anliegens nachsucht.

    Tankred tritt also eine gefährliche Reise an. Seine Begleiter sind seine Freunde Lupus und Gauzbert sowie Nantbert, ein Mönch aus Fulda, der in theologischen Fragen bewandert ist wie kein Zweiter, und Hunold, ein Priester aus Utrecht, der angeblich sämtliche Erlasse, Dekretalen und Verträge der letzten hundert Jahre sowie den zugehörigen Schriftverkehr im Schlaf runterbeten kann.

    So vergeht wieder einige Wochen und Monate, bevor sich Tankred und Gerold endlich gegenüberstehen …


    Mit „Krone und Kelch“ finden die Handlung, die in „Weihrauch und Schwert“ ihren Anfang genommen hat und in „Hammer und Kreuz“ weitergeführt wurde, ihren vorläufigen Abschluss.

    Allerdings gönnt es Michael Römling seinem Helden Tankred zunächst (noch) nicht, im Privaten erfolgreich zu sein und endgültig zur Ruhe zu kommen. Stattdessen fügt er dem erbitterten Kampf seines Protagonisten mehrere neue Kapitel hinzu und lässt ihn zum wiederholten Male für den Kaiser die Kastanien aus dem Feuer holen oder mit Tankreds Worten ist er wieder derjenige, „der den Karren für den Kaiser aus dem Dreck“ zieht und mit Selbstverständlichkeit sein Leben aufs Spiel setzt.

    Es wundert nicht. Schließlich zeichnen unseren Helden Intelligenz, Geistesschärfe und Leidenschaft aus. Seine Bildung befähigt ihn, den Dingen auf den Grund zu gehen. Er ist loyal, integer und unbestechlich und wechselt nicht mal eben die Fronten, um schneller vorwärtszukommen. Außerdem hat er bewiesen, dass er sich nicht einschüchtern lässt. Gleichwohl ist er nicht fehlerfrei, kehrt so manches Mal den „Graf Neunmalklug“ heraus. Letztlich durchläuft er eine Entwicklung, die für ihn spricht, bei der das Verlangen nach Rache von dem Wunsch nach Gerechtigkeit beiseite gedrängt werden.

    Dem Autor hat es sicherlich Vergnügen bereitet, Tankred ein paar Überraschungspäckchen zu schnüren. Und ordentlich „Remmidemmi“ und Verschwörungen zu ersinnen.

    Und zwar unter anderem in Rom, in der Machtzentrale der Christenheit. Bereits der Weg dorthin ist beschwerlich. Denn schnell wird offensichtlich, dass die Reise der Gesandtschaft gar nicht so geheim ist wie angenommen. Auf das Leben von Tankred würden seine Begleiter wahrscheinlich keine Münze mehr setzen angesichts der Anschläge, mit denen er konfrontiert wird, und der zahlreichen Bemühungen, ihn zu töten.

    Auch im dritten Band greift der Autor auf seine umfangreiche historische Recherche zurück und präsentiert einen bunten Reigen aus tatsächlichen Vorfällen, die sich in den fiktiven Rahmen perfekt einfügen.

    Michael Römling hat seinen Sprachrhythmus intensiv verfeinert und prägnant ausgearbeitet, setzt hinsichtlich Tragik und Komik eine gelungene Mischung ein und würzt das Geschehen mit Esprit und Witz, wozu auch ein paar „Sportwiele“ beitragen.

    „Krone und Kelch“ setzt einen Schlussstrich unter die „Reise“ von Tankred auf der Suche nach Gerechtigkeit. Während ich die gesamte Reihe mit Begeisterung gelesen habe, ist der dritte Band mein persönlicher Höhepunkt.
    Tankred: Weihrauch und Schwert Michael Römling
    Tankred: Weihrauch und Schwert (Buch)
    17.09.2024

    Weihrauch und Schwert

    Wir schreiben das Jahr 882. Seit ihrer Vertreibung aus England sind die Dänen auf Beutezug im Rheinland. Vor allem auf die reichen Klöster haben sie es abgesehen, denn dort finden sie überhaupt keine Gegenwehr. Aber auch vor den schlecht gesicherten und kaum verteidigten Städten machen sie keinen Halt, und immer hinterlassen sie rauchende Trümmer.

    Nun stehen sie vor den Toren des Klosters Prüm in der Westeifel. Dessen Mönche sind rechtzeitig geflohen, nachdem sie ihre anfängliche Verteidigungsbereitschaft angesichts mangelnder Erfolgsaussichten ad acta gelegt haben.

    Allein Tankred bleibt zurück. Der Bibliothekar sorgt sich um die Bücher der Abtei, sie sind sein zweites Leben. Deshalb möchte er sie retten, bevor er Prüm ebenfalls den Rücken kehrt

    An diesem 6. Januar 882, dem Epiphaniastag, entscheidet sich Tankreds Schicksal, und er tritt seinen Rückweg in sein altes Leben an. Aus Tankred, dem Benediktinermönch und Bibliothekar, wird wieder Tankred, der Sohn des Grafen Thegan, ein zum Kämpfen erzogener und ausgebildeter Krieger.

    Ab dem Moment, den er nicht mehr als Mönch hinter Klostermauern verbannt ist, treibt ihn noch etwas an: Die Sorge um seine Schwester Judith, den einzigen Menschen aus der Verwandtschaft, der ihm etwas bedeutet. In Wahrheit ist es Tankred allein, der weiß, wo Judith lebt, genau genommen derjenige, der weiß, dass sie überhaupt lebt

    Trotz aller Hoffnung kommt er zu spät. Judith ist nicht mehr in Aachen, wo er sie in Sicherheit glaubte, sie wurde von Dänen entführt

    Gemeinsam mit seinem neuen Gefährten Gauzbert folgt er der Spur der Dänen, immer in der Hoffnung, dass Judith wegen ihrer Besonderheit – zwei verschiedenfarbige Augen –, nicht als Sklavin verkauft wird.

    Die Reise ist beschwerlich, nicht nur die winterlichen Witterungsverhältnisse machen ihnen zu schaffen. Sie müssen ebenso ständig auf der Hut vor den Dänen sein, die ihren Weg kreuzen.

    Tatsächlich entdecken sie Judith in den Fängen des Dänen Ivar, ein unberechenbarer und gewalttätiger Unhold, der selbst von seinen eigenen Leuten als irre betrachtet wird. Eine Befreiung stellt sich dadurch als viel schwieriger heraus, als angenommen …


    Mit „Weihrauch und Schwert“ startet Michael Römling die Reihe um seinen Helden Tankred, für die er sich eine Epoche der wenig bekannten deutschen Geschichte ausgesucht hat und eher selten Mittelpunkt historischer Romane.

    Von Anfang an fasziniert seine Darbietung der Ereignisse, weil er hier nicht nur fundiertes historischen Wissens einbettet, sondern auch einen mitreißenden und überzeugenden Erzählton anlegt und diesen dauerhaft zu halten vermag, dessen thematisch notwendige Ernsthaftigkeit mittels humorvoller Szenen aufgelockert, so dass ein vereinzelter Ausflug in die moderne Sprache verziehen wird.

    Der Autor ist in der Lage, uns mit detaillierten Bildern Einblicke in die damaligen, geschichtlich überlieferte Vorgänge zu gewähren und paart diese mit einer fesselnden Handlung, in der seine fiktiven Figuren neben einstigen Persönlichkeiten agieren.

