Kein Reinecke Fuchs: Robert Fuchs mit einer Lieblingssinfonie für Brahms und Clara Schumann
Dies also ist der Lehrer von Richard Strauss, Gustav Mahler, Franz Schmidt, Hugo Wolf und Sibelius!
Ich dachte immer, die Lehrer dieser Komponisten müssen ein absolutes Gespür für sichere klassische Formgesetze gehabt haben, anders ist der gekonnte Umgang dieser Komponisten mit der Sinfonik und dem Lied nicht zu erklären. Dass aber gleich ein einziger für sie alle verantwortlich war, lässt aufmerken – denn offenbar ist hier eine Person für den Fortbestand klassischer Solidität in Mittel-Europa wesentlich mitverantwortlich.
Und er war offenbar u.a. wie Ernst von Dohnanyi einer von Brahms Lieblingen: Fuchs 1.te Sinfonie hatte Brahms von Anfang an schon vor ihrer Uraufführung so überzeugt, dass dieser alles daran setzte, dass sie sofort gedruckt und veröffentlicht wird. Zusammen mit Clara Schumann, die ebenfalls von diesem Werk enthusiastisch überzeugt war, spielte er sie zu vier Händen am Klavier (zu lesen bei Thorofon zur ersten und zweiten Sinfonie).
Und tatsächlich: es war alles andere als trockener Akademismus, sondern wahre romantische und klassische Be-Geisterung, die bis heute für dieses Werk einnimmt. Es ist diese geniale Mischung aus romantischen Naturrausch, klassischer Vernunft, städtischer Kultur, und dazu echt wertvollen Einfällen von plastischer Greifbarkeit, die schon über das Maß des neunzehnten Jahrhunderts mit tonaler Musik hinausgehen will. Des weiteren ist es Fuchs besonderes Merkmal - ähnlich wie bei Radecke und Gernsheim - dass er gute Einfälle ausführlich wiederholt und behandelt. Sehr deutlich in der 1.ten Sinfonie, z. B. in den Ecksätzen. Bei manchen Komponisten ist es so, dass sie einen genialen Einfall gelegentlich nur einmal oder zweimal bringen und behandeln ihn nicht weiter. Oft erwische ich mich, wie ich dann am CD-Spieler häufig dieses Thema wiederhole, um es besser wahrnehmen zu können. Nicht so bei Fuchs (oder Radecke), die ein Thema ausführlich behandeln und wiederholen. Das sättigt! Das gleiche findet man so später in moderner Form bei Mahler und Strauss, Schmidt, die oft ausführlich in vielen Variationen ein Thema abhandeln (Nr. 6 Tragische, Sinfonia Domestica, Nr. 4).
Die Themen der beiden hier vorgestellten Sinfonien sind sehr interessant: Die erste Sinfonie ist einfallsreich vom ersten bis zum letzten Satz: es ist eine Art von „Sinfonia Domestica“, es geht um schöne Kleinigkeiten des Kulturlebens zwischen Großstadt einerseits und Landvilla oder Landgarten andererseits, vor den Kulissen der damaligen romantisch-klassischen Architektur, vor ihrer Zerbombung. Viele Details evozieren Bilder einer alten Großkultur, wie man sie so heute meist nur aus England, Frankreich, Italien und Holland kennt.
Die 2.te Sinfonie op. 45, die Fuchs in Berchtesgaden verfasste, klingt wie eine philosophische Feierstunde eines Vereins. Tatsächlich wie eine Befreiungsfeier. Hörenswert! Nicht selten verwendet Fuchs Wendungen oder Motiv-Bestandteile, wie man sie so bei Schumann findet (siehe op.45), aber sie gehen in eine etwas andere Richtung, so als wolle Fuchs das Klang- und Weltbild von Schumann etwas korrigieren. Das findet man so auch bei Robert Radecke!! Das finde ich schon etwas sensationell. Insofern kann man die Musik von Fuchs (auch die von Radecke und Gernsheim) als Fortschritt nach Schumann betrachten. Er hat Gestaltungsmuster der Vergangenheit erweitert und intelligenter konstruiert.
Zur Neuaufnahme kann man nun sagen, dass Steffens mit dem WDR SO Köln gegenüber den schönen Aufnahmen mit Müssauer bei Thorofon eine deutliche Verbesserung durchgeführt hat. Die Musik klingt etwas geglättet, aber auch bereinigt. Die Tempi sind etwas ruhiger und länger, vor allem in der 2.ten, was wirklich richtig und sinnvoll ist, da es der Musik mehr Gewicht und Größe gibt. Die Kritik bei Meiernberg würde ich so nicht teilen. Müssauer ist zwar auch interessant, der Klang hat dort beabsichtigt etwas mehr „Reibungen“, aber die neue Aufnahme mit Steffens ist eine nötige Alternative mit harmonischeren Klangbild.
Insgesamt möchte ich sagen: bei diesen beiden Sinfonien von Fuchs handelt es sich sicher um Meisterwerke der Romantik, die ebenbürtig neben Brahms und Schumann stehen; der Grund, warum sie noch nicht mit hunderten Aufnahmen durchbrachen, liegt wohl einfach daran, dass es so viel sehr gute Musik gibt und dass es dann naturgemäß eben dauert, bis man es dann entdeckt und aufführt. Man kann von der Welt und der „Gerechtigkeit der Musikgeschichte“ einfach nicht erwarten, dass sie auf einen Augenblick zigtausende Meisterwerke sofort verwirklicht. Damals hätten die Levines und Karajans Kenntnis von dieser Musik haben müssen, dann wäre sie heute selbstverständlich berühmt.
Auf jeden Fall darf man sagen: diese Musik gehört häufig aufgeführt und auf CD veröffentlicht, denn sie ist ein Fortschritt in der Weiterentwicklung der tonalen Musik nach Schumann!
Die CD ist unbedingt ihre 18.- € wert, als Alternative sind die Müssauer-Aufnahmen aber auch wertvoll.
Wer sich für weitere Musik dieser Art interessiert: ähnliches wie oben genannt gilt wohl sicher auch für Radecke, Gernsheim, Rudorff, Bruch, Herzogenberg, Volkmann und Bargiel, Hoffmann, Klughardt. Weiteres findet man auch in Schweden, Frankreich, Holland: Norman, Berwald, Byström, Josephson, Andree, Otto Olsson, Henri Reber, Onslow, Berlioz, Verhulst, Peter de Bree, Bernhard Zweers.
urantik,a.o.,anck