3 von 5
gemi:re
Top 25 Rezensent
13. September 2017
Gesamteindruck:
3,0 von 5
Künstlerische Qualität:
3,0 von 5
Repertoirewert:
2,0 von 5
Kissins DGG-Neu-Einstand mit Beethoven
Da ist Evgeny Kissin beim Gelblabel wieder da, mit Sonaten von Beethoven.
Dies scheint doch auch sehr als Marketingcoup wie bei Perahia, leider nun discografisch eher verstummt.
Und Kissin, der lange zwischenzeitlich anderswo produktive wie auch schon länger verschwundene (Jung-)Klavier-Star firmiert nun wieder bei der DGG, dazu noch ganz premierabel, mit einer Sammlung von Mitschnitten seiner Beethoven-Sonaten der letzten zehn Jahre.
Da wurde auch Älteres (2006) neu kompiliert, offiziell nach Vorgaben des Pianisten, und ergibt nicht nur klanglich, mit einigen hörbaren live-Geräuschen, eine recht diverse 'mixed box', die auch musikalisch uneinheitlich wirkt.
Kissin, gewiss kein genuiner Beethovenianer, ist zwar pianistisch-manuell nach wie vor ein artistisch hochkarätiger Spieler, jedoch musikalisch eher ein alter Protagonist einer Romantik russischer Seele (und Schule), was seine zahllosen Aufnahmen auch durchaus eindrucksvoll belegen.
Mit der konstruktiven Seite und musikalisch durchformulierter Strenge, einem Gestaltkonzept für Beethoven, hat er weniger im Sinn, und neigt generell zu romantisierend betonter Gefühligkeit oder zu flink-effektvoll pingeligem bis draufgängerisch-knalligem Anschlag.
Mit musikalisch sinnvoller Disposition und inspirierter Gestaltung a la Gulda oder Kempff, um verschiedene, aber nachvollziehbar respektable Beethovenperspektiven zu nennen, hat sein Spiel wenig zu tun.
Die frühe grosse 3te Sonate und die kleinteilig-kurzen Variationenfolgen gelingen z.T etwas rokokohaft noch am besten, weniger von sentimentalischer Spielwillkür gefährdet, als vielmehr die allseits geläufige sog. 'Mondscheinsonate'.
Die, pars pro toto, wird gewichtig gestelzt angegangen und zum Ende ihres ersten berühmt 'mondenden' Satzes nochmal so verlangsamt wie bedeutsam aufgeladen zu einer descriptiven Mondfinsternis, sozusagen, was rein musikalisch unsinnig wie populistisch wohlfeil zelebriert klingt.
Aus dem Agitato wird beinah geläufig klimperndes Etüden-Presto musikalisch wenig stringent artikulierter Verläufe, die wie sonst auch selten mal durchgängig a-Tempo, sondern eigenwillig 'stimmungsvoll' schwankend vollzogen werden.
So wird das I.-Allegro-assai der Appassionata unsinnig abgebremst, erhalten auch die Triller der Arietta op.111 z.T. eine bedeutungshafte Eigenständigkeit, wenn sie etwa nur eine atmosphärisch-chromatische Funktion im Gesamtverlauf des 'Cantabile' erfüllen, und als quasi metamusikalische Farbe den Klang des Adagios unterstützen sollen.
Wilhelm Kempff's Arietta ist dazu vergleichsweise eine musikalisch-pianistisch äquilibrilistische Meisterleistung einer molto cantabile-Offenbarung, bei weit geringerem Zeitaufwand.
Kissin bietet also kaum neu verinnerlichte, sensibel oder sonstwie plausibel erforschte Neuentdeckungen der Sonaten Beethovens, sondern eher viel eigenwilliges und z.T.auch inadäquates Beethovenspiel, rein pianistisch durchweg untadelig überzeugend, aber gut spielen können andre auch, auch ohne Beethoven-Bereicherung.