    Überhaupt sind es die sorgsam und unverwechselbar ausgearbeiteten Charaktere, vordergründig Tankred in seinem Zwiespalt, indes auch alle anderen von Gauzbert und Lupus, Fidis und Folchar, bis hin zu den familiären und dänischen Gegenspielern, die den Roman zu einer unterhaltsamen Lektüre machen.

    Der Roman profitiert von der Erzählweise seines Protagonisten aus der Ich-Position heraus. So befinden wir uns als Leser mitten im, an Tempo zunehmenden Geschehen und sind in die Abenteuer im Grunde hautnah involviert.

    Die Schilderungen des im Kloster zum Manne gereiften Tankreds sind facettenreich, offen und ehrlich, manchmal deftig im Ausdruck, meist direkt und schmuck-, aber nicht emotionslos. Hinsichtlich der ihm anvertrauten Menschen offenbart Tankred seine weiche Seite und begegnet ihnen mit Rührung und Liebe sowie der unbedingten Entschlossenheit, besonders die zerbrechlichen Leben zu verteidigen.

    Einst hatte er, der Sohn eines Adligen, einen Menschen getötet und wurde in die klösterliche Verbannung nach Prüm geschickt. Dort arrangiert sich der junge Mann, anfänglich noch zerfressen von Hass und Wut, mit seinem Los, erfährt Erfüllung in seiner Tätigkeit als Bibliothekar und verbringt einen Großteil seiner Zeit in der Abtei – immerhin zwölf Jahre – damit, sich mit Wissen „vollzusaugen“ und dieses Wissen bei Tag und Nacht zu verarbeiten, zu notieren, nachzuschlagen, abzugleichen, zusammenzufassen und umzuformulieren.

    Indes will es das Schicksal anders. Von einen Tag auf den anderen wird Tankred vom beschaulichen Dasein als Mönch, als Denker und Freund der Wissenschaft zurück katapultiert ins Leben als Kämpfer, hinein in ein Spiel aus Macht und Intrigen, bei dem wir ihn im Folgeband weiterhin gerne begleiten.

    4,5 Sterne
    Sommerzauber auf Sylt Daniela Gesing
    Sommerzauber auf Sylt (Buch)
    15.07.2024

    Sommerzauber auf Sylt

    Verena wird nach fast zwanzig Ehejahren von ihrem Mann verlassen, nachdem sie durch einen Zufall erfahren hat, dass er bereits seit vielen Monaten mit seiner blutjungen Praktikantin Annika ein Doppelleben führt. Verena ist am Boden zerstört. Deshalb trifft sie der „Verrat“ ihrer einstigen großen Liebe mit einem tiefen Stich im Herzen. Wie viele andere Frauen hat sich Verena wenig um ihr eigenes beruflichen Fortkommen bemüht, sondern sich um die Kinder und den Haushalt gekümmert. Das rächt sich nun.

    Auch darum flüchtet Verena mit Hund Rudi aus dem Reihenhaus am Rande des Ruhrgebiets auf die Insel Sylt zu ihrer Tante Marlene, die in Wenningstedt Ferienwohnungen vermietet. Sie hofft, dass sie hier Ruhe findet und das Geschehen verarbeiten sowie sich über ihre Zukunft klar werden kann. Und sie lernt den Sylter Hanno kennen, bei jeder Begegnung spürt sie ein Knistern und Kribbeln im Inneren.

    Wird dies ein Aufbruch in eine neues Leben?

    Auf der Insel möchte Verena sich außerdem mit ihrer besten Freundin Caro treffen und gemeinsame Zeit verbringen.

    Caro ist Lehrerin und seit zwei Jahren Single. Die Begegnung mit ihrem neuen Nachbarn Ben, der anfangs nervt, dann aber Interesse an ihr offenbart, aktiviert offensichtlich ihre Partnersuch-Hormone. Warum sonst sollte ihr plötzlich die Attraktivität von Michael, ihrem Kollegen auffallen, der nicht nur über gutes Aussehen, sondern auch über einen hervorragenden Charakter verfügt. Er ist engagiert, feinfühlig, lustig und kann kochen. Ein Problem gibt es jedoch: die blonde Referendarin Julia hängt wie eine Klette an Micha und scheint sämtliche Annäherungsversuche zu torpedieren.

    Daniela Gesing baut ihre Geschichte „Sommerzauber auf Sylt“ mit Themen auf, die zwar nicht neu sind, aber tagtäglich passieren können. Sie macht dies in einer gelösten und trotz der angesprochenen Probleme unbeschwerten Erzählweise aus Sicht von Verena und Caro, und das vor allem mit viel Sympathie und Empathie für ihre Protagonistinnen.

    Wenngleich einige Missverständnisse in ihrem Auftreten leicht überzogen wirken, verhindert es die Autorin mit glücklicher Hand, in eine klischeehafte Darstellung abzurutschen, weil sie die Schilderungen nicht überstrapazierend ausbaut.

    Bei der Gestaltung der im Fokus stehenden Figuren hat mir besonders gefallen, dass Verena nach ihrer anfänglichen Erschütterung, ihrer Ohnmacht hinsichtlich des Verhaltens von Jan sowie den zwischenzeitlichen Zweifeln daran arbeitet, dies alles hinter sich zu lassen, um ihr zerstörtes Selbstwertgefühl wieder zu errichten. Sie schwankt zwischen der Trauer, dass das Gewohnte verloren geht und der Erkenntnis, dass sie eigentlich immer gewusst und damit die Augen vor der Wahrheit verschlossen hat, dass Jan und sie nicht wirklich zueinander passen. Verena kann sich ihre Emotionalität bewahren, und meine Bewunderung gilt auch ihrer neuen Eigenständigkeit und Eigenverantwortung.

    Caro hingegen hat sich mit der Tatsache arrangiert, dass wohl Familie und Kinder für sie nicht (mehr) in Frage kommen. Unvermittelt steht sie im Fokus von zwei Männern, und der Autorin gelingt es gut, jenes, in Caro herrschende Dilemma, sich ihrer Empfindungen für Ben und Micha bewusst zu werden, sie zu sortieren und zu gewichten, mit Plausibilität zu beschreiben.

    Daniela Gesing zeigt in „Sommerzauber auf Sylt“ in beachtlicher und ermutigender Weise, dass ein Neuanfang jederzeit ein von Erfolg gekröntes Wagnis sein kann.
    Ihr letztes Spiel Arne Dessaul
    Ihr letztes Spiel (Buch)
    28.05.2024

    Ihr letztes Spiel

    Mike Müller und seine Sekretärin Alice sind ein eingespieltes Team. Nicht nur in der Detektei, sondern auch als Liebes- und Lebenspartner.

    Als Alice plötzlich spurlos verschwindet, glaubt Mike, ein Déjà-vu zu erleben, hat er doch achtzehn Jahre zuvor den Verlust seiner damaligen Freundin verkraften müssen. Während der Fußballweltmeisterschaft 2006 war Valerie entführt und nie wieder aufgefunden worden. Außerdem zerbrach zu diesem Zeitpunkt die Freundschaft zu seinem Mitbewohner Simon.

    Nun steht wieder eine Meisterschaft im eigenen Land an, und es überschlagen sich die Ereignisse: Mike trifft zufällig Simon wieder, und fast parallel scheint es jemand seine Gefährtin ins Visier genommen zu haben.

