4 von 5
hanslick
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Alter:
55 bis 65
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Geschlecht:
Männlich:
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Kunde seit:
5-10 Jahre
24. Dezember 2015
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
4,0 von 5
Repertoirewert:
4,0 von 5
Moonwalking
Wie neuerdings die Vierte wird hier auch die fünfte Sinfonie engagiert gespielt, besonnen geleitet und ist gut (räumlich wie klanglich) aufgenommen worden. Man will damit die Wiederentdeckung oder -belebung des "vernachlässigten" Komponisten Enescu betreiben. Damit wird es aber, soweit ich sehe und höre, nicht gut gehen. Wieso ?
In Enescus Werken seit den zwanziger Jahren war zu beobachten ein eigenartiges Ineinander von Fortschritt und Rückschritt. Sein Weg kleinster Motivzellen, die immer variiert und als solche verknüpft werden, führte an die Grenzen der tonalen Welt und letztlich keinem Ziel zu; wie mutlos und trippelnd sind die Schritte, die schon in der dritten, dann in der vierten Sinfonie getan werden ! Für die durchaus mangelnde Kontur im Thematisch-Melodischen traten dann Klangfelder ohne Konsequenz ein und improvisatorisch wirkende Monodien, wie sie bereits das Vorspiel zur ersten Orchestersuite (1903 !) als Streicherunisono gab. Es ist hier gegen Ende des Lebenswerkes ein wenig so, als hätte Enescu gemeint, wenn man schon die rumänische 'Volks'-Musik nicht zur Kunstmusik erheben könnte, dann müßte man sie eben neu erfinden. Heraus kamen die durchweg langsamen, mäandernden Motiv-Wellen, deren Entwicklung Verbindlichkeit mangelt; diese, und also Stil, scheint unerreichbar. Stil ist eben nicht durch Willkür zu haben. In der Fünften schlägt dann alles klanglich in die Bereiche der Ersten zurück, von der m.E. eine Wiederbelebung Enescus auszugehen hätte so wie von seiner Oper, die von dem, was hier im Spätwerk strukturelle Mängel sind, profitierte (weil Gesang mit dieser Technik leichter zu gestalten ist, dabei allerdings zu pathetischer Musikprosa wird). Eine melancholische Konfession, so könnte man diese Fünfte nennen, aber selbst hier wirkt es doch seltsam, wenn der im Schlußsatz vertonte Text ein Flehen um Ruhe (!) ist, - allerdings um Ruhe für das Grab. Dieses Arioso mit deklamatorischen Stellen wird von Marius Vlad übrigens eindringlich und nicht veräußerlicht=sentimental gesungen. -- Meine Sympathie und Bewunderung für Enescu wird hier gleichermaßen melancholisch eingedunkelt. Man sieht an ihm wie an vielen Komponisten der Zeit, daß Fortschreiten im Kleinen wie im Großen zu einer kaum überwindlichen Schwierigkeit werden kann; es mag Enescu zur Ehre gereichen, daß er dies Fortschreiten nicht brachial erzwang. Damit aber steht seine Musik historisch und im Hör-Erleben still und läßt uns ratlos zurück. Wir wissen nicht, was er hoffte und erwartete; so wenig wir wissen, wie wir seinen Werken gerecht werden können, suchen wir sie auch angesichts der veranstalteten Öde staatlich geförderter Avantgarden mit allzu nachträglichen Hoffnungen auf. Gerade die Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts, die Fortschritt oft nur behauptet und Gesten statt Taten gibt, mußte erfahren, was Karl Valentin so aussprach: Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war.