4 von 5
gemi:re
Top 25 Rezensent
15. April 2018
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
3,0 von 5
Pollini vollendet Debussy
Bereits 2016 hat Maurizio Pollini im lang erprobten wie daselbst geschätzten Münchner Herkulessaal den 2ten Band der Preludes von Debussy aufgezeichnet. Nun, rund 20 Jahre nach Band I, und vollendet marktgerecht zum 100ten Todesjahr des Komponisten, zudem bereichert um die Suite für vier Hände 'En blanc et noir', gemeinsam mit Dirigenten-Pianisten Sohn Daniele, werden die fehlenden 12 der 24 veröffentlicht.
Von jubiläums- wie marktstrategisch irritierenden Gedanken einmal abgesehen, ergibt sich inzwischen die naheliegende Frage nach Pollinis pianistischer, wohl weniger musikalischer Potenz, denn nach 20 Jahren klingt auch sein Debussy unterscheidbar anders als früher, wie es auch seine Mozart-, Chopin- und Brahms-Aufnahmen aus jüngster Zeit etwas ernüchternd belegen.
Ich habe eigentlich nicht mehr mit dem 2ten Band der Debussy-Preludes von Pollini gerechnet, der 1912 vollendet dem ersten (1909-10) folgte, komponiert als Markstein einer neuen, französischen Musik, eines 24er-Preludes-Statement zu den Grössen Bach und Chopin.
Und Pollini enttäuscht nach all den Jahren mit Debussy nicht.
Ich habe mich doch gefreut, ein besonnen und mehr verhalten klingendes, dabei präzise und dezent artikuliertes und wie immer höchst reflektiertes Spiel zu hören, das hier ohne störende, herbe Kantigkeit des Tons eine lang erworbene und praktizierte, intime Vertrautheit mit Debussy-Klängen offenbart.
Dabei agiert er durchaus recht bewegt und kleinteilig sogar rasch, durchweg und z.T. sogar erheblich schneller als Michelangeli, und näher an den schlankeren Debussy-Zeichnern Beroff oder Aimard.
Auffällig, wie knapp Pollini das VII. Prelude 'La Terrasse des audiences ...' formuliert, ohne auch sonst fremdartig romantisch pastose Chromatik, die, z.B. bei aller pianistischen Seriosität des alten Arrau, rein musikalisch doch stört.
Bei Pollini dominiert eine abgeklärte und souverän formulierte Finesse mit Klangformat.
Die späten 1915er Suite-Stücke 'En blanc et noir' beziehen sich kompositionshalber oberflächlich auf die 'schwarzen und weissen Tasten' eines Klaviers, verweisen aber als ästhetische Transformation inhaltlich als soziokultureller Kommentar und Reflex auf diese fürchterliche Zeit des I.Weltkriegs, von Debussy auch nachlesbar kommentiert.
Mir ist davon bisher nur die respektable Aufnahme der Kontarskys bekannt, und hier erfährt sie eine allemal adäquate, pianistisch wie inhaltlich sehr engagierte Neuaufnahme, auch für die Pollinis.
Debussy avec esprit, merci!