    Aber Mike ist nicht mehr der unbedarfte Student, der er einst war und begibt sich auf die Suche, auch in seinen Erinnerungen an das einstige Geschehen.

    Wird er dieses Mal erfolgreich sein und Alice wiederfinden?


    Der Privatdetektiv Mike Müller steht in seiner Heimatstadt Bochum vor seinem bislang größten Fall. Denn mit der Entführung seiner Lebensgefährtin Alice wird es sehr persönlich.

    Arne Dessaul lässt seinen Protagonisten in Ihr letztes Spiel eine harte Nuss knacken, die ihm einiges abverlangt. Vor allem weil ihn diese recht geheimnisvollen und keinen Sinn ergebenden Vorgänge, die er aus seiner Sicht schildert, in die eigene Vergangenheit führen. Nur so können er und wir Leser mit ihm die Zusammenhänge begreifen.

    Arne Dessauls Krimi enthält eine mit Geschick ersonnene Handlung, die zwischen den Jahren 2024 und 2006 wechselt und die in Deutschland stattfindenden Fußballmeisterschaften einbindet. Sie wird unbeschwert, stellenweise mit einer gewissen Komik und in einem gefälligen Rhythmus erzählt, wozu die musikalische Benennung der Kapitel passend gewählt ist. Es gibt sogar ein Glossar für sämtliche Songs der Playlist.

    Das Thema Fußball erhält naturgemäß einen hohen Stellenwert, ist indes für Nicht-Liebhaber zu keiner Zeit ausufernd oder eintönig. Genauso wie die Atmosphäre der Stadt Bochum, die Arne Dessaul dezent vermittelt.

    In der Gestaltung gelungen sind ebenfalls die eingeschobenen Passagen, die Einblicke in die Situation der Gangster und der Entführten bieten. Tatsächlich haben auch diese Abschnitte mein Gedankenkarussell angekurbelt und zusätzliche Spannungsmomente erzeugt.

    Eindeutig gehören daneben sämtliche Überraschungseffekte zu den Höhepunkten der Geschichte, wobei allerdings lediglich als kleiner Wermutstropfen - das Ende etwas zu knapp geraten ist.

    Hiervon abgesehen ist "Ihr letztes Spiel" ein kurzweiliger Krimi, bei dem das Zusammenspiel aus Plot und Protagonisten sehr gut funktioniert.

    4,5 Sterne
    Die Porzellanmanufaktur - Zerbrechliche Hoffnung Stefan Maiwald
    Die Porzellanmanufaktur - Zerbrechliche Hoffnung (Buch)
    14.05.2024

    Zerbrechliche Hoffnung

    Keine acht Jahre nach einem verlorenen Krieg, zerstörten Städten, zerbombter Infrastruktur und Millionen von Toten normalisiert sich die Weltlage und Deutschland schickt sich an, zu neuem wirtschaftlichen Aufschwung zu gelangen. Die Kriegsgegner Großbritannien und Frankreich hat es längst hinter sich gelassen, und hinsichtlich der Exporte liegt es im Vergleich zu den USA auf der Überholspur. Die Aussichten sind goldig.

    Wenn auch nicht alle Schrecken der Vergangenheit überwunden sind, so widmen sich die Menschen im Jahr 1952 der Gestaltung der Zukunft. Auch die Thalmeyers stellen sich in ihrer Porzellanmanufaktur in Selb wichtigen Herausforderungen.

    Zunächst beginnt das Jahr gut, die Auftragsbücher sind voll. Dann jedoch droht Konkurrenz aus der DDR: Meißner Porzellan, das viele Jahre nicht in den Westen gelangte, darf wieder importiert werden und erobert mit günstigeren Preisen den westdeutschen Markt. Die Thalmeyers verlieren Kunden, und plötzlich sieht die Zukunft der Manufaktur nicht unbedingt rosig aus.

    Zumal sie sich außerdem noch mit ihrem diebischen Buchhalter Willemsen auseinandersetzen müssen, der die letzten zwei Jahre fast zehntausend Mark in die eigene Tasche gesteckt hat.

    Zumindest eine Sorge ist Marie Thalmeyer los: Sie konnte ihre Tochter Jana, deren Sorgerecht ihr auf Grund eines alten Gesetzes entzogen worden war, innerhalb kürzester Zeit zurück in ihre Obhut nehmen.

    Während Marie die Geschicke der Manufaktur lenkt, bereist ihre Schwester Sophie mit Porzellankollektionen die Kaufhäuser in ganz Bayern und macht dabei äußerst erfolgreich Reklame für die Produkte. Ihre Ehe mit Harry Kruskopp funktioniert zuverlässig, allerdings zeigen sich diesbezüglich ein paar Gewitterwolken am Himmel.

    Joachim Thalmeyer verbringt viel Zeit mit seinem Jugendfreund Bernhard. Die beiden musizieren nicht nur gemeinsam, sondern halten dort, wo sie es dürfen, Händchen. Ein offizielles Paar sind sie indes nicht, das ist dann doch viel zu gefährlich im Jahr 1952. Daneben konzentriert sich Joachim darauf, sich als Manager von zukünftigen Stars zu etablieren.

    Eine alte Feindschaft erhält zusätzliches Feuer, und es werden auch von anderer Seite Intrigen gesponnen ...


    Mit „Zerbrechliche Hoffnung“ kehren wir 1952 in „Die Porzellanmanufaktur“ nach Selb zurück. Der zweite Band knüpft wenige Monate später an das Geschehen des Vorgängers an und bringt uns nunmehr die Hoffnungen der Menschen nahe, die sie mittlerweile nach der Überwindung der entbehrungsreichen Nachkriegsjahre immer mehr hegen. Stefan Maiwald eigener Schreibstil ist mir inzwischen sehr vertraut, so dass ich mich dieses Mal von Anfang über den zwischen den Zeilen erkennbaren untrüglichen feinen Humor freuen konnte.

    Außerdem gelingt es dem Autor erneut, den historischen Hintergrund akkurat zu verarbeiten, so dass ein atmosphärisches aktives Bild der Anfänge der Fünfzigerjahre entsteht, das den damals herrschenden Zeitgeist in seiner detaillierten Farbigkeit ausgezeichnet wiedergibt. Die Menschen schauen nach vorn und hoffen auf eine bessere Zukunft, die Dank „Wirtschaftswunder“ auch durchaus aussichtsreich ist.

    Die Geschichte profitiert von den Wechseln der Perspektiven in kurzen schnittigen Kapiteln, die zum einen Vergangenes aufgreifen, zum anderen die Gegenwart reflektieren, was die ständige Neugier auf den weiteren Verlauf der Ereignisse anheizt.

    Wenngleich manchmal die Verbindung zu den Figuren etwas ausgebremst und damit die emotionale Nähe eingeschränkt wird, so hat mich dies weniger gestört als im ersten Band, weil für mich die Zurückhaltung in der Darstellung von Empfindungen ein Merkmal der Art und Weise des Erzählens ist.

    Stefan Maiwald baut in seinem zweiten Band abermals auf seine uns bereits vertraute Figurenmannschaft mit alten Freunden und Feinden auf, wobei mancher Weg und ebenso die Entwicklung der unterschiedlichen Charaktere etwas intensiver beleuchtet werden. Daneben ergänzt er die Stammbesetzung mit ein paar interessanten Persönlichkeiten, die in besonderer Weise agieren und die Handlung in ihrer Mischung aus Tragödie und Komödie auffrischen.

