4 von 5
JAW-Records
Top 50 Rezensent
15. Mai 2018
Gesamteindruck:
4,0 von 5
Künstlerische Qualität:
5,0 von 5
Repertoirewert:
3,0 von 5
Leider ist ein Warnhinweis nötig!
Eine sehr dringlich geschriebene Besprechung, vielleicht später noch mehr zu den künstlerischen Aspekten dieser Icon 22CD-Box mit dem Dirigenten Joseph Keilberth, die in allen Belangen des Schaffens des Dirigenten, der Orchester und der Aufnahmetechniker von Telefunken mehr als fünf Sterne verdient hätte. Nur soviel dazu:
- Die künstlerische Bedeutung des Dirigats ist durchwegs hervorragend.
- Auch das Orchesterspiel ist erstaunlich (immerhin handelt es sich ja noch um die Nachkriegszeit!).
- Die Tontechniker haben Maßstäbliches geleistet. Die meisten Aufnahmen klingen was Präsenz, Räumlichkeit und Balance angeht im Grunde wie gestern gemacht.
- Die Zusammenstellung der Telefunkenaufnahmen ist anscheinend vollständig (lasse mich gern eines Besseren belehren)
- Die Aufmachung wie bei der Icon-Serie üblich nicht grade sehr liebevoll, aber zumindest mit den wichtigen Daten zu den Aufnahmen versehen.
Jetzt zum Grund für die Eile dieser Besprechung, nämlich den Digital-Transfers:
Alle bisher schon auf CD veröffentlichten Aufnahmen klingen in der vorliegenden neuerlichen digitalen Überarbeitung sehr gut bis hervorragend.
Im Einzelnen:
- gegenüber der alten "The Artistry of Joseph Keilberth" von Teldec (weißes Cover mit Farbfoto von Keilberth und blauem Band oben) gibt es deutliche Verbesserungen in der Auflösung und Präsenz.
- gegenüber der deutschen Teldec (Ultima) Doppel-CD mit den Regerstücken klingt die VÖ auf Icon deutlich besser. Somit erübrigt sich auch die neuere Ausgabe in der Warner Reger-Box.
- gegenüber den japanischen Teldec Reihe "Joseph Keilberth" (Großer Kreis und kleines s/w-Foto auf den Cover) gibt es Veränderungen des Klangs, oft mehr Raum und weniger scharfes Klangbild.
- gegenüber den neuesten japanischen Warner-Teldec mit Originalcovers kann ich auf die Schnelle keine Favorisierung geben. Das Klangbild ist jedenfalls leicht ist auch deutlicher unterschiedlich, wobei bei der aktuellen Icon-Box die Höhen durchweg präsenter sind. Da dies alle diese bereits auf CD veröffentlichen Aufnahmen betrifft und sie so einander ähnlicher klingen als bei den Japanern, gehe ich davon aus, dass es sich um eine leichte "Nachbehandlung" handelt. Ob einen das stört liegt meines Erachtens im persönlichen Geschmacksbereich. ich selbst habe die neueste Japan-Ausgaben (3CD-Mozart-Box, 5CD-Beethoven-Box, 3CD-Brahms-Box, 2CD-Bruckner) behalten, schon wegen der liebevollen Gestaltung mit den originalen LP-Covers.
NUN ZUM PROBLEM:
Folgende Werke waren laut Angaben von Warner noch nie auf CD veröffentlicht:
Mozart: Sinf. 28 + 30 + 2 Menuette + 6 Deutsche Tänze + Zauberflöte-Ouv + Schauspieldirektor-Ouv.
Weber: Euryanthe-Ouv. + Freischütz-Ouv.
Schubert: Sinf. 6 (Erst-VÖ in Stereo)
J. Strauss: 5 Walzer
Dvorak: Slawische Tänze (komplett) op.46 + 72
Hindemith: Nobilissima Visione + Sinfonische Metamorphosen
ALLE diese Transfers dieser Erst-VÖs auf CD wurden von der französischen Firma "Art & Son Studio" erstellt und ALLE diese Transfers sind katastrophal misslungen! So könnte es einfach gesagt jeder Laie anhand von halbwegs ordentlich erhaltenen LPs auch hinbekommen: PC Programme DeKlick und DeNoise beide auf MAXIMAL stellen und fertig ist die "Digitalisierung"!
Ich muss es so krass ausdrücken, denn SO klingt das Ganze: Im Forte ist alles ok und man freut sich über das Klangbild, aber Sobald es leiser wird, werden SCHWERSTE Artefakte hörbar. Die Höhen verschwinden über die Maßen, der Raumklang fehlt völlig (die Aufnahme kollabiert quasi), die Instrumente sind teilweise nicht mehr zu erkennen (z.B. ein leises Streichertremolo) und dadurch werden die Lautstärke natürlich auch grotesk übertrieben und jegliche Homogenität zerstört. Diese Aufnahmen sind so digitalisiert schlicht ZERSTÖRT und nicht anhörbar!!!
Zum Glück sind quasi 18 CDs gut bis hervorragend gelungen, aber dass gerade die 4 CDs mit so wichtigen und wunderbaren Stücken, die gerade die Bewunderer des Dirigenten wohl auch neugierig gemacht haben weil sie noch nicht auf Cd zu hören waren, missraten sind ist besonders enttäuschend und ärgerlich.
Immer wieder ist bei Warner - gerade in der Icon-Reihe - zu bemängeln, dass Aufnahmen auch im Klang unangemessen lieblos in zu sorglosem Remastering (übermäßige "Reinigung") präsentiert werden ohne auf das Klangergebnis in der Natürlichkeit des Klangbilds - geschweige im Abgleich zu guten LP-VÖs - zu achten. Diese doch wichtige weil so lange überfällige Veröffentlichung der Keiilberth-Aufnahmen schießt mit den doch immerhin vier verhunzten Stunden Musik aber den Vogel ab! Das ist jenseits jeglicher Grenze von möglicher Rechtfertigung!
Von den wunderbaren Hindemith-Aufnahmen habe ich selbst anhand einer Telefunken Doppel-LP (zusammen mit Hindemiths Dirigat seiner Mathis Sinfonie und des Philharmonischen Konzertes) eine Doppel-CD angefertigt. Natürlich habe ich bessere Möglichkeiten für solch eine Bearbeitung als ein normaler Musikliebhaber - dennoch sind diese sicherlich bescheiden gegenüber von professionellen Studios! Zudem stand mir kein originales Masterband zur Verfügung, sondern nur kommerzielle LPs.
DENNOCH ist mein eigener Transfer in JEDEM Punkt dem der Icon-VÖ haushoch überlegen! Wohl nur deshalb, weil ich HINHÖRE!!!
So etwas ist schändlich . . .
Leider kann ich ja nicht meine schöne Art-Coverausgabe mit originaler Labelung so nicht verkaufen, aber anhand eines ungelabelten Rohlings können Sie sich davon überzeugen (die Aufnahmen selbst sind ja angesichts des Alters 1955 nicht mehr rechtlich gesperrt) oder ich stelle auf meiner Seite "klangrede" ein Hörbeispiel (z.B. den zweiten Satz auf den sinfonischen Metamorphosen) als MP3 ein. DAS dürfte trotz verminderter Qualität immer noch überzeugend meine Aussage hier belegen!
Wie kann man Firmen dazu bringen, seriöse Arbeit abzuliefern? Wenn niemand Unterschiede hört oder Wurschtigkeit vorherrscht wohl gar nicht. . .
Es ist eine Schande für Warner und für Art & Son . . .
Joachim Wagner