3 von 5
jommelli
Top 50 Rezensent
28. April 2017
Gesamteindruck:
3,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
5,0 von 5
Keine Sternstunde
Telemanns 1755 zur 200. Wiederkehr des Augsburger Religionsfriedens komponiertes einstündiges Oratorium ist ein interessanter Beitrag zum diesjährigen Telemann-Jubiläum (250. Todestag), das bislang in der Musikwelt noch nicht so recht angekommen zu sein scheint.
Der äußerst zeitgebundene und mithin erwartungsgemäß protestantisch-polemische Stil der Textvorlage, die sich in zwei Teilen um eine Predigt gruppiert, wird im Wesentlichen in sich abwechselnden Rezitativen und Dacapo-Arien vertont, die nur von wenigen recht kurzen Chören und Chorälen unterbrochen werden.
Wie in den meisten in Telemanns letzter, sehr produktiver Schaffensperiode komponierten Werken, überrascht der fast 75-jährige Komponist durch eine zur damaligen Zeit äußerst moderne und abwechslungsreiche Klangsprache, die oft an jüngere Zeitgenossen wie Graun oder die Bach-Söhne erinnert und durch zahlreiche aparte melodische und harmonische Wendungen glänzt. Deutlich zugunsten schlichterer und unmittelbar zum Hörer sprechender Klangrede tritt die komplexe polyphone Kompositionsweise in den Hintergrund, wodurch Telemann zu einem wichtigen Bindeglied zwischen Spätbarock und ersten Formen der Frühklassik wird.
Doch das klangliche Ergebnis dieser Studioaufnahme unter Reinhard Goebels Stabführung befremdet. Wenn man den trotz Vibratoverzichts satten, leicht basslastigen Streicherklang, das sehr präsente Cembalo, die laut strahlenden Ventiltrompeten und vor allem in den Rezitativen die merkwürdig lang ausgehaltenen Orgel-und Fagottklänge hört, käme man nicht auf die Idee, dass hier einer der einst radikalsten Vertreter der historischen Aufführungspraxis dirigiert. Vielmehr fühlt man sich an eine Art der Barockmusikinterpretation erinnert, die man schon vor Jahrzehnten als überholt erachtete. Anders als Dirigenten wie Pinnock, McCreesh oder Bernius gelingt es Goebel insgesamt nicht, die positiven Errungenschaften der Originalklangbewegung auf ein modernes Ensemble zu übertragen. Sehr unschön agiert der viel zu groß besetzte Chor des Bayerischen Rundfunks mit seinem kompakten und merkwürdig pauschalen Klang, was auch an der matten und glanzlosen Studioakustik des BR liegen mag. Wesentlich überzeugender präsentieren sich die ausgezeichneten Vokalsolisten, denen man aber ein günstigeres orchestrales und akustisches Umfeld gewünscht hätte.
Fazit: Für Freunde unbekannter alter Musik eine durchaus erfreuliche Ausgrabung, insgesamt aber wahrlich keine Sternstunde in Sachen Telemannrezeption.