    Das alles trägt zur erfolgreichen Fortführung der Reihe um „Die Porzellanmanufaktur“ bei. „Zerbrechliche Hoffnung“ ist kurzweilige Unterhaltung im Gewand der Fünfzigerjahre, die anregende Lesestunden bereitet und darum empfehlenswert ist.

    4,5 Sterne
    Venezianischer Fluch Daniela Gesing
    Venezianischer Fluch (Buch)
    24.04.2024

    Venezianischer Fluch

    „Die Krähe legte ihren Kopf schief und starrte die verängstigte und unterkühlte junge Frau neugierig an. Sie beobachtete alles, was in den nächsten Minuten geschah.“

    Eine junge Frau ist von einer Brücke gestürzt. Und während Luca Brassoni, Commissario Capo bei der venezianischen Polizei, seinen freien Tag hat, liegt bei seiner Ehefrau Carla Sorrenti, der federführenden Gerichtsmedizinerin der Stadt, ein neuer Fall auf den Tisch. Schnell stellt sich heraus, dass Antonella Carracci, so der Name der Toten, entgegen der ersten Annahmen nicht selbst gesprungen oder versehentlich gefallen ist, sondern ihr Körper Kampfspuren aufweist. Folglich ist klar, dass sie gestoßen und ermordet wurde.

    Insofern stellt sich nicht nur die Frage nach dem Täter, sondern auch, ob der Zettel, den das Opfer bei sich hatte und der von einem Fluch spricht, von Bedeutung ist.

    Die Sache wird persönlich, als Carla in ihrer Tasche eine Fetischpuppe findet. Obwohl sie im wahrsten Sinne des Worte eine realistische und rational denkende Person ist, ihr Flüche und Aberglauben ein Graus sind, bekommt sie plötzlich schreckliche Angst.

    Will jemand die Arbeit der Polizei blockieren? Möglicherweise die Familie Perroni?

    Antonella Carracci hat nämlich als Rezeptionistin im Hotel der Familie gearbeitet und war mit deren Sohn Carlo verlobt. Die Begeisterung von Patriarchin Magda Perroni hielt sich diesbezüglich in Grenzen, um nicht zu sagen, sie war nicht vorhanden. Das rückt die Familie ins Zentrum der polizeilichen Ermittlungen, zumal auch das Hotel mit einem angeblichen Fluch belastet sein soll, was für erhebliche Verunsicherung der Menschen sorgt.

    Auffällig ist zudem das Verhalten der einzelnen Familienmitglieder, die mit Distanz und Abwehr reagieren und die Geduld der Polizei herausfordern. Die Perronis sind alteingesessene Venezianer, genießen einen angesehenen Ruf und pflegen einflussreiche Beziehungen. Darum dauert es nicht lange, bis Silvia Bertuzzi, die Leiterin der Dienststelle, vom Bürgermeister bedrängt wird und von ihrem Team zügig Ergebnisse erwartet werden.

    Die Situation erweist sich als kompliziert, als sich im Hotelbereich ein weiterer Mord ereignet und außerdem Carlo Perroni verschwindet ...


    "Venezianischer Fluch" ist mein erster Kriminalroman von Daniela Gesing, obwohl Luca Brassoni und seine Kollegen bereits das neunte Mal ermitteln. Die Geschichte bietet das, was ich von diesem Genre erwarte: ein differenziert konstruierter Plot mit Opfer(n), energischen Ermittlern, nachvollziehbarer Spurensuche, vielen Verdächtigen, falschen Fährten, interessanten Geheimnissen und nicht zu vergessen mit unterschiedlichen Emotionen.

    Daniela Gesing hat eine angenehme Erzählweise, in der mich lediglich am Anfang die diversen italienischen Bezeichnungen irritiert und meinen Lesefluss beeinträchtigt haben. Ansonsten ist die Handlung nachvollziehbar dargestellt, und die Schilderung der Ereignisse und Ermittlungen erfolgt mit einen wirksamen Spannungsbogen. Daneben gelingt es der Autorin, die Neugier hinsichtlich einiger rätselhafter Wechsel in die Sichtweise des identitätslosen Täters hoch zu halten und ein paar Überraschungsmomente einzubauen.

    Hervorzuheben ist außerdem die gekonnte Beschreibung die örtlichen Schauplätze. Hierdurch ist vor meinem geistigen Auge ein lebendiges Bild von Venedig entstanden, ohne dass ich die Lagunenstadt bislang in der Realität kennengelernt habe.

    Der Roman punktet mit Figuren, die Daniela Gesing überzeugend gestaltet hat. Als besonders wohltuend empfinde ich es, dass sympathische Menschen mit einem normalen Familienleben, bei dem Organisationstalent gefragt ist, agieren sowie Kollegen ihre Arbeit ohne Konkurrenzdenken gemeinsam erledigen und auftretende Meinungsverschiedenheiten gleichberechtigt klären. Natürlich gibt es auch diejenigen Charaktere, bei denen auf eine Begegnung verzichtet werden könnte, weil ihre negativen Eigenschaften überwiegen. Doch in gewissen Maß habe ich auch bei diesen geringe positive Wesenszüge entdeckt, wenngleich das ohne Übertreibung sehr schwer gewesen ist.

    Nach der Lektüre habe ich den Eindruck, dass neben dem Kriminalfall die Konflikte von Menschen, die in Verbrechen involviert werden, im Mittelpunkt stehen.

    Luca Brassoni ist bald Vater von zwei Kindern. Meines Erachtens nach ist er aus diesem Grund darauf bedacht, dass die Ermittlungen seine Familie nicht beeinträchtigen, was allerdings nicht unbedingt funktioniert, weil seine Ehefrau Carla in den Fokus gerät.

    Magda Perroni hingegen hält die Zügel straff in der Hand, von den Meinungen ihres Ehemannes Bernardo und ihrer Kinder Livia und Carlo lässt sie sich nicht beeinflussen. Sie gerät in den Strudel der Ereignisse, die alles verändern.

    "Venezianischer Fluch" ist ein unterhaltsamer Kriminalroman, den ich gerne gelesen habe, so dass ich mich auf ein "Wiedersehen" mit der venezianischen Mannschaft samt Picco, dem tierischen Profiler, freue.
    Helle Tage, dunkle Schuld Eva Völler
    Helle Tage, dunkle Schuld (Buch)
    08.03.2024

    Helle Tage, dunkle Schuld

    1948 leiden die Deutschen nach wie vor unter den drastischen Folgen, die ihr Weltkrieg über die Menschen gebracht hat. Die Entnazifizierung durch die Alliierten ist noch nicht abgeschlossen und erweist sich bereits jetzt als lückenhaft und inkonsequent. Ehemalige NS-Diener drängen zurück auf ihre alten Posten.

    Damit muss sich auch Kriminalinspektor Carl Bruns auseinandersetzen, der wegen eines jüdischen Großvaters und des verbundenen (fehlenden) Arier-Nachweises für elf Jahre aus dem Polizeidienst entlassen worden war, stattdessen als Bergmann gearbeitet hat und erst nach Kriegsende wieder eingestellt wurde. In der Essener Polizeibehörde steht er tatsächlich eines Tages seinem ehemaligen Ausbilder gegenüber, der sich rehabilitieren möchte.

