5 von 5
kmf
24. August 2016
Gesamteindruck:
5,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
"Bettelstudent" trifft "Ball im Savoy"
Joseph Beer? Eine Operette mit dem Titel "Polnische Hochzeit"? Nie gehört - und die Erwartungen sind erst einmal nicht allzu hoch... Das wird irgendwas in der Ecke "Polenblut" oder "Bettelstudent" sein - wahrscheinlich eine brav unterhaltsame Operette, die die Welt nicht braucht...
Und dann schon bei den ersten Takten ist die Überraschung groß: Was man zu hören bekommt ist nicht der auswechselbare Soundtrack zu einer polnischen Schmachtschmonzette - sondern wirklich gute, absolut vitale Musik: Polnisches Lokalkolorit trifft auf freche Jazzrhythmen, große Arien und Szenen auf fetzige Buffoduette - das Ganze wirkt ein wenig, als hätten hier Kálmán, Lehár und Abraham ein Gemeinschaftswerk verfasst - und man kommt bis zum Schluss aus dem Staunen nicht mehr raus, weil ein Hit den nächsten jagt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Das frech synkopierte in chromatischen Harmonien schillernde Buffoduett "Katzenaugen", das einem noch Tage nach dem ersten Hören nicht aus dem Kopf gehen will...
Hier muss man CPO wirklich danken, dass sie hier zusammen mit Ulf Schirmer und dem Münchner Rundfunkorchester einen wahren Operettenschatz gehoben haben - und noch dazu in einer der besten Aufnahmen der jahrelangen Kooperation: Die Solisten sind allesamt top und gehen in ihren Rollen auf - manchmal würde man alles gerne noch ein bisserl frecher hören (so, wie Operette eben gerade in Berlin gemacht wird), aber das wäre Jammern auf höchstem Niveau. Das Münchner Rundfunkorchester und der Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz swingen unter der Leitung von Ulf Schirmer, wie noch in keiner Operetten-Aufnahme zuvor für CPO.
Nach dieser fulminanten "Polnischen Hochzeit" würde man nun am liebsten einfach weiterhören - am besten mit Joseph Beers einziger anderer Operette "Der Prinz von Shiraz", mit dem er 25-jährig die Bühnen seiner Zeit eroberte, bevor das Nazi-Regime die gerade startende Karriere des jüdischen Komponisten beendete... Das wäre doch ein lohnendes weiteres Projekt für CPO, wenn man sich was wünschen dürfte...