    Doch nicht nur das beschäftigt Carl.

    Er wird zu einem Tatort gerufen, dessen Opfer ihn mit der Vergangenheit verbindet. Bei der Toten handelt es sich um die Mutter eines gesuchten Naziverbrechers, der für eine Massenerschießung von Zwangsarbeitern verantwortlich zeichnet und sich auf der Flucht befindet. Außerdem ist der gesuchte Hoffmann mit Frieda, der Schwester von Carl erster großer Liebe Anna verheiratet. Die Frauen waren einst aus Angst vor den Grausamkeiten und Peinigungen des Mannes nach Köln geflohen. Nachdem das Testament der Toten ihren Enkel Emil als Haupterben bedenkt, kehrt die Familie nach Essen zurück.

    Carl bezieht besonders Anna in die Ermittlungen mit ein. Zugleich flammen „alte“ Gefühle auf. Die verwitwete Krankenschwester scheint diese zu erwidern, so dass sowohl Carl als auch Anna Hoffnung schöpfen, dass ihnen nach all den Jahren etwas Glück zuteil werden wird. Wären da nicht weitere Tote und die Tatsache, dass sowohl Spuren zu den im Haus von Frau Hoffmann einquartierten Flüchtlingen und Ausgebombten sowie zu Frieda führen. Allesamt sind durchweg nicht gut auf die Ermordete zu sprechen und verhehlen ihre Abneigung nicht.

    Wäre das nicht bereits schlimm genug, könnte Anna selbst in Gefahr sein ...

    Eva Völler schreibt ohne Schnörkel und mit Intensität. Sie ist klar im Ausdruck der Schilderung der Verhältnisse und misslichen Lage in diesem Nachkriegsjahr und integriert in ihrem Roman „Helle Tage, dunkle Schuld“ gekonnt einen Kriminalfall mit dramatischen Handlungsablauf. In deutlicher Bildsprache beschreibt die Autorin eine Stadt, in der ganze Teile von Bomben zerstört wurden, so dass drei Jahre noch nicht genug Zeit waren, alle Trümmer und die gewaltige Menge des gesamten Schutts zu beseitigen. Aus diesem Grund sind die vorherrschenden Wohnsituationen mehr als beengt.

    Deshalb leben die Bewohner des Mehrparteienhauses der toten Frau Hoffmann dicht an dicht zusammen, sie eint das jeweilige unterschiedliche Schicksal, jedoch auch die Antipathie gegenüber der Hausbesitzerin.

    Die Deutschen befinden an einem Wendepunkt. Nach langen Jahren im Banne der Nazi-Herrschaft müssen sie erkennen, dass ihre Nation eine von Eva Völler betitelte „dunkle Schuld“ zu tragen und aufzuarbeiten hat, die für die meisten Menschen zwar unbegreiflich, hingegen unerlässlich im Verständnis ist, damit ein Wiederaufstehen möglich wird.

    Es sind nicht ausschließlich die Vorgänge im Privaten, sondern daneben die gegenwärtigen politischen Gegebenheiten, beispielsweise in den Behörden wie der Polizei, die die Bemühungen erschweren, den Aufbau einer gerechten Gesellschaft voranzutreiben. Noch immer und bereits wieder gibt es all jene, die auf der Suche nach dem eigenen Vorteil sind und aus der Vergangenheit nichts gelernt haben und dies auch nicht wollen.

    Hierdurch wirkt das Geschehen authentisch, in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hat mir eine enge Teilhabe am Geschehen gestattet.

    Eva Völler scheut sich nicht, Grautöne zu verwenden. Ihre Protagonisten sind nicht nur schwarz oder weiß gezeichnet. Sensibel beleuchtet die Autorin das Zusammensein der Menschen, die auf unterschiedliche Arten miteinander verbunden sind: Liebe, Freundschaft und Mitgefühl stehen Wut, Ablehnung und Hass gegenüber.

    Carl wagt viel für seine erste Liebe Anna. Darüber hinaus muss er abwägen, wie er Wahrheit und Lüge voneinander abgrenzt, und vor allem, ob er das überhaupt will.

    Anna stellt ihr Kraft völlig in den Dienst der Familie, zu der außer Frieda und Emil noch die jüngere Schwester Lotti gehört, und versucht, diese mit aller Macht zu schützen. Dabei trägt sie selbst schwer an vergangenen Ereignissen, geht indes mit ihrem Kummer nicht hausieren. Die echten Probleme behält sie für sich, sie funktioniert und will niemand anderen belasten.

    Vorsichtig, aber stetig entwickeln Anna und Carl Empfindungen (neu), das selten gewordene Gefühl von Zusammengehörigkeit, so dass Sorgen und Ängste nebensächlich erscheinen – eine in meinen Augen sehr glaubwürdige Darstellung.

    Eva Völler verdeutlicht, wie wichtig es ist, „aus der Vergangenheit zu lernen und es dann besser zu machen.“ Ihr Roman „Helle Tage, dunkle Schuld" ist ein hervorragendes Beispiel dafür.
    Die Porzellanmanufaktur - Zerbrechlicher Frieden Stefan Maiwald
    Die Porzellanmanufaktur - Zerbrechlicher Frieden (Buch)
    12.12.2023

    Zerbrechlicher Frieden

    Die Porzellanmanufaktur der Familie Thalmeyer im oberfränkischen Selb hat eine lange Tradition. Zwei Jahre nach dem zweiten Weltkrieg ist es jedoch nicht einfach, die Produktion am Laufen zu halten, fehlt es hauptsächlich am dafür notwendigen Rohstoff Kaolin, zumal ein Konkurrenzkampf um die Reserven mit dem mächtigen Papierfabrikanten Karl Metsch besteht.

    Als Patriarch Ludwig Thalmeyer überraschend stirbt und es vom seit Ende 1944 in Russland verschollenen Sohnes Joachim keine Nachricht gibt, liegt es an Marie, der ältesten Tochter, die Geschicke der Fabrik in die Hand zu nehmen. Kein leichtes Unterfangen. Die Zeiten sind nach wie vor unruhig. Und als junge Frau scheint sie sich auf „verlorenem Posten“ zu bewegen. Denn die Männer haben das Sagen. Außerdem brauchen die Menschen andere Dinge als feines Porzellan.

    Doch trägt Marie nicht allein Verantwortung für die Fabrik und die Arbeiter und deren Familien, sondern sie muss auch für die bei ihnen einquartierten Flüchtlinge sorgen.

    Marie, wegen ihrer hellen makellosen Haut „Porzellankind“ genannt, hat sich schon immer mehr für die Manufaktur interessiert als ihr – für die Nachfolge vorgesehener – musikalischer Bruder. Darum stellt sie sich mit Ernsthaftigkeit der Herausforderung, den damit verbundenen Aufgaben und neuen Verpflichtungen. Hilfe erhält sie einerseits von ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Sophie, die aber zugleich das neue Leben in vollen Zügen genießen möchte, und andererseits von der amerikanischen Besatzungsmacht. Es ist besonders Militärgouverneur John McNarney, auf dessen Unterstützung sie zählen kann. Und nicht nur das …


    Mit „Zerbrechlicher Frieden“ startet die Reihe „Die Porzellanmanufaktur“ von Stefan Maiwald, in deren Mittelpunkt mit Marie und ihrer Schwester Sophie zwei Frauen stehen, die sich in einer von den Männern regierten Welt behaupten und trotz aller widrigen Umstände und Niederlagen versuchen, ihren Traum von einem eigenständigen Leben zu verwirklichen.

    Das ist mit einiger Mühsal verbunden. Deutschland und seine Menschen erholen sich nur langsam von den Folgen des Zweiten Weltkrieges und setzen alles daran, den Verlust von Angehörigen zu verarbeiten und den Wiederaufbau des Landes voranzutreiben. Obwohl seit Mitte 1947 die Versorgungslage in den von den besetzten Zonen spürbar besser wird, ist der Mangel allgegenwärtig und Schwarzmarktgeschäfte blühen. Daneben gibt es immer noch jene, die ihr eigenes Fortkommen im Sinn haben und sich selbst am nächsten sind.

    Dem Autor gelingt sprachlich klar und verständlich unter Einbindung historischer Informationen und Ereignisse eine authentische Darstellung, die vor allem von Schilderung des Alltags mit den Problemen profitiert. Unbedingt muss in dem Zusammenhang die Schneiderei von Frau Helgard hervorgehoben werden, in der der Dorfklatsch immer neue Nahrung erhält. Das ist mit einem Augenzwinkern erzählt und nimmt der herrschenden Situation mit etwas Humor die Schwere.

    Stefan Maiwald macht deutlich, dass in manchen Köpfen der Krieg noch nicht vorbei ist. was sich in Aggressionen und Vorurteilen gegen Flüchtlinge äußert, obwohl diese vielfach die fehlenden Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ersetzen.

    Hinsichtlich seiner Figuren ist es dem Autor geglückt, sie vielfältig zu charakterisieren und die Beziehungen zueinander aufzuschlüsseln. Einige Positionen von Gut und Bösen sind sehr offensichtlich verteilt, wobei gerade die „Feinde“ deutliche Strukturen erfahren, wenn sie geblendet von Hierarchie, Ideologie und Machtgelüsten moralisch verdorben agieren oder Intrigen spinnen. Wiederum befinden sich andere Personen in Grauzonen und machen einen gewissen Reiz in der Geschichte aus.

    Während des Verlaufs der Handlung wechseln die Schauplätze, und Stefan Maiwald gewährt Rückblicke in die facettenreiche Vergangenheit einzelner Figuren. So erhalten wir Einsicht in ihre Motivationen und Gefühle und werden in Entwicklungen eingebunden.

    Es sei allerdings auch angemerkt, dass im gegenwärtigen Geschehen das eine oder andere Mal intensive Emotionen im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen herausgefiltert werden müssen.

    Insgesamt ist „Zerbrechlicher Frieden“ ein gelungener und unterhaltender Auftakt einer Trilogie, bei der der nächste Band mit Freude zur weiteren Lektüre erwartet werden kann.
    Das Erbe derer von Thurn und Taxis Johanna von Wild
    Das Erbe derer von Thurn und Taxis (Buch)
    01.12.2023

    Das Erbe derer von Thurn und Taxis

    1618 werden die königlichen Statthalter der katholischen Habsburger vom böhmischen Adel in der Prager Burg aus dem Fenster geworfen, nachdem die Beschlüsse des Augsburger Religionsfriedens von 1555 mehr und mehr unterlaufen worden waren und die Auflösung der Versammlung der protestantischen Stände das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

    Seitdem herrscht nicht nur in Böhmen Krieg, sondern auch im Süden Deutschlands. Deshalb steht die erste, rein zufällige Begegnung von Silas von Maringer und Gräfin Alexandrine von Taxis im Jahr 1623 unter keinem guten Stern. Abgesehen davon, dass Alexandrine verheiratet ist, gilt Silas als Sohn des Oberstallmeisters des Kurfürsten von Mainz von niederem Adel und ist zudem vierzehn Jahre jünger. Indes soll dieses Treffen für beide von Bedeutung für ihr restliches Leben haben, denn beide spüren die gegenseitige Anziehung und beginnende Zuneigung.

    Als Alexandrines Ehemann Leonhard stirbt, übernimmt sie das Amt der Generalpostmeisterin, um ihrem Sohn Lamoral das Erbe bis zu dessen Volljährigkeit zu sichern, allerdings unter der Bedingung, dass sie sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht erneut vermählt. Damit scheint schon allein aus diesem Grund eine gemeinsame Zukunft der beiden in weiter Ferne zu liegen.

    Während sich Alexandrine um den Erhalt der Poststationen und Routen sowie deren Ausbau kümmert, verlässt Silas seine Familie und die Heimat, geht seinen eigenen Weg und stellt sich neuen Herausforderungen, bis er eines Tages endlich als Reiter in Alexandrines Dienstes tritt. Doch dann kehrt er von einem Auftrag nicht zurück, und Alexandrine bemerkt in Bangen und Ängsten, wie viel ihr der junge Mann tatsächlich bedeutet …


    Mit „Das Erbe derer von Thurn und Taxis“ rückt Johanna von Wild eine ungewöhnliche Thematik in den Mittelpunkt: das damalige Postwesen und die Probleme und Herausforderungen, die während des Dreißigjährigen Krieges und der hiermit verbundenen, sich häufig ändernden Situation einhergingen.

    Darüber hinaus vermittelt die Autorin in verständlicher Weise, erzählerischer Dichte und sprachlicher Gewandtheit einen detaillierten Abriss der historischen Ereignisse, die nicht nur eine allumfassende Recherche offenbaren, sondern auch Grundlage für die Einbindung ihrer Figuren in das Geschehen bilden.

    Verschiedene Wechsel erlauben Einblicke in die Leben der Hauptfiguren während der Zeit des Krieges mit seinen diversen Schlachten anlässlich der Auseinandersetzungen um den wahren Glauben zwischen Katholischer Liga und Protestantischer Union und die Machtkämpfe der gekrönten Häupter. Insofern gelingt es der Autorin, im Handlungsverlauf Episoden voller Anschaulichkeit, Kontraste und Emotionen wiederzugeben. Besonders in der Schilderung der persönlichen Schicksale der Menschen inmitten der großen Umwälzungen, die Tod, Hunger, Krankheiten und folglich Leid und Elend brachten, sind die Ausführungen äußerst bildwirksam und intensiv, ja zum Teil drastisch. Die nachhaltige Darstellung trifft so das Innere des Lesers, im Wesentlichen allem bei der Beschreibung von Grausamkeiten.

    Neben den realen Persönlichkeiten hat Johanna von Wild facettenreiche Charaktere erdacht und mit Stärken und Schwächen ausgestattet, so dass sie in ihrer Entwicklung bei der Verwirklichung der Ziele manchmal Fragen aufwerfen, jedoch gerade aus diesem Grund authentisch wirken. Hier sind vorrangig auch die Nebenfiguren zu erwähnen, denen sich die Autorin mit gleichwertiger Begeisterung gewidmet hat wie ihren Hauptprotagonisten.

    Gräfin Alexandrine von Taxis ist eine historische Persönlichkeit, die – für ihre Zeit ungewöhnlich – Unterstützerin ihres Ehemannes gewesen ist und deswegen auch von ihm mit der Sicherung des Erbes für den Sohn Lamoral betraut wurde. Schon allein das ist bemerkenswert. Es eröffnet uns die Aussicht auf eine Frau der Willenskraft und des Könnens sowie des Vermögens, Augenmerk auf die entscheidenden Dinge zu legen. Eine Frau und Mutter, die sich nicht zu schade dafür ist, für das Erbe ihres Sohnes alles auf sich zu nehmen.

    Alexandrines Spur in der Historie verliert sich, nachdem Lamo die Geschicke der Post weiterführt. Somit ist der Autorin möglich gewesen, ihre Fantasie spielen und Alexandrine eine Liebe zum fiktiven Silas erleben zu lassen.

    Überhaupt Silas. Es fällt beileibe nicht schwer, ihn zu mögen. Er liebt Pferde, und vor allem mit Nabil, seinem treuen Begleiter auf den wahrlich abenteuerlichen Wegen, bildet er eine Einheit. Sein Selbstbewusstsein und Loyalität zeichnen ihn aus und erlauben es uns, für ihn trotz seines gelegentlichen Wagemuts das Beste zu hoffen.

    Johanna von Wild überzeugt mit der Liebesgeschichte zwischen Alexandrine und Silas, weil sie sie sehr zurückgenommen, aber mit feiner Zartheit innerhalb der dramatischen Vorkommnisse erzählt. So wird „Das Erbe derer von Thurn und Taxis“ zu einem historischem Roman, der mit seiner ungewöhnlichen Geschichte ausgezeichnete Lesestunden bietet.
    Die Mission des Goldwäschers Ralf H. Dorweiler
    Die Mission des Goldwäschers (Buch)
    06.11.2023

    Die Mission des Goldwäschers

    Das Leben des Goldwäschers Frieder wird zu einem Abenteuer besonderer Art, als er sich im Jahr 1771 gemeinsam mit seinen Freunden Armin und Ruedi, dem Buchhändler Magnus von Auenstein und dessen Tochter Eleonore sowie dem Mönch Melchior auf die Suche nach dem legendären Schatz der Nibelungen begibt. Eine alte Handschrift mit versteckten Zeichen soll ihnen die Richtung weisen. Doch das Ziel ist in Rätseln verschlüsselt, und obwohl Bruder Melchior mit Hilfe von Eleonore die Buchstaben erscheinen lassen kann, bedarf es der Zusammenarbeit aller, um die Lösungen zu finden. Außerdem sitzt ihnen die Zeit im Nacken. Schließlich kann der Schatz nur am längsten Tag des Jahres gehoben werden.

    Bald bemerken sie, dass die Reise nicht arm an Hindernissen ist und zu einem lebensgefährlichen Wagnis wird. Söldner eines französischen Baron heften sich an ihre Fersen und schrecken auch nicht vor Mord zurück,um ihrerseits des Buches habhaft zu werden.

    Unerwartete Unterstützung erhalten die Schatzsucher von einem Student, der sich später als Dichter einen großen Namen machen wird: Johann Wolfgang Goethe. Und eine ungewöhnliche "Amazone" kreuzt ebenfalls ihren Weg ...


    „Die Mission des Goldwäschers“ von Ralf H. Dorweiler ist ein historischer Roman mit einer originellen Idee: Eine Gruppe bunt zusammengewürfelter Menschen startet eine abenteuerliche Schatzsuche nach dem sagenhaften Gold der Nibelungen. Die dadurch miteinander verbundene Truppe könnte nicht unterschiedlicher sein.

    Goldwäscher Frieder und seine Freunde, Schmied Armin und Vergolder Ruedi, treffen auf den Buchhändler Magnus von Auenstein und seine Tochter Eleonore, den Mönch Melchior und später den Studenten Wolfgang, der die Gemeinschaft nicht nur mit seinem Frohsinn bereichert. Jede dieser Personen hat ihren eigenen Charakter, den der Autor mit Präzision ersonnen hat und darstellt. Im Verlauf des Geschehens wachsen sie uns ans Herz, und ihre Gegner lassen unsere Ablehnung in die Höhe schnellen. Auf jeden Fall rufen sie mannigfaltige Emotionen hervor: Zuneigung, Freude, Rührung, Verwunderung, Bangen, Hoffen, Ärger, Empörung, Trauer ...

    Ralf H. Dorweiler bedient sich einer ruhigen und mit bildhafter Nachvollziehbarkeit beschreibende Erzählweise, die ich schätze. Sie konzentriert sich auf das Wesentliche, ohne dabei karg zu sein und vermeidet Ausschweifungen. Der Wechsel von Perspektiven und einige schwungvolle Wendungen frischen die Szenerie auf. Der Autor vermag es, die Lokalitäten des Geschehens im Detail und folglich sichtbar zu schildern, ohne dass ich jemals vor Ort war. Deshalb habe ich mich von Beginn an beim Lesen wohlgefühlt und bin der Handlung, die von einer sich steigernden Dramatik begleitet wird, und den Protagonisten mit Aufmerksamkeit begegnet.

    In der Geschichte wird die Schreibarbeit des Autors von seiner ausgezeichneten Recherche ergänzt und führt tatsächlich als Erstes zu einem Überraschungsmoment. Denn wer hätte gedacht, dass es in deutschen Landen möglich ist, aus einem Fluss wie dem Rhein Gold zu waschen. Es ist erstaunlich und ferner beachtlich, mit welcher Fertigkeit das einst passiert ist. Ralf H. Dorweiler bringt uns die Arbeit von Frieder, die durchaus schwer und auch gefährlich gewesen ist, auf eine unkomplizierte, aber zugleich beeindruckende Art näher, so dass wir nicht das Gefühl haben, eine wissenschaftliche Abhandlung zu lesen.

    Ebenso weit entfernt von der Sachlichkeit ist die Lehre, die wir aus dieser Geschichte ziehen können: Was bedeuten uns die wirklichen Werte im Leben. Sind es die materiellen Dinge, denen wir nachjagen. Oder wartet am Ende nicht ein wahrer Goldschatz dort auf uns, wo wir ihn gar nicht vermuten ...
    Alles behalten für immer. Ruth Rilke Erika Schellenberger
    Alles behalten für immer. Ruth Rilke (Buch)
    26.06.2023

    Alles behalten für immer. Ruth Rilke

    Ruth Rilke hat die Erinnerungen an ihren Vater, den Dichter Rainer Maria Rilke, immer hochgehalten, obwohl die Zeit, die sie – auch wegen der frühen Trennung der Eltern – gemeinsam mit ihm verbrachte, gering bemessen war.

    Überhaupt wissen recht wenige, dass Rilke eine Tochter hatte. In der öffentlichen Betrachtung ist ihr Bild blass geblieben, und es ist der Literaturwissenschaftlerin Erika Schellenberger zu verdanken, dass dies in „Alles behalten für immer. Ruth Rilke“ mittels behutsamer und aufklärender Annäherung korrigiert und Ruth Rilke als Hüterin des Nachlasses ihres Vaters die ihr zustehende Aufmerksamkeit und Anerkennung verschafft wird.

    Doch Ruth Rilke ist nicht nur die Tochter eines bedeutenden Vaters, sondern auch einer ebensolchen Mutter: die bekannte Bildhauerin und Malerin Clara Westhoff. Diese lernt Rilke 1900 in der Künstlerkolonie Worpswede kennen und lieben. 1901 wird geheiratet, und die Tochter kommt im Dezember desselben Jahres zur Welt.

    Bereits im August 1902 begibt Rilke nach Paris, wohin ihm Clara nach Auflösung des Haushaltes in Westerwede folgt. Ruth bleibt bei den Großeltern Westhoff in Oberneuland, einem ländlich gelegenen idyllischen Stadtteil von Bremen.

    Denkbar ist, dass Rilke einem (klein)bürgerlichen Familienleben nichts abgewinnen kann, so dass die Ehe zerbricht. Clara trennt sich von ihrem Mann, kehrt zur Tochter zurück und siedelt mit ihr nach Fischerhude über, wo sie bis zu ihrem Tode 1954 lebt.

    Gleichwohl verbinden Clara Westhoff und Rainer Maria Rilke bis zum frühen Tod des Dichters 1926 freundschaftliche Bande, und ebenso die Beziehung zwischen Vater und Tochter bleibt einander zugewandt, vertrautvoll und herzlich, wenn „Väterchen" sich Zeit für Ruth nimmt. So erscheint er auch zur Hochzeit der Tochter 1922 mit dem Juristen Carl Sieber.

    In Todesjahr der Mutter zieht Ruth dann zurück in das Dorf an der Wümme. Drei Jahre später erinnert sie sich an die verschiedenen Stationen in ihrem Leben.


    Sieben Jahre lang hat sich Erika Schellenberger auf die Spurensuche begeben, in den Rilke-Archiven in Bern und Marbach recherchiert sowie Gespräche mit Ruth Rilkes Stieftochter Uta Addicks geführt, die ihr zudem das Familienarchiv in Fischerhude zugänglich machte. Dadurch erhielt sie für ihr Anliegen beachtenswerte neue Einblicke in bisher unveröffentlichtes Material.

    „Alles behalten für immer. Ruth Rilke“ ist als autobiografischer Roman in auf Assoziationen beruhender Erzählweise konzipiert und mit vielen Originalzitaten versehen. Die Autorin rückt hierin einerseits persönliche Lebensstationen der Tochter eines berühmtes Dichters und einer Pionierin der Bildhauerei in Deutschland in den Mittelpunkt und ermöglicht es außerdem, an sehr privaten Szenerien und aufschlussreichen Anekdoten teilzuhaben, die die Eltern nahbar illuminieren. Lediglich die gewählten Zeitsprünge aus der gewählten Rahmenhandlung heraus – Ruth sitzt 1957 hinter ihrem Haus, in dem ihr zweiter Ehemann und Stieftochter Uta am Werk sind, erinnert sich und führt Gespräche mit einem Radiojournalisten – hemmen manchmal eine stringente Lektüre.

    Sind allerdings die kleinen Hürden solcher Wechsel genommen, gelingt ein Betrachten des Geschehens und der Ereignisse in durchdringender Weise und Intensität. Die Darstellung fängt die Stimmung ein, in der Ruth das Werk ihres Vater in lebenslanger Hingabe und tiefer Verbundenheit angemessen bewahrt hat. Dafür sei ihr zu danken und Erika Schellenberger, ohne die diese Würdigung nicht stattgefunden hätte.

    4,5 Sterne
    Nur noch bis morgen Martha Simmat
    Nur noch bis morgen (Buch)
    05.06.2023

    Nur noch bis morgen

    Ewigkeiten, also seit ihrer Schulzeit, haben sich die ehemaligen Freundinnen Eva und Franka nicht gesehen.

    Eva versucht nach ihrer Scheidung ihr Leben mit ihrer fast sechzehnjährigen Tochter neu zu organisieren und hat eine eigene Praxis für Anti-Ehe-Beratungen gegründet: eine sogenannte Trennungsbegleitung. Zu ihr sollen Menschen kommen, die sich vom Partner trennen möchten und dabei mentale Unterstützung benötigen, damit alles geordnet ablaufen kann. Bislang reichen die wenigen Hilfesuchenden, denen sie Ratschläge erteilt, allerdings nicht aus, um die Kosten zu decken, so dass die finanziellen Mittel an allen Ecken und Enden fehlen. Eva, die sich für die Praxis bei ihrem Ex-Mann Andreas verschuldet hat, möchte aber ihr Herzprojekt nicht aufgeben. Außerdem setzt Andreas sie permanent unter Druck und Evas Mutter erpresst sie mit dem Entzug ohnehin spärlicher Liebe. Das alles mündet in mangelndem Selbstwertgefühl, und Eva trinkt öfter einmal mehr als ein Glas Wein.

    Franka hingegen scheint alle ihre Pläne verwirklicht zu haben und genau das Leben zu führen, was sie immer wollte. Und doch stellt gerade sie Überlegungen an, sich von ihrem Ehemann Bastian zu trennen, weil sie meint, den Mann, den sie als ihren allerbesten Freund bezeichnet, nicht mehr zu lieben.

    Das sieht Sebastian völlig anders. Er will sich auf keinen Fall trennen, und Eva lässt sich auf ein Treffen mit ihm ein. Weil ihr an ihm etwas vertraut vorkommt. Weil sie neugierig ist. Und als sie ihn kennenlernt, weiß sie, dass sie als Jugendliche in ihn verliebt war und dass Franka denjenigen geheiratet hat, von dem sie damals träumte.

    Eva wird erneut von Sebastians Begeisterung und Lebensfreude angesteckt. Es bleibt nicht aus, dass beide Gefühle füreinander entwickeln ...


    In „Nur noch bis morgen“ erzählt Martha Simmat mit Verständnis und Empathie die Geschichte von Menschen, die sich unterschiedlichen Herausforderungen in ihrem Leben und in der Liebe stellen müssen und vor kleinen und großen Entscheidungen stehen. Das klingt dramatisch, und ist es zum Teil auch. Tatsächlich liegt zunächst eine gewisse Schwermut über dem Geschehen, die im Verlauf der Handlung unterbrochen, zurückgenommen und vom Druck befreit und letztlich auflöst wird. Martha Simmat würzt die Ereignisse indes auch mit humorvollen Momenten, so dass unbestreitbar tragischen Situationen die Schärfe genommen wird.

    Heldin Eva steht überwiegend im Mittelpunkt. Sie hat es gewagt, sich aus der Beziehung mit Andreas, einem Tyrannen, zu lösen, sieht sich nun aber den Konsequenzen ausgesetzt.

    Der Autorin gelingt es ohne Zweifel, den Zwiespalt ihrer Protagonistin glaubhaft darzustellen, ihre Traurigkeit, ihrer Tochter nun nicht mehr das angenehme Leben mit Reitunterricht, regelmäßigen Kinobesuchen, einem neuen Handy bieten zu können. Eva strahlt angesichts ihrer Lage anfänglich sehr viel negative Energie aus. Sie fühlt sich unendlich allein und vom Leben ungerecht behandelt. Ergeben sich positive Wendungen, passiert irgendetwas Unvorhergesehenes, das alles wieder zerstört. Deshalb traut Eva ihrem Glück nie.

    Erst die Begegnung mit Franka und vor allem die Liebe zu Sebastian bewirken eine Veränderung. Dadurch kann sie Vertrauen zulassen. Vertrauen in ihre Empfindungen. Vertrauen in das Leben, das sie gewählt hat. Vertrauen in sich selbst.

    Denn „das Leben (ist) ein Abenteuer ... Das Leben hat nicht irgendein Ziel am Ende vergeudeter Jahre. Das Leben ist das Ziel ... Der Sinn des Lebens ist, das Spiel zu spielen und gut zu spielen – und Spaß zu haben